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Das Auge des Fotografen
Das Auge des Fotografen
Das Auge des Fotografen
eBook291 Seiten4 Stunden

Das Auge des Fotografen

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Über dieses E-Book

Im Grunde möchte Val nur seinen Schwarm, den Fotografen Antonio, ins Bett bekommen. Doch innerhalb kürzester Zeit wird ihm klar, dass er für den kühlen, distanzierten Mann viel mehr empfindet. Nach einem leidenschaftlichen Wochenende eskaliert die Situation zwischen ihnen allerdings: Der Grund scheint Antonios Familie zu sein und deren seltsamer Auftrag. Warum laufen die Mitglieder der Calderones mit Schwertern bewaffnet durch die Gegend? Und was hat es mit dem Fotoapparat auf sich, den Antonio nicht aus der Hand geben will?
SpracheDeutsch
Herausgeberdead soft verlag
Erscheinungsdatum21. Juni 2015
ISBN9783945934159
Das Auge des Fotografen

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    Buchvorschau

    Das Auge des Fotografen - Leann Porter

    Leann Porter

    Das Auge des Fotografen

    Impressum

    © dead soft verlag, Mettingen 2015

    http://www.deadsoft.de

    © the author

    Cover: Sylvia Ludwig

    http:/www.cover-fuer-dich.de

    Bildrechte:

    © cynoclub – shutterstock.com

    © panigale – shutterstock.com

    © rangizzz – shutterstock.com

    © Nejron Photo – shutterstock.com

    © Ersler Dmitry – shutterstock.com

    © Ralf Gosch – fotolia.com

    1. Auflage

    ISBN 978-3-945934-14-2

    ISBN 978-3-945934-15-9 (epub)

    Klappentext

    Im Grunde möchte Val nur seinen Schwarm, den Fotografen Antonio, ins Bett bekommen. Doch innerhalb kürzester Zeit wird ihm klar, dass er für den kühlen, distanzierten Mann viel mehr empfindet. Nach einem leidenschaftlichen Wochenende eskaliert die Situation zwischen ihnen allerdings: Der Grund scheint Antonios Familie zu sein und deren seltsamer Auftrag. Warum laufen die Mitglieder der Calderones mit Schwertern bewaffnet durch die Gegend? Und was hat es mit dem Fotoapparat auf sich, den Antonio nicht aus der Hand geben will?

    Kapitel 1

    Val legte sich in die Kurve und ignorierte das Hupkonzert, das wie gewohnt den Soundtrack zu seiner halsbrecherischen Fahrt lieferte. In einem gewagten Slalom umkurvte er störende Fußgänger und entging um Haaresbreite dem Zusammenstoß mit zwei Inlineskatern. Er hätte doch die Trillerpfeife benutzen sollen. Ihr durchdringendes Schrillen ließ solche Störenfriede panisch ausweichen, leider nicht immer in die passende Richtung. Ohne auf die rote Ampel zu achten, trat Val fester in die Pedale, tief über den Lenker gebeugt. Er würde es niemals rechtzeitig schaffen, also könnte er theoretisch langsamer fahren. Ob er zehn oder fünfzehn Minuten zu spät kam, war auch schon egal. Trotzdem raste er weiter, missachtete jede Verkehrsregel und lachte über die empörten Aufschreie und Flüche, die seinen Weg begleiteten.

    Es gab einen Grund, warum er so schnell fuhr: Spaß! Er liebte die Geschwindigkeit und es verschaffte ihm einen Kick, wenn er in rasantem Tempo durch den Straßenverkehr flitzte. Nur mit einem reaktionsschnellen Ausweichmanöver konnte er sich vor der Kollision mit einer unvermittelt vor ihm auffliegenden Autotür retten. Diesmal war er es, der fluchte. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Der Adrenalinschub ließ seine Knie noch zittern, als er vor der Pizzeria bremste und sich vom Rad schwang. Mit geübtem Griff packte er das gute Stück und trug es die schmale Treppe hinunter in den Keller. So viel Zeit musste sein. Er würde das Schätzchen niemals an der Straße stehen lassen. Das Fahrrad war sein kostbarster Besitz. Er brauchte es, um den Job als Fahrradkurier ausüben zu können. Das war eine Arbeit nach seinem Geschmack: wild und rasant. Leider brachte sie nicht genug Kohle ein.

    Nachdem das Rad sicher im Keller verstaut war, ging Val durch den Flur und sprang die Treppe hinauf. Vielleicht konnte er unbemerkt in die Küche schleichen. Diese vage Hoffnung zerschlug sich sogleich, als er die Räumlichkeiten der Pizzeria betrat. Mario stand mit in die Hüften gestemmten Fäusten da und musterte ihn grimmig. Hatte der ihm etwa aufgelauert?

    „Hallo!" Val lächelte unschuldig und machte sich auf das bevorstehende Donnerwetter gefasst.

    „Kommst du auch noch mal?", fuhr der beleibte Mann ihn an. Dass Mario, Koch aus Leidenschaft, den Köstlichkeiten der italienischen Küche nicht abgeneigt war, konnte niemand übersehen.

    „Sorry, ich habe im Stau gesteckt." Die freche Ausrede entlockte Mario ein ungläubiges Schnauben.

    „Antonio müsste gleich mit der Weinlieferung da sein. Bring die Kisten in den Keller. Und wehe, es geht was zu Bruch. Das ziehe ich dir vom Lohn ab."

    „Alles klar, Chef. Val verkniff sich ein Grinsen. Die Aussicht, statt in der heißen Küche mit dem zugegeben auch heißen Antonio Weinflaschen zu schleppen, verbesserte seine Laune erheblich. Wie aufs Stichwort flog die Hintertür auf. Antonio, Marios Bruder und nach Vals Meinung „Sexiest Man Alive schaute in den Flur.

    „Der Wein ist da!" Er drehte sich sofort wieder um und ermöglichte Val damit perfekte Sicht auf seinen knackigen Hintern in engen Jeans. Nur zu gerne folgte Val ihm auf den Hof, auf dem der Lieferwagen parkte. Antonio öffnete die Heckklappe, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, was Val natürlich nicht auf sich sitzen lassen konnte.

    „Hey, Tony, sagte er leise und stellte sich so dicht neben ihn, dass sich ihre Hüften streiften. „Hast du mich vermisst?

    Antonio verdrehte genervt die Augen. „Ungefähr so wie Zahnschmerzen. Hier ... Er hob einen Pappkarton mit Flaschen aus dem Wagen und drückte ihn Val auffordernd vor die Brust. „Ab in den Keller damit, und zwar zügig, ich hab nicht den ganzen Abend Zeit. Enttäuscht packte Val den Karton und machte sich auf den Weg in den Weinkeller. Antonio schien eine Scheißlaune zu haben. Schade. Aber so leicht gab er nicht auf.

    Die Schlepperei nahm kein Ende. Val vermutete, dass der Lieferwagen ein magisches Gefährt war, das immer neue Kisten produzieren konnte. Das einzig Erfreuliche an der Schufterei stellten die kurzen Begegnungen mit Antonio auf der schmalen Treppe dar. Val drängte sich extra dicht an ihm vorbei, was ihm jedes Mal einen wütenden Blick von Antonio einbrachte. Immerhin besser, als ignoriert zu werden.

    „Das war die Letzte", teilte Antonio ihm lapidar mit und stellte einen weiteren Karton auf den mittlerweile bedenklich hohen Stapel.

    Val seufzte übertrieben. „Ich dachte schon, du würdest das niemals sagen."

    Um Antonios Mundwinkel zuckte es leicht. War das ein Grinsen oder hatte er den cholerischen Sizilianer etwa wieder einmal verärgert? Val machte es Spaß, Antonio zur Weißglut zu treiben. Er mochte es, wenn seine Augen zornig aufblitzten. Wundervolle, dunkelblaue Augen.

    „Sollen wir die Flaschen noch in die Weinregale räumen?", fragte er hilfsbereit. Alles war besser, als in der stickigen Küche die Spülmaschine, ein riesiges Ungeheuer, zu bestücken. In Vals persönlicher Vorstellung von der Hölle mussten die armen Sünder bis zum Jüngsten Tag verdrecktes Geschirr in den unersättlichen Schlund dieser Monstermaschine werfen. Wie viel schöner wäre es, in der prickelnden Gesellschaft von Antonio ganz gemütlich Weinflaschen einzusortieren! Die dämmrige Intimität des mit Weinaroma geschwängerten Kellers sagte Val wesentlich mehr zu als die Küchenhölle. Als hätte Antonio seine Gedanken erraten, zog er eine Augenbraue hoch.

    „Wirst du denn nicht oben gebraucht?"

    „Mario hat gesagt, ich soll dir hier helfen, behauptete Val. Nun ja, als echte Lüge konnte man das kaum bezeichnen. Höchstens als eigenwillige Interpretation. Antonio öffnete einen der Kartons, ohne sich weiter um ihn zu kümmern, und er atmete auf. Geschafft. Schweigend nahmen sie die Weinflaschen aus der Verpackung, um sie in die passenden Regale einzusortieren. Val machte das nicht das erste Mal. Sie arbeiteten zügig, sodass der Kartonstapel dahinschmolz wie Schnee in der Sonne. So sehr Val schon die bloße Nähe von Antonio genoss, reichte ihm das keine Spur. Er war nicht der Typ für subtile Annäherungsversuche. Antonio schob zwei Flaschen in das Rotweinregal und wollte zurück zu den Kartons gehen, doch Val stellte sich ihm in den Weg. Provozierend sah er ihm in die Augen. „Hast du abgeschlossen oben?

    Antonio sah ihn verständnislos an. Als Vals Finger geschickt den Knopf seiner Jeans öffneten, weiteten seine Augen sich in plötzlichem Begreifen. Er packte Vals Handgelenke und hinderte ihn sanft aber bestimmt daran, den Reißverschluss herunterzuziehen.

    „Ich hab keine Zeit, sagte er rau. Das hörte sich auf jeden Fall ermutigender an als „Ich hab keine Lust. Val machte nicht den Versuch, sich zu befreien, sondern schenkte Antonio ein laszives Lächeln.

    „Und wenn wir schnell machen?"

    Diesmal kräuselte eindeutig ein Grinsen Antonios Mundwinkel. Er ließ Vals Handgelenke los, trat jedoch einen Schritt zurück.

    „Ab mit dir in die Küche!"

    „Hast du Schiss, dass dein Bruder uns erwischt?" Provozierend streckte Val wieder die Hand aus. Bevor er den Reißverschluss zu packen bekam, packte Antonio stattdessen ihn und drängte ihn hart an die Wand.

    „Treib es nicht zu weit", raunte er. Val erschauerte lustvoll. Jetzt hatte er ihn. Er wehrte sich spielerisch, als Antonio seine Handgelenke an den rauen Putz der Kellerwand drückte, und schob gleichzeitig die Hüften vor.

    „Lass mich los", knurrte er mit gespielt finsterem Blick. Sie wussten beide, dass er genau das Gegenteil meinte. Antonio stand so dicht vor ihm, dass Val die glühende Hitze spürte, die sein Körper ausstrahlte. Vals Unterleib zog sich sehnsüchtig zusammen. Antonio neigte den Kopf und grub die Zähne leicht in seinen Hals. Val stöhnte auf.

    „Tony .." Mit geschlossenen Augen warf er den Kopf zurück, lehnte ihn an die kühle Wand hinter sich. Antonio gab seine Handgelenke frei, drückte sich aber gegen ihn, sodass er sich nicht rühren konnte. Wollte er auch gar nicht. Antonios Hände strichen an seinen Oberarmen entlang, bewegten sich seitlich an den Rippen nach unten und umfassten endlich seinen Hintern. Er unterdrückte ein lustvolles Aufjaulen. Antonios dunkle Locken kitzelten ihn am Kinn. Seine Lippen tasteten samtweich über seine Kehle. Zitternd vergrub er die Finger in Antonios Haar und drängte sich an ihn. Was hatte der Mann nur an sich, dass schon eine flüchtige Berührung von ihm ihn bis aufs Äußerste erregte? Gierig sog er die Luft durch die Nase und atmete Antonios männlichen Duft ein. Die herbe Frische eines Deos oder Rasierwassers vermischte sich mit der leichten Moschusnote seines Schweißes zu einem unwiderstehlichen Aphrodisiakum. Val war süchtig nach diesem Duft.

    Wie von selbst glitten seine suchenden Finger tiefer und fanden den Reißverschluss von Antonios Hose. Diesmal hielt Antonio ihn nicht auf. Der Knall einer zuschlagenden Tür ließ sie beide zusammenzucken.

    „Verdammt", zischte Antonio und trat zwei Schritte zurück. Val blinzelte ihn benommen an. Das konnte doch jetzt nicht wahr sein! Hätte sich nicht sämtliches Blut in seiner fast schmerzhaft pochenden Erregung gesammelt, wäre er bestimmt rot angelaufen. Mario kam pfeifend die Kellertreppe hinunter. Nicht auszudenken, wenn ihm die grandiose Idee, den Weinkeller aufzusuchen, ein paar Minuten später durch den Kopf geschossen wäre. Vals einziger Trost bestand darin, dass Antonio so frustriert aussah, wie er selbst sich fühlte. Mario schrieb das schwere Atmen und die zerzausten Haare seiner Helfer offenbar der anstrengenden Tätigkeit des Weinschleppens zu, denn er bedankte sich so überschwänglich wie arglos für die schnelle Erledigung. Antonio murmelte eine nichtssagende Antwort und verließ fluchtartig den Keller. Val sah ihm enttäuscht nach.

    Zwei Stufen auf einmal nehmend stürmte Val die Treppen zu der Wohnung hoch, die er mit drei Mitbewohnern teilte. Aus der anfänglichen Zweck-WG war bereits nach wenigen Wochen des chaotischen Zusammenlebens eine eingeschworene Gemeinschaft geworden. Jetzt, ein knappes Jahr später, verband die auf den ersten Blick völlig unterschiedlichen Studenten enge Freundschaft. Die geräumige Altbauwohnung bot genug Platz, sodass jeder von ihnen ein eigenes Zimmer bewohnte und sie außerdem ein weiteres Zimmer als Gemeinschaftsraum nutzen konnten. Die Tür dieses Raumes war angelehnt. Der auf den Flur fallende Lichtschein verriet Val, dass noch jemand wach war. Oder dort auf dem Sofa schlief und vergessen hatte, das Licht auszumachen. Wie zum Beispiel Flo, der sich auf der großen Couch zusammengerollt hatte. Er schnarchte leise. Ein Buch war ihm aus der schlaff nach unten hängenden Hand geglitten und lag auf dem Teppich. Val lächelte. Er beugte sich über ihn und berührte sanft seine Schulter.

    „Hey, Schlafmütze, flüsterte er. Flo regte sich, öffnete die Augen halb und murmelte: „Nur noch fünf Minuten.

    Vals Lachen weckte ihn vollends auf. Er fuhr hoch und blickte mit verwirrter Miene um sich.

    „Ach Mist, ich bin eingepennt", stellte er überflüssigerweise fest. Val hob die Plastiktüte an, die er in der Hand hielt.

    „Hast du Hunger?"

    Wie üblich hatte Mario es sich nicht nehmen lassen, ihm etwas zu Essen mitzugeben. In den Aluschalen befanden sich Lasagne und Tortellini in Käse-Sahne-Soße. Genau das Richtige für einen Abendsnack.

    Flo blinzelte verschlafen. „Nee, danke."

    Val brachte ihm trotzdem eine Gabel aus der Küche mit. Er platzierte die Schalen auf den Wohnzimmertisch und öffnete eine.

    „Hmmm, das duftet toll. Willst du nicht doch was?"

    Genüsslich schob Val sich eine Gabel voll Tortellini in den Mund. Flo schmunzelte.

    „Ich verstehe nicht, wie du so dünn bleiben kannst bei der ganzen Fresserei."

    „Fresserei? Das verbitte ich mir. Ich genieße ein köstliches Mahl." Und das hatte er sich auch verdient. Immerhin war er den halben Tag als Kurierfahrer unterwegs gewesen, hatte stundenlang in der Küche der Pizzeria geschuftet. Und vor allem anderen brauchte er dringend Trost nach dem Flop im Weinkeller. Wenn er schon Antonio nicht vernaschen durfte, wollte er wenigstens der Ersatzbefriedigung Essen frönen.

    „Mario ist ein Arsch, aber kochen kann er", verkündete er mit vollem Mund. Flo grinste.

    „Das ist aber nicht der Grund, warum du immer noch da jobbst."

    „Nee. Der Grund ist, dass ich Kohle brauche, um meine Schulden zu bezahlen."

    Flo grinste breiter. „Wer’s glaubt. Der wahre Grund fängt mit A an."

    „A wie Arschloch?"

    Val schob Flo auffordernd die andere Aluschale rüber. Nach einem verzweifelten Blick an die Decke, als würde dort sein Gewicht eingeblendet, griff Flo zur Gabel.

    „Hmmm, toll. Gib den Job bloß nicht auf."

    Val lachte. „Das kann ich mir gar nicht leisten, selbst wenn ich wollte."

    Flo wurde schlagartig ernst und warf ihm einen besorgten Seitenblick zu.

    „Sind die Typen immer noch hinter dir her?"

    Val zögerte, Flo von seinen Geldproblemen vorzujammern, aber er war sein bester Freund. Er würde nicht locker lassen, bis er alles erfahren hätte. So unangenehm es Val auch war, Flo mit dieser Schuldensache zu belasten, so sehr sehnte er sich danach, sein Herz auszuschütten und die Sorgen mit ihm zu teilen.

    „Ja, sind sie. Die hängen mir echt auf der Pelle. Ich soll bis übermorgen eine Rate zahlen und habe nicht einmal annähernd so viel."

    „Wenn die dich wieder bedroht haben, solltest du ..."

    Val unterbrach Flo. „Ich kann nicht zur Polizei gehen. Das hat keinen Sinn. Die Typen haben noch nichts gemacht und würden alles abstreiten. Und dann sitze ich erst richtig in der Scheiße."

    Flo stocherte in der Lasagne herum. „Wie viel brauchst du?"

    Val verzog das Gesicht. So tief sinken, dass er Flo anpumpen würde, wollte er wirklich nicht.

    „Ich könnte dir 300 Euro geben", sagte Flo zaghaft. Val war so gerührt, dass ihm das Lachen im Hals stecken blieb.

    „Das ist lieb von dir", sagte er mit belegter Stimme. Er wusste, dass Flo selbst kaum Kohle hatte. Die 300 Euro machten vermutlich sein gesamtes Vermögen aus.

    „Aber das reicht nicht mal annähernd."

    Flo seufzte. „Du könntest sie damit vielleicht für ein paar Tage ruhigstellen. Valerius, ich mache mir Sorgen. Mit diesen Kerlen ist nicht zu spaßen."

    Wenn Flo Vals vollen Namen benutzte, wurde es ernst. Val rang sich ein Grinsen ab.

    „Ach komm. Ich habe doch mein Bike. Die können mich gar nicht einholen. Wie läuft’s denn eigentlich mit deinem Schwarm?"

    Flo lief rot an. Niedlich.

    „Das ist nicht mein Schwarm! Du willst nur das Thema wechseln. Netter Versuch."

    „Nicht dein Schwarm? Aber du schwärmst doch ständig von dem Typen. Wie heißt er gleich ..."

    Val wusste genau, wie der Kerl hieß, dem Flo schon seit Wochen hinterher schmachtete. Er wollte ihn ein wenig aufziehen und von der blöden Sache mit den Schulden ablenken, sowohl Flo als auch sich selbst. Flo spielte mit der Gabel herum.

    „Kai."

    Er zögerte. Val wartete ab. Er kannte Flo mittlerweile gut genug, um zu wissen, wann er ihn nicht drängen durfte.

    „Wir sehen uns nächste Woche bei einem Shooting. Eine Werbesache."

    Flo versuchte, lässig zu klingen. Das törichte Grinsen in seinem Gesicht sprach allerdings Bände. Bis über beide Ohren verknallt, diagnostizierte Val halb amüsiert, halb besorgt. Flo hatte in letzter Zeit kein Glück mit Männern gehabt. Und Val fürchtete, dass auch Kai ihm das Herz brechen würde. Er verspürte nicht übel Lust, dem Typen bei Gelegenheit ein wenig auf den Zahn zu fühlen und damit seiner Maxime untreu zu werden, sich niemals in anderer Leute Liebesleben einzumischen. Er kriegte ja nicht einmal sein eigenes auf die Reihe. Na ja, auf Liebesleben konnte er verzichten, eine knackige Sexaffäre mit Antonio sollte reichen.

    Kapitel 2

    Nach einer stressigen Schicht im Ristorante trug Val das Fahrrad die Treppe hinauf. Seine Beine waren bleischwer und er konnte die Augen kaum noch aufhalten. Der Gestank abgestandenen Zigarettenrauchs biss ihm in die Nase und er verzog angewidert das Gesicht. Die Raucher verließen zwar das Lokal, um ihre Sucht zu befriedigen, warfen die Kippen aber einfach auf den Boden. Es half nichts, dass Mario eigens zwei große Standaschenbecher aufgestellt hatte. Durch den Nebel der Erschöpfung registrierte Val, dass der Rauchmief viel zu penetrant war, um von den Kippen zu kommen. Statt sich wachsam umzusehen, schlurfte er geradewegs los, schob das Fahrrad zur Straße und wollte aufsteigen. Im nächsten Moment packte ihn jemand von hinten. Ein muskulöser Arm legte sich um seinen Hals. Das Rad fiel krachend zu Boden. Mist, die Gangschaltung hatte er gestern erst nachgestellt.

    Sie waren zu viert und alle mindestens einen Kopf größer als er. Soviel erkannte er zumindest in der Sekunde, die sie brauchten, um ihn Richtung Hauswand zu drängen. Sie verdrehten ihm die Arme schmerzhaft auf den Rücken und stießen ihn gegen das Mauerwerk. Geistesgegenwärtig drehte er den Kopf zur Seite. Das bewahrte ihn vermutlich vor einer gebrochenen Nase. Dafür schrammte seine Wange über die Ziegel. Er schielte nach links, genau in die feiste Visage eines seiner Peiniger.

    „Hast du die Kohle?"

    Fauliger, nach Bier und Asche stinkender Atem schlug ihm ins Gesicht. Ihm wurde übel.

    „Ich habe hundert Euro. Den Rest besorge ich bis nächste Woche." Lautes Lachen ertönte.

    „Ach nee, wie oft haben wir das denn schon gehört? Der Boss hat keinen Bock mehr auf deine Ausreden."

    Zwei der Typen hielten Val fest, die anderen durchsuchten ihn grob. Sie fanden zwei Euromünzen in der Tasche seiner Jeans.

    „Wo hast du denn die hundert Euro?"

    „Zuhause. Lasst mich los, dann hole ich sie."

    Feistvisage packte Vals Haare und drückte ihn zurück gegen die Wand. „Du hast uns lange genug verarscht!"

    Vals Lippen wurden schmerzhaft zwischen Mauer und Zähnen eingeklemmt. Er wollte ihnen sagen, dass es nichts bringen würde, ihn zusammenzuschlagen, oder was auch immer sie planten. Dann würden sie das Geld erst recht nicht kriegen. Aber er brachte nur unverständliche, gequetschte Laute zustande.

    Wo zur Hölle steckte Mario? Er saß sicher im Büro und machte die Abrechnung. Da bekam er keinen Deut mit, was vor dem Ristorante passierte. Zu dieser späten Stunde war die Straße wie ausgestorben. Val war auf sich allein gestellt. Allein gegen vier Schlägertypen. Das sah verdammt schlecht für ihn aus. Furcht verwandelte seinen Magen in einen eisigen Klumpen.

    Der Kerl drückte ihn weiterhin hart an die Wand und diskutierte mit seinen Kumpanen, ob sie ihn an Ort und Stelle fertigmachen oder ihn besser vorher runter zum Fluss schleppen sollten, wo sie garantiert niemand sehen würde. Der Aufschub rettete ihn. Ein lauter werdender Automotor klang ihm wie Musik in den Ohren.

    „Scheiße, fluchte einer der Schlägertypen. „Das ist das Arschloch mit dem Lieferwagen.

    Val grinste trotz der misslichen Lage. Die Beschreibung passte super auf Antonio. Feisti brachte sein Gesicht dicht neben Vals Wange. „Wir kriegen dich noch, du Pisser."

    Ein letztes Mal knallte er wie zum Abschied Vals Kopf gegen die Wand. Hart genug, um ihn benommen zu Boden sinken zu lassen. Einen Moment lang wurde ihm schwarz vor Augen. Er hörte, wie sich schnelle Schritte entfernten. Bremsen quietschten und eine Autotür fiel mit einem Knall ins Schloss. Blinzelnd sah er, wie sich ein dunkler Schatten auf ihn zu bewegte, und er versuchte, sich auf die Füße zu kämpfen. Etwas rann warm und feucht über seine Wange. Er blinzelte erneut. Beine ragten vor ihm auf. Jemand packte ihn unter den Armen und zog ihn hoch.

    „Was waren das für Typen?"

    Selbst wütend klang Antonio sexy. Die rauchige Stimme ließ einen angenehmen Schauer über Vals Rückgrat rieseln.

    „Hey, rettender Engel, mein Ritter in schimmernder Rüstung."

    Antonio musterte ihn mit zusammengezogenen Brauen. Oberhalb seiner Nasenwurzel bildeten sich zwei scharfe Längsfalten.

    „Wer war das?"

    Val machte sich von ihm los. Sofort wurde ihm schwindelig. Er lehnte sich unauffällig an die Wand.

    „Keine Ahnung, irgendwelche Spinner. Die wollten mich ausrauben oder so. Haha. Ausgerechnet mich."

    Antonio sah aus, als glaubte er ihm kein Wort. „Komm mit rein, ich sehe mir deine Wunde an."

    Val widerstand der Versuchung, sein Gesicht zu betasten. „Danke, nicht nötig. Nur ein Kratzer."

    Auf ein Kreuzverhör von Mario und Antonio konnte er verzichten. Achselzuckend wandte Antonio sich von ihm ab.

    „Ist Mario drinnen?", fragte er ohne ihn anzusehen.

    „Der macht die Kasse."

    Antonio schloss die Eingangstür des Ristorante auf. Sobald er im Lokal verschwunden war, war es vorbei mit Vals Selbstbeherrschung. Seine Knie zitterten so stark, dass er sich auf den Boden setzen musste. Sein Blick fiel auf das Fahrrad, sein Heiligtum, das mit verdrehtem Lenker auf dem Asphalt lag. Genickbruch. Der Anblick tat ihm in der Seele weh. Soviel dazu, dass er so schnell fahren konnte, dass sie ihn nicht kriegen würden. Die rechte Gesichtshälfte, die sich bislang wie betäubt angefühlt hatte, begann heftig zu schmerzen. Val hob die Hand, befühlte vorsichtig die puckernde Wange und betrachtete dann seine blutverschmierten Finger. „Nur eine Schramme", versuchte er sich nun selbst zu beruhigen wie vorher Antonio.

    Er hatte keine Lust, ihm noch einmal zu begegnen. Obwohl ihm der Schädel dröhnte, kroch er zum Bike und umfasste den kühlen Alurahmen, als könnte die Berührung auf magische Weise die Kopfschmerzen lindern. Ein Trugschluss. Trotzdem kämpfte Val sich hoch und stellte seinen kostbarsten Besitz behutsam auf die Räder. Bei oberflächlicher Betrachtung schien alles in Ordnung zu sein. Näheres würde eine Probefahrt

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