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Banshee Livie (Band 4): Seelensorge für Debütanten
Banshee Livie (Band 4): Seelensorge für Debütanten
Banshee Livie (Band 4): Seelensorge für Debütanten
eBook329 Seiten4 Stunden

Banshee Livie (Band 4): Seelensorge für Debütanten

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Über dieses E-Book

Ein einziges Pokerblatt verändert das Leben auf Schloss Harrowmore. Hilflos müssen Walt und Livie mit ansehen, wie sich der Südflügel in ein Heim für ruhelose Seelen verwandelt. Verantwortlich für diese unerwünschte Entwicklung scheint ihnen die junge Zeitreisende Allison zu sein. Und so setzt Livie alles daran, sowohl den neuen Mitbewohnern als auch dem jüngsten Spross der Harrowmores ihre Geheimnisse zu entreißen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum17. Mai 2019
ISBN9783038960454
Banshee Livie (Band 4): Seelensorge für Debütanten

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    Buchvorschau

    Banshee Livie (Band 4) - Miriam Rademacher

    Inhaltsverzeichnis

    Titel

    Informationen zum Buch

    Impressum

    Widmung

    Prolog

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Epilog

    Danksagung

    Miriam Rademacher

    Banshee Livie

    Band 4: Seelensorge für Debütanten

    Fantasy

    Banshee Livie (Band 4): Seelensorge für Debütanten

    Ein einziges Pokerblatt verändert das Leben auf Schloss Harrowmore. Hilflos müssen Walt und Livie mit ansehen, wie sich der Südflügel in ein Heim für ruhelose Seelen verwandelt. Verantwortlich für diese unerwünschte Entwicklung scheint ihnen die junge Zeitreisende Allison zu sein. Und so setzt Livie alles daran, sowohl den neuen Mitbewohnern als auch dem jüngsten Spross der Harrowmores ihre Geheimnisse zu entreißen.

    Die Autorin

    Miriam Rademacher, Jahrgang 1973, wuchs auf einem kleinen Barockschloss im Emsland auf und begann früh mit dem Schreiben. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Osnabrück, wo sie an ihren Büchern arbeitet und Tanz unterrichtet. Sie mag Regen, wenn es nach Herbst riecht, es früh dunkel wird und die Printen beim Lesen wieder schmecken. In den letzten Jahren hat sie zahlreiche Kurzgeschichten, Fantasyromane, Krimis, Jugendbücher und ein Bilderbuch für Kinder veröffentlicht.

    www.sternensand-verlag.ch

    info@sternensand-verlag.ch

    1. Auflage, Mai 2019

    © Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2019

    Umschlaggestaltung: Juliane Schneeweiss

    Lektorat/Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Martina König

    Korrektorat: Jennifer Papendick

    Satz: Sternensand Verlag GmbH

    ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-044-7

    ISBN (epub): 978-3-03896-045-4

    Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Diese Geschichte ist für jene unter euch,

    die beim Lesen gern lachen und weinen.

    Mir geht es beim Schreiben genauso.

    Prolog

    Im April 2015

    Stimmengewirr schlug Conny entgegen, als er die Haustür der Familie Cole öffnete. Die Party war bereits in vollem Gange. Seine Begleitung, eine fesche Blondine namens Marina, hinter sich herziehend, kämpfte Conny sich durch Männer in schwarzen Anzügen und Mädchen in Cocktailkleidern. Als ein Kellner in Livree ihm ein Tablett mit Sektschalen unter die Nase hielt, griff er dankbar zu.

    Conny war schrecklich nervös. Dies war nicht irgendeine Party. Es war die erste Party, auf die es wirklich ankam. Hier, in diesem Haus in Notting Hill, in dieser Wohnung, die den Eltern seines Kommilitonen Damian gehörte, traf sich heute Abend die Elite. Und jene, die gern ein Teil dieser Elite sein wollten. Zu letzterer Kategorie zählte Conny, und er wusste, dass es an der Zeit war, Kontakte zu knüpfen und Allianzen einzugehen.

    Vorbei war die Zeit der Studentenfeten, vorbei die Zeit der Bierflaschen und aufgerissenen Chipstüten, die von betrunkenen Mitstudenten über die sowieso schon schmuddeligen Jeans gekippt wurden. Heute trug Conny sein widerspenstiges Haar gescheitelt und seinen einzigen Anzug. Zudem roch er nach Aftershave.

    Auch Marina neben ihm hatte sich in ein schickes Abendkleid in dezentem Dunkelgrün geworfen. Sie lächelte ihm blasiert zu und nahm ebenfalls ein Glas Champagner vom Tablett. Conny fragte sich kurz, ob es seine Aufgabe gewesen wäre, es ihr zu reichen. Er kannte sich mit Benimmregeln nicht sonderlich gut aus, war bisher auch ohne sie gut zurechtgekommen. Mit seiner offenen und ungezwungenen Art machte er sich bei jeder Gelegenheit rasch Freunde. Aber heute galt es, keinen Fehler zu machen. Er musste überzeugend sein und seine Begleitung ebenfalls.

    Obwohl Conny sich nichts aus Marina machte, war er doch sehr zufrieden damit, sie an seiner Seite zu haben. Sie wusste nicht nur, sich zu benehmen und sich zu kleiden, sie war auch mit den richtigen Personen verwandt und bekannt. Personen, die Conny heute ebenfalls kennenlernen wollte. Doch eigentlich war er ja gar nicht mehr Conny, der hochgewachsene Junge mit dem spitzen Gesicht, dem braunen Haar, das immer ein wenig elektrisch geladen zu sein schien. Jetzt, da sein Studium sich dem Ende näherte, war es an der Zeit, den lächerlichen Spitznamen aus Kindertagen abzulegen und endlich Conrad zu werden. Conrad Bligh, einer der zukünftigen Spitzenanwälte Londons. Ja, das war es, was er sein wollte. Und der heutige Abend würde ihn seinem Ziel näher bringen.

    »Conny, wie schön, dich zu sehen!«

    Conny wirbelte herum und entdeckte seinen besten Freund Peter in einer Gruppe bekannter Gesichter. Er winkte Conny aufgeregt zu. Alle um Peter herum hatten sich ebenfalls leidlich herausgeputzt, wirkten jedoch linkisch in ihren Bewegungen, waren schlecht oder gar nicht rasiert und stellten an diesem Abend zweifellos die Gruppe der Verlierer dar. Conny winkte kurz zurück und machte, dass er weiterkam. So leid es ihm tat, den Freund stehen zu lassen, es gab Wichtigeres für ihn zu tun. Er musste die richtigen Kontakte knüpfen.

    Zwei Stunden später hatte Conny das Gefühl, eine ganze Reihe belangloser Gespräche mit an ihm gänzlich uninteressierten Menschen geführt zu haben. Unsicher, ob es gelungen war, einen auch nur schwachen Eindruck zu hinterlassen, suchte er jetzt nach Marina, die er schon vor einer ganzen Weile aus den Augen verloren hatte. Er vermutete, dass sie sich in einem der hinteren Winkel in Gesellschaft einiger kichernder Damen befand und Likör schlürfte. Doch dann entdeckte er sie. Sie war allein. Und sie stand in einer Schlange von Wartenden, deren Anfang er von seinem Blickwinkel aus nicht erkennen konnte.

    Worauf warteten diese Leute? Das Buffet befand sich doch in einer ganz anderen Ecke des Raumes, um das Befüllen von Tellern konnte es nicht gehen.

    Lässig schlenderte er auf Marina zu und legte ihr einen Arm um die Schultern. »Warum stehen wir beiden denn hier herum?«, fragte er übertrieben heiter. Ihm war nicht entgangen, dass einige andere Wartende sein Kommen beobachtet hatten. Er musste um jeden Preis den Eindruck erwecken, dass er sich gut amüsierte.

    »Wir warten darauf, dass uns die Attraktion des Abends einen Moment ihrer Zeit schenkt. Das wird sicher lustig, Conny. Sie ist eine Wahrsagerin und liest aus der Hand. Ein paar der Mädels an der Bar meinen, dass sie richtig gut sein soll.«

    »Ach wirklich?« Conny bemühte sich, interessiert und nicht enttäuscht oder gelangweilt zu klingen. Eine Wahrsagerin schien ihm auf dieser Party völlig fehl am Platz.

    »Sei kein Spielverderber, Conny.« Marina hatte ihn durchschaut. »Das wird sicher lustig. Komm, wir halten ihr unsere Hände gleichzeitig hin, ja? Wer weiß, vielleicht haben wir beide eine gemeinsame Zukunft.«

    Das bezweifelte Conny sehr, aber ein Spielverderber wollte er unter gar keinen Umständen sein. Er würde den Spaß also mitmachen und sich anhören, was diese Wahrsagerin ihm mitzuteilen hatte. Vielleicht würden ihre Worte ihn etwas aufheitern. Er konnte es gebrauchen, hatte er doch noch immer das unbestimmte Gefühl, an diesem Abend versagt zu haben. Ganz im Gegensatz zu seinem Freund Peter, der jetzt schon eine geschlagene Stunde mit einem Teilhaber der teuersten Anwaltskanzlei Londons plauderte und sich dabei auch noch zu amüsieren schien. Nicht zu fassen.

    »Zeigen Sie mir Ihre Hände«, hörte er plötzlich eine klare weibliche Stimme zu ihm sagen.

    Sie hatten den Tisch erreicht, hinter dem die Wahrsagerin saß. Trotz ihres albernen Kostüms aus blauem Samt, dessen Säume mit goldenen Symbolen bestickt waren, und einem nicht weniger albernen turbanähnlichen Kopfputz aus blauen Seidentüchern, sah Conny, dass sie ein hübsches Geschöpf war. Ja, sogar außergewöhnlich hübsch. Ihre wasserblauen Augen und ihre blasse Haut bildeten einen auffallenden Kontrast zu den Strähnen nachtschwarzen Haares, die unter dem Turban hervorlugten. Ihre Lippen waren voll und luden regelrecht zum Küssen ein.

    Gehorsam streckten Conny und Marina ihr vier Hände entgegen. Die Wahrsagerin nahm zuerst Marinas, dann seine beiden Handflächen in Augenschein. Conny bemerkte, dass sie beim Anblick seiner Handlinien kurz zusammenzuckte. Das gehörte vermutlich zur Show. Plante sie etwa, ihm Angst einzujagen?

    Die Wahrsagerin sprach zuerst Marina an. »Ich sehe zwei Kinder und einen liebevollen Mann an Ihrer Seite. Es ist der Mann, der hier neben Ihnen steht.« Sie fuhr mit einem ihrer Fingernägel die Linien in Marinas Hand nach, die Conny freudestrahlend anlächelte.

    Er lächelte verkrampft zurück. Er hatte es ja gleich gewusst. Alles Blödsinn. Dann fühlte er die zarte Berührung der Wahrsagerin in seiner eigenen Handfläche.

    »Sie werden Karriere machen, ein Haus in Islington ersteigern und sehr alt werden. Zusammen mit dieser wunderschönen Frau hier neben Ihnen. Ich kann sehen, dass Sie beide heiraten werden. Es wird eine große Party, der schönste Tag Ihres Lebens.« Die Wahrsagerin hob den Blick und sah Conny mit ihren katzengrünen Augen an.

    Grün? Conny stutzte. Waren die Augen der jungen Frau nicht eben noch wasserblau gewesen?

    »Ist das nicht großartig, Conny? So eine Zukunft lässt man sich doch gern weissagen.« Marina strahlte ihn an und Conny bemühte sich um ein aufrichtig wirkendes Lächeln.

    »Ja. Ja, das klingt wunderbar, vielen Dank«, sagte er und trat beiseite, um dem nächsten Partygast Platz zu machen, der sich aus der Hand lesen lassen wollte.

    In den nächsten Stunden ließ Conny die Wahrsagerin nicht mehr aus den Augen. Er wartete. Er wartete auf die Gelegenheit, mit ihr allein zu sprechen, denn er hatte das unbestimmte Gefühl, soeben belogen worden zu sein. Das plötzliche Zusammenzucken der Frau, als er ihr die Hand hingehalten hatte, war keine Einbildung gewesen. Natürlich war es möglich, dass sie nur ein kleines grausames Spiel mit ihm trieb und es ein Fehler war, darauf auch noch einzugehen. Doch Conny wollte es jetzt genau wissen.

    So vernachlässigte er die Kontaktpflege mit den anderen Partygästen und auch Marina, die sich bereits schmollend zu einigen Freundinnen verzogen hatte, welche eine Flasche Gin kreisen ließen. Er selbst fühlte sich mittlerweile stocknüchtern.

    Nachdem auch der letzte Gast seine Zukunft in den blühendsten Farben geschildert bekommen hatte, raffte die Wahrsagerin ihre Accessoires zusammen und verließ fluchtartig, wie es Conny schien, die Party.

    Conny setzte ihr nach. Um Marina konnte er sich auch noch später kümmern, jetzt durfte ihm das Mädchen im blauen Samtkleid nicht entkommen. Die Stufen hinunterrennend, erreichte er den Gehsteig vorm Haus und sah gerade noch, wie die Wahrsagerin um die nächste Ecke bog. Sie rannte. Es gab keinen Zweifel mehr, sie rannte vor ihm davon.

    Ebenfalls in die Seitenstraße laufend, sah er die Frau wieder vor sich und hatte sie dank seiner guten Kondition und seiner langen Beine auch bald eingeholt. Schon streckte er die Hand nach der Schulter der Fliehenden aus, um sie zurückzuhalten, doch in diesem Moment verlangsamte sie ihr Tempo und drehte sich zu ihm um.

    »Was wollen Sie denn noch von mir?«, fauchte das Mädchen und zog sich den sowieso schon verrutschten Turban vom Kopf. Eine Flut langen schwarzen Haares ergoss sich über ihre Schultern bis zur Taille.

    »Die Wahrheit.« Conny sah nicht ein, warum er um den heißen Brei herumreden sollte. Gerade sah er der Fremden in die jetzt wieder wasserblauen Augen. »Was haben Sie in meiner Hand gesehen?«

    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Die Wahrheit?« Ihr Tonfall war spöttisch. »Glauben Sie, dass Sie stark genug sind für die Wahrheit? Wo es mich doch fast zu Tode erschreckt hat, was ich in Ihrer Hand sehen musste?«

    Conny ließ sich nicht beirren. »Die Wahrheit ist immer noch besser als eine gefällige Lüge.«

    Sie zuckte mit den Schultern. »Na schön. Wenn Sie sich so sicher sind.« Sie richtete sich kerzengerade auf und konnte ihm jetzt genau in die Augen sehen.

    Sie war eine große und sehr schöne Frau. Doch sie strahlte etwas aus, das Conny kaum benennen konnte, und sie roch auch irgendwie eigentümlich.

    Es ist der Geruch nach Abenteuern und die Ausstrahlung der Lebensgefahr, schoss es Conny durch den Kopf, doch er verdrängte den Gedanken sofort wieder.

    Jetzt sprach die Fremde mit leiser Stimme, aber sehr deutlich. Er konnte jedes ihrer Worte verstehen.

    »Sie werden niemals Karriere als Anwalt machen, Sie werden kein reicher Mann und Ihnen wird niemals ein eigenes Haus gehören. Aber heiraten werden Sie. Wenn auch nicht das Mädchen in Grün, das Sie an diesem Abend begleitet hat.«

    Zuerst war Conny wie vor den Kopf geschlagen. Dann spürte er, wie die Wut in ihm hochstieg. Hatte er es nicht geahnt? Diese angebliche Wahrsagerin wollte ihn nur zum Narren halten und er war ihr auf den Leim gegangen.

    »Und all das wollen Sie in meiner Hand gelesen haben? Sie ticken doch nicht richtig, meine Liebe.«

    Er wollte sich umdrehen und zurück zur Party gehen, doch ein unbestimmtes Gefühl in der Magengegend hielt ihn zurück. Konnte sie tatsächlich etwas über ihn und sein Leben wissen? Aber nein, das war albern. Er würde sich von dieser Frau doch nicht ins Bockshorn jagen lassen.

    Ihre Miene blieb unbewegt und ihre Stimme klang tonlos, als sie fortfuhr: »Ich konnte all das klar und deutlich in den Linien und Hügeln Ihrer Hände sehen, weil es auch meine Zukunft ist, Mister. Denn Sie werden mich heiraten. Und das finde ich kaum weniger erschreckend als Sie.«

    Conny verschlug es für einen kurzen Moment die Sprache. Dann lachte er unsicher, doch die Fremde lachte nicht mit. Schließlich brachte er heraus: »Ich? Sie heiraten? Wie käme ich wohl dazu? Wer sind Sie denn überhaupt?«

    »Mein Name ist Allison Harrowmore.« Sie lächelte plötzlich und in ihre Augen trat ein eigenartiges Glitzern. »Und du wirst mich finden.«

    Einen Augenblick später hatte sie sich abrupt von ihm abgewandt und rannte die Straße hinab.

    Conny versuchte, ihr zu folgen. Auf gar keinen Fall würde er diese seltsame Frau mit den zwei Augenfarben entkommen lassen. Nicht, bevor sie ihm erklärt hatte, was das alles zu bedeuten hatte. Doch sie lief noch schneller als zuvor, Conny hatte jetzt Mühe, mitzuhalten. Und nur eine Straßenecke später war sie weg. Einfach verschwunden, was eigentlich unmöglich war, denn es gab keinen offenen Hauseingang, ja nicht einmal einen Gully, in den sie sich hätte flüchten können.

    Atemlos lehnte sich Conny Bligh an ein Straßenschild und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Nach nur fünf Minuten erschien ihm das Verschwinden der Fremden schon gar nicht mehr so eigenartig, obwohl er noch immer keine Erklärung dafür hatte. Und ihre Weissagung war natürlich ein Scherz gewesen, was auch sonst.

    Er würde nie wieder von diesem Mädchen hören und es war reine Zeitverschwendung, noch weiter über sie, ihre Worte oder über ihr Verschwinden nachzudenken.

    Nachdem er sich selbst auf diese recht einfache Weise der selbst erschaffenen Realität beruhigt hatte, schlenderte er zurück zur Party, um seinen Lebensweg wieder an dem Punkt aufzunehmen, an dem die Wahrsagerin ihn gekreuzt hatte. Nicht ahnend, dass von nun an alles anders werden würde.

    Kapitel 1

    Mai 2018

    »Das war ein unglaublich toller Ausflug«, rief ich Walt, meinem Todesboten, zu, der sich nur Sekunden später als ich in meiner heimeligen Dachkammer materialisierte. Seine rotbraune Kutte war verdreckt und er hustete angestrengt. Aber ansonsten schien ihm unser Ausflug auf einen fernen Kontinent nicht geschadet zu haben. »Noch nie zuvor bin ich in Australien gewesen, hätte mir eine Reise von England nach Australien zu meinen Lebzeiten auch gar nicht leisten können. Und jetzt habe ich es schon bei meinem ersten Einsatz dort mit echten Kängurus zu tun. Faszinierende Tiere, nicht wahr?«

    »Ja, herzallerliebst«, bestätigte Walt mir zwischen zwei Hustern, doch sein Tonfall strafte seine Worte Lügen. »Ganz besonders reizend sind sie, wenn sie in vollem Lauf durch einen hindurchhoppeln und dabei mehr Staub aufwirbeln als eine Kolonne Jeeps.« Er wischte sich den Sand von der Kutte und räusperte sich mehrmals.

    Fürsorglich wollte ich ihm auf den Rücken klopfen, doch er machte eine abwehrende Handbewegung und hustete noch ein wenig weiter, während ich meiner Begeisterung Ausdruck verlieh: »Ich finde es großartig, dass es Harrowmores auf der ganzen Welt gibt. Und dass ich als ihre Banshee quasi überallhin teleportieren darf, um die Mitglieder der Familie vor tödlichen Gefahren zu retten. Ich sehe viel mehr von der Welt, seit ich tot bin. Eigenartig, oder?«

    »Warnen darfst du sie und mehr nicht«, erinnerte Walt mich an die Grundregeln meines Banshee-Daseins. »Wortlos erscheinen oder unsichtbar klagen, und zwar immer nur bei einem Angehörigen, nie bei dem Betroffenen selbst. Haben wir uns verstanden?« Das letzte Räuspern unter der Kapuze ging in eine Art geringschätziges Schnauben über. »Lässt dieser Idiot von einem Harrowmore sich erst volllaufen und legt sich auf dem Heimweg mit einem angriffslustigen Känguru an. So viel Pech kann nur genetisch bedingt sein.« Er zupfte sich die Kapuze seiner Kutte zurecht. »Dabei war der ausgewanderte Teil dieser Familie in den letzten Jahren so friedlich.«

    »Egal, wir haben es geschafft, Daniel Harrowmores Leben zu retten, genau wie es unserer Aufgabe entspricht«, rief ich glücklich. »Kein Känguru hat ihn zu Tode getrampelt, so wie es deine Vision gezeigt hat. Wie gut, dass seine Ehefrau sowieso schon nach ihm suchte. Auch wenn ich mich frage, warum sie ein geladenes Gewehr mit in den Pub nehmen wollte, nachdem ich für sie mein Banshee-Geheul angestimmt habe. Ob das irgendetwas mit dieser hübschen rothaarigen Bardame zu tun hatte? Na ja, ist ja alles gut gegangen.«

    Ich streckte mich ausgiebig und ließ den Blick durch mein Zuhause schweifen: Eine Dachkammer auf Schloss Harrowmore war meine Dienstwohnung, seit mich in einer Herbstnacht ein Blitz aus dem Leben gerissen hatte, und dieses staubige Kämmerchen beherbergte nun alles, was ich noch besaß. Das Inventar beschränkte sich auf ein durchgelegenes Troddelsofa, das mir als Bett diente, und einen ausrangierten Couchtisch nebst einigen weiteren gammligen Ex-Möbeln der Familie, in deren Dienst ich nun stand.

    Nach einer kurzen Phase der Eingewöhnung war ich heute der Meinung, dass es mir zu Lebzeiten bei Weitem nicht so gut gegangen war wie jetzt im Tode. Ich hatte meinen Freund und Kollegen Walt an meiner Seite und gemeinsam gelang es uns meisterhaft, die manchmal leicht vertrottelten Harrowmores aus allen lebensgefährlichen Situationen zu retten.

    In diesem Moment stimmte mein kleiner Gesellschafter, ein orangefarbener Mummel, ein leierndes Geheul an und ich wandte mich ihm verwundert zu.

    Sniff, so hieß der kleine Wassergeist, der in Form und Farbe sehr viel Ähnlichkeit mit einer Karotte hatte, hauste in einem Aquarium von der Größe eines Medizinballs. Und für gewöhnlich heulte er nicht, sondern konnte sich durchaus artikulieren.

    Interessanterweise entdeckte ich ihn und sein Behältnis nicht wie üblich auf dem Couchtisch, sondern mitten auf meinem Schlafplatz, dem besagten Sofa. Ich hatte ihn dort mit Sicherheit nicht zurückgelassen. Doch gleich neben meinem Mummel lag die Erklärung für seinen sicher unfreiwilligen Umzug auf einer rosa Wolldecke und rührte sich nicht. Und nun begriff ich, dass Sniffs Gewimmer Gesang darstellen sollte. Ein Mummelschlaflied vermutlich.

    »Das darf doch nicht wahr sein«, rief ich laut. »Sieh nur, Walt: Millie hat uns schon wieder einen ihrer Zwillinge aufs Auge gedrückt. Das ist doch unerhört. Ich bin die Banshee auf diesem Schloss und kein verdammtes Kindermädchen!«

    Mit entschlossenen Schritten durchquerte ich meine Dachkammer und kniete mich neben das kleine rosa Bündel. Der Mummel sang ungerührt weiter, während ich das Köpfchen des Säuglings freilegte und auf einen schwarzen Haarschopf stieß.

    »Es ist Allison. Schon wieder.«

    Millie, meine beste Freundin und bis zur Geburt ihrer beiden Kinder einziges Mitglied ihrer Familie, das mich dank ihres Druidenerbes sehen und hören konnte, hatte ihre wenige Wochen alte Tochter mal wieder bei mir zwischengelagert.

    Ich setzte mich mit einem Seufzer neben den ruhig daliegenden Säugling aufs Sofa und sah der Kleinen in die blauen Augen. Schon vom Moment ihrer Geburt an schien sie mich fixieren zu können. Sie war ein ungewöhnliches Kind, aber ich hatte auch nichts anderes von ihr erwartet. Dann blickte ich auf und schaute mich noch einmal in meinem kleinen Reich um. Wenn ich ehrlich war, hatte sich die Dachkammer in den letzten Tagen zu ihrem Nachteil verändert.

    Vor dem Rundfenster, das einen traumhaften Ausblick über die Gärten von Schloss Harrowmore ermöglichte, stand neuerdings ein ausrangierter Gartentisch, der als Wickelkommode diente. Darunter befand sich der unvermeidliche Windeleimer aus grellgrünem Plastik. Artverwandte Utensilien wie Puder, Öl, Schnuller und Spucktücher hatten sich großzügig im Rest des Raumes ausgesät und schienen sich täglich zu vermehren.

    »Es ist nicht leicht, eine alleinerziehende Mutter von Zwillingen zu sein«, verteidigte Walt meine Freundin Millicent und setzte sich ebenfalls aufs Sofa, wobei er das Mummelglas zurück auf den Couchtisch stellte. »Außerdem ist die kleine Allison doch ganz reizend. Das ruhigste Baby, das ich je gekannt habe. Und ich habe in den letzten Jahrhunderten viele kleine Harrowmores in Windeln gesehen.«

    Walt, schon seit dem finsteren Mittelalter so tot wie ein Türnagel, war schon seit Langem der Todesbote der Harrowmores und damit so etwas wie mein Vorgesetzter. In für ihn quälenden Todesvisionen kündigten sich Katastrophen der Familie an, was jedes Mal zur Folge hatte, dass ich von ihm auf eine neue Rettungsmission geschickt wurde. Manchmal, wie auch im Falle unseres jüngsten australischen Abenteuers, begleitete er mich dabei, denn wir beide gehörten zusammen wie der Papst und seine roten Schuhe.

    »Millie behauptet aber von Allison, dass sie immerzu brüllen würde. Ganz im Gegensatz zu ihrem Bruder Badria, den sie als eher pflegeleicht bezeichnet. Allison ist allem Anschein nach nur ruhig, wenn sie bei uns ist«, bemerkte ich und strich dem Baby zärtlich über die rosige Wange.

    Ally, wie ich unsere kleine Besucherin auch gern nannte, reagierte, indem sie mir ihre winzigen Hände entgegenstreckte. Ich konnte es kaum erwarten, bis sie zum ersten Mal lächeln würde.

    »Das ist lediglich ein Zeichen von gutem Geschmack. Vermutlich hat die kleine Allison jetzt schon ein Faible für diese Dachkammer oder für unsere Gesellschaft«, erwiderte Walt, hob das Baby sanft auf und nahm es in seine Arme.

    Ally gab ein Glucksen von sich, das sehr zufrieden klang, und mein Mummel hörte auf, zu singen.

    »Gut, dass Sniff nicht mehr allein mit Baby ist«, piepste er mit anklagender Stimme. »Mummel können Helden sein, aber Mummel können keine Milch geben oder Windeln wechseln. Sniff hat nämlich keine Arme.« Er reckte mir demonstrativ seine Quasten entgegen, tauchte dann ab und kringelte sich am Grund seines Glases zusammen.

    »Ersteres kann ich auch nicht und das Zweite will ich nicht. Und das trotz Armen«, rief ich ihm nach, doch Sniff zuckte nur mit seiner Schwanzquaste und schloss die schwarzen Knopfaugen.

    Er war die niedlichste schwimmende Karotte, die ich je in mein Herz geschlossen hatte, und er war ein echter Held. Im letzten Sommer hatte er maßgeblich dazu beigetragen, uns durch ein gefährliches Abenteuer mit Wasserwesen hindurchzuhelfen. Millie, selbst Wiedergeburt eines Druiden namens Badria, war damals schon mit ihren Zwillingen schwanger und keine große Hilfe gewesen.

    Im April waren ihr Sohn Badria und ihre Tochter Allison geboren worden. Letztere war zu diesem Zeitpunkt bereits keine Unbekannte mehr für uns. Zeitreisen hatten es ermöglicht, dass ich die erwachsene Allison weit vor ihrer jüngeren Ausgabe kennengelernt hatte. Zeitreisen fand ich ziemlich klasse.

    »Und drittens kann Allison ja Allison die Windeln wechseln«, ließ sich in diesem Moment Walt vernehmen, der Unterton war unüberhörbar bissig.

    Der Todesbote durchschritt meine Dachkammer, wobei er den Säugling in seinen Armen sacht schaukelte. Umso unsanfter schlug er am Ende seines Weges mehrmals gegen die Wand, sodass der Putz abplatzte und auf die Holzdielen rieselte.

    »Komm rüber, du hast die Hosen voll!«, schrie er laut.

    Als er sich daraufhin zu mir umwandte, schüttelte ich nur missbilligend den Kopf.

    Seine Botschaft war natürlich für die erwachsene Allison bestimmt. Jene Allison jenseits dieser Wand, die schon Anfang zwanzig war und in der Nacht ihrer eigenen Geburt mir nichts, dir nichts vor mir aufgetaucht war und mich um Asyl gebeten hatte.

    Und auch wenn ich dem verdreckten Mädchen in dem olivgrünen Overall mit den Springerstiefeln diese Bitte nur zu gern abgeschlagen hätte, schließlich gehörte sie nicht in unsere Zeit, konnte

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