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Zum Glück dumm gelaufen
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eBook279 Seiten4 Stunden

Zum Glück dumm gelaufen

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Über dieses E-Book

Ein blonde Geliebte, deren dicke Freundin und ihr Bruder, ein Jack-Russel Terrier und eine Arztgattin mit vier Kindern sind in ihrem Leben und in diesem Roman Nebenfiguren. Doch manchmal haben Nebenfiguren mehr Einfluss, als die vermeintlichen Hauptdarsteller denken oder ihnen lieb ist. Das erleben ein Staranwalt aus der englischen Oberschicht, eine Musiklehrerin aus der Provinz und ein charmanter Ganove. Mit der - nicht nur gütigen - Hilfe der Nebenfiguren führt ihr Schicksal sie auf ganz neue, unerwartete Pfade an deren Ende das Glück winkt und Abgründe lauern.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum26. Feb. 2018
ISBN9783746056487
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    Buchvorschau

    Zum Glück dumm gelaufen - Marco Stoll

    Zum Glück dumm gelaufen

    Wie es zu diesem Buch kam

    Zum Glück dumm gelaufen

    Epilog

    Ein Nachwort, das mehr eine Exkursion in meine Fantasie ist

    Impressum

    Wie es zu diesem Buch kam

    Ich habe die schlechte Gewohnheit, die Klappentexte der Bücher, die meine Frau gerade liest, zu kommentieren und den Gang der Geschichte vorherzusagen. Dies stösst seltsamerweise nicht immer auf ihre Zustimmung. Dann – es war so ungefähr vier Monate vor Weihnachten 2007 – ging ich eventuell ein bisschen zu weit. „Statt meine Bücher zu kommentieren, würdest du besser welche selber schreiben! Und dann kam der alles entscheidende Satz: „Ich wünsche mir von dir zu Weihnachten einen romantischen Roman!

    Kann man so einen Weihnachtswunsch seiner Frau ignorieren? Dazu muss ich sagen, dass ich diesen Genre der romantischen Liebesromane – wie all literarisch gebildeten Zeitgenossen – aus tiefstem Herzen verachte und natürlich trotzdem genussvoll lese; selbstredend nur im Urlaub und in Ermangelung von tief schürfender Geistesnahrung! Dass mein Hang zu dieser literarischen Gattung allerdings tiefer geht, als von mir zugegeben, wurde mir beim Schreiben bewusst. Das Schreiben ging mir nämlich unheimlich leicht von der Hand.

    Ich wünsche den Leserinnen und auch den Lesern ein paar gemütliche und gemütvolle Stunden.

    Zum Glück dumm gelaufen

    Steven warf einen letzten Blick hinüber zum grosse Herrenhaus.

    An den Fenstern drängte sich die elegante und illustre Abendgesellschaft von Lady Trenton und verfolgte interessiert seinen Abgang. Dann liess er sich in den Fond der Rover-Limousine fallen, wobei er schnell den Kopf einzog, damit er ihn sich nicht anstiess. Es war nicht leicht in Handschellen in ein Auto einzusteigen. Im Wagen sass bereits ein Beamter und Steven rutschte in die Mitte der Sitzbank um dem nachfolgenden Inspektor Platz zu machen. „Ich könnte mich ohrfeigen!, brummte Steven. Der Inspektor, der eben die Wagentür schloss, warf ihm einen kurzen Blick zu und bemerkte trocken: „Da haben Sie ja Glück, dass Sie Handschellen tragen und so Prügel entgehen. Aber ich denke, Sie werden später noch reichlich Gelegenheit dazu haben.

    Steven sagte nichts und schloss die Augen während der Wagend knirschend die Auffahrt hinunter fuhr. Er beabsichtigte, die Gesellschaft der Polizei nicht allzu lange zu beanspruchen. 

    Caroline Purpington geborene Sutherland-Satchworth stach die feuchte Erde des letzten Gemüsebeets um.

    Warum hatte sie auch nur so lange mit dieser Arbeit zugewartet? Nach dem Regen der letzten Woche, war der Boden schwer und aufgeweicht. Trotz des kalten Wetters lief ihr Schweiss über die Stirne. Ein kalter Wind fegte von der nahen Küste her und trieb schwarze Wolken übers Land. Nasses, fauliges Laub wurde aufgewirbelt und sammelte sich am nahen Geräteschuppen. Caroline sah sich um. Die klaren Tage des Spätherbstes waren verflogen. Die kräftigen Gold- und Rottöne dunklem Braun und Schwarz gewichen. Ihr Garten, der noch bis vor kurzem eine verwegene Wildheit ausgestrahlt hatte, wirkte nun verwahrlost und schlecht gepflegt. „Genau, das ist er auch", dachte Caroline und sah zum Haus hinüber.

    Woodworth Manor, ihr Elternhaus, wirkte grau und abweisend. Im Sonnenlicht mochte es noch etwas von seinem einstigen Glanz ausstrahlen. Doch jetzt, im trüben Licht des zu Ende gehenden Tages, wirkte es leer, verfallen und schrecklich renovierungsbedürftig. Das Dach war notdürftig mit Plastikbahnen abgedeckt. Die Läden des West- und des Hauptflügels, deren Farbe längst abblätterte war, waren geschlossen und die Fassade wies grosse, hässliche Wasserflecken auf. Caroline bewohnte nur zwei Zimmer im Ostflügel und die drunterliegende Küche. Die restlichen Zimmer waren alle leergeräumt. Wie lange mochte sie das Haus noch halten können?

    Das umliegende Land war von den letzten drei Generationen der Sutherland-Satchworth Parzelle um Parzelle verkauft worden, um die mit Landbesitz verbunden Steuern bezahlen zu können. Von den einstigen Ländereien und dem grossen Park waren noh vier Hektaren übrig geblieben. Der grösste Teil davon war von alten Bäumen und dichten Sträuchern überwuchert. Einen kleinen Teil bewirtschaftete Caroline so gut sie es vermochte. Es blieb ihr auch gar nichts anderes übrig, wenn sie nicht nur von billigen Konserven leben wollte. Mit dem Wenigen, das sie als Musiklehrerin an der örtlichen Schule verdiente, konnte sie sich nur das Nötigste leisten. Selbstversorgerin zu sein war eine Notwendigkeit; der Garten Ernährungsgrundlage, nicht das Hobby einer englischen Lady.

    Caroline zog sich das Herz zusammen, wenn sie daran dachte, wie froh ihre Eltern gewesen waren, als sie vor neuen Jahren Simon Purpington, den zukünftigen Lord Purpington, geheiratet hatte, den Alleinerben einer der reichsten und einflussreichsten Familien Grossbritanniens. Ihre Zukunft und mit ihr diejenige von Woodworth Manor schienen gesichert. Simon sprach davon, Woodworth Manor zu ihrer Residenz ausserhalb Londons zu machen.

    Doch schon gleich nach der Hochzeit verkündeten ihr Simon und seine Mutter, Lady Eleonore Purpington, geborene Clayton und eine Cousine zweiten Grades von Carolines Mutter, dass es für die Familie derer von Purpington nur einen angemessenen Landsitz geben konnte: Blackwells End, das Anwesen, das die Familie seit dreihundertzweiundsiebzig Jahren nördlich von Gloucester bewohnte. Caroline hatte sich in ihr Schicksal gefügt, wie sie sich in den folgenden neun Jahren in so vieles geschickt hatte. Woodworth Manor verfiel weiter.

    Wütend warf sie die letzte Schaufel Erde auf das Gemüsebeet. Hoffentlich würde die Kartoffelernte nächstes Jahr üppiger ausfallen. Die Ernte in diesem Jahr hatte sie nicht gerade gesättigt. Na ja, wenigstens behielt sie so ihre Figur, dachte Caroline mit bitterer Selbstironie und räumte das Gartenwerkzeug in den Schuppen.

    Ende Oktober fiel die Nacht schnell über Kent herein. Im Dämmerlicht schritt sie auf das Haus zu und stieg die fünf Stufen zur Küche hinunter. Sie trat in die saubere, geflieste Küche und machte Licht. Die Küche war ihr Lieblingsraum. Hier hatte sie viel Zeit in ihrer Kindheit bei ihrer Mutter und der Haushälterin Suzanne, dem guten Geist des Hauses -Sutherland-Satchworth, verbracht. Zudem war der Raum dank dem grossen Ofen schön warm. Die alte Zentralheizung hatte kurz nach dem Tode ihrer Mutter vor drei Jahren, den Geist aufgegeben. An eine Reparatur war bei ihrer finanziellen Lage nicht zu denken.

    Trooper, ihr Jack Russel Terrier, sprang ihr freudig entgegen. Er hatte ihr offensichtlich verziehen, dass sie in ins Haus gesperrt hatte. Er hat sie mit seinem Gebelle und dem an der langen Leine Herumrennen echt genervt. Jetzt legt er seinen Kopf schief, setzte sich und sah Caroline erwartungsvoll an.

    „Okay, Futter und einen kurzen – aber wirklich kurzen! – Abendspaziergang gibt es noch", versprach sie ihm. Er schien zufrieden und verschwand auf einen seiner Rundgänge durchs verlassene Haus.

    Derweilen sass Sir Simon der neunte Lord Purpington im Esquire Salon seines Klubs „Knights of the White Rose".

    Er verdaute das vorzügliche Abendessen bei einem Glas des legendären 1959 Colheita Portweins und einer Diademas Zigarre von Hoyo de Monterrey. Mit seinen dreiundsiebzig Jahren war Sir Simon zum Schluss gelangt, dass das Leben – insbesondere seines – zu kurz war, um sich mit Unerfreulichem zu belasten oder Erfreulichem aus dem Weg zu gehen.

    Er setzte diese Lebensweisheit mit der, einem englischen Lord eigenen Konsequenz um, lebte hauptsächlich in seiner Stadtvilla und seinem Klub, dem er seit dreiundzwanzig Jahren als Governor vorstand. Er genoss die Vorzüge des Stadtlebens, die Annehmlichkeiten seines renommierten Klubs und mied seinen Stammsitz, Blackwells End, so gut er nur konnte. In der Tat mied er vor allem seine Gemahlin, Lady Eleonore Purpington. Wie er seinem besten Freund, Sir Rhufus Timberland, erst kürzlich zu später Stunde anvertraut hatte, war es für ihn eine unbestreitbare Tatsache, dass sein Weib kein blaues Blut sondern Blausäure in den Adern hatte.

    Seine Beschaulichkeit wurde durch das Erscheinen des Master Butlers des Klubs, Otto, unterbrochen. Otto war eine Institution in einer Institution. Abgesehen von seinem unpassend deutschen Namen war er der Inbegriff eines englischen Butlers. Otto räusperte sich leise und wandte sich an Lord Purpington: „Wenn Ihre Lordschaft gestatten, so möchte ich Sie noch auf zwei Termine von morgen Freitag aufmerksam machen."

    Sir Simon zog seine buschigen Augenbrauen zusammen. Das Wort Termin verband er unwillkürlich mit Arbeit, der er seit längerem erfolgreich entsagte. Oder dann war es mit seinen Pflichten im Oberhaus verbunden. Ebenfalls etwas, das er auf ein Mindestmass zu reduzieren vermochte. Am schlimmsten aber waren die Termine, die er mit seiner Gemahlin und seinem Sohn hatte. Meistens ging es um Geld. Die beiden versuchten seit längerem ihn zu entmachten, zu entmündigen oder ins Grab zu bringen. Vermutlich eher letzteres, weil das Entmündigen wohl der Familienehre geschadet hätte.

    „Nun, welche Termine – er spuckte das Wort mit so viel Verachtung aus, wie es mit einer Zigarre im Mund eben ging – „muss ich denn morgen wahrnehmen?

    „Um elf Uhr dreissig wird ihre Lordschaft im Ausschuss des Oberhauses, der über das Thema Fuchsjagd berät, erwartet …"

    „Die Füchse können mir gestohlen bleiben und die Idioten zu Pferd sollen sich ihr Genick auf der Rennbahn brechen", unterbrach ihn Lord Purpington unwirsch.

    Otto behielt seine Contenance: „… und um fünfzehn Uhr dreissig hat Mr. Balthasar Cougill um einen Termin gebeten."

    „Den ich ihm gewährt habe?" Sir Simon war äussert misstrauisch. Der Name Balthasar erinnerte ihn an seinen Onkel mütterlicherseits, der ihn 1949 unbedingt in seinem Regiment bei den Royal Scottish Guards haben wollte. Sir Simon war dieser Karriere nur dadurch entgangen, dass er sich mit einer französischen Comtesse an die Riviera verdrückt hatte. Er fand noch heute, dass die Zeit mit der Comtesse wesentlich lehrreicher als eine militärische Ausbildung gewesen war.

    „In der Tat My Lord. Mr. Cougill ist einer der Seniorpartner der Anwaltskanzlei Cougill, Cougill, Cougill & Cougill und der zweite Mr. Cougill."

    „Ein Anwalt, der zwischen zwei Kommata steht, ist per se suspekt, murrte Sir Simon. „Halten Sie mir bloss diese Anwaltsbrut vom Leibe. Ich habe einen der übelsten Sorte gezeugt. Und in Gedanken fügte er bei, „behauptet wenigstens Eleonore."

    „Sehr wohl My Lord." Es blieb unklar, ob dies eine Bestätigung der Aussage zu den Anwälten im Allgemeinen war, oder ob Otto gedachte, Mr. Cougill von Sir Simon fernzuhalten. Wahrscheinlich wollte er aber damit nur andeuten, dass er sich zurückzuziehen gedachte.

    „Schicken Sie mir einen Wagen, der mich nach Westminster bringt und dort um fünfzehn Uhr wieder abholt", entschied der grimmige Lord, worauf sich Otto mit einer gemessenen Verbeugung und zwei Schritt rückwärts geräuschlos entfernte. Sir Simon leerte sein Glas in einem Zug. Der Genuss war weg. Die Erwähnung eines Anwaltes hatte ihm die Auseinandersetzung mit Eleonore und Simon Junior in Erinnerung gerufen, die schon seit mehreren Jahren das alles andere als süsse Familienleben vergiftete. Die beiden fanden, dass es an der Zeit war, Simon Junior mit der Verwaltung des Familienbesitzes zu betrauen. Der Lord war da ganz anderer Ansicht und vertraut viel lieber seinen Privatbankiers Pictet & Cie. in Genf. Zudem hatte Simon in seiner zwanzigjährigen Anwaltskarriere nicht nur den Ruf als gerissener und mit allen Wassern gewaschenen Anwalt erworben, sondern auch ein Vermögen, das ihm unter anderem erlaubte, mit einem Aston Martin durch London zu brausen. Wie dekadent! Sir Simon war sich sicher, dass in dem Moment, wo Lady Eleonore und ihr Sohn über den Familienbesitz herrschen konnten, er, der Lord, in einem Nebenzimmer von Blackwells Ends vergammeln würde. Ade Colheita Portwein und Diademas Hoyo de Monterrey Zigarren!

    Caroline schlenderte mit dem fröhlichen Trooper in Richtung Saint Nicholas at Wade.

    Das Dorf lag nordöstlich von Canterbury und hatte ursprünglich zu Woodworth Manor gehört. Heute bestand es aus Einfamilienhäusern und gut zwei Dutzend Bauernhöfen, die das umliegende Land bewirtschafteten. Woodworth Manor lag zwei Kilometer ausserhalb des Dorfes und war mit diesem durch einen schlechten, grasüberwucherten Feldweg verbunden. Nach der schrecklichen Zeit in Blackwells End und einer tiefen Depression hatte Caroline hier, am Ort ihrer glücklichen Kindheit, Ruhe gefunden und war körperlich und seelisch wieder zu Kräften gekommen.

    Das erste Haus zwischen Woodworth Manor und dem Dorf gehört dem Landarzt Anthony Franklin und seiner Frau Sally-Anne. Diese war in den achtzehn Monaten, seit Caroline ihren Ehemann verlassen hatte und ins baufällige Woodworth Manor zurückgekehrt war, ihre beste Freundin geworden. Caroline bewunderte Sally-Anne. Sie hielt die vier Kinder und den Haushalt im Schuss, unterstütze ihren Mann bei seiner Arbeit, bewahrte Caroline davor ganz zu vereinsamen und war bei alle dem auch immer glänzender Laune. Caroline war es ein Rätsel, wie Sally-Anne das machte. Aber sie war dem Schicksal dankbar, das die Franklins nach St. Nicholas at Wade verschlagen hatte.

    Trooper, den sie auf offenem Feld von der Leine gelassen hatte, rannte ihr voraus. Sie hatte ihm ein kleines Fahrradlicht ans Halsband gesteckt, so dass sie im Dunkeln an dem rot blinkenden Licht erkannte, wo er steckte. Trooper sprang leicht über das kleine Gartentor und steuerte aufs Haus der Franklins zu. „Nein, Trooper, rief ihn Caroline zurück, „es ist zu spät für einen Besuch und lass die Katzen in Ruhe! Trooper verschwand um die Hausecke. Wohl auf der Suche nach einer der drei Katzen, die den Kindern der Franklins gehörten. Caroline wartete ein Weilchen, doch Trooper blieb verschwunden. Vor dem Haus herumstehen wollte sie nicht. Sie trat in den Garten und klopfte an die Haustür. Anthony öffnete ihr. Er hielt seinen wild schreienden Sohn Trevor unter den Arm geklemmt und schob mit dem Fuss einen Plastiktraktor beiseite.

    „Komm rein, du kannst und helfen die Kinder in Kisten zu verpacken und nach Timbuktu zu verschicken, begrüsste er Caroline. Aus dem Wohnzimmer erklang lautes Gebrüll. „Wir wollen nicht nach Timbuktu und ins Bett schon gar nicht. Das waren die Zwillinge Alex und Albert. Jetzt erschien auch Sally-Anne, die halb schlafende, dreijährige Catherine auf dem Arm haltend, und lächelte sie an, als gäbe es nichts schöneres, als am Ende eines langen Tages auch noch Besuch zu bekommen. „Ich bleibe nicht lange, versicherte Caroline, „eigentlich suche ich nur Trooper, der in eurem Garten verschwunden ist.

    „Trooper, die Zwillinge stiessen einen Schrei aus, der wie ein Angriffssignal klang und stürzten zur Glastür, die in den Garten führte. „Ihr bleibt hier, donnerte Anthony! „Verdammt, es ist kalt und nass, da geht ihr mir nicht barfuss und im Pyjama in den Garten, habt ihr gehört! Die Zwillinge sahen ihn missmutig an. „Wäre noch schöner, wenn die Kinder des Dorfarztes an Lungenentzündung eingehen würden, brummte Anthony.

    „Anthony, schalt ihn Sally-Anne, „sprich nicht so von deinen Kindern. Du bist Allgemeinpraktiker und kein Veterinär! „Auch die Kinder des Veterinärs sollten nicht eingehen", entgegnete Anthony und trieb sein Zwillinge nach oben, den immer noch schreienden Trevor weiterhin unter den Arm geklemmt. Sally-Anne und Catherine folgten der männlichen Kavalkade.

    „Ich gehe und suche Trooper und verschwinde dann wieder, rief Caroline nach oben. „Ja, such deinen Kampfhund aber untersteh dich nach Hause zu gehen, rief Sally-Anne zurück, die im Badezimmer versuchte, der schläfrigen Catherine die Zähne zu putzen. „Ich will noch ein paar Worte mit einem normalen Menschen wechseln, bevor ich ins Erschöpfungskoma falle. Anthony schaute über das Treppengeländer nach unten: „Womit vor Zeugen bestätigt wurde, dass mein mir angetrautes Weib mich für nicht normal hält. Und er verschwand im Zimmer der Zwillinge um den abendlichen Kampf ums Zubettgehen auszufechten.

    Eine halbe Stunde später sassen alle drei beim Tee. Trooper hatte die Katzendecke auf einem alten Sessel beschlagnahmt und, wohl im Versuch sich anzupassen, wie eine Katze auf den Rücken gedreht und zufrieden alle Viere in die Luft gestreckt. Sally-Anne hatte gelacht und ihm den Bauch gekrault. „Fehlt nur noch, dass er zu schnurren beginnt, dein Trooper."

    Jetzt schwiegen sie und genossen die Stille. Selbst oben schien Ruhe eingekehrt zu sein. Allerdings wusste Caroline von ihren Einsätzen als Babysitter, dass über kurz oder lang nackte Kinderfüsse auf der Holztreppe zu hören sein würden. „Hast du eigentlich endlich ein Scheidungsurteil erhalten, fragte Sally-Anne etwas zögernd? Es war ein heikles Thema, dem Caroline gerne auswich, das allerdings in Anbetracht ihrer prekären finanziellen Lage einer gewissen Dringlichkeit nicht entbehrte. „Nein, entgegnete sie, „ich weiss nicht wie Simon es schafft, das so lange hinauszuzögern. So lange es kein Urteil gibt, muss er mir nichts bezahlen, da ich die eheliche Gemeinschaft verliess. Das sagen wenigstens seine Anwälte und meiner sieht keine Chance, das zu ändern."

    „Der zukünftige Lord, mit seinen Verbindungen, kennt wohl alle Richter in der Grafschaft Gloucestershire, warf Anthony ein, „und deinen Anwalt halte ich für eine ausgesprochene Niete.

    „Aber eine kostenlose Niete, die mir vom Gericht zugewiesen wurde. Wenigstens habe ich so jemanden, der sich um meine Angelegenheit kümmert. Ich könnte mir nie einen Anwalt leisten. Mit dem Wenigen, das ich hier verdiene kann ich den Winter über nicht hierbleiben. Ich muss nach London und mir einen Job suchen." Die Vorstellung war Caroline ein Graus. Sie hatte gelegentlich in Simons luxuriösem Apartment in der City gewohnt, aber die Stadt war ihr fremd.

    „Was für Arbeit würdest du dir suchen", wollte Anthony wissen? Sally-Anne warf ihm einen Blick zu, der deutlich zum Ausdruck brachte, dass sie dies für eine ausgesprochen taktlose Frage hielt.

    „Wenn ich das nur selber wüsste, antwortet Caroline ehrlich. „Ausser einer wirklich guten Musikausbildung mit Diplom als Sängerin, einem abgebrochenen Studium der Philosophie und Literatur habe ich eigentlich nichts, das ich als Qualifikation vorweisen könnte. Natürlich kann ich mit Computern arbeiten. Ich musste ja auch etwas fürs Gehirn tun, all die Jahre in Blackwells End. Da habe ich halt Computerprogramme und Sprachen gelernt.

    „Hey, das ist ideal, fand Anthony, „dann kannst du als Fremdsprachensekretärin für einen Verleger gehobener literarischer Werke arbeiten. „Liebling, Sally-Anne sah ihn mitleidig an, „so was wie Sekretärinnen gibt es nicht mehr und auch für Jobs, die es eigentlich gar nicht mehr gibt, braucht man heute eine Qualifizierung. „Na, so ein Diplom kann ja nicht so eine Hexerei sein", warf Anthony ein und nahm ein Ärztemagazin und vergrub sich darin.

    „Du siehst, so beendet mein Gemahl eine ernsthafte Diskussion", sagte Sally-Anny zu Caroline und goss ihnen Tee nach. Eine halbe Stunde später war Caroline auf dem Weg zurück nach Woodworth Manor. Das rotblinkende Licht an Troopers Halsband umkreiste sie wie ein Satellit oder wie ein Hütehund seine Schafherde.

    Sir Simon der neunte Lord Purpington sass hinter seinem Schreibtisch im Büro, das ihm als Governor des Klubs „Knights of the White Rose" zustand.

    Er starrte aus dem Fenster in den kleinen, aber gepflegten Garten. Obwohl es erst kurz nach sechzehn Uhr war, war es draussen schon am Eindunkeln. London lag unter einer dicken Wolkendecke, aus der es immer mal wieder nieselte. Im Büro brannten nur die Tischlampe und eine Stehlampe in der Ecke beim Fenster. Der Rest des Raumes mit seiner eichenen Holztäfelung lag im Dunkeln.

    Sir Simon sah zum Gemälde seines Vorgängers auf, das vom Licht der Stehlampe schwach beleuchtet wurde. Die anderen siebzehn Governors, die den Klub in seiner fast vierhundertjährigen Geschichte durch gute und weniger gute Zeiten des Britischen Empires gelenkt hatten, waren auf Gemälden verewigt, die die Bibliothek und das Treppenhaus zierten.

    „Na, Robert, du alter Wüstling. Ist dir das auch passiert, fragte Sir Simon den streng blickenden Herrn auf dem Gemälde? Sir Robert White blieb eine Antwort schuldig. Aufgrund des säuerlichen Gesichtsausdrucks konnte man zum Schluss kommen, dass die Titulierung „Wüstling ihn beleidigte. Allerdings war Sir Roberts Ruf als Frauenheld legendär gewesen. Zu guter letzt war er im Alter von 77 in den Armen einer dreissig Jahre jüngeren Geliebten gestorben. Was ihn so angestrengt hatte, dass ihn der Schlag traf, wurde aus Höflichkeit im Klub nicht weiter erläutert.

    Sir Simon nahm die Akte, die ihm der Anwalt, der zweite Mr. Cougill von Cougill, Cougill, Cougill & Cougill vor wenigen Minuten überreicht hatte zur Hand und blätterte sie durch. Sein Blick fiel auf das Foto einer schönen Frau. Sie war anfangs dreissig, trug einen schwarzen Hosenanzug, wie er in den achtziger Jahren Mode gewesen war, und sah selbstsicher in die Kamera. Ihre nordische Eleganz, das weissblonde, kurze Haar und die blauen Augen hatten etwas kühl Distanziertes, ja fast Abweisendes.

    „Ja, Christina, murmelte Sir Simon, „ich wusste immer, dass du mein Leben verändert hattest. Nur dass es dermassen tief sein würde, das ahnte ich alter Esel nicht.

    Mr. Balthasar Cougill hatte ihm mitgeteilt, dass Christina Maria Johansson am 13. Oktober 2007 im Alter von sechsundfünfzig Jahren einem Krebsleiden erlegen war. Christina war vor einer Woche in Tyresö, ihrem Heimatort südlich von Stockholm, im Beisein ihrer Familie, zu Grabe getragen worden. Sie hinterliess ein beträchtliches Vermögen und eine Tochter, die Alleinerbin war. Im weiteren hinterliess sie einen Brief, der an Sir Simon, den neunten Lord Purpington, adressiert war und in dem sie ihm mitteilte, dass ihre Tochter auch die seine war. Mr. Cougill nahm den Kern der Botschaft dem Brief vorweg. Wohl um einen weiteren Todesfall zu vermeiden. Bei so alten Lords konnte man ja nie wissen. Nachdem er diese Botschaft überbracht hatte, reichte Mr.

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