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Auslandspass Nr. 188042
Auslandspass Nr. 188042
Auslandspass Nr. 188042
eBook220 Seiten3 Stunden

Auslandspass Nr. 188042

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Über dieses E-Book

Ein Schuss löst sich in der Nacht – ein Schuss, der viele Fragen aufwirft. Alles scheint sich um einen Pass zu drehen, der aus einer Jagdhütte verschwunden ist. In der Hütte befand Jagdpächter von Dahlen sich nämlich auch. Und der ist jetzt mausetot. Niemand scheint etwas über diesen fremden Reisepass zu wissen. Nur die kesse Olga, deren Aussage wenig glaubwürdig scheint, bringt Licht in das Dunkel. Die mörderische Spur zeigt Richtung Amerika und schon bald hegt die Polizei einen furchtbaren Verdacht. "Den ganzen Tag hat es geregnet. Erst gegen Abend hat der Wind die Regenwolken vertrieben. Durch ziehende Wollenfetzen zwängt sich schon ein bleicher, dunstumkränzter Mond zeitweise hervor.-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum21. Jan. 2016
ISBN9788711445105
Auslandspass Nr. 188042

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    Buchvorschau

    Auslandspass Nr. 188042 - Axel Rudolph

    Saga

    1.

    Den ganzen Tag hat es geregnet. Erst gegen Abend hat der Wind die Regenwolken vertrieben. Durch ziehende Wolkenfetzen zwängt sich schon ein bleicher, dunstumkränzter Mond zeitweise hervor.

    Otto Brielow gefällt der Witterungsumschlag gar nicht. Mondschein — das hat ihm gerade noch gefehlt. Da ist die Lichtung. Wenn man sie überquert, sind es nur noch etwa zwanzig Minuten durch den Busch bis zum Dorf. Nee, lieber nicht! So oft der verdammte Mond aus den Wolken hervorguckt, liegt die ganze Lichtung in fahler Helligkeit da. Und drüben, hinter den Kiefern des Waldrandes liegt die Jagdhütte. Man kann sie von hier aus nicht sehen, wohl aber könnte gar leicht ein Jägerauge von dort den Mann entdecken, der die Lichtung überquert.

    Nebel geistern um die Senke, spinnen Fäden von Gestrüpp zu Gestrüpp. Knorrige, einzelstehende Baumstrünke drohen schwarz und schattenhaft. Nasses, hartes Gras, Sumpfland, wirres Gestrüpp und schwarze Kiefernwälder. Drüben fällt das Mondlicht auf das geisterhaft bleiche Band eines Sandweges, der sich im hügeligen Gelände verliert. Eine Nacht und eine Landschaft, in der alle Geisterchen und Kobolde der Mark lebendig werden. Man könnte träumen von Frau Hake und Frau Huk, von Irrlichtern und Nebelgeistern.

    Otto Brielow hat keinen Sinn für Sagen und nächtliche Spukstimmung in Heide und Moor. Er möchte jetzt auch viel lieber Frau Hake oder dem Teufel persönlich begegnen als etwa dem Wachtmeister Panz oder zum Beispiel dem Jagdpächter von Dahlen, der da drüben in der Hütte haust. Vorsichtig schlägt er einen weiten Bogen um die Lichtung, tastet sich im Finstern durch Wald und Buschwerk, bis er zwischen den Bäumen den hellen Streifen der Landstraße schimmern sieht. Das Jagdhaus des Herrn von Dahlen liegt jetzt hinter ihm. Drüben, jenseits der Landstraße kann ihm keiner was. Das ist schon Pritzower Gemarkung.

    Otto Brielow will schon mit einem Satz seiner langen Beine über den Graben und auf die Landstraße, als er plötzlich stehenbleibt, sich einen Augenblick duckt und dann sich leise in den dunklen Graben zwischen Wald und Straße gleiten läßt.

    Himmelarschundwolkenbruch, was ist das nun wieder? Da hält doch ein Personen-Kraftwagen auf der Landstraße, kaum fünfzig Schritt entfernt. Ganz unvorschriftsmäßig, ohne jedes Licht. Während Otto Brielow im Graben kauert und die Lage spannt, überlegt er angestrengt, was das bedeuten kann. Daß der Wagen die Lichter ausgeschaltet hat, ist zwar ungehörig, hat hier aber nicht viel zu sagen. Über die Straße Pritzow—Wiepswalde geht nachts kaum ein Verkehr, selbst bei Tage selten genug, seitdem die neue große Autostraße in Betrieb ist. Aber wie kommt der Wagen überhaupt hierher? Kaufmann Schulzens Wagen ist es nicht, der ist bedeutend kleiner. Und sonst hat niemand in Pritzow einen Kraftwagen. Hat etwa der Alte drüben in der Hütte Besuch? Ach Quatsch, dann wär der Wagen doch in den Seitenweg eingebogen, der kaum hundert Meter unterhalb direkt bis zur Jagdhütte führt. Jedenfalls würde er nicht einsam hier auf der Landstraße parken.

    Otto Brielows Gedanken beginnen das einsame Auto mit unliebsamen Gestalten in Verbindung zu setzen. Wer kann schon nächtlicherweile hier dem Wald einen Besuch abstatten? Gendarmerie? Polizei? Hm, vielleicht ist es doch ganz gut gewesen, das, worüber man seit einer Stunde innerlich geflucht hat. Nämlich, daß der Rucksack heute wider Erwarten leer geblieben ist. Das wär so was, wenn man Otto Brielow jetzt hier geschnappt hätte, mit einem fetten Hund im Rucksack. Wirklich besser so. Aber sehen darf man sich trotzdem nicht lassen. Derartige Herren — wenn es wirklich solche Brüder sind — fragen dem Teufel ein Ohr ab, wollen ganz genau wissen, warum und wieso ein Pritzower Bauer zur Nachtzeit hier durch die Heide spaziert. — Nanu!? Was war das?

    Otto Brielow hat sich in seiner Hockstellung jäh herumgeworfen, reckt den Hals und horcht angestrengt in den Wald. Ein Schuß! Ohne Frage war das eben ein Gewehrschuß. Von da drüben kam’s. Ziemlich weit her, oder — der Schuß müßte da drüben im Jagdhaus gefallen sein. Ach, ist ja lächerlich. Der alte Dahlen ist doch kein Blödsinniger, der zum Vergnügen in seiner Hütte rumballert! Muß also ein ganz Ende weitab gewesen sein. Jenseits der Lichtung, wahrscheinlich in dem Waldstück, das man die Meesekiste nennt. Aber wer zum Deubel kann da jetzt schießen? Dahlen ist nicht im Revier. Der sitzt in seiner Hütte. Das ist sicher, denn Otto Brielow hat vorhin an der Lichtung deutlich Lichtschimmer durch die Ritzen der Fensterläden sehen können. Der alte Dahlen ist viel zu vorsichtig, die Petroleumlampe in seiner Holzbude brennen zu lassen, wenn er auf Pirsch geht. Verfluchtzig, sollte da jemand anders den fetten Braten geholt haben? Ein jemand, der die Frechheit hat, im Auto herzukommen? Doch, so was gibt’s. Der Schlächter-Hans aus Wiepswalde hat früher immer die geschossenen Böcke in seinem Wagen heimgefahren. So lange, bis sie ihn erwischten und ihm Brandenburg-Görden verpaßten.

    Otto Brielow ist selber kein Kraftfahrer, sonst wäre ihm wohl früher schon der Gedanke gekommen, der nun erst in ihm auftaucht: Wie, wenn der unbeleuchtete Wagen da vorne eine Panne hätte! Wenn am Ende ein Unglück da geschehen wäre! Er hat schon beschlossen, sich im Graben näher heranzupirschen, um auf jeden Fall mal festzustellen, ob man etwa seiner Hilfe bedarf, als urplötzlich die Scheinwerfer des Wagens aufflammen. So plötzlich kam das, daß Otto Brielow nur eben noch durch einen Satz seitwärts dem Lichtkegel entgehen kann, der breit und frech Landstraße und Graben erhellt, Motorengeräusch — eine Minute später gleitet der Wagen an der Stelle vorbei, wo Otto Brielow sich hinter einem Fichtenstamm duckt. Die Nummer kann er nicht erkennen, so schnell ist der Wagen vorüber. Eins aber hat er ganz deutlich gesehen: daß am Steuer ein Mann saß, ein Mann in einem hellen Mantel; wahrscheinlich war es ein Regenmantel.

    Komisch — sinniert Otto Brielow —, der muß die ganze Zeit im Wagen gesessen haben. Wenn er neben dem Auto gestanden hätte, müßt’ ich ihn doch in seinem hellen Mantel vorher schon gesehen haben. Durch den Wald, etwa von der Jagdhütte her, kann er auch nicht gekommen sein. Kein Mensch kann im Dunkel hier so vorsichtig gehen, daß keine Zweige knacken und ich es nicht hören sollte.

    Die Hauptsache bleibt: es waren also doch keine „Grünen". Otto Brielow will schon beruhigt seinen Weg fortsetzen, als ein neues Geräusch ihn wieder haltmachen läßt. Diesmal kommt es aus dem Wald und klingt, als ob ein starkes Tier durch das Geäst bräche. Da geht einer — stellt Otto Brielow bei sich fest. Einer, der es eilig hat. Am Ende gar der Jagdpächter Dahlen, der vorhin auch den Schuß gehört hat und mal nachsehen will, was sich in seinem Revier tut? Dem möchte ich nun nicht gern in den Weg rennen. Warten wir lieber noch ’ne Kleinigkeit.

    Otto Brielow tut es. Die Gefahr, hier im Dunkeln entdeckt zu werden, ist nicht groß. Herr von Dahlen hat keine Hunde. Das Knacken der Äste verliert sich. Der Mann, der dort in der Heide ging, scheint sich in ganz entgegengesetzter Richtung zu entfernen. Also ist es doch wohl Herr von Dahlen gewesen, der sich aufgemacht hat, um nach der Ursache des Schusses zu forschen. Denn dort drüben kommt man auf keinen Weg, der zu einer Ortschaft führt.

    Noch fünf Minuten wartet Otto Brielow, dann geht er rasch über die Landstraße und taucht im jenseitigen Waldstück unter. Eine halbe Stunde später schleicht er durch das Zaunpförtchen an der Rückseite des Brielowschen Häuschens, gelangt richtig, ohne Muttern zu wecken, in seine Kammer und beginnt leise fluchend die nassen Langschäftigen auszuziehen.

    Otto Brielow schläft fest und gesund, bis ihn das Tagewerk aus den Posen ruft. Aber während er das Vieh besorgt, gehen ihm doch wieder die sonderbaren Dinge der Nacht im Kopf herum. Das Auto! Der Schuß! Irgend etwas stimmte da doch nicht. Als er Franek, den Hofarbeiter von Bauer Günter, draußen vorbeischlurfen sieht, einen Henkelkorb am Arm, ruft er ihn kurz entschlossen an.

    Franek — kein Mensch in Pritzow außer dem Ortsvorsteher weiß, wie er sonst heißt — ist ein kleiner, vermickerter Pole aus Oberschlesien, der einmal vor zehn Jahren hier untergekrochen und ebenso lange schon bei Bauer Günter im Dienst ist. Er bringt ab und zu frische Eier und Butter zu Herrn von Dahlen in die Jagdhütte und bestätigt auf Ottos Frage, daß er auch jetzt eben dorthin unterwegs ist.

    „Wart mal, Franek, entscheidet Otto und schließt die untere Hälfte der Stalltür. „Ich werd ’n Sticke mit dir gehn.

    „Kaffee trinken kommste! gellt aus dem Küchenfenster die energische Stimme von Mutter Brielow. „Schämste dir nich, faulet Aast, von de Arbeit wegloofen und rumdalbern!

    „Is jut, Mutter. Ick komm schon." Otto winkt dem zögernden Franek, mitzukommen, und tritt in die niedere Küche, wo seine Schwester Hilde schon wild mit den Kaffeetassen klappert und Mutter Brielow ächzend Eimer schleppt. Während Otto eine breite Stulle ohne Schwierigkeit in seinem Mund verschwinden läßt, mustert er nachdenklich das verschrumpelte alte Gesicht des Polen, der bescheiden auf dem Stuhl neben der Kochmaschine hockt.

    „Haste heut nacht den Schuß gehört, Franek?"

    „Hab ich nix gehört, Franek schüttelt den Kopf, „hab ich geschlafen.

    „Wat vor ’n Schuß? erkundigt sich Mutter Brielow streng. „Wat geht det uns an, wenn eener schießt!

    „Na, ick meene ja man bloß, Mutter. Otto erzählt umständlich von dem Auto und dem Schuß. „Na, siehste, deshalb hätt ick Lust, mal den Jagdpächter zu fragen, wat ’n da los war.

    „Sind det deine Angelegenheiten? erbost sich Mutter Brielow. „Det sind jar nich deine Angelegenheiten, Otto! Da halt du man die Finger von. Otto war heut nacht in Wiepswalde, Franek. Hat wohl bei Jastwirt Bethge een’ zuville getrunken, det er und hat uff‘n Heimweg so ’n Unsinn jehört.

    „Jawoll. War in Wiepswalde", echot Franek gehorsam.

    „Mecht ick wissen, wat dabei zu jrienen is, Franek. Wenn ick sage, det Otto in Wiepswalde war, denn is det so."

    „Laß man, Mutter, beruhigt Otto die Zürnende. „Franek is stieke. Und vor den ollen Dahlen hab ick keene Bange. Mit den kann ick reden, wie ick will. Wat meenste, Hildeken?

    Hilde Brielow, die Achtzehnjährige, zuckt ärgerlich die runden Schultern und dreht dem augenzwinkernden Bruder energisch den Rücken. Otto nimmt den letzten Schluck Kaffee und zwängt sich zwischen Bank und Tisch hervor.

    „Na, denn komm man, Franek."

    Mutter Brielow klappert wütend am Herd mit ihren Töpfen. „Ich denk, du willst auf Sehnitz zu und die Bretter holen!"

    „Mach ick ooch, Mutter. Wird allens jemacht. Vor Mittag treff ick Tischler Wolter man doch nich."

    „Sonst haste woll nischt zu tun, wat? Otto, hör uff mir. Laß du andere Leute ihren Kram machen. Misch dir nich ein."

    „Will ick ooch jar nich. Bloß wissen möcht ick, wat da heute nacht jespielt worden is. Det Auto, Mutter ..."

    „Ih, wat ick nich weeß, macht mir nich heeß."

    Mutter Brielow hat noch allerhand auf dem Herzen, aber ihr Schimpfen stört Otto nicht mehr. Er ist bereits draußen und schreitet bedächtig die Dorfstraße entlang. Neben ihm trippelt, Korb am Arm, eifrig der kleine Franek, wie ein Schuljunge, der beglückt seinen Lehrer begleiten darf.

    Bei Tage sieht alles anders aus. Nichts Geisterhaftes ist an der glatten Landstraße, die sich zwischen den Kiefern und Fichten hinzieht, an der Heide, in die das Paar nun einbiegt und in der Otto Brielow jeden Baumstamm, jeden Ameisenhaufen kennt. Da ist das Jagdhaus, ein viereckiger, aus rohen Holzstämmen gefügter Bau mit einer kleinen Veranda vor der Tür. Etwa zehn Meter weiter rückwärts im Walde liegt der Holzschuppen, dicht dabei die Pumpe. Das Jagdhaus hat eine Küche, eine Wohnstube und ein Schlafzimmer. Es sieht sehr stilvoll und anheimelnd aus, wie es daliegt zwischen den hohen Kiefern. Die Vorderseite hat freien Blick über die große Lichtung. Über dem Eingang ist ein Hirschgeweih angenagelt.

    Die grüngestrichenen Läden vor Fenstern und Tür sind geschlossen. Otto Brielow sieht es erstaunt im Näherkommen. Sollte Herr von Dahlen schon fort sein? Da müßt er doch durchs Dorf gekommen sein. Aber wozu so früh? Der erste Zug nach Berlin geht doch erst um 10,24 Uhr von der Bahnstation Wagenitz, und die Bahnstation kann Dahlen doch mit seinem Fahrrad in knapp einer halben Stunde erreichen.

    Otto Brielow trampt mit seinen schweren Stiefeln auf die Veranda und pocht an die Tür. Ruft „Herr von Dahlen!" In der Jagdhütte rührt sich nichts.

    „Scheint nich mehr dazusein, Franek. Wenn er noch hier wär, hätt er doch sicher nich die Läden zugemacht."

    Franeks Mund steht offen. „Aber ich soll doch ... Pane von Dahlen hat gesagt, ich soll Eier bringen. Zehn frische Jaizi."

    „Wann hat er det gesagt?"

    „Vorgestern, Pane Brielow. Wie ich bin hier gewesen mit Butter. Franek, hat Pane von Dahlen gesagt, iebermorgen zehn frische Eier. Jawohl, Pane, hab ich gesagt, werd ich bringen. Hat auch gehört fremdes Herr, wo war bei Pane von Dahlen."

    „War Besuch da?"

    „Tak, Pane. Großes, junges Herr. Kenn ich nicht."

    „Hatte der so ’n hellen Regenmantel an?"

    „Weiß nich, Pane Brielow. Saß in Stube und hatte keinen Mantel an. Aber Pane von Dahlen muß hier sein. Sonst er doch nich bestellen Franek mit frische Eier."

    Nochmaliges Rufen und Klopfen. Otto geht um das Häuschen, sucht durch die Läden zu blicken und kommt unverrichteter Sache zurück. „Keener da, Franek. Wirste deine Eier man wieder heimtragen müssen."

    Die unerwartete Abreise des Jagdpächters erörternd, gehen sie langsam durch den Wald zurück. Ein Dutzend Schritte nur, da bleibt Otto Brielow stehen, bückt sich und hebt etwas vom Boden auf.

    „Nanu! Det is doch ... Det sieht doch fast aus, als ob det der Schlüssel zum Jagdhaus wär."

    Auch Franek betrachtet den langen, einfachen Schlüssel, den Otto in der Hand hält, und nickt eifrig. „Pia krew! Wird Pane von Dahlen haben verloren!"

    „Will doch mal kieken, ob det wirklich sein Schlüssel is." Otto Brielow macht kehrt und geht entschlossen zur Jagdhütte zurück, steckt vorsichtig den Schlüssel ins Schloß. Wahrhaftig, er läßt sich ganz leicht rumdrehen. Die Tür geht auf.

    Nur in die zunächstliegende Küche dringt das Tageslicht durch die offene Tür. Das nebenanliegende Wohnzimmer ist völlig dunkel, da die Läden fest geschlossen sind. Kalter Tabakgeruch hängt in der Luft. Dazu noch etwas, ein geringer, sonderbarer Geruch, der Otto Brielow verwundert schnuppern läßt. Er tastet sich im Finstern durch die Wohnstube, löst den Riegel und stößt den Fensterladen auf. Hell flutet das Sonnenlicht herein.

    Eine Minute später torkelt Otto Brielow wieder aus der Tür, zu Franek, der, noch immer seinen Korb am Arm, erwartungsvoll auf der Veranda stehengeblieben ist.

    „Franek! Ottos sonst so dröhnende, selbstgefällige Stimme ist heiser. Seine Augen sind ganz groß aufgerissen. „Lauf, was du kannst! Lauf schnell ins Dorf! Ruf beim Gastwirt Lange den Doktor an. Oder nee — sag Lange, er soll selber anrufen. Dein Polnisch versteht ja keiner. Der Doktor soll gleich hierherkommen, hörst du! Am besten auch ... ja, sag Lange, er soll auch gleich den Gendarm anrufen!

    „Jesus, Pane Brielow! Doktor? Gendarm? Hierher? Zu Pane von Dahlen?"

    „Ja. Mach rasch, Mensch! Lauf! Da drinnen ... Otto zieht die Tür hinter sich zu und schüttelt sich wie in einem Frostschauer. „Drin liegt Herr von Dahlen. Er is dod!

    Gendarmerieposten Pritzow

    In der zu meinem Postenbereich gehörenden Jagdhütte des Jagdreviers Röbelek bei Pritzow wurde heute morgen der Jagdpächter Felix von Dahlen in anscheinend bewußtlosem Zustand durch den Landwirt Otto Brielow aufgefunden. Fernmündlich verständigt, begab ich mich sofort dorthin und stellte folgendes fest:

    Jagdpächter von Dahlen ist durch einen Schuß aus seinem eigenen Jagdgewehr ums Leben gekommen. Nach Aussage des sofort herbeigeholten Arztes Dr. Menke ist der Tod bereits zwischen zwölf und zwei Uhr nachts — mindestens sieben Stunden vor Auffindung der Leiche — eingetreten. Die Leiche lag in der Wohnstube der Jagdhütte, neben einem Sessel. Unmittelbar davor lag das Jagdgewehr, aus dem der tödliche Schuß abgegeben worden ist. Die Kugel, die aus nächster Nähe abgefeuert worden ist, hat die rechte Schläfe durchschlagen und ist ins Gehirn gedrungen. Lage der Leiche und der Waffe lassen die Annahme eines Unglücksfalles oder Selbstmordes zu.

    Dem widerspricht jedoch die Tatsache, daß das Jagdhaus ordnungsgemäß verschlossen war. Der Landwirt Brielow, der zusammen mit dem Landarbeiter Franz Rapaschinsky den Toten fand, hat wenige Schritte vor dem Jagdhaus den Herrn von

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