Die Hellberge-Connection
Von Wolfgang Kienast
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Buchvorschau
Die Hellberge-Connection - Wolfgang Kienast
Impressum
eISBN 978-3-360-50105-9
© 2015 (1997) Das Neue Berlin, Berlin
Cover: Verlag
Die Bücher des Verlags Das Neue Berlin erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.
www.eulenspiegel-verlagsgruppe.de
Wolfgang Kienast
Die Hellberge-Connection
Das Neue Berlin
1
Was als »Hellberge-Connection« durch die Presse ging, erregte viele Gemüter, und der Prozeß gegen die Bande erhielt vom ersten Tag an allgemeine Aufmerksamkeit. Dagegen fiel der Mordprozeß, der gesondert durchgeführt wurde, sehr ab. Aber gesühnt wurde schließlich nur der Mord. Und der Verurteilte war eigentlich ein Opfer der Connection. Wie das so zu sein pflegt in solchen Fällen.
2
Hellberge lag ungefähr zwanzig Kilometer nordöstlich der Stadt in einer dieser malerischen Auenlandschaften mit vielen Wiesen, bunten Laubwäldern und verschwiegenen Seen.
Planks Mühle war der einzige Campingplatz dort, aber so groß, daß er in der Saison mehr Zeltler aufnehmen konnte, als Hellberge Ein wohner hatte. Die meisten waren freilich kurzfristige Gäste, Wasserwanderer und Wochenendcamper.
Planks Mühle besaß einen ausgedehnten Bootshafen in einer stillen Seebucht und einen eigenen Parkplatz, so groß wie das Gelände eines Gewerbeparks. Es gab auch eine Busstation, aber die lag gut zwei Kilometer weg an der Plumroser Landstraße. Ein Sandweg führte über zwei ausgedehnte Hügel quer durch den Wald.
Dorno fluchte im stillen. Es war unbarmherzig heiß, an die vierzig Grad im Schatten, und der märkische Streusand verstärkte die Hitze noch. Sie lag wie eine dichte, glühende Wolke über dem Boden. Hier war der Wald ziemlich licht, mit alten Ahornbäumen und Buchen bewachsen, zwischen denen starres, gelbes Gras verdorrte. Aus dem Sand stachen scharfkantige Steine, irgendwelches dunkles Mineral, das aussah, als wäre es vulkanischen Ursprungs.
Dorno zerrte einen Wagen hinter sich her, solch ein zweirädriges Gefährt, das man zum Einkaufen benutzt. Es paßte überhaupt nicht in die Landschaft, und er hatte das vorher gewußt. Aber Dorno hatte ein Askari-Zelt dabei, und wenn das auch nicht gerade ein Hauszelt war, wog es doch reichlich. Mehr auf jeden Fall, als ein normaler Mann über eine größere Strecke schleppen konnte.
Es dauerte einige Zeit, bis Dorno die Hügel geschafft hatte. Planks Mühle lag unten zwischen zwei beschaulichen Seen, ausgestreckt wie ein lüsternes Frauenzimmer, das sich in seinen Träumen räkelt. Sie schmiegte sich ganz eng an die Seeufer und über eine Landzunge, die die Gewässer voneinander trennte. Früher war das eine wirkliche Grenze gewesen. Damals hatten auf der rechten Seite, am Lagowsee, nur Angehörige der sogenannten bewaffneten Organe campen dürfen, Soldaten und Polizisten, in der Regel aber nicht die, sondern ihre Offiziere. Die Landschaft war dott besser, die Anlagen waren komfortabler. Es hatte dort vernünftige Toiletten gegeben und ansprechende Waschgelegenheiten, sogar Duschen.
Es hatte sich einiges geändert mit den Jahren, aber das Verwaltungsgebäude war geblieben. Es war ein schwarz-weißes Fachwerkhaus, winzig wie das Pfefferkuchenhäuschen im Märchen, mit knallig rotem Dach, das durch die Bäume strahlte wie ein Leuchtfeuer.
Dorno polterte mit seinem widerspenstigen Gefährt den steilen Abstieg hinunter und registrierte mit leisem Wonnegefühl den kühlen Hauch, der vom Wasser herüberwehte. Er hatte es geschafft, er würde die Strapazen nur noch einmal durchmachen müssen, auf dem Rückweg. Aber das war nicht einmal sicher, denn er würde sich wahrscheinlich beim Abbauen an jemanden anhängen können, der seine Zeltanlage mit dem Auto abtransportierte.
Im Grunde war Dorno in Planks Mühle zu Hause, denn früher hatte er jeden Sommer hier gezeltet. Lange im militärischen Ghetto auf der Lagower Seite, bis er endgültig die Nase vollgehabt hatte von den arroganten Schafsnasen dort. Lieber unter der Pumpe waschen und die stinkenden Plumpsklos benutzen, als diesen gesellschaftlichen Feinfrost ertragen zu müssen, der das Ergebnis ist von dem tiefeingefressenen Mißtrauen jedes gegen jeden. Vorbei. Geschichte.
Dorno rumpelte seinen Wagen über die weitherausragenden Baumwurzeln bis hinüber zum Pfefferkuchenhäuschen. Die Zelte waren bunter geworden und ihre Formen phantasievoller. Es machte schon etwas aus, wenn man jahrelang nicht hiergewesen war. Aber das Kintoppzelt war noch dasselbe, ein großes, plumpes Ungeheuer wie eine unförmige schmutziggrüne Schildkröte, solch eine merkwürdige Erfindung, die den bezaubernden Namen Traglufthalle erhalten hatte. Mitunter hatte Dorno jeden Abend dort drin zugebracht. Er mochte das, diese Atmosphäre zwischen Bierzelt und Kathedrale mit dem melodischen Surren der Projektionsapparate, dem blauen Licht der Kohlelampen und dem unverwechselbaren Geruch der Filmrollen. Der Ton war immer zu laut eingestellt gewesen und dröhnte aus der falschen Richtung, die Bilder kamen zerkratzt auf die Leinwand, weil die Filme uralt und längst vom normalen Kinoprogramm genommen worden waren. Dorno freute sich darauf und hoffte, daß sich das nicht geändert hätte.
3
»Ach«, sagte Dorno nur.
Der Mann vor ihm war etwa so alt wie er selbst, aber zwei Köpfe kleiner. Er hatte noch volles dunkles Haar mit tiefen Geheimratsecken, eine glatte hohe Stirn, ausgeprägte Wangenknochen und Kinn und eine scharfe Nase. Ein Grübchen am Kinn gab dem Mann ein allzeit vergnügtes Aussehen. Auch seine braunen Augen waren warm und freundlich.
Er hieß Walter Schnatz und hatte früher in der gleichen Dienststelle gearbeitet wie Dorno. Der Pastor von Lichtenberg, ein Säufer von dem Typ, der mit ’ner Mark in die Kneipe ging und mit dreien blitzeblau wieder herauskam. Damals hatte er bei einem Flintenweib gelebt, einer mit Dutt und kalten Augen und einer steilen Parteikarriere. Zuletzt war sie Bürgermeisterin in einem Industriekaff südöstlich von Berlin gewesen.
Schnatz selber hatte bei