Dr. Daniel 36 – Arztroman: Gefahr für Mutter und Kind
Von Marie Francoise
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»Ein bißchen klein geraten«, erklärte die Gynäkologin Frau Dr. Steiger knapp, als sie die Abmessungen betrachtete, die sie per Ultraschall an dem Ungeborenen vorgenommen hatte, dann musterte sie ihre Patientin mit einem abschätzenden Blick. »Na ja, woher soll es das Kleine auch haben. Sie sind schließlich auch nicht gerade groß.«
Sabine Meister schluckte. Natürlich wußte sie, daß sie mit ihren einssechzig keine Riesin war, und normalerweise hatte sie damit auch keine Probleme, doch der abwertende Ton, der in der Stimme ihrer Ärztin mitgeschwungen hatte, traf sie tiefer, als sie es wohl zugegeben hätte.
»Ist das… schlimm?« fragte sie fast ein wenig verschüchtert. »Ich meine… daß das Baby so klein ist.«
»Ach, Unsinn«, wehrte Frau Dr. Steiger in ihrem üblichen unfreundlichen Ton ab, dann reichte sie Sabine die Hand. »Wir sehen uns in vier Wochen wieder.«
Sabine hätte noch einige Fragen gehabt, doch sie kannte die Eigenschaften ihrer Ärztin mittlerweile ausgesprochen gut. Wenn sich Frau Dr. Steiger nämlich von einer Patientin bereits verabschiedet hatte, dann schätzte sie es nicht besonders, von dieser noch einmal mit Fragen belästigt zu werden. Allerdings war die Gynäkologin mit dem Abschied immer schnell bei der Hand, so daß Sabine bisher nur selten Gelegenheit gehabt hatte, irgendeine Frage loszuwerden, die ihr am Herzen gelegen hatte.
Ein wenig bedrückt verließ sie das Sprechzimmer und schließlich auch die Praxis, dann atmete sie erst einmal tief durch.
»Was ist los, Liebling?« fragte ihr Mann Bernd besorgt. Er hatte draußen auf dem Parkplatz gewartet, weil Frau Dr. Steiner Männer in ihrer Praxis nur ungern duldete.
Sabine seufzte
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Dr. Daniel 36 – Arztroman - Marie Francoise
Dr. Daniel
– 36 –
Gefahr für Mutter und Kind
Marie Francoise
»Ein bißchen klein geraten«, erklärte die Gynäkologin Frau Dr. Steiger knapp, als sie die Abmessungen betrachtete, die sie per Ultraschall an dem Ungeborenen vorgenommen hatte, dann musterte sie ihre Patientin mit einem abschätzenden Blick. »Na ja, woher soll es das Kleine auch haben. Sie sind schließlich auch nicht gerade groß.«
Sabine Meister schluckte. Natürlich wußte sie, daß sie mit ihren einssechzig keine Riesin war, und normalerweise hatte sie damit auch keine Probleme, doch der abwertende Ton, der in der Stimme ihrer Ärztin mitgeschwungen hatte, traf sie tiefer, als sie es wohl zugegeben hätte.
»Ist das… schlimm?« fragte sie fast ein wenig verschüchtert. »Ich meine… daß das Baby so klein ist.«
»Ach, Unsinn«, wehrte Frau Dr. Steiger in ihrem üblichen unfreundlichen Ton ab, dann reichte sie Sabine die Hand. »Wir sehen uns in vier Wochen wieder.«
Sabine hätte noch einige Fragen gehabt, doch sie kannte die Eigenschaften ihrer Ärztin mittlerweile ausgesprochen gut. Wenn sich Frau Dr. Steiger nämlich von einer Patientin bereits verabschiedet hatte, dann schätzte sie es nicht besonders, von dieser noch einmal mit Fragen belästigt zu werden. Allerdings war die Gynäkologin mit dem Abschied immer schnell bei der Hand, so daß Sabine bisher nur selten Gelegenheit gehabt hatte, irgendeine Frage loszuwerden, die ihr am Herzen gelegen hatte.
Ein wenig bedrückt verließ sie das Sprechzimmer und schließlich auch die Praxis, dann atmete sie erst einmal tief durch.
»Was ist los, Liebling?« fragte ihr Mann Bernd besorgt. Er hatte draußen auf dem Parkplatz gewartet, weil Frau Dr. Steiner Männer in ihrer Praxis nur ungern duldete.
Sabine seufzte tief auf. »Ach, nichts von Bedeutung. Mir ist nur mal wieder klargeworden, was für eine unmögliche Frau diese Dr. Steiger ist.«
»Warum gehst du dann immer noch hin?« wollte Bernd wissen, während er ihr beim Einsteigen behilflich war.
»Das frage ich mich auch manchmal«, entgegnete Sabine, dann winkte sie ab. »Jetzt während der Schwangerschaft könnte ich sowieso zu keinem anderen Frauenarzt gehen… das heißt, ich könnte natürlich schon, aber ich glaube, sehr gern sehen die so etwas nicht. Und überhaupt… es ist ja ohnehin ein blödes Gefühl, wenn man da oben liegt und sich im intimsten Bereich rumfummeln lassen muß. Wenn ich mir vorstelle, ich müßte wieder zu einem fremden Arzt gehen…« Sie seufzte erneut. »Die Steiger ist grob und unfreundlich, aber irgendwie habe ich mich an sie gewöhnt.«
»Na, das scheint mir nicht so«, entgegnete Bernd, setzte sich hinters Steuer und ließ den Motor an, dann warf er Sabine einen kurzen Blick zu. »Also ehrlich, Biene, ich möchte keine Frau sein.«
Seine Worte und vor allem der Ton, in dem sie gesprochen waren, ließen Sabine ihren Ärger über Frau Dr. Steiger vergessen. Sie mußte herzhaft lachen.
»Gott sei Dank!« meinte sie. »Da würde ich ja ganz schön dumm aussehen, wenn du plötzlich eine Frau sein möchtest.« Sie wurde ernst. »Kürzlich habe ich so etwas übrigens gelesen. Ein Mann, verheiratet und Vater von zwei Kindern, hat auf einmal eine Geschlechtsumwandlung durchführen lassen. Stell dir vor, plötzlich haben diese armen Kinder keinen Vater mehr, sondern eine Tante.«
Obwohl Sabine das alles sehr ernst vorgebracht hatte, reizten ihre Worte Bernd zum Lachen.
»In dieser Hinsicht mußt du bei mir keine Angst haben«, beruhigte er sie, dann berührte er mit einer Hand ihr sanft gerundetes Bäuch-lein. »Wie geht’s denn umserem Nachwuchs?«
»Gut«, versicherte Sabine. »Frau Dr. Steiger meint zwar, daß das Baby ein bißchen zu klein ist für sein Alter, aber das ist angeblich nicht so schlimm.«
Bernd zuckte die Schultern. »Na ja, Riesen sind wir ja beide nicht.«
Unwillkürlich verzog Sabine das Gesicht. »So etwas in dieser Art hat die Steiger auch gesagt, allerdings klang das aus ihrem Mund fast wie eine Beleidigung.«
»Das scheint ja wirklich eine ziemlich taktlose Frau zu sein«, urteilte Bernd kopfschüttelnd. »Also, ob Schwangerschaft oder nicht – ich an deiner Stelle würde mir einen anderen Arzt suchen.«
»Mal sehen«, wich Sabine aus, doch die Aussicht, sich an einen neuen Arzt gewöhnen zu müssen, reizte sie nicht besonders.
*
Als Dr. Robert Daniel die Steinhausener Waldsee-Klinik betrat, wäre er von der Anästhesistin Dr. Gabriela Teirich beinahe umgerannt worden.
»Entschuldigen Sie, Robert, aber ich muß…«
Den Rest des Satzes verstand Dr. Daniel nicht mehr, weil Gabriela schon hinter den Glastüren verschwunden war, die zur Chirurgie führten. Ein wenig ratlos sah er ihr nach, dann wandte er sich der Sekretärin Martha Bergmeier zu, die wie immer in ihrem Glashäuschen mit der Aufschrift Information saß und mit Argusaugen darüber wachte, wer die Klinik betrat oder verließ.
»Guten Morgen, Herr Direktor«, rief sie mit einem glücklichen Strahlen, als Dr. Daniel nun auf sie zusteuerte.
Wie jedesmal zuckte er unter dieser Anrede förmlich zusammen, denn obwohl er bereits seit geraumer Zeit Direktor der Waldsee-Klinik war, hatte er sich an den hochtrabenden Titel noch immer nicht gewöhnt. Er war eben einfach zu bescheiden, um sich auf diesen Posten etwas einzubilden.
»Guten Morgen, Frau Bergmeier«, grüßte er freundlich zurück. »Mir scheint, als wäre in der Klinik schon wieder Hochbetrieb.«
Martha nickte eifrig. »Ja, die arme Frau Dr. Teirich muß sich beinahe zerreißen. Gerade hat sie in der Gynäkologie mit Frau Dr. Reintaler eine Operation hinter sich gebracht, und nun hat sie der Herr Chefarzt in die Chirurgie hinübergerufen. Ein Notfall, der sofort operiert werden muß.«
Dr. Daniel runzelte nachdenklich die Stirn. »Ein Anästhesist ist für die Klinik einfach zu wenig.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Wenn Dr. Metzler jetzt einen Notfall operiert, dann hat es sicher keinen Sinn, auf ihn zu warten. Vielleicht können Sie ihm ausrichten, daß ich heute mittag gern mit ihm sprechen möchte.«
Wieder nickte Martha. »Wird gemacht, Herr Direktor.«
Nur mit Mühe unterdrückte Dr. Daniel einen Seufzer. Er hatte schon einige Male versucht, Martha dazu zu überreden, daß sie ihn nicht mehr mit diesem hochtrabenden Titel ansprechen würde, doch bisher hatte das nichts gefruchtet, und so ließ er es diesmal gleich bleiben. Er verabschiedete sich auf die ihm eigene, herzliche Art, dann verließ er die Waldsee-Klinik und kehrte in seine Praxis zurück, die er seit kurzem mit der Steinhausener Allgemeinmedizinerin Dr. Manon Carisi teilte.
Dr. Daniel war mitten in der Sprechstunde, als seine Empfangsdame den Chefarzt der Waldsee-Klinik Dr. Wolfgang Metzler anmeldete.
»Wolfgang, du?« fragte Dr. Daniel erstaunt. »Hat Frau Bergmeier dir denn nicht gesagt, daß ich heute mittag in die Klinik hinüberkommen würde.«
»Doch, und genau deshalb bin ich auch hier. Ich muß nämlich noch am Vormittag nach München und weiß nicht, wann ich wieder zurücksein werde.« Er nahm Dr. Daniel gegenüber Platz. »Also, Robert, was wolltest du von mir?«
»Heute früh bin ich Gabriela begegnet«, kam Dr. Daniel gleich zur Sache. »Sie schien mir sehr arg im Streß zu stehen.«
Dr. Metzler seufzte. »Das kann man wohl sagen, und ich muß gestehen, ich bin ganz froh, daß du dieses Thema einmal anschneidest. Ich wollte nämlich schon längst mit dir darüber sprechen, aber in letzter Zeit waren wir beide so sehr angespannt, daß sich keine Gelegenheit ergab. Es geht einfach nicht länger an, daß die Waldsee-Klinik nur mit einem Anästhesisten auskommen muß. Gabriela kann vor lauter Arbeit kaum noch aus den Augen sehen, aber das ist ja nicht das einzige. Wir befinden uns ständig auf einer Art Gratwanderung, denn wenn Gabriela im Operationssaal ist, dann darf in der anderen Abteilung kein Notfall dazwischenkommen. Einmal ist das schon passiert, aber da konnte glücklicherweise Erika einspringen. Allerdings will ich das meiner Frau auch nicht ständig zumuten. Unser kleiner Andy hält sie nämlich ganz schön auf Trab, außerdem waren Schwangerschaft und Geburt schwierig genug. Erika braucht jetzt erst mal Erholung.«
»Da hast du natürlich vollkommen recht«, stimmte Dr. Daniel ohne Zögern zu.