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DAS VERLORENE GEDÄCHTNIS: Der Krimi-Klassiker!
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eBook248 Seiten3 Stunden

DAS VERLORENE GEDÄCHTNIS: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Eines Morgens in Miami wacht Arthur Devlin auf. Er hat starke Kopfschmerzen. Ein Unbekannter hat ihn niedergeschlagen. Devlin kann sich an die Ereignisse der vergangenen zwölf Tage nicht mehr erinnern.

Wie kam er in dieses Zimmer? Warum befindet er sich nicht an Bord des Schiffes, das zu den Bahamas fährt? Und woher stammen die 10.000 Dollar?

Dann stellt er fest, dass er nicht allein im Zimmer ist. Unter dem Bett liegt ein Toter...

 

Brett Halliday (eigtl. Davis Dresser, * 31. Juli 1904 in Chicago, Illinois; † 4. Februar 1977 in Santa Barbara, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Schriftsteller.

Der Roman Das verlorene Gedächtnis erschien erstmals im Jahr 1949; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1967.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum5. März 2022
ISBN9783755409144
DAS VERLORENE GEDÄCHTNIS: Der Krimi-Klassiker!

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    Buchvorschau

    DAS VERLORENE GEDÄCHTNIS - Brett Halliday

    Das Buch

    Eines Morgens in Miami wacht Arthur Devlin auf. Er hat starke Kopfschmerzen. Ein Unbekannter hat ihn niedergeschlagen. Devlin kann sich an die Ereignisse der vergangenen zwölf Tage nicht mehr erinnern.

    Wie kam er in dieses Zimmer? Warum befindet er sich nicht an Bord des Schiffes, das zu den Bahamas fährt? Und woher stammen die 10.000 Dollar?

    Dann stellt er fest, dass er nicht allein im Zimmer ist. Unter dem Bett liegt ein Toter...

    Brett Halliday (eigtl. Davis Dresser, * 31. Juli 1904 in Chicago, Illinois; † 4. Februar 1977 in Santa Barbara, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Schriftsteller.

    Der Roman Das verlorene Gedächtnis erschien erstmals im Jahr 1949; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1967.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    DAS VERLORENE GEDÄCHTNIS

    Erstes Kapitel

    Für Arthur Devlin war es ein seltsames Erwachen. Sonst pflegte er schlagartig da zu sein und aus dem Bett zu springen, aber an diesem Morgen war nur ein kleiner Teil seines Gehirns aktiv. Er kam sich wie gelähmt vor. Quälende Schmerzen durchpulsten seinen Kopf, ein würgendes Gefühl der Übelkeit presste ihm die Kehle zusammen. Wenn er sich bewegte, begann das Bett zu schwanken. Er streckte die Hände aus, umklammerte die Eisenstäbe und hielt sich fest, bis das Taumeln langsam nachließ.

    Entsetzlich! Was für ein Seegang! Er versuchte zu sprechen, aber seine Zunge klebte rau und ausgetrocknet am Gaumen. Er versuchte die Augen zu öffnen. Die Lider waren zugeklebt. Wieder wagte er eine vorsichtige Bewegung, um sich aufzusetzen, aber die Anstrengung rief alles wieder herbei: Schwindelgefühl, Übelkeit, unerträgliches Pulsieren im Schädel. Er fiel aufs Kissen zurück, blieb regungslos liegen, ein paarmal krampfhaft schluckend, um den Kloß im Hals niederzuhalten.

    Langsam bemühte er sich, gegen die peinigenden Schmerzen ankämpfend, sein Gehirn vom betäubenden Nebel zu befreien. Merkwürdig, dass er seekrank geworden war. Er hatte Schiffsreisen immer gut vertragen. Devlin versuchte sich zu erinnern. Der Sturm, das schwankende Schiff - undeutlich entsann er sich der Wetterberichte, die vor Antritt der. Fahrt schönes Wetter versprochen hatten.

    Verzweifelt klammerte er sich ans Bewusstsein, von der Angst besessen, dass er wieder in die Dunkelheit zurücksinken würde, wenn er den anlaufenden Gedankengang auch nur für einen Augenblick unterbrach. Man hatte in Gesellschaft gefeiert - ganz früh am Abend. Cocktails, ein Diner, Champagner. Nur für Herren. Ein Fest. Dr. Thompson, Bert Masters und Joe Engals. Ein paar andere dazu. Erinnerungsfetzen, verwischt und unbestimmbar.

    Betroffen bewegte er sich ein wenig. Der Schwindel überfiel ihn von neuem... Die Erinnerungen flirrten durch sein Gehirn, ausgespuckt von einer rasenden Maschine, flackernd, hin und her zuckend, in endloser Wiederholung. Dann stand das Bett still, und die Verkrampfungen in seiner Kehle lösten sich. Nur der dröhnende Schmerz im Kopf blieb zurück.

    Er atmete tief und langsam. Natürlich. Abschiedsparty. Bon voyage für irgendjemand. Gewitzel, dröhnendes Gelächter, viel zu trinken. Sehr viel zu trinken, schnell hintereinander. Es spielte ja keine Rolle, wieviel er trank. Er hatte Urlaub und brauchte zwei Wochen nicht ins Büro zu gehen - denn die Party galt ihm, Arthur Devlin.

    Grässlich, dieser Kater! Und er hatte gedacht, das Meer spiele verrückt. Er versuchte zu lachen. Seine Lippen waren starr, trocken - wie seine Zunge und die Mundhöhle. Wenn er nur einen Schluck Wasser bekäme! Er zwang die Lider auseinander, konnte aber in der Dunkelheit nichts sehen. Vorsichtig tastete er mit der rechten Hand nach einem Tisch. Vielleicht stand dort ein Glas Wasser. Aber er fand nichts.

    Irgendwo in seiner Kabine musste es Wasser geben. Der Durst wurde immer unerträglicher. Devlin rollte sich langsam und vorsichtig auf die Seite, schob die Beine zur Bettkante, ließ sie heruntersinken, bis sie den Boden berührten, dann schob er sich langsam hinunter, bis seine Hände die Eisenstange am Fußende des Bettes umklammerten.

    Das schrille Kreischen einer Autofanfare durchschnitt die Luft. Der Schmerz in seinem Schädel zuckte gewaltsam auf, Angst rann glühend durch seinen Körper. Er fiel zurück und blieb wie erstarrt liegen. Er hielt den Atem an, als ein Chor von Autohupen in das Kreischen einstimmte. Das konnte nur eines bedeuten! An einer Ampel war der vorderste Wagen bei Grün stehengeblieben. Aber an Bord der Princess of the Caribbean gab es keine Verkehrsstauungen.

    Er zog sich am eisernen Fußende des Bettes hoch, richtete sich auf, zog die Hände zurück und taumelte zur Wand. An sie gelehnt, tastete er sich langsam vorwärts, nach einem Lichtschalter suchend. Er stieß gegen ein Waschbecken, schob die Hand nach oben und berührte eine Kette, zog daran - und der Raum war von trübem Licht erfüllt, das durch seine Augen glühende Schmerzen ins Gehirn jagte.

    Mit dem linken Unterarm die zusammengekniffenen Augen abschirmend, sah er sich in dem kleinen, schäbigen Zimmer um: ein Fenster, verblasster Vorhang zugezogen, ein Korbsessel, in der Mitte des Zimmers ein schmutziger Flickenteppich.

    Nach dem ersten hastigen Blick schloss er die brennenden Augen, drehte den Kaltwasserhahn auf, hielt sich mit der Linken fest und bespritzte Gesicht und Schädel mit der lauwarmen Flüssigkeit. Er wölbte die rechte Handfläche und ließ Wasser in seinen ausgetrockneten Mund rinnen, bis er nicht mehr schlucken konnte.

    Mit triefendem Gesicht starrte er in den fleckigen Spiegel über dem Waschbecken. Der Anblick entsetzte ihn. Über dem rechten Ohr prangte eine eigroße Geschwulst, der Haaransatz war dunkelrot Und blutverklebt. Seine Lider waren geschwollen, die Augen rotgerändert, schwarzer Bartwuchs umrahmte Mund und Wangen.

    »Um Gottes willen!«, murmelte er. Wie spät war es? Wann hatte er sich zum letzten Mal rasiert? Er hob den Arm, schob den linken Ärmel zurück und starrte entgeistert auf sein Handgelenk. Die Armbanduhr war weg.

    Seine schmerzenden Augen betrachteten den Jackettärmel – graukarierter Stoff, abgetragen, zerfranst. Als er wieder in den Spiegel blinzelte, sah er ein ordinäres blaugestreiftes Hemd mit abgeschabtem Kragen und einer Krawatte, die in der trüben Beleuchtung rosafarben wirkte.

    Devlin ächzte und presste die Augenlider zusammen. Er durfte diesen Halluzinationen nicht nachgeben. Ausgeschlossen, dass Arthur Devlin mit seinem Ruf, der eleganteste Mann seiner Kreise zu sein, solche Kleidungsstücke trug. Er musste hier heraus und an Bord der Princess of the Caribbean sein, bevor sie um Mitternacht ablegte. Verbissen wehrte er sich gegen einen weiteren Schwindelanfall, straffte und lockerte die Muskeln, bis er sich halbwegs erholt hatte. Dann öffnete er die Augen und schaute wieder in den Spiegel.

    Karos, Streifen und rosa Krawatte - alles noch da. Grässlich! Wie ein Idiot hatte er sich benommen! Er musste bis zur Bewusstlosigkeit getrunken haben und in eine Schlägerei geraten sein. Seine letzte Erinnerung war, dass ihm Dr. Thompson noch ein Glas aufgedrängt hatte - oder Bert Masters?

    Er sah am Anzug hinunter, entdeckte, dass der rechte Ärmel blutbefleckt war, zog die Linke von der Wand zurück, entschlossen, ohne Stütze aufrecht zu stehen. Er musste sich zusammennehmen und aus diesem Zimmer herauskommen.

    Er war Arthur Devlin. Soviel stand fest. Arthur Devlin, ledig, Versicherungsdirektor, wohnhaft in Miami. Kurz vor seiner Abreise zu einem zweiwöchigen Urlaub hatte er bei seiner eigenen Abschiedsparty das Bewusstsein verloren.

    Soviel stand fest - sonst nichts. Er drehte sich langsam um. Sein Sehvermögen war wieder intakt. Er wurde zur Statue, als er auf dem Boden zwei Hüte nebeneinander liegen sah: einen steifen Strohhut mit rotgelbem Band und einen weichen grauen Filzhut. Arthur Devlin besaß und trug auch keine Hüte.

    Es schien ihm, als sei er jetzt gegen jeden Schock abgehärtet. Es kam nur noch darauf an, dieses unheilvolle Zimmer zu verlassen - dem unfassbaren Alptraum zu entrinnen.

    Dann sah er den Schuh. Die Sohle eines Herrenschuhs, unter dem Bett hervorlugend.

    Sein Herz hämmerte wie rasend, durch die Geschwulst an der Schläfe pulsierte zuckend der Schmerz. Seine Muskeln verkrampften sich. Arthur Devlin stand regungslos und kämpfte die vom Magen zur Kehle hochquellende Übelkeit nieder.

    Er konnte nicht mehr fliehen. Irgendwie wusste er, dass der Mann tot war, wusste es, bevor er die Leiche sah. Langsam und mit marionettenhaften Bewegungen ging er um das Bett herum und zerrte den Toten ans Licht.

    Er hatte ihn noch nie gesehen - diesen Mann unbestimmbaren Alters mit seinem schmächtigen Körper und den scharfen Gesichtszügen. Der bleckte die Zähne mit einer entsetzlichen Grimasse, die Angst oder Hass verriet, trug einen hellen Sommeranzug, Sporthemd mit offenem Kragen, gelbgestreifte Socken und zweifarbige Schuhe. Sein Gesicht war blutverkrustet, die linke Schläfe eingedrückt. Auf dem Boden lag ein Totschläger.

    Als Devlin sich über den Toten beugte, nahm der pochende Schmerz im Schädel zu und trübte seine Sinne. Ein entsetzliches Gefühl der Hoffnungslosigkeit betäubte ihn. Es kam ihm sogar so vor, als habe sein Unterbewusstsein von Anfang an von dem Toten gewusst.

    Dies alles war im Verlauf weniger Stunden geschehen, und nun zählte Arthur Devlin nicht mehr zu den gewöhnlichen Menschen. Er war ein Mörder und kannte nicht einmal den Namen des Mannes, den er ermordet hatte. Er wusste nicht einmal, warum die Tat geschehen war. Seine Hand musste den Totschläger geschwungen haben, aber in höherem Sinne gehörte sie nicht zu ihm. Sein Gehirn hatte diesen Befehl nicht erteilt. Arthur Devlin konnte keinen Mord begehen, das ließ sein Charakter nicht zu. Er wusste, dass es so war, obwohl er jetzt langsam niederkauerte, um die Taschen des Toten zu durchsuchen. Er konnte sich nicht länger bücken.

    In einer Hosentasche, von einer Silberklammer zusammengehalten, ein paar Geldscheine, Münzen, drei Schlüssel am Ring in einer Jackettasche. Nichts sonst. Keine Brieftasche, keine Papiere, kein Hinweis auf seine Person. Er gehörte zur Dunkelheit dieser unauffindbaren Stunden. Nichts verriet, was er in diesem Zimmer zu suchen oder welche Beziehung zwischen ihm und dem Toten bestanden hatte.

    Am knochigen Handgelenk des Toten war eine Armbanduhr befestigt. Devlin hob den schlaffen Arm und starrte auf das Zifferblatt. Die Zeiger wiesen auf 1.30 Uhr, das Uhrwerk tickte.

    Halb zwei! Und um Mitternacht legte sein Schiff ab! Zum ersten Mal, seit er das Bewusstsein wiedererlangt hatte, durchstieß der Ernst der Lage mit voller Wucht den Nebel der Unwirklichkeit. Er hockte starr mit gekreuzten Beinen neben dem Toten, überwältigt vom Entsetzen, von der klaren Erkenntnis seiner Lage.

    Was war geschehen? Wie konnte sich dies alles in der kurzen Zeit abgespielt haben, seit er bei Bert Masters’ Party das Bewusstsein verloren hatte? Es war alptraumhaft, unfassbar, ausgeschlossen - aber er wusste, dass es zutraf. Zwecklos, zu hoffen, dass er noch immer sinnlos betrunken oder vom Delirium tremens erfasst sein möge. Das schäbige Zimmer, die ordinäre Kleidung, die Hüte und der Tote waren von schrecklicher Wirklichkeit.

    Sein Blick blieb an einer zusammengefalteten Zeitung haften, die unter dem Bett lag. Er streckte die Hand aus und griff danach. Die Abendausgabe der Miami News. Er entsann sich dunkel, in seiner Wohnung einen Blick auf die Schlagzeilen geworfen zu haben, bevor er zur Herrengesellschaft gefahren war.

    Aber das konnte nicht die Zeitung von gestern sein. Die Schlagzeilen lauteten anders. Verständnislos starrte er die dicken schwarzen Lettern an. Die Zeitung war schmal gefaltet, damit man sie in die Jackettasche schieben konnte. Devlin trug Zeitungen nie in der Tasche.

    Als er das Datum sah, erstarrte das Blut in seinen Adern zu Eis. Fassungslos hielt er den Atem an, während die kleinen schwarzen Ziffern vor seinen quellenden Augen einen geisterhaften Tanz auf führten.

    Das Datum lautete: 20. Juni.

    Heute war der 8. Juni - oder vielmehr der 9. Der 9. Juni, frühmorgens. Der Tag, an dem sein Urlaub begann.

    Er hatte davon gehört, dass man Zeitungen mit falschem Datum druckte, um Verbrecher zu fassen - gewöhnlich nur die erste Seite. Devlins Finger zitterten, als er umblätterte und das Datum suchte. Mund und Kehle waren wieder trocken wie Staub, und sein Atem pfiff durch die Lunge, während er fieberhaft Seite um Seite zerknüllte. Überall dasselbe Datum. Der 20. Juni, zwei Tage, bevor die Princess of the Caribbean nach Miami zurückkehren sollte.

    Die Zeitung entglitt seinen Händen. Jetzt kannte er die Wahrheit. Zweifel gab es nicht mehr. Man schrieb den 20. Juni. Seit er an Bord der Princess of the Caribbean hätte gehen sollen, waren fast zwei Wochen vergangen. Zwölf Tage, statt einiger Stunden. Zwölf Tage Dunkelheit, Leere, Nichts. Das erklärte seine schäbige Kleidung, seinen Bartwuchs.

    Aber wie war es möglich, dass man zwölf Tage ohne Bewusstsein blieb, selbst wenn man so viel getrunken hatte wie er auf Bert Masters' Party? Was hatte sich ereignet, um Himmels willen? Devlin presste die Hände an den schmerzenden Kopf und stöhnte.

    Ein schrilles Läuten prallte gegen seine Trommelfelle und schien die Schädeldecke emporzuheben. Er riss den Kopf hoch und starrte den altmodischen Wandapparat an. Das Telefon verstummte, einen Augenblick lang kam die Welt ins Gleichgewicht, dann begann es wieder nervenzerrend zu schrillen. Für Devlin wurde es zu einem intelligenzbegabten Wesen, lauernd und bösartig, das ihn nicht in Ruhe lassen wollte. Er musste den Hörer abnehmen, musste sich melden, sonst würde es unablässig weiterlärmen. Das schrille Klingeln musste aber alle Menschen in der Nachbarschaft wecken und sie veranlassen, herbeizueilen - um Arthur Devlin neben dem Mann sitzen zu sehen, den er ermordet hatte.

    Er streckte die Hand aus, umklammerte die Eisenstange am Bettfuß und zog sich daran hoch. Schwankend ging er zum Telefon und riss den Hörer herunter. Er lehnte an der Wand. Der Hörer baumelte neben seinem Knie.

    Undeutlich hörte er eine Stimme eifern. Er hob den Hörer langsam ans Ohr. Es war eine Frauenstimme, sanft-heiser, zwingend, mit einem Unterton von Furcht, Sorge und verbissener Entschlossenheit.

    »Joe! Bist du das, Joe?«, sagte sie. »Wer ist da? Warum meldest du dich nicht?«

    Devlin hörte seine eigene Stimme, fremd und spröde, wie aus weiter Ferne kommend: »Hallo! Ich kann nicht...«

    »Joe! Joe, Liebling!«

    »Er ist - niemand ist...«, stammelte Devlin.

    »Ich habe mir solche Sorgen gemacht, ich war so erschrocken, als du nicht gekommen bist, Joe, Liebling. Ist alles in Ordnung?«

    Die letzten Worte atemlos.

    Die ferne und körperlose Stimme war seine einzige Verbindung mit dem undurchdringlichen Dunkel der vergangenen zwölf Tage, ein winziges Loch in dem schwarzen Vorhang, der ihn vor Dingen abschloss, die er nicht kannte. Er musste erreichen, dass sie weitersprach. Er musste eine Rolle ausfüllen. Er durfte nicht zulassen, dass sie einhängte, ohne ihm wenigstens zum Teil zu verraten, was er wissen wollte.

    Mit gepresster, verstellter Stimme fragte er: »Wer ist am Apparat?«

    Ein kurzes Zögern, gefolgt von einem hohen silbrigen Lachen.

    »Aber Joe! Hier ist Marge. Was hast-du denn gedacht? Ist was passiert? Ist - jemand - dort?«, fragte sie leise.

    »Alles Mögliche ist passiert«, sagte er heiser. »Alles Mögliche. Wo bist du, Marge?«

    »Aber - Joe! Zu Hause, natürlich. Joe, sag doch, was ist passiert?«

    Die Besorgnis in ihrer Stimme stieß zu einem Gefühl vor, von dem er vergessen hatte, dass er es besaß.

    »Das - das kann ich dir nicht sagen«, murmelte er.

    »Ist Skid nicht gekommen?«

    Es schien, als hielte sie den Atem an. Er zögerte, suchte verzweifelt nach einem Hinweis, der ihm verraten sollte, wie seine Antwort ausfallen musste. Hieß der Tote Skid? Oder lag dort Joe, während sie seine Stimme mit der des Verblichenen verwechselte?

    »Skid ist schon gekommen«, sagte er. »Aber...«

    Er verstummte und wartete auf ein Wort, das ihm weiterhelfen würde, alle Sinne angespannt, eine Stimmfärbung oder ein

    Stocken aufzufangen, damit er wusste, wie er sich zu verhalten hatte.

    »Pass auf, Joe!«

    Ihre Stimme sank zu einem heiseren Flüstern ab, das besorgt und zärtlich klang.

    »Ja - Marge«, erwiderte er.

    »Hast du ihn umgebracht?«

    Devlins Finger krampften sich um den Hörer. Er drehte den Kopf, bis er den schmächtigen schlaffen Körper vor dem Bett sehen konnte.

    »Ja«, sagte er tonlos. »Ich habe ihn umgebracht.«

      Zweites Kapitel

    »Okay.« Das knappe Wort ließ Befriedigung erkennen. »Du bist so lange ausgeblieben. Ich habe mir Sorgen gemacht. Hast du das Geld, Joe?«

    »Das Geld?«, fragte er verständnislos. Sein Kopf dröhnte, alle Nerven seines Körpers vibrierten, während er verzweifelt überlegte, was er sagen sollte. Er entsann sich der Geldscheine in der Tasche des Toten. Ekel übermannte ihn, als ihm klar wurde, dass die Banknoten dort bleiben mussten.

    »Joe - hörst du mir zu. Sag doch - hast du das Geld?«, fragte sie

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