Der Feuerfluch von Eggersdorf
Von Mario Worm
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Über dieses E-Book
Das an allen Tatorten gefundene Schmuckstück trägt als Ornament die Triqueta, ein über 5.000 Jahre altes Symbol, das bei den Indianern, der Mythologie der Kelten aber auch in der Ikonographie der christlichen Lehre ihre Bedeutung hat.
Doch Hauptkommissar Johannes Schubert glaubt nicht an einen überirdischen Zusammenhang. Dann taucht ein Zettel mit den Namen der Opfer auf.
Da das bekannte Eggersdorfer Sühnekreuz der Fundort ist, ermittelt Schubert in alle Richtungen. Aber das ist längst nicht alles.
Auch sein Name und der seiner psychisch kranken Freundin stehen auf der geheimnisvollen Liste…
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Buchvorschau
Der Feuerfluch von Eggersdorf - Mario Worm
Das „Sühnekreuz" von Eggersdorf
Das Kreuz erinnert an die alte Ritterzeit. Da musste der Gutsherr Trebus aus größter Geldverlegenheit mehrere Hufen Land an den Gutsherrn Roebel, der einem alten Rittergeschlecht entstammte, verkaufen. In seinem Ritterhaus wurde um das Jahr 1900 ein tiefes, dunkles Verlies entdeckt, in dem sich Hals-, Arm- und Fußschellen, schwere Ketten und ein großer Haken in der Bogendecke befanden. Im Zweikampf nach Streitereien im Dorfkrug brach der alte Ritter Roebel unter den Schwerthieben des bedeutend jüngeren Junkers Trebus tödlich zusammen. Zur Sühne der furchtbaren Tat wurde an dieser Stelle ein steinernes Kreuz errichtet, so erzählt man es sich im Dorf.
(Quelle: Ortschronik von Eggersdorf)
„Mit dem Sühnekreuz draußen aber ist es eine eigene Sache. Wehe, wenn frevle Hand es berührt oder gar von der Straße entfernt wurde. Mit lautem Gepolter erfüllt es den Raum, wo du es niederlegst. Und an rätselhaften Krankheiten fällt dir dein Vieh im Stalle, bis du das Zeichen der Sühne wieder an Ort und Stelle bringst." Pfarrer Giertz
Juliane Werding: „Weißt du, wer ich bin"
Weißt du, wer ich war - weißt du, wer ich bin,
Bettler oder Königin.
Graue Wolken verhingen das Land
ich wusste nicht wohin
nah am Meer stand ein einsames Haus
der Wind strich durch die Tür'n
und ich sah einen riesigen Saal
mit Spiegeln an der Wand
doch in keinem hab ich mich erkannt.
Ich konnte gar nicht glauben, was ich sah
die Spiegel zeigten mich mit anderem Gesicht,
die Spiegel zeigten mich.
Ich sah Menschen aus früherer Zeit
und manchmal sah ich mich
als ein Mönch, der die Schriften studiert
als Magd im Kerzenlicht
ich regierte am Hof von Versailles
ich wählte Dich zum Mann
und schon damals fing unsere Liebe an.
Und seltsam, Du warst immer für mich da
die Spiegel zeigten dich mit anderem Gesicht.
Es ist gleich, wer man ist, was man tut
wir reisen durch die Zeit
und der Tod ist nur wie eine Tür
wir wechseln nur das Kleid
nur die Liebe und das Schicksal bleibt.
Und seltsam, Du warst immer für mich da
wir reisen durch die Zeit - wie lange noch, wie weit
Weißt du, wer ich war - weißt du, wer ich bin
Bettler oder Königin.
Prolog
Ob Albert Einstein die Tragweite seiner Relativitätstheorie erahnte, als im Jahr 1905 seine Formel E = mc², veröffentlicht wurde? Sicherlich konzentrierte sich der Wissenschaftler nur auf den Zusammenhang zwischen Raumkrümmung und Zeit und dachte nicht im geringstem daran, dass der Ausspruch „alles sei relativ" in den alltäglichen Wortschatz übernommenen werden würde. Einstein hätte sich die wuscheligen Haare gerauft, wenn er gewusst hätte, was aus seiner hoch wissenschaftlichen Errungenschaft wurde: eine flapsige Bemerkung einer Allerweltskonversation.
Einstein kannte, das ist wenig verwunderlich, Albert von Röschel nicht. Womit wir bei der eigentlichen Uminterpretation wären. Von Röschel bewohnte nun schon seit etwa neun Jahren die kleine Hütte an der Eggersdorfer Landhausstraße. Alles ist relativ! Kam man aus der Mitte des Doppeldorfes, die Kirche hinter sich lassend, befand sich das Gehöft am Dorfausgang. Kam man von Bruchmühle, lag es am Dorfeingang. Oder war es anders herum? Alles ist relativ! Sei es, wie es sei. Oder um es genauer zu beschreiben: seine Hütte befand sich gegenüber einem Feld, auf dem sich zu dieser Jahreszeit der Raps in voller gelber Pracht präsentierte. Neben dem ertragreichen Acker lag die Brache mit den einsturzgefährdeten Ruinen, den verschlissenen betonierten Wegen, die ehemals als Zufahrtswege zum Gelände der „Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft" genutzt wurden. Als im Jahre 1989 die Deutsche Demokratische Republik aufhörte zu existieren, waren auch die Tage der alten LPG gezählt. Was einst als Vorzeigebetrieb galt, war dem Untergang geweiht. Da zu allem Überfluss die Eigentumsverhältnisse für das Terrain nicht zu klären waren, verfiel die sozialistische Bebauung nun vollends. Alles ist eben relativ.
Albert von Röschel interessierten diese Details nicht im Geringsten. Für ihn war die Welt in Ordnung, so wie sie eben war. Im leicht fortgeschrittenen Alter genoss er die ausgedehnten Spaziergänge, die er zweimal am Tag unternahm, die Verpflegung, die man ihm reichte und vor allem die himmlische Ruhe und Geborgenheit seiner Hütte. So hätte es weitergehen können, wenn es da nicht diese Nacht gegeben hätte...
Es ist kurz vor Zwei, als das Fenster des Haupthauses aufgerissen wird und die Stimme des Herrchens erschallt: „Schnauze, Töle! Albert von Röschel überhörte die vertraute Stimme geflissentlich. Schließlich wusste er nur zu gut, wie Haus, Hof und vor allem seine Hütte zu beschützen waren. Eigentlich hatte er sich schon zur Ruhe begeben, den Rumpf in der Hütte vergraben, die kleine Dackelschnauze über die leicht gekrümmten Pfoten gelegt. Ganz bestimmt hatte er von einem riesigen Knochen geträumt. Oder doch von dem „Kanibalenkarnickel
? Alles ist relativ. Süßlicher Duft des gegenüberliegenden Rapsfeldes umwehte die empfindliche Hundenase. Doch plötzlich zwickt ihn ein beißender Geruch. Er schlägt die Augen auf. Das „Kanibalenkarnickel! Egal. Auf alle Fälle war Gefahr angesagt, ein bedrohliches Szenario für den Vierbeiner. Von Röschel schlägt an, unüberhörbar. Wild rennt er hin und her. Erneut brüllt es von oben: „Albeeerrrt! Aus!
Die Haltung des Ausrufenden wandelt sich, als seine Augen das Flammenmeer jenseits des Rapsfeldes erblicken. „Ilse, schnell! Ruf die Feuerwehr! Da drüben brennt es mal wieder, aber dieses Mal richtig!"
Um null Uhr dreiundzwanzig ging der Notruf unter der 112 ein. Zwei Minuten später gab die Leitstelle das Signal an die freiwillige Feuerwehr in Eggersdorf weiter.
Hans Joachim Herrmann war es gewohnt, sehr früh aufzustehen, weshalb er sich auch dementsprechend frühzeitig ins Bett begab. Sein Körper war an diesen Rhythmus gewöhnt. Noch vor wenigen Jahren fuhr Hermann als Fernfahrer durch die Gegend, bewegte seinen tonnenschweren Truck über die Autobahnen. Er kannte aller Herren Länder. Da man peinlichst genau auf die Ruhezeiten achten musste, um nicht bei der nächsten Verkehrskontrolle deftig draufzuzahlen, hatte er sich stets rechtzeitig einen Rastplatz gesucht, um sein Abendbrot zu genießen. Und um sich schnell zur Ruhe zu begeben. Bestraft war derjenige, der zu spät auf die „Zielgerade der Begierde einbog. Meist war man dann zur Weiterfahrt gezwungen. Die Elefantenrennen, bei denen ein „Brummi
den anderen in manchmal waghalsigen Manövern überholte, hatten ihre Spuren hinterlassen. Herrmann hatte den Kampf um den besten Platz meistens gewonnen und war somit in der Lage, im Morgengrauen wieder seinen Motor zu starten. Die Macht der Gewohnheit ließ ihn also regelmäßig gegen fünf Uhr morgens erwachen, auch jetzt, wo er das Rentenalter erreicht hatte.
Dass er heute Nacht noch um diese Zeit im Badezimmer agierte, war einem Fernsehabend geschuldet, besser gesagt einer späten Dokumentation über Jeanne d’Arc. Hans Joachim interessiert dabei weniger das tragische Schicksal der so genannten „Jungfrau vor Orleans, die vermutlich am 06. Januar 1412 in Domrémy, einem verschlafenen Ort in Lothringen, das Licht der Welt erblickte. Er wusste zwar, dass jene Johanna von Orleans, die während des hundertjährigen Krieges den Truppen des Thronerben zu einem Sieg über die Engländer und Burgunder verhalf und nach ihrer Gefangennahme vor ein Inquisitionsgericht gestellt wurde. Der oberste „Rechtsprecher
Pierre Cauchon verurteilte sie wegen wiederholter Ketzerei zum Tod durch den Scheiterhaufen. Die Vollstreckung des Urteils am erst neunzehnjährigen Mädchen fand am 30. Mai 1431 auf dem Marktplatz von Rouen statt. Es waren andere Bilder, die ihm vor Augen kamen. Bilder dieser einen Stadt in Frankreich, die direkt an der Küste der Normandie liegt. In seiner Fernfahrerzeit hatte Herrmann gefühlte hunderte Male seinen Scania über die knapp 1100 Kilometer lange Strecke von Berlin hierher gesteuert. Hier in Rouen endeten die „Elefantenrennen". Hier bekam man zusätzliche Ruhezeiten, welche im Wesentlichen den französischen Disponenten zu verdanken waren, die der deutschen Hektik nicht folgten und sich beharrlich weigerten, einen LKW nach 16.00 Uhr zu be- oder entladen. Dafür, quasi als kleine Entschädigung, wies man den Truckern einen Parkplatz mit Blick auf den Jachthafen zu. Welch ein malerischer Anblick, mit mindestens zwölf Stunden Freizeit. Was gab es Schöneres, als nach einem ausgiebigen Bummel durch die Stadt seinen Liegestuhl aus dem Fahrzeug zu holen, mit einem Baguette und einer Flasche französischen Bier in der Hand, den Sonnenuntergang über den Unterlauf der Seine zu genießen…? Ja, Herrmann liebte diese Tour und jetzt, wo er seine Rente bezog, trauerte er ihr erst recht hinterher.
„Just in time lautete damals die Devise. Und die erlaubte keinen zusätzlichen Halt. So war er zum Beispiel regelmäßig an dem Schloss Versailles vorbeigefahren, das nahe Paris als Schönheitskönigin glänzte, ohne jemals auch nur einen Fuß wenigstens in König Ludwigs Schlosspark zu setzen. Gern hätte er auch mal die Umgebung von Rouen gesehen oder weitere Landstriche der Normandie „erobert
, doch auch dazu bot sich eben nie die Gelegenheit. Rentner haben niemals Zeit! Aber eines Tages, so nahm er sich vor, würde er sich ein Wohnmobil mieten und mit seiner Frau und den zwei Kindern alle diese Punkte abfahren. Dieses Vorhaben hatte er aus unterschiedlichsten Gründen Jahr für Jahr verschoben. Also suchte er Trost in dieser Fernsehdokumentation, die aber nicht wirklich neue Bilder brachte.
Victor Hugo hatte Rouen als die Stadt der hundert Kirchtürme bezeichnet. Hans Joachim kannte die meisten davon, die Kathedrale Saint-Ouen oder den Temple St-Éloi. Er kannte die kleinen, mittelalterlich wirkenden Gassen mit ihren Querhäusern, den Turm der Jeanne d‘ Arc, den Rest der Burg, die im Jahre 1200 erbaut wurde, das Pest-Beinhaus. Der Place du Vieux-Marché, von dem die Doku zu berichten wusste, dass hier an diesem Punkt der Scheiterhaufen stand, war ihm vertraut. Wirklich neue Bilder bekam er nicht zu Gesicht. Was hatte er erwartet? Schließlich war es eine Dokumentation über die „Jungfrau" und nicht über die Weiten der Normandie!
Enttäuscht schaltet er den Fernseher ab, schlurft, von der Müdigkeit geplagt, ins Bad und ist gerade im Begriff sich zu entkleiden, als plötzlich der Pieper anfängt, lauthals zu pfeifen. Allen Kameraden der Feuerwehr signalisiert er, dass ein Einsatz anliegt. Herrmann wirft einen flüchtigen Blick auf das blinkende Display. Mal wieder das alte LPG Gelände, sicherlich erneut ein Haufen Zeitungspapier, das von herumtreibenden Gören angezündet wurde. Hans Joachim drückt sich hastig durch die Informationen und glaubt seinen Augen nicht zu trauen. GROSSBRAND steht da, nicht zu übersehen! Sofort rennt er zu seinem Auto, springt hinein und rast davon.
Keine Sekunde zu spät, was die Sirene bestätigt, die mit ohrenbetäubendem Lärm durch den Eggersdorfer Nachthimmel dringt. Genau der gleiche, dreimal auf- und abschwellende Heulton, der vor zirka