Irrlicht 41 – Mystikroman: Gefahr um Mitternacht
Von Luanna Churchill
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Verstohlen wischte Marlene Mahoney die Tränen weg. Sie ärgerte sich über sich selbst. Schuldbewußt schüttelte sie den Kopf und schaute sich im Zimmer um, so als wollte sie sich davon überzeugen, daß sie in diesem Augenblick der Schwäche auch wirklich allein war. Sie schämte sich ein bißchen, weil sie in letzter Zeit häufig dazu neigte, sich selbst zu bemitleiden. Immer dieses rührselige Gewimmer, wo sie sich doch geschworen hatte, stark zu sein! Aber, entschuldigte Marlene ihre Gefühlsausbrüche, sie hatte eben nicht damit gerechnet, daß sie derart heftig auf die Zerstörung ihres Traums von der ewigen Liebe reagieren würde. Dan hatte einfach nicht das Recht, ihr das anzutun! Es war schon erniedrigend genug, wenn man plötzlich entdeckte, daß der Mann, den man liebte, sich allzusehr zu starken Getränken und schwachen Frauen hingezogen fühlte. Er hätte sie nicht auch noch wegen ihres, wie er es nannte »puritanischen Denkens« auszulachen brauchen. Zunächst war sie so schockiert und wütend gewesen, daß ihr die Tren-nung sehr leicht fiel. chen. »Zum Teufel mit ihm! Zum Teufel mit ihm!« Zornig stieß sie ihren Kugelschreiber in das Notizbuch, das neben ihrer Reiseschreibmaschine auf dem Schreibtisch lag. Marlene war froh, daß sie ihren Beruf als Fernsehjournalistin bei den Excelsior Enterprises nach der Heirat nicht aufgegeben hatte. Aber jetzt starrten ihre tiefblauen Augen auf die Aufzeichnungen und sahen nichts als unzusammenhängendes Gekritzel, das sie an eklige, sich windende Würmer erinnerte. Verzweifelt stützte sie ihre ebenmäßige Stirn auf die Hand. Es war ihr gerade gelungen, sich einigermaßen zu konzentrieren, als die Tür aufflog und Berthell Daugherty hereinstürzte. Niedergeschlagen ließ sie sich in den abgewetzten Sessel neben der Tür fallen und streckte die Beine weit von sich.
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Gaslicht
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Buchvorschau
Irrlicht 41 – Mystikroman - Luanna Churchill
Irrlicht
– 41 –
Gefahr um Mitternacht
Luanna Churchill
Verstohlen wischte Marlene Mahoney die Tränen weg. Sie ärgerte sich über sich selbst. Schuldbewußt schüttelte sie den Kopf und schaute sich im Zimmer um, so als wollte sie sich davon überzeugen, daß sie in diesem Augenblick der Schwäche auch wirklich allein war.
Sie schämte sich ein bißchen, weil sie in letzter Zeit häufig dazu neigte, sich selbst zu bemitleiden.
Immer dieses rührselige Gewimmer, wo sie sich doch geschworen hatte, stark zu sein!
Aber, entschuldigte Marlene ihre Gefühlsausbrüche, sie hatte eben nicht damit gerechnet, daß sie derart heftig auf die Zerstörung ihres Traums von der ewigen Liebe reagieren würde.
Dan hatte einfach nicht das Recht, ihr das anzutun!
Es war schon erniedrigend genug, wenn man plötzlich entdeckte, daß der Mann, den man liebte, sich allzusehr zu starken Getränken und schwachen Frauen hingezogen fühlte. Er hätte sie nicht auch noch wegen ihres, wie er es nannte »puritanischen Denkens« auszulachen brauchen.
Zunächst war sie so schockiert und wütend gewesen, daß ihr die Tren-nung sehr leicht fiel. Aber nachdem ihr zum Bewußtsein gekommen war, daß von ihrer sorgfältig geplanten Zukunft, in der sie sich als den glücklichen
Mittelpunkt einer perfekten Familie gesehen hatte, nur noch ein Scherbenhaufen übrigblieb, war ihr Selbstbewußtsein total zusammengebro-
chen.
»Zum Teufel mit ihm! Zum Teufel mit ihm!«
Zornig stieß sie ihren Kugelschreiber in das Notizbuch, das neben ihrer Reiseschreibmaschine auf dem Schreibtisch lag.
Marlene war froh, daß sie ihren Beruf als Fernsehjournalistin bei den Excelsior Enterprises nach der Heirat nicht aufgegeben hatte.
Aber jetzt starrten ihre tiefblauen Augen auf die Aufzeichnungen und sahen nichts als unzusammenhängendes Gekritzel, das sie an eklige, sich windende Würmer erinnerte. Verzweifelt stützte sie ihre ebenmäßige Stirn auf die Hand.
Es war ihr gerade gelungen, sich einigermaßen zu konzentrieren, als die Tür aufflog und Berthell Daugherty hereinstürzte.
Niedergeschlagen ließ sie sich in den abgewetzten Sessel neben der Tür fallen und streckte die Beine weit von sich. Ihre Arme hingen kraftlos über den durchgescheuerten Armlehnen. Ärger und Enttäuschung blitzten aus ihren großen Augen, und selbst ihre rotbraunen Locken schienen vor Entrüstung auf und ab zu tanzen.
»Was ist bloß los mit mir?« fragte sie wütend. »Rufen Sie nicht an, wir melden uns bei Ihnen«, spöttelte sie. »Wozu bezahle ich einen Agenten, wenn er mir nichts vermitteln kann?«
Marlene mußte lächeln. Berthell Daugherty war ihre temperamentvolle achtzehnjährige Mitbewohnerin.
Sofort nach der Scheidung hatte Marlene sich auf Wohnungssuche begeben. Bei der Besichtigung eines Apartments wäre sie dann fast mit dem aufgeweckten, koboldhaften Mädchen zusammengestoßen, das sich ebenfalls für die Wohnung interessierte.
Sie waren einander sofort sympathisch, und nachdem sie zusammen Mittag gegessen und sich lange unterhalten hatten, beschlossen sie, zu zweit in das Apartment zu ziehen.
Berthell freute sich, daß sie dadurch Geld sparte, Marlene fand, daß es
für sie nur gut sein konnte, wenn
sie mit einer verträglichen Gefähr-
tin zusammenwohnte, denn dann würde sie sich in ihrer derzeitigen verzweifelten Situation weniger einsam fühlen.
Das lag jetzt fünf Monate zurück.
Berthell kam von einer Farm, sie hatte bei einem Kleinstadt-Schönheitswettbewerb den ersten Preis gewonnen. Er hatte in einer kleinen Filmrolle bestanden. Außerdem wurden alle Unkosten, die durch die Reise von Ohio nach Los Angeles entstanden waren, vom Veranstalter getragen.
Seitdem träumte Berthell davon, ein berühmter Filmstar zu werden. Und obwohl ihre Großeltern sie inständig baten, nach Hause zurückzukehren, bestand sie darauf, in Los Angeles zu bleiben.
Der erhoffte Erfolg war aber ausgeblieben, das Geld war schnell weniger geworden, so daß sie schließlich – sie hatte auf der High-School einen Kursus mitgemacht – einen Job als Sekretärin in einem der großen Warenhäuser annehmen mußte.
Nur so lange, bis sie den Durchbruch geschafft hatte, sagte sie sich, und daß sie ihn schaffen würde, daran zweifelte sie nicht.
In dieser Lage hatte sie die vierundzwanzigjährige Marlene Mahoney getroffen, ein hübsches Mädchen, schlank, mittelgroß, mit offenen blauen Augen.
»Hast du einen schweren Tag gehabt?« fragte Marlene mitfühlend. »Da, auf dem Fernseher liegt ein Brief für dich.«
Berthell sprang auf, Wut und Enttäuschung waren wie weggeblasen.
»Ein Brief! Für mich?«
Und dann mutlos: »Ach, nur von Großmama. Aber sie schreibt doch wirklich jede Woche, nicht wahr?«
Und aus ihrer Stimme klang jetzt große Zärtlichkeit.
Sie öffnete den Brief und begann zu lesen. Ein Lächeln flog über ihr Gesicht.
»Das muß ich dir vorlesen, Marlene, selbst auf die Gefahr hin, daß ich dich tödlich langweile.«
»Ganz im Gegenteil«, antwortete Marlene rasch. »Ich höre immer gern, was Großmama schreibt. Sie schreibt so anschaulich, daß ich das Gefühl habe, bei ihr in Ohio zu sein. Außerdem wollte ich schon immer gern auf einer Farm leben. Wenn ich einmal reich und berühmt bin, werde ich mir eine kaufen und mich dort verkriechen, wenn mir das Leben in der Stadt zu hektisch wird.«
»Na gut, du hast es dann selbst gewollt«, erwiderte Berthell.
Dann las sie: »Ich weiß, daß das Leben hier dir ziemlich langweilig vorgekommen ist, Liebes, aber ich bezweifle, daß du so glücklich bist wie wir.«
Berthell räusperte sich, weil sie plötzlich einen Kloß in der Kehle verspürte.
Sie schaute Marlene an und fragte, wobei sie versuchte, ihre Stimme unbekümmert klingen zu lassen: »Würde es dir Spaß machen, jeden Morgen um fünf Uhr aufzustehen?«
»Ich glaube, ich könnte mich daran gewöhnen«, entgegnete Marlene.
»Und hör dir das an: ›Wir haben ein neues Kalb, und Olive Horn hat schon wieder ein Kind gekriegt. Es ist ein Junge und ihr elftes und sie ist noch keine dreißig. Ach, Jimmy Watts hat neulich bei uns vorbeigeschaut. Er hat immer noch dieses Leuchten in den Augen, wenn er von dir spricht. Er hofft, daß du bald wieder nach Hause kommst.‹«
»Du hast also einen Freund, der auf dich wartet?« unterbrach Marlene sie lachend.
Berthell schüttelte verächtlich den Kopf. »Dieser Tölpel soll sich lieber eine Bauernmaid suchen. Du müßtest ihn mal sehen! Nichts als Warzen und Pickel.«
»Was schreibt deine Großmutter noch?«
»Morgen machen wir Apfelbutter«, fuhr Berthell fort. »An einen Teil davon kommen auch Pflaumen, extra für dich.«
Marlene fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Das beste Essen gibt es auf dem Lande. Vermißt du die vielen leckeren Sachen nicht?«
Berthell nickte. »Das gute Essen vermisse ich am meisten. Wenn ich an Großmamas Pfannkuchen denke, mit richtigem Ahornsirup, oder an den selbstgeräucherten Schinken, wird mir ganz anders.«
»Sei still! Oder willst du, daß ich vor deinen Augen verhungere? Wenn du so weiterredest, muß ich unbedingt was zu essen haben.«
»In ein paar Tagen ist die Miete fällig«, sagte Berthell kläglich. »Ich werde meinen Anteil nicht bezahlen können, Marlene.«
»Mach dir darüber keine Gedanken, ich kriege demnächst wieder Geld«, erwiderte das dunkelhaarige Mäd-chen.
»Das weiß ich, aber ich will dir nicht auf der Tasche liegen. Ich bin überzeugt, daß ich es im Showgeschäft nie zu etwas bringen werde. Also kann ich genausogut wieder nach Hause fahren. Dort werde ich wenigstens geliebt und benötigt. Hier, lies den Rest selbst.«
Sie reichte Marlene den Brief.
Als sie mit Lesen fertig war, sagte Marlene: »Ich möchte wissen, was wir Stadtbewohner ohne die Farmer machen würden.«
»Weiß ich auch nicht«, erwiderte das jüngere Mädchen abwesend. »Wahrscheinlich verhungern.« Berthell schob das Kinn vor. »Weißt du, ich gebe natürlich nicht gern zu, daß ich gescheitert bin. Ich hatte so hochfliegende Pläne, als ich herkam, und jetzt…«
Marlene runzelte die Brauen. »Liebes, in Hollywood und Los Angeles gibt es unzählige Mädchen mit gebrochenem Herzen und zerstörten Träumen. Ich hätte keine Lust, für eine armselige Nebenrolle in einem obskuren Film, in dem man gerade einen Satz zu sagen, Schlange zu stehen. Das könnte ich einfach nicht.«
»Mit meinem jetzigen Job könnte ich mich ja noch für eine Weile über Wasser halten. Vielleicht ergibt sich doch mal was«, überlegte Berthell.
Aber dann schüttelte sie energisch den Kopf. »Nein, ich mache das nicht länger mit. Ich packe meine Koffer. Ich kehre zurück, heirate einen langweiligen Farmersjungen, ziehe seine langweiligen Kinder groß und werde eine langweilige Matrone in einem langweiligen Dorf«, sagte sie mit trostloser Stimme.
Marlene protestierte, sie hatte Angst, gerade jetzt allein zu bleiben. »Du kanust nicht einfach so wegfahren. Überleg dir die Sache noch mal gründlich.«
»Es hat keinen Sinn, Marlene«, unterbrach sie das junge Mädchen. »Ich trenne mich ungern von dir, aber es bleibt mir nichts anderes übrig. Warum kehrst du nicht auch nach Hause zurück? Deine Eltern leben doch noch, und sie wären bestimmt glücklich, dich bei sich zu haben.«
Marlene verzog das Gesicht. »Wahrscheinlich hast du gemerkt, daß meine Eltern mir tonnenweise Briefe schreiben«, sagte sie sarkastisch. »Es würde ihnen überhaupt nicht passen, wenn ich plötzlich vor ihnen stünde. Sie leben in einer kleinen Stadt wie Wisconsin, wo jeder jeden kennt. Sie haben mir die Scheidung nicht verziehen. Sie halten mich für unmoralisch, nur weil mein Mann und ich nicht miteinander auskamen.«
»Oh, das tut mir leid!« rief Berthell aus.
Plötzlich leuchteten ihre Augen auf. »Ich hab’s!« Sie schrie beinah. »Du kommst mit mir! Da du deine Artikel sowieso mit der Post schickst, kannst du doch überall arbeiten. Vielleicht findest du ja einen von unseren Bauerntölpeln so unwiderstehlich, daß du gar nicht wieder weg willst.«
Marlenes Gesichtszüge verhärteten sich. »Ein Mann ist das letzte, was ich jetzt brauche, vielen Dank.«
»Das sagst du jetzt«, entgegnete Berthell mitfühlend. »Aber du