Xari, das andere Nachtgespenst: Bitte erschreckt mich nicht
Von Christine Jörg
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Rezensionen für Xari, das andere Nachtgespenst
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Buchvorschau
Xari, das andere Nachtgespenst - Christine Jörg
1
Xari, der mit vollem Namen Xaver heißt, ist ein Kind. Aber er ist kein gewöhnliches Kind. Nein! Xari ist schon hundertfünf Jahre alt.
Wie kommt es, dass Xari so alt ist, und doch noch ein Kind? Ganz einfach, er ist ein Gespenst, ein Nachtgespenst.
Zusammen mit seiner Familie, natürlich alles Nachtgespenster, lebt Xari in einem alten Bauernhaus am Ortsrand eines kleinen Dorfes in der Nähe der Alpen in Süddeutschland.
Da staunst du was? Eine Nachtgespensterfamilie! Gibt es das? Ja, das gibt es! Xari und seine Familie sind der beste Beweis dafür.
Er hat Eltern. Seine Mutter heißt Toni und ist hundertfünfunddreißig Jahre alt. Der Vater ist noch älter. Einhunderteinundvierzig Jahre.
Dann hat Xari noch zwei Geschwister. Klärchen, die Schwester ist hundertacht Jahre alt und Bruno, der Bruder, hundertneun.
Ihr seht, Xaris Familie ist eine fast normale Familie.
Beinahe glücklich leben sie in dem alten Bauernhaus. Es fehlt ihnen nur eines: Menschen, die sie jeden Freitag um Mitternacht erschrecken könnten.
Seit Jahren steht das Bauernhaus leer.
Während die Eltern und Geschwister ganz unglücklich sind über die Tatsache, dass sie freitags um Mitternacht nichts zu tun haben, ist Xari überglücklich. Sehr zum Leidwesen der Eltern.
Endlich kann er die Nächte durchschlafen und muss nicht mitten in der Nacht aufstehen um irgendwelchen Menschen Angst einzujagen, denen er gar keine Angst einjagen möchte.
Ganz im Gegenteil. Es ist eher so, dass Xari selbst schreckliche Angst hat. Er verfällt jedes Mal in Panik, wenn die Menschen schreien. Ihm wird regelmäßig himmelangst, nur beim Gedanken an das, was seine Eltern von ihm verlangen.
Deswegen also ist Xari froh, dass das alte Bauernhaus schon lange leer steht.
2
Irgendwann, in der Zeit, in der die Nächte kurz und die Tage lang sind, wird es unruhig im alten Bauernhaus.
Ab und zu kommen tagsüber Menschen. Sie laufen durchs Haus, um es dann wieder zu verlassen. Die Nachtgespenster aber sehen sie nicht, denn nachts steht das alte Bauernhaus wieder verlassen da.
Aber es sieht so aus, als würde keine Ruhe mehr ins alte Bauernhaus einkehren. Jeden Tag erscheinen aufs Neue Menschen. Immer die Gleichen. Sie machen einen fürchterlichen Krach und hindern die Geister daran, tagsüber die verdiente Tagesruhe einzuhalten.
Es wird gehämmert. Es wird gesägt. Die Personen sind laut. Sie rufen und schreien. Gerade so, als wären sie alleine im alten Bauernhaus am Ortsrand eines kleinen Dorfes in der Nähe der Alpen in Süddeutschland.
Aber mal ehrlich: Woher sollen die Menschen auch wissen, dass sie das Haus mit anderen, noch dazu mit Nachtgespenstern, teilen müssen?
„Mama", heult Xari, nachdem er mehrere Tage wegen des Lärms durchwacht hat.
„Ja, mein Schatz. Toni legt die Arme liebevoll um ihren jüngsten Sohn. „Wo drückt der Schuh?
Das ist eine Redensart! Natürlich trägt Xari keine Schuhe. Er ist ja ein Geist. An seinem Gesichtchen sieht sie, dass es ihm gar nicht gut geht.
„Ich bin müde, quengelt Xari dann. „Die Leute sollen gehen. Ich will schlafen.
„Ach, Liebling, seufzt die Mutter, „das möchten wir alle.
Auch sie hat schwarze Ränder unter den Augen. Der Schlafmangel hat sie gezeichnet.
Die anderen Mitglieder der Nachtgespensterfamilie sind ebenfalls gerädert. Nervosität macht sich bei allen bemerkbar. Sie streiten viel und sind überhaupt zänkisch.
„Papa, fragt Bruno, „wann gehen die endlich. Ich habe es satt.
Ruhig antwortet Papa Fritz. „Weißt du mein Sohn, wenn ich das richtig betrachte, sieht es fast danach aus, als wollten sie das Haus reparieren."
„Was hat das zu bedeuten?", will Klärchen wissen. Sie hat sich dem Vater und Bruno bei ihrem Schweben durchs alte Bauernhaus angeschlossen.
„Ja, beginnt der weise Fritz nun, „ich schätze, hier ziehen bald Leute ein.
„Echt? Chic!, ruft Klärchen begeistert aus. „Endlich wieder Menschen, die wir am Freitag um Mitternacht erschrecken können.
„Ja, nickt der Vater, „so kann man es auch sehen.
„Wirklich, Papa?", hakt Bruno zur Sicherheit nach.
Der Papa brummt etwas missmutig: „Wenn ich es doch sage." Er wiederholt nicht gerne alles zweimal.
„Klasse!" Bruno ist derart aus dem Häuschen und vergisst, dass er das zickige Klärchen nicht ausstehen kann. Er packt seine Schwester fest bei den Händen und dreht sich schwebend mit ihr im Kreis.
Der Vater muss wider Willen schmunzeln. Sonst zanken sich die Beiden immer und jetzt freuen sie sich gemeinsam. Vielleicht wird das Dasein fortan angenehmer. Es kommt wieder Lebens ins alte Bauernhaus am Ortsrand eines kleinen Dorfes in der Nähe der Alpen in Süddeutschland.
Langsam kehren die Drei auf den Dachboden und zu Toni und Xari zurück. Der ist immer noch am Quengeln.
„Was ist denn mit dem los?" Bruno schaut abschätzig auf den kleinen Bruder. Er findet ihn um einiges zickiger als Klärchen.
„Bei dem Lärm kann er nicht schlafen", erklärt die Mutter.
Aber das können wir doch alle nicht." Bruno lacht hämisch.
Toni nimmt ihren Xari noch fester in die Arme. „Aber er ist noch klein", sagt sie zu seiner Verteidigung.
„Auch nicht viel kleiner als ich", rückt Bruno die Tatsachen ins rechte Licht.
„Doch", hört man Xaris Stimme zwischen den Armen der Mutter hervor. Am liebsten hätte er den Daumen in den Mund gesteckt, aber das wagt er nicht. Dazu ist er nun wirklich zu groß.