Weiße Nächte
Von Robert Heymann
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Buchvorschau
Weiße Nächte - Robert Heymann
Yerfasser.
Das
Märchen vom Mondfräulein.
Es lebte einmal in einem grossen Walde voll uralter meergrüner Palmen und perlweisser Blumen ein junges Mädchen.
Das war von bleicher Schönheit wie der Abendstern. Sein langes bernsteinfarbiges Haar floss um den Körper wie Sonnenstrahlen um Marmorfelsen, und seine Lippen waren röter als die Mohnblumen des Feldes. In seinen Augen aber spiegelte sich die saphirblaue Wölbung der Himmel mit ihren zuckenden Sternen, und drüber zogen sich sein und zart die Brauen wie die ferne, dämmernde Grenze zwischen Meer und Firmament.
Die Glieder der Jungfrau waren weisser als die Flügel einer Taube und schlank wie die Körper der Lilien.
Wie sie in diesen Wald gekommen, wusste niemand, sie selbst wohl auch nicht. Nur wenig Menschen hatten sie gesehen, die sich beim Jagen der Löwen verirrt, und diese nannten sie das Mondfräulein wegen ihrer bleichen Schönheit.
Die Frauen aber hiessen sie eine böse Hexe, denn alle Männer, die das seltsame Wesen erblickt hatten, kamen krank nachhause und starben gar bald. Und der Zauberer des Dorfes sagte, ein böser Geist sei in sie gefahren und habe ihre Seelen vergiftet. —
In jenen Stunden nämlich, da in den weissen Düften der Nächte die Sterne funkelten wie die Blutstropfen auf der bleiden Dulderstirne des Messias, und wo der Mond, goldgelb wie das Auge des Jaguar, sich in den blaugrünen Wellen der Himmel schaukelte, da meinten wohl die heimkehrenden Männer ein traurig-süsses Singen zu hören wie ferne, verklingende Accorde einer Harfe.
Und die blüthenweichen Töne wiegten sich auf den Saiten der Winde und tanzten leise und schwebend wie der schlanke Fuss des Reh’s auf Waldesmoos, flossen ineinander, erschauernd in keuscher Wollust, und lösten sich in stillen Klagen und sanken nieder wie Thränen auf die lauschenden Blumen und starben mit einem stummen Seufzer.
Und mit zitterndem Athem und lauschenden Augen gingen die Männer dem Gesange nach.
Es war ihnen, als hätten sich all die Töne zu einer duftschweren Kette vereinigt, die sich um ihre Körper schlang und sie mit sich zog in die Weite.
Und dann sahen sie zwischen mondumsponnenen Blättern, im raunenden Schilfe liegend, die schmiegsamen Arme unter dem Kopfe verschränkt, die tiefen Augen zum Monde gerichtet, das Mondfräulein liegen.
Und sie sang — — —
Ringsum aber lagen die Tiere des Waldes und horchten.
Und der Schnee des jungfräulichen Leibes hob sich schlangengleich aus dem saftigen Grün ihres Lagers, und er war schlanker als der Körper des Reh’s, mit geschmeidigen Gliedern und vollen, runden Brüsten. Ihr Hals aber war lang, mit den Linien der Gazelle, und ihre Schultern waren kräftig und rund wie die Blätter der Wasserrose.
Und die Männer fielen auf die Kniee und horchten, horchten — — —
Dann stand sie wohl auf, strich ihr Haar zurück, wie die Blume des Morgens den Tau von sich schüttelt und sich langsam erhebt, sah die Männer an mit grossen, verwunderten Augen und ging, zart wie mit Sohlen des Windes, und ihre Brüste wiegten sich leise wie die Wellen des Flusses. Die Menschen aber standen und sahen, bis die Glut ihres Haares hinter den dunkeln Stämmen verschwunden war.
Und traurigen Herzens und müden Sinnes gingen sie nachhause.
Bald darauf waren sie tot. —
So kam es, dass die Frauen des Dorfes herumschrieen, das Mondfräulein sei eine böse Zauberin, die die Männer verführe und dann töte.
Sie aber wusste vor alledem nichts. Sie wusste nicht, dass es Menschen gäbe wie sie, und die, welche sie gesehen, betrachtete sie mit denselben Augen wie die Tiere des Waldes.
Sie wusste nichts, dachte