Dr. Daniel 83 – Arztroman: Operation vor laufender Kamera
Von Marie Francoise
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Seit zwei Stunden brütete Eberhard Schütz nun schon über einem Wust von Papieren, doch er konnte rechnen, soviel er wollte – seine Gemeinde Steinhausen steckte tief in den roten Zahlen.
Bürgermeister Schütz seufzte abgrundtief und zupfte unaufhörlich an seinem Ohrläppchen, wie er es immer tat, wenn er scharf nachdachte. Doch alles Grübeln nützte nichts. Die Ausgaben der Gemeinde waren im vergangenen Jahr nun mal beträchtlich höher gewesen als die Einnahmen, und es sah nicht so aus, als würde sich in diesem Jahr sehr viel daran ändern.
»Was ist los, Eberhard?« wollte seine Frau Waltraud wissen, die hier im Ort zu den gefürchtetsten Klatschbasen zählte.
»Nichts«, behauptete Bürgermeister Schütz mit bekümmertem Gesicht.
»Genauso schaust du aus«, urteilte Waltraud, dann warf sie einen Blick über seine Schulter.
Rasch deckte der Bürgermeister die Papiere mit einer Hand zu. »Das sind Dokumente, die dich nichts angehen. Immerhin…«
»Die Gemeinde hat also Schulden«, vermutete Waltraud. Die Papiere, auf die sie einen kurzen Blick hatte werfen können, waren für sie zwar nichts anderes als böhmische Dörfer, aber sie kannte ihren Mann lange genug, um zu wissen, daß seine abgrundtiefen Seufzer und sein kummervoller Blick nur mit Geldsorgen zusammenhängen konnten. Da das Konto der Familie Schütz aber wohlgefüllt war, deuteten seine Symptome auf die anscheinend leere Geldkasse hin.
Bürgermeister Schütz schwieg mit zusammengepreßten Lippen. Eine deutlichere Antwort hätte er seiner Frau kaum geben können.
Waltraud setzte sich ihm gegenüber und schlug die Beine übereinander, was bei ihrem Übergewicht nicht sehr graziös wirkte.
»Ich habe es dir ja immer gesagt – Steinhausen bräuchte eine Kurklinik, dann würde
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Dr. Daniel 83 – Arztroman - Marie Francoise
Dr. Daniel
– 83 –
Operation vor laufender Kamera
Marie Francoise
Seit zwei Stunden brütete Eberhard Schütz nun schon über einem Wust von Papieren, doch er konnte rechnen, soviel er wollte – seine Gemeinde Steinhausen steckte tief in den roten Zahlen.
Bürgermeister Schütz seufzte abgrundtief und zupfte unaufhörlich an seinem Ohrläppchen, wie er es immer tat, wenn er scharf nachdachte. Doch alles Grübeln nützte nichts. Die Ausgaben der Gemeinde waren im vergangenen Jahr nun mal beträchtlich höher gewesen als die Einnahmen, und es sah nicht so aus, als würde sich in diesem Jahr sehr viel daran ändern.
»Was ist los, Eberhard?« wollte seine Frau Waltraud wissen, die hier im Ort zu den gefürchtetsten Klatschbasen zählte.
»Nichts«, behauptete Bürgermeister Schütz mit bekümmertem Gesicht.
»Genauso schaust du aus«, urteilte Waltraud, dann warf sie einen Blick über seine Schulter.
Rasch deckte der Bürgermeister die Papiere mit einer Hand zu. »Das sind Dokumente, die dich nichts angehen. Immerhin…«
»Die Gemeinde hat also Schulden«, vermutete Waltraud. Die Papiere, auf die sie einen kurzen Blick hatte werfen können, waren für sie zwar nichts anderes als böhmische Dörfer, aber sie kannte ihren Mann lange genug, um zu wissen, daß seine abgrundtiefen Seufzer und sein kummervoller Blick nur mit Geldsorgen zusammenhängen konnten. Da das Konto der Familie Schütz aber wohlgefüllt war, deuteten seine Symptome auf die anscheinend leere Geldkasse hin.
Bürgermeister Schütz schwieg mit zusammengepreßten Lippen. Eine deutlichere Antwort hätte er seiner Frau kaum geben können.
Waltraud setzte sich ihm gegenüber und schlug die Beine übereinander, was bei ihrem Übergewicht nicht sehr graziös wirkte.
»Ich habe es dir ja immer gesagt – Steinhausen bräuchte eine Kurklinik, dann würde endlich der Rubel rollen«, meinte Waltraud in einem belehrenden Ton.
»Kurgäste sind großzügig, außerdem bekommen sie Besucher von außerhalb, die ebenfalls Geld mitbringen würden. Dazu ein paar Kurkonzerte und ein hübsch angelegter Freizeitpark. Möglicherweise könnte man sogar das Wasser des Waldsees als Heilwasser vermarkten.«
Eberhard Schütz seufzte erneut. »Alles schön und gut, die Waldsee-Klinik verfügt nur über Chirurgie und Gynäkologie. Sie ist nun mal keine Kurklinik und wird auch niemals eine werden.« Hilflos zuckte er die Schultern. »Schon damals, als Metzler noch Chefarzt war, habe ich einen Anstoß in dieser Richtung versucht, aber Metzler hat sich sofort quergestellt.«
»Vielleicht ist der neue Chefarzt… dieser Dr. Scheibler, ja entgegenkommender«, hakte Waltraud nach. »Für ihn wäre eine Kurklinik doch auch profitabler.« Sie verzog das Gesicht. »Außerdem müßte er dann nicht ständig an irgendwelchen Menschen herumschneiden.«
Bedächtig wiegte Bürgermeister Schütz den Kopf hin und her. Dr. Wolfgang Metzler, der frühere Chefarzt der Waldsee-Klinik, der jetzt am Kreiskrankenhaus arbeitete, war einst hier in Steinhausen geboren und aufgewachsen, und obwohl er sich später viele Jahre beruflich im Ausland aufgehalten hatte, war es für den Bürgermeister leicht gewesen, seine Reaktionen einzuschätzen.
Mit Dr. Gerrit Scheibler verhielt es sich anders. Er lebte und arbeitete erst seit der Einweihung der Waldsee-Klinik hier in Steinhausen, und von einigen gelegentlichen Begegnungen abgesehen, kannte der Bürgermeister ihn nicht sonderlich gut.
»Es gibt ja auch noch Dr. Daniel«, wandte er ein. »Und der ist Direktor der Waldsee-Klinik. Du kennst ihn, Waltraud, er würde einer Kurklinik nie zustimmen.«
»Man müßte ihn irgendwie unter Druck setzen«, überlegte Waltraud halblaut.
»Den kann man nicht…« begann der Bürgermeister, unterbrach sich jedoch mitten im Satz. Vielleicht gab es ja doch eine Möglichkeit…
*
Die Gemeinderatsmitglieder waren über die außerordentliche Sitzung ziemlich erstaunt und auch nicht sonderlich erfreut. Außerordentliche Gemeinderatssitzungen hatten grundsätzlich einen bitteren Nachgeschmack. Meistens waren sie darüber hinaus auch noch mit Arbeit verbunden.
Jetzt eröffnete Bürgermeister Schütz die Sitzung und kam sofort zum Thema.
»Steinhausen braucht eine Kurklinik!«
Seine Gemeinderatsmitglieder sahen ihn an, als hätte er vorgeschlagen, Steinhausen solle sich an einem Weltraumprojekt beteiligen.
»Wie sollen wir eine zweite Klinik überhaupt finanzieren?« wollte Simon Gruber, der Besitzer des Gasthofes zum Goldenen Löwenwissen. Wie immer sprach er dabei recht leise und zurückhaltend, was seinen Grund darin hatte, daß er zu Hause bei seiner Frau Hermine nicht viel zu melden hatte. Es war für ihn immer wieder ein kleines Wunder, wieviel Gewicht seine Stimme hier im Gemeinderat hatte. »Ich meine… die Waldsee-Klinik ist ja schon hier, und… und überhaupt…«
»Ich spreche nicht von einer zweiten Klinik«, stellte Bürgermeister Schütz klar. »Ich möchte die Waldsee-Klinik zu einer Kurklinik umgestalten. Das würde der Gemeinde erheblich mehr Profit bringen als ein normales Krankenhaus.«
»Da wird Dr. Daniel aber niemals mitspielen«, prophezeite der Apotheker Albert Loess.
Bürgermeister Schütz lächelte wissend. »Es wird ihm nichts anderes übrigbleiben. Erinnern Sie sich noch, wie seinerzeit die Waldsee-Klinik finanziert wurde?«
»Und ob«, bekräftigte der Apotheker. »Rainer Bergmann hat ein Grundstück aus seinem Privatbesitz zur Verfügung gestellt und die gesamte Finanzierung gesichert.«
»Bis auf eine Ausnahme«, fügte der Bürgermeister mit einem siegessicheren Lächeln hinzu. »Die Innenausstattung hat mehr gekostet, als aufgrund der Kostenvoranschläge zu erwarten war. Rainer Bergmann war zu jenem Zeitpunkt finanziell nicht mehr ganz so gut gestellt, daher hat die Gemeinde der Klinik ein Darlehen zur Verfügung gestellt, das mittlerweile zwar fast zur Hälfte zurückgezahlt ist, aber die andere Hälfte…«
»Sie wollen das Darlehen kündigen?« fiel Apotheker Loess ihm ins Wort, dann schüttelte er den Kopf. »Dazu haben Sie kein Recht. Wenn die monatlichen Ratenzahlungen immer pünktlich geleistet wurden…«
»Die Gemeinde steckt tief in den roten Zahlen«, deklamierte Bürgermeister Schütz. »Das macht eine sofortige Rückforderung des restlichen Darlehens erforderlich.« Mit einem süffisanten Lächeln zuckte er die Schultern. »Vielleicht kann die Klinik ja bezahlen.«
»Und wenn nicht?« wollte der Apotheker wissen.
Unwillkürlich rieb sich Bürgermeister Schütz die Hände. »Dann, mein lieber Herr Loess, wird Dr. Daniel eben doch gezwungen sein, meinen Vorschlag zu akzeptieren.«
*
Dr. Robert Daniel hatte keine Ahnung, welches Unheil sich über der Waldsee-Klinik zusammenbraute. Er freute sich an diesem Abend lediglich auf ein gemütliches Beisammensein mit seiner Frau Manon. Irene Hansen, Dr. Daniels ältere, verwitwete Schwester, die der Familie den Haushalt führte, war bei der Haushälterin des Pfarrers eingeladen, und die kleine Tessa, das quirlige Adoptivtöchterchen der Daniels, schlief bereits. Stefan, Dr. Daniels Sohn aus erster Ehe, hatte Nachtdienst in der Klinik, wo er gerade seinen Facharzt machte, und Karina, die Tochter des Arztes, lebte schon seit einigen Monaten bei ihrem Verlobten Dr. Jeffrey Parker.
Dr. Daniel und seine Frau blickten also einem fast ungewöhnlich ruhigen Feierabend entgegen – vorausgesetzt, es würde kein Notfall dazwischenkommen, was im Hause Daniel normalerweise beinahe zur alltäglichen Routine gehörte.
»Diese Ruhe ist direkt unheimlich«, stellte Dr. Daniel auch schon fest.« Irgendwie erwarte ich jeden Moment, daß das Telefon klingelt.«
»Das will ich nicht hoffen«, entgegnete Manon lächelnd. »Einen einzigen Abend im Jahr möchte ich dich auch mal ganz für mich allein haben.«
Dr. Daniel schmunzelte. »Du übertreibst schamlos.«
Nachdenklich legte Manon einen Finger