Irrlicht 65 – Mystikroman: Der Schatz unterm Galgenbaum
Von Maja Merling
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Dr. Z. verlor den Halt, er hielt sich dabei aber krampfhaft am Spaten fest, anstatt mit den Händen nach oben in das kräftige Astwerk zu fassen. So stürzte er nach hinten und wurde von der gerade dort befindlichen Astgabel so unglücklich aufgefangen, daß er mit dem Hals in ihr hängenblieb. Die Füße verloren den Halt, das ganze Körpergewicht des Mannes hing in der Astgabel, sein Körper baumelte in der von ihm selbst ausgehobenen Grube… Dr. Z. hatte sich selbst am Galgenbaum erhängt. Und er war bereits tot, noch ehe Chris und ich hinzuspringen konnten. Ein sofortiger Genickbruch, stellte der Arzt später fest. Ich werde dieses Bild nie vergessen, wie dieser Mann dort am Baum hing, den man den Galgenbaum nannte. Es war ein gräßlicher Anblick! Die unheimliche Geschichte, von der ich hier erzählen möchte, begann damit, daß ich einen sehr merkwürdigen Traum hatte. Wie es dazu kam, weiß ich natürlich nicht genau, ich denke mir aber, Auslöser war der historische Roman, den ich gerade las. Die Geschichte spielte während des Dreißigjährigen Krieges und interessierte mich sehr. So hatten sich meine Gedanken vor dem Einschlafen wohl noch damit befaßt. Meistens vergißt man ja, was man während des Schlafens träumt, aber dieser Traum prägte sich mir in allen Einzelheiten ein, obwohl ich selbst anscheinend keine Rolle darin spielte. Jedenfalls war ich nicht sichtbar gewesen. Trotzdem war ich aber wohl zugegen, denn da war so ein gewisses Wohlbehagen, das zweifellos zu diesem Traum gehörte. Ich fühlte mich klein und winzig, es war stockdunkel und ich schien von einer warmen Flüssigkeit umgeben, was mir ein Gefühl der Behag-lichkeit und der Sicherheit verlieh. Weil ich mich in völliger Dunkelheit befand, konnte ich natürlich nichts sehen, aber ich konnte sehr gut hören.
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Buchvorschau
Irrlicht 65 – Mystikroman - Maja Merling
Irrlicht
– 65 –
Der Schatz unterm Galgenbaum
Die Gier nach Reichtum ist grenzenlos…
Maja Merling
Dr. Z. verlor den Halt, er hielt sich dabei aber krampfhaft am Spaten fest, anstatt mit den Händen nach oben in das kräftige Astwerk zu fassen. So stürzte er nach hinten und wurde von der gerade dort befindlichen Astgabel so unglücklich aufgefangen, daß er mit dem Hals in ihr hängenblieb. Die Füße verloren den Halt, das ganze Körpergewicht des Mannes hing in der Astgabel, sein Körper baumelte in der von ihm selbst ausgehobenen Grube… Dr. Z. hatte sich selbst am Galgenbaum erhängt. Und er war bereits tot, noch ehe Chris und ich hinzuspringen konnten. Ein sofortiger Genickbruch, stellte der Arzt später fest. Ich werde dieses Bild nie vergessen, wie dieser Mann dort am Baum hing, den man den Galgenbaum nannte. Es war ein gräßlicher Anblick!
Die unheimliche Geschichte, von der ich hier erzählen möchte, begann damit, daß ich einen sehr merkwürdigen Traum hatte. Wie es dazu kam, weiß ich natürlich nicht genau, ich denke mir aber, Auslöser war der historische Roman, den ich gerade las. Die Geschichte spielte während des Dreißigjährigen Krieges und interessierte mich sehr. So hatten sich meine Gedanken vor dem Einschlafen wohl noch damit befaßt. Meistens vergißt man ja, was man während des Schlafens träumt, aber dieser Traum prägte sich mir in allen Einzelheiten ein, obwohl ich selbst anscheinend keine Rolle darin spielte. Jedenfalls war ich nicht sichtbar gewesen.
Trotzdem war ich aber wohl zugegen, denn da war so ein gewisses Wohlbehagen, das zweifellos zu diesem Traum gehörte. Ich fühlte mich klein und winzig, es war stockdunkel und ich schien von einer warmen Flüssigkeit umgeben, was mir ein Gefühl der Behag-lichkeit und der Sicherheit verlieh.
Weil ich mich in völliger Dunkelheit befand, konnte ich natürlich nichts sehen, aber ich konnte sehr gut hören. Ich unterschied zwei Stimmen, die eines Mannes und die einer Frau, und sie klangen beide ernst.
»Ich muß mit dir reden, Gisela«, sagte die Männerstimme, »die Angelegenheit duldet jetzt keinen Aufschub mehr. Bitte, schicke deine Frauen fort.«
»Natürlich, ganz wie du es wünschst, Dietrich«, antwortete die Frauenstimme, und sie fuhr fort, anscheinend zu den Frauen gewandt, von denen der Mann gesprochen hatte: »Ihr habt den Wunsch des Grafen, meines Gemahls, gehört. Bitte, laßt uns allein.«
Ich hörte das Rücken von anscheinend schweren Stühlen auf Steinboden, und dann viele eilige Schritte.
»Bitte, Dietrich, setze dich doch zu mir. Ich habe es nicht gern, wenn du vor mir stehst, während du zu mir sprichst. Hier in der Fensternische in meinem Frauengemach sitzt man sich so hübsch gegenüber. Das ist so gemütlich.«
»Jetzt ist nicht die Zeit, um sich gemütlich hübsch gegenüber zu sitzen, meine liebe Gisela. Und du weißt, ich laufe beim Reden gern hin und her. Die Gedanken formen sich da besser. Aber trotzdem will ich mich in diesem Fall zu dir setzen, denn das, was ich dir zu sagen habe, duldet keine Zuhörer. Es ist nur für deine Ohren bestimmt.«
»Ist es denn so ernst?«
»Leider ja, meine liebe Frau. Kundschafter haben mir soeben die Nachricht gebracht, daß sich uns Kriegstruppen in großer Zahl nähern.«
»Gott stehe uns bei!« flüsterte Frau Gisela erschrocken. »Sind es die Katholischen oder die Protestanten?«
»Was hat das in diesem Krieg schon zu sagen!« antwortete Graf Dietrich zornig. »Die Soldateska wütet hüben wie drüben. Bisher sind wir auf unserer Burg Renzlin ja noch weitgehend verschont davon geblieben, aber in diesem Fall habe ich ernste Bedenken. Ich weiß nicht, ob wir die Burg verteidigen können, die Übermacht scheint zu groß zu sein.«
»Aber du hast viele tapfere Ritter und Soldaten, Dietrich. Und die Bauern, die sich in die Burg flüchten werden, helfen ja auch mit bei der Verteidigung.«
»Das ist natürlich richtig. Und wir werden uns auch bis zum letzten Mann verteidigen. Aber ich kann für den Ausgang des Kampfes nicht garantieren. Für den Fall, daß ich den Kampf nicht überlebe, möchte ich, daß du unbedingt für deine und des Kindes Sicherheit sorgst. Vertraue dich deiner Zofe Agna an, sie ist ein resolutes Frauenzimmer, sie wird es schaffen, dich aus der Burg zu bringen. Ich weiß, daß sie den Geheimgang kennt. Besser als du, ich mochte es dir bisher nie zumuten, dich in diese unterirdischen Teile der Burg zu führen.«
»Ich möchte nicht, daß du so redest«, sagte die Frauenstimme. »Die Burg ist sicher und fest. Der Feind wird ihr nichts anhaben können. Und wenn du stirbst, so will ich mit dir sterben.«
»Das sind hehre Worte, Gisela. Ich glaube auch, daß du sie ernst meinst. Aber du mußt an das
Kind denken, das du unter dem Herzen trägst. Mit ihm wird unser Name nicht untergehen. Und dann ist da noch etwas, das ich
dir sagen muß. Etwas sehr Wichtiges.«
»Was kann denn noch wichtiger sein als das, was du schon gesagt hast, Dietrich?«
»Es ist in der Tat sehr wichtig, und darum möchte ich, daß du jetzt sehr genau zuhörst, Gisela, und dir gut merkst, was ich dir sage. Du darfst es nicht vergessen, hörst du?«
»Ich will mir Mühe geben, mein Gemahl.«
»So ist es gut. Es gibt nämlich nichts Geschriebenes und keine Zeichnung. So etwas darf nicht in falsche Hände kommen. Also gibt es nur diese mündliche Mitteilung für dich.«
»Du machst mir angst, Diet-rich.«
»Du darfst jetzt nur noch deinen Verstand gebrauchen, Gisela. Du weißt, daß schon zu Beginn dieses unseligen Krieges auf Burg Renzlin ein erheblicher Kirchenschatz zusammengekommen ist. Aus den Pfarrhöfen und Klöstern der Umgebung hat man die wertvollsten Altargeräte, unersetzliche Bücher und Kleinodien, aber auch große Mengen an Gold- und Silbermünzen dem Schutz unserer festen Burgmauern anvertraut. Dazu kommen unsere eigenen Schätze, unser Schmuck, den Generationen unserer Familie zusammengetragen haben, und nicht zuletzt auch die Kriegskasse. Das alles zusammen würde eine Beute ergeben, für die jeder Angreifer viel riskieren wird. Aber ich gönne niemandem diesen Triumph. Darum bin ich schon vor einiger Zeit daran gegangen, diesen Schatz so zu verbergen, daß er, so Gott will, von niemandem gefunden werden kann. Richard, mein treuer Knappe, hat mir dabei geholfen. Er ist inzwischen in seine Heimat zu-rückgekehrt, und er hat geschworen, zu keiner Menschenseele von diesem Versteck zu sprechen. Außerdem fürchte ich, daß er inzwischen auch getötet worden sein kann, denn ich hörte, daß die Burg seines Vaters angegriffen und erobert wurde.«
»Das ist ja schrecklich«, flüsterte die Frau erstickt. »Richard war ein so lieber Junge.«
»Ja, das ist wahr. Jedenfalls wirst du nach diesem uns bevorstehenden Kampf die einzige sein, die das Geheimnis kennt.«
»Ich will es nicht wissen, Dietrich.«
»Darauf kann ich nun leider keine Rücksicht mehr nehmen, Gisela. Du mußt es wissen. Das Geheimnis soll nicht mit mir in völlige Vergessenheit geraten, wenn ich im Kampf umkommen sollte. Die Schätze gehören ja nicht uns allein, sie sind auch der Besitz künftiger Generationen. Also höre bitte gut zu.
Bei unserem Brunnen