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Im Schatten einer Frau
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eBook234 Seiten3 Stunden

Im Schatten einer Frau

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Über dieses E-Book

Michael Heinsigk, der Mann der großartigen Schauspielerin Stella Hollmers, erhält in den Filmen, in denen seine Frau der große Star ist, immer kleine Nebenrollen, denn sie verlangt stets seine Mitverpflichtung. Analytisch exakt erkennt er, dass sein Talent gegen das seiner Frau nur eine kleines Licht ist, aber kann die Erkenntnis spielerisch nicht umsetzen und leidet gewaltig darunter – denn er liebt seine Frau von Herzen. Schließlich beginnt er die Geschichte seines Leben an der Seite der begnadeten Frau aufzuschreiben. Als Hollywood auf Stella Holmes zukommt und sich weigert, ihren Mann, wie sonst üblich, ebenfalls zu engagieren, geht sie in Zwiespalt ins Hotelzimmer und findet dort einen Manuskriptteil ihres Mannes. Es handelt sich um einen leidenschaftlichen Liebesbrief an eine – wie sie meint – fremde Frau. Sie geht ohne ihn nach Hollywood und wendet sich von ihm ab. Eine Freundin liest das Buch, ist begeistert und überredet ihre große Liebe, einen Buchbinder und Verleger, dieses Buch herauszubringen – natürlich unter Pseudonym. Stella, im fernen Hollywood, schneit dieser Bucherfolg auf den Tisch, sie liest sich fest und findet wortwörtlich den Liebesbrief in diesem Buch. Nun beginnt sie, den Autor zu suchen ...-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum8. Jan. 2018
ISBN9788711593349
Im Schatten einer Frau

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    Buchvorschau

    Im Schatten einer Frau - Liane Sanden

    www.egmont.com

    Erstes Kapitel

    „Achtung, Aufnahme!"

    Peters rief durch das Mikrophon. Wie abgeschnitten war sofort jeder Laut. In der Tonkamera sass Meersmann, schaltete die Apparatur ein. Die Jupiterlampen flammten auf. Nichts mehr war im ganzen Raum als dies ganz leise Zischen und der hastige Schritt der Stella Hollmers, die von der Seite her ins Bild kam. Mit einer sehnsüchtigen Gebärde wandte sie sich um, sah nach der Tür. Schon kam schnell Gregor Schuwaroff, ihr Partner, auf sie zu. Ein leidenschaftlicher Dialog der beiden Helden begann, den Peters mit angespannten Sinnen und losen Gesten leitete, dirigierte, entwickelte. Nun lagen sich Stella Hollmers und Schuwaroff in dem Arm. Die grosse Szene des dritten Aktes ging dem Höhepunkt zu. In dem Seitengang stand Michael Heinsigk. Sein kantiges Gesicht sah mit dem Ausdruck äusserster Spannung auf die Szene, die sich da vorn im Jupiterlicht abspielte. Herrlich, wie Stella diese Liebesszene aufbaute! Immer aufs neue war er hingerissen von der unmittelbaren Kraft ihrer Gestaltung. Immer wieder, wenn er sie sah, so hingegeben an ihre Kunst, rückte sie ihm fern, war sie etwas, was über ihm stand ganz hoch auf einem Gipfel, auf den er niemals emporklimmen würde. Dann konnte er es immer wieder nicht glauben, dass sie sein war, seine Frau, die ihn liebte und ihm gehörte. Dann fühlte er so ganz den unendlichen Abstand zwischen ihnen beiden. In seiner Entzückung schattete immer erneuter Schmerz. Noch gelang es ihm, durch seine Liebe diesen Abstand zu überbrücken. Aber wie lange?

    Immer wieder klang diese Frage in ihm.

    In einer Ecke des grossen Atelierraums stand Madelen Reddinghaus. Ihre Augen lagen mit spöttischer Feindseligkeit bald auf Stella Hollmers, bald auf Michael. Diese Hollmers war ihr ein Dorn im Auge. Sie hatte alles, was sie wollte, den Ruhm, den Reichtum, die Schönheit — und alle Männer, die sie nur haben wollte. Da war Michael, mit dem Malen in der kleinen Provinzstadt zusammen am Stadttheater engagiert gewesen war. Sie hatte damals versucht, Michael für sich zu gewinnen. In der Reihe der aus aller Herren Länder zusammengewürfelten Kollegen war er etwas Besonderes gewesen. Immer höflich, immer tadellos in den Manieren, hatte er nichts von der Saloppheit vieler anderer gehabt. Es hatte sie gereizt, diesen scheuen und vornehm wirkenden Menschen mit dem leidenschaftlichschönen Kopfe für sich zu gewinnen. Aber Michael war nur einigemal mit ihr zusammen gewesen — auf Spaziergängen und einmal beim Tee in ihrer kleinen Wohnung. Da aber hatte er sich so steif und zurückhaltend benommen, als ob er nicht gemerkt hätte, was sie wollte. Er war auf keinen zärtlichen Blick, auf kein versteckt lockendes Wort eingegangen. Schliesslich hatte sie es aufgegeben. Sie hatte keine Lust gehabt, über Gott und die Welt mit ihm zu philosophieren. Wenn er nicht wusste, was er einer jungen schönen Frau schuldig war, sie hatte keine Ursache ihm nachzulaufen. Aber sie hatte es ihm nicht verziehen, dass er als Einziger ihre Schönheit nicht zu sehen schien.

    Es war ihr wie ein persönlicher Triumph, dass er in seiner künstlerischen Laufbahn nicht vorwärtskam. Sie hatte es ja gewusst, jemand, der Fischblut in den Adern hatte, wie konnte der ein Künstler werden, der die anderen Menschen entflammte? Der musste ja unbekannt und im Dunkel enden.

    Madelen in ihrer Oberflächlichkeit wusste nicht, dass die künstlerische Leidenschaft nichts zu tun zu haben brauchte mit der Leidenschaft der Sinne. So beurteilte sie Michael Heinsigk völlig falsch. Er war kein temperamentloser Mensch. Aber er hasste mit dem Abscheu des seelisch feinfühligen Menschen Frauen, die ihrer Leidenschaft hemmungslos Ausdruck verliehen. Er hatte in sich tief verborgen ein Idealbild der Frau — und es war in nichts Frauen wie Madelen ähnlich. So übersah er ihre spöttische Nichtachtung, ja er bemerkte sie wohl nicht einmal. Seine Seele war erfüllt von Träumen, die einen ganz anderen Inhalt hatten. Als er später Stella Hollmers kennenlernte, wusste er, wofür er sich so lange aufbewahrt hatte. In Stella Hollmers fand er jenes reine Ideal der wirklichen Frau verkörpert, das er mit der ganzen Inbrunst seiner scheuen Seele gesucht. Dass dieses Frauenideal als ein lebender und ihn liebender Mensch ihn zum Lebensgefährten erwählen würde, hätte er niemals zu hoffen gewagt. Stella Hollmers, eine der grössten Künstlerinnen — und er, ein unbedeutender kleiner Schauspieler? Aber das Wunder geschah. Stella Hollmers erwählte ihn vor allen andern Bewerbern um ihre Hand. Glück und Angst waren in seiner Seele seltsam gemischt, als sie beide vor dem Altar in Stella Hollmers Heimat, der schönen Hansastadt standen. Glück, weil er die schönste, edelste Frau sein eigen nennen durfte. Angst, weil er alle die Konflikte vorausfühlte, die sein Leben beschatten mussten. Hier in Berlin sah er unerwartet Madelen wieder. Sie war von der Bühne ganz zum Film übergegangen und war nun an der gleichen Filmgesellschaft wie Stella Hollmers engagiert. So kam sie wieder in Berührung mit Michael. Ihr Groll gegen ihn war nicht geschwunden. Im Gegenteil, dem Manne der Stella Hollmers galt ihre besondere Abneigung. Stella Hollmers stand ja ihrer eigenen Karriere im Wege. Sie hatte beim Engagementsabschluss die Hoffnung gehegt, die grossen Starrollen bei der neuen Gesellschaft spielen zu können. Da war im letzten Augenblick ein Vertrag mit Stella Hollmers zustande gekommen, die bis dahin bei einer anderen Gesellschaft tätig gewesen. Mit den stolzen Träumen Madelens war es vorbei. Sie konnte noch so viel intrigieren, noch so liebenswürdig gegen die gewaltigen Direktoren des Films sein, man konnte gegen Stella Hollmers nicht ankommen.

    „Was wollen Sie, Kind, hatte einer der Direktoren achselzuckend gesagt, „das Publikum frisst jeden Stella-Hollmers-Film wie der Feinschmecker den Kaviar.

    „Oder wie der Esel die Heubündel", war Madelens boshafte Erwiderung gewesen. Da hatte der Direktor nur milde lächelnd geschlossen:

    „Schön, auch das, wenn Sie wollen. Wenn Sie das Publikum als Esel bezeichnen, kann man nichts machen. Obwohl im Falle Stella Hollmers ich das Publikum gar nicht dumm finde. Das eine aber ist sicher, wenn wir die Beliebtheit der Hollmers nicht ausmünzen würden, wären wir wahrhaftig die Esel. Was wollen Sie übrigens? Sie sind in jedem Film unserer Produktion in einer Rolle beschäftigt. Sie könnten also zufrieden sein."

    Er hatte ihr begütigend die Wange streicheln wollen, aber sie hatte sich mit blitzenden Augen losgerissen:

    „Tragende Rolle — immer neben der Hollmers. Immer im Schatten dieser Frau."

    Spottend hatte der Direktor gemeint, „dann trösten sie sich mit dem guten Michael. Der steht immer im Schatten seiner Frau."

    Dies Wort hatte Madelen sofort kolportiert. Michael hiess seitdem nur noch „Der Mann im Schatten."

    Der Direktor hatte nicht gewusst, dass er mit seinen nur spöttisch gemeinten Worten Madelen doppelt getroffen. Denn dass Michael, der sie verschmäht hatte, nun Stella Hollmers Mann war, war ein erneuter Grund für Madelens Wut. Wenn sie diese beiden Menschen nur auseinander bringen könnte! Daran dachte sie jetzt, wie sie seitlich an eine Kulisse gelehnt stand und das Spiel der Stella Hollmers betrachtete. Sie stellte wieder einmal mit brennendem Neide fest, wie alle hier, soweit sie nicht beschäftigt waren, mit Begeisterung diesem Spiel folgten. Sogar Schuwaroff, der einen Augenblick aus dem Bilde zu gehen hatte, sagte leise zu einem Kollegen: „Geradezu unvergleichlich, wie diese Frau spielt."

    Madelen biss sich auf die Lippen. Schuwaroff, auch er! Auch er im Banne dieser hochmütigen Person. Schuwaroff, der ihr hätte nützen können, der neben Stella Hollmers als berühmtester Star selbst mit den Direktoren umspringen konnte, wie er wollte. Ein paar Tage hatte es den Anschein gehabt, als ob er ihr Werben bemerkte. Aber dann war Stella Hollmers erschienen. Und mit Schuwaroffs Interesse schien es genau so vorüber, wie damals mit Michaels. Alles riss sie an sich, diese Hollmers — und man stand mit all seiner Schönheit, seinem Talent und seiner Gier nach Ruhm doch immer in der zweiten Reihe.

    Wenn man es ihr doch einmal eintränken könnte, der Rivalin. Aber dazu war vorderhand nicht die geringste Aussicht; vom kleinen Laufjungen bis zum Kulissenschieber, vom Hilfsregisseur bis zu dem gewaltigen Peters, dem Regisseur, von dem kleinsten kaufmännischen Angestellten bis zum Generaldirektor hinauf, alles lag in Verzückung gleichsam auf den Knien vor Stella Hollmers.

    Einen einzigen Triumph hatte Madelen bis jetzt — und das war die Gewissheit, dass Michael Heinsigk in der Ehe mit Stella Hollmers nicht glücklich war. Sie sah es ja jetzt seinem Gesicht an, mit welch verzweifelter Miene schaute er Stella und Schuwaroff zu. Vermutlich glaubte er, dass Schuwaroff ihn bei Stella verdrängen könnte. Und das würde ihm auch ganz recht geschehen, diesem Träumer, diesem Toggenburger, der Limonade in den Adern zu haben schien statt warmem, heissem Blut. Ob die Stella wirklich was mit dem Schuwaroff hatte? Nun, was nicht war, konnte ja noch werden. Da konnte Michael Heinsigk einmal am eigenen Leibe spüren, was es hiess, wenn man verschmäht wurde.

    In ihrem eifersüchtigen Neide auf Stella vergass Madelen beinahe, dass sie sich ja auch für Schuwaroff interessiert hatte. Aber Schuwaroff war ein Mensch, der die Abwechslung liebte. Er war noch keiner Frau treu geblieben. Auch die Hollmers würde ihn nicht halten, wenn sie ihm erst einmal ihre Gunst geschenkt hatte. Dann war er sehr schnell übersättigt und sah sich nach einer neuen Liebe um. Dann war vielleicht ihre Zeit gekommen. Dann war Michael unglücklich und Stella Hollmers vielleicht auch. Dann würde sie, Madelen, triumphieren. Es war noch nicht aller Tage Abend. Die Beliebtheit eines Filmsterns wechselte so schnell wie die Jahreszeiten. Eigentlich sah die Hollmers doch oft schon recht alt aus. Zum Beispiel heute! Aber wie konnte man auch ohne alles Make up, ohne alle Schminke und allen Puder sich in der Öffentlichkeit zeigen? Auch auf der Probe musste man doch tadellos zurechtgemacht erscheinen. Sie zog ihren flachen Spiegel mit der Puderdose heraus und besah sich liebevoll. Nein, einmal würden auch die andern sehen, dass sie es mit Stella Hollmers aufnehmen konnte!

    „Dritter Akt, vierte Szene", rief das Mikrophon am Munde von Peters durch den ungeheuren Atelierraum.

    Stella löste sich von Schuwaroff, ging mit einem Nicken durch das Atelier, stand neben Michael.

    „Wie war’s", fragte sie leise.

    „Wunderbar, Stella, ganz wunderbar."

    Stella wurde rot:

    „Ach, du lobst mich immer", sagte sie. Sie sagte es wie ein ganz kleines Mädchen, das sich schämt. In ihren Augen stand tiefe Liebe.

    „Du", flüsterte sie leise und rührte heimlich an Michaels Hand.

    Das Mikrophon rief.

    „Mein Auftritt", sagte Michael hastig.

    Auf der Szene dröhnte es noch von Umbauten. Arbeiter in blauen Blusen schleppten Möbeldekorationen. Peters in seiner Lebhaftigkeit rannte dazwischen, legte selbst mit Hand an. Der Hilfsregisseur kam mit dem Buch. Der Maler Sternau sprach aufgeregt und offenbar wütend auf Peters ein.

    „Lassen Sie mich in Frieden, schrie Peters, „die Dekoration bleibt, wie sie ist. Wenn es Ihnen nicht passt — das letzte verlor sich in einem wütenden Murmeln.

    Inzwischen stand Michael wartend mit ein paar anderen Schauspielern auf der Szene. Es war eine kleine Ensemblesache. Er hatte eine Charge zu spielen, wie immer eine kleine Rolle.

    „Wollen Sie sich nicht ausruhen, Stella, fragte Schuwaroff — er hatte noch ein paar Worte mit dem Hilfsregisseur gesprochen, der ehrerbietig vor dem Star der Welt-Film-A.-G. stand —, „oder wollen Sie den Auftritt Ihres Mannes mit sehen?

    Es klang ganz harmlos. Aber in Schuwaroffs Zügen war ein kleiner Ausdruck von Bosheit. Stella mit ihren feinen Nerven fühlte es sofort.

    Ein heftiges Rot lief über ihr bleiches Gesicht. Hastig sah sie zu Michael herüber. Hatte der etwas gehört? Ein eigentümlicher Blick kam zu ihr. Was alles lag in diesem Blick? Sicher, wenn er auch nichts gehört hatte, dann fühlte er doch Schuwaroffs Bemerkung.

    Sie nickte ihrem Mann zu. All ihre Zärtlichkeit, all ihre Güte legte sie hinein in diesen Blick.

    „Lass sie reden, sagte dieser Blick, „was kümmert’s dich? Ist denn das alles so wichtig? Die Hauptsache sind doch wir beide: du und ich.

    Aber Michaels Gesicht verlor nicht das Bedrückte. Er wandte sich seinem Partner zu. Schon kam auch Peters aus irgendeiner Ecke des Riesenateliers hervorgeschossen. Hinter ihm die unvermeidliche Suite der Hilfsregisseure, des Requisiteurs.

    Peters schien zehn Münder, zwanzig Hände und viele Gehirne auf einmal zu haben, wie er jedem von seinen Begleitern antwortete, ihnen befahl, abwehrte, zustimmte.

    „Grosse Gesellschaftsszene, Heinsigk, rief er jetzt, „Sie sehen aber gar nicht aus wie einer, der in fünf Minuten die Dollarerbin vor dem Pistolenschuss retten will. Nehmen Sie es mir nicht übel, Sie sehen aus, als wären Sie selber erschossen.

    Stella drehte sich um, ging hastig ihrer Garderobe zu. Sie konnte es nicht mehr ertragen. Sie hatte es nicht für so schwer gehalten. Da stand nun Michael, der Mann, den sie liebte; dem sie gehörte bis in die letzte Faser ihres Seins, stand da und musste sich von einem Regisseur wie Peters alles mögliche gefallen lassen. Im allgemeinen wurde er ja ein bisschen besser behandelt als die meisten der anderen kleinen Schauspieler. Aber auch das tat man ihr, Stella Hollmers, zuliebe. Sie wusste es ganz genau. Alles tat man ihr zuliebe. Sie war der Star, und Michael ein kleiner Chargenspieler. Sie wusste, er litt darunter. Schweigend. Nie hätte er etwas gesagt. Aber wie oft kam es in den Stunden ihrer Liebe, in den Stunden der Zärtlichkeit, dass er sie an sich riss und mit einer angstvollen Glut fragte:

    „Liebst du mich? Liebst du mich wirklich, Stella? Bin ich dir nicht zu wenig?"

    Dann überschüttete sie ihn mit Zärtlichkeiten, mit der ganzen Güte ihres Herzens. Immer wieder sagte sie es ihm, dass er der einzige Mann für sie wäre. Aber ob er es glaubte? In seiner Leidenschaft war etwas wie verzweifelte Angst. Dann umschlang er sie, als fürchtete er, sie verlieren zu müssen.

    Stella sass in ihrer Garderobe. Nebenan hörte sie Schuwaroff mit dem Friseur reden. Irgend jemand schien einen Witz zu erzählen.

    Jetzt lachte Schuwaroff auf. Deutlich meinte sie die Worte zu hören. Sprach man nicht von ihr und Michael? Sie presste die Hände an die Ohren. Schloss die Augen. Sie wollte nichts sehen, nichts hören. Es war schrecklich, dass der Mann, den sie so liebte, vor den anderen nur „der Mann seiner Frau" war.

    Draussen stand Michael auf der Szene, spielte seine Rolle.

    „Menschenskind, so geht das doch nicht, jammerte Peters, spielte ihm die Szene vor, „Herrgott, Mann, wenn Sie doch nur einen Funken von dem Talent gewisser anderer Leute hätten.

    Michael erbleichte.

    „Na ja, schon gut", sagte Peters einlenkend. Er wollte den Mann der Stella Hollmers nicht kränken. Man musste auf den Star der Weltfilm-A.-G. Rücksicht nehmen. Wäre das nicht gewesen, nie im Leben hätte man Michael Heinsigk engagiert. Für ganz kleine Aufgaben mochte er gehen. Aber eigentlich hätte man schon die heutige Rolle nicht mit ihm besetzen dürfen. Doch die Stella Hollmers hatte es ja kontraktlich, dass in jedem ihrer Filme ihr Mann beschäftigt sein musste. Wenn es nach ihr gegangen wäre, würde Michael Heinsigk am Ende gar noch ein männlicher Star bei der Weltfilm sein sollen!

    Merkwürdig, wie blind Frauen waren, wenn es um die Liebe ging! Peters breiter Mund lächelte zynisch. Was hiess schon Liebe? Ein Mann war wie der andere. Eine Frau wie die andere. Die Hollmers verpatzte sich durch ihre blöde Heirat die besten Chancen. Holywood hätte sie schon längst engagiert. Sie tat es ja nicht ohne ein Doppelengagement. Und Dadson, der allmächtige Beherrscher des amerikanischen Filmmarktes hatte es schliesslich nicht nötig, solche Bedingungen anzunehmen. Immerhin hatte die Hollmers ja noch einige Rivalinnen, die klüger waren und sich nicht mit einem solchen Ballast von Mann beschwerten. Für die Weltfilm-A.-G. war das allerdings noch ein Glück, denn sonst wäre die Hollmers schon längst in Dollarien gelandet. Dieser Gedanke beruhigte Peters etwas.

    „Nochmal die Szene, sagte er, „Herr Heinsigk, so war’s schon besser. Nur mehr aus sich herausgehen! Mehr Feuer, mein Lieber, inneres Feuer!

    Michael versuchte, inneres Feuer zu zeigen. Er wusste ganz genau, wie er seine Rolle spielen musste. Er sah sie vor sich, er hörte sie.

    Wie ausserhalb von sich sah er einen Michael Heinsigk stehen, der alles so gestalten konnte, wie er es selbst fühlte. Aber zwischen dieser Phantasiegestalt und seinem wirklichen Ich stand die grosse Hemmung. Immer wieder, wenn er seine innerliche Empfindung vor den fremden Menschen zeigen wollte, war es wie eine innere Fesselung, eine Scham. Das, was er fühlte, vor tausenden Menschen zu enthüllen, war es, was ihn nie weiterkommen liess. Hätte er eine Kunst gehabt, auf der nicht die Augen von Tausenden lagen, das wäre etwas anderes gewesen. Aber wie gross diese Hemmung war, hatte er nicht gewusst, als er in den Beruf hineinging. Anstatt sich zu lockern, schien er sich mit der Zeit immer mehr in sich zu verkapseln. Und deswegen würde er nie etwas erreichen. Schuwaroff zum Beispiel, man brauchte den nur anzusehen, der Mann explodierte förmlich, wenn er auf die Szene kam. Es war oft schon beinahe grandiose Schamlosigkeit, wie er in seinem Spiel alle Triebe enthüllte, aber bewundernswert. Und doch um alles in der Welt hätte Michael nicht dastehen mögen, wo Schuwaroff stand, selbst wenn er dadurch der grosse Star geworden wäre. Es war eben etwas Verpfuschtes in seinem Beruf. Hätte er nur etwas anderes gekonnt, gewusst, aber wenn er ihn aufgab, dann war er noch mehr der Mann seiner Frau.

    Wie oft hatte Stella es ihm schon gesagt, wenn er eine förmliche Angst vor dem Sich-zur-Schau-Stellen überkam.

    „Lass es doch, Michael. Löse den Vertrag, du musst doch nicht. Ich verdiene doch genug."

    Da hatte er sie gequält gebeten, nicht weiter zu sprechen. Dieses bisschen Verdienst, dies bisschen selbständige Stellung, mochte sie auch weit

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