Der Mann hinter dem Loch in der Mauer
Von Georg Felsberg
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Über dieses E-Book
Er reist jedes Jahr für sechs Wochen mit Bussen und Bahnen, oft aber auch zu Fuß dahin, wo Touristenbusse selten zu sehen sind. Er reist allein - schickt aber seiner Frau in Europa täglich eine SMS: "Mir geht es gut."
Die Menschen, die er trifft, sind Tempeldiener, Handwerker, Bootsvermieter, Verkäufer oder Bettler. Die Geschichten über diese "neuen" Freunde können und wollen nicht spiegeln, was Indien und die Nachbarstaaten als wirtschaftliche Erfolge feiern.
Georg Felsberg erzählt Alltagsgeschichten: Vom Warten lernen, von merkwürdigen Ritualen, liebevollen Umarmungen, heiligen Schildkröten und dem täglich neuen Versuch der Menschen glücklich zu sein.
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Buchvorschau
Der Mann hinter dem Loch in der Mauer - Georg Felsberg
Der Mann hinter dem Loch in der Mauer
Georg Felsberg
Mit 57 Fotos des Autors
Verlag Klaus Laaser
I M P R E S S U M
Gestaltung: Die Qualitaner GmbH, Düsseldorf
© Georg Felsberg
1. Auflage Dezember 2012
Verlag Klaus Laaser, Marburg
www.verlagklauslaaser.de
E-Book Herstellung und Distribution
XinXii - www.xinxii.com
Look in my face.
Remember me?
Frage eines indischen Bettlers
auf meiner dritten Reise an den Ganges
Inhalt
Georg Felsberg
Der Mann hinter dem Loch in der Mauer
Adoptiert
Als ginge ich zu einem Fest
Am Tag, als Dinkar geboren wurde
Bank im Park
Bhopal – ein Abenteuerspielplatz
Der Weg zum Tempel der versteinerten Schildkröte
Die Retter der Welt
Dreizehn Nester
Eine blaue Taube
Ein schönes Maul
Einfache Lösung
Eingereiht
Gefährliche Stelle
Geschäfte mit Gittern
Geschenkte Zeit
Hinsehen – Wegsehen
Hinter dem Tempel des heiligen Zahns
Hochglanz
Ich tanze für dich
Ich trage dich, wohin du willst
Ich will nach Europa!
Im Bauch der Stadt
Im Dunkeln sehen
Kalte Nacht
Kann das sein?
Klein-Bollywood
Kleines Geheimnis
Kumari
Lilien vom Himalaja
Lügen
Man kann es ja mal versuchen
Permit
Schöne alte Haut
Selbstverständlich
Ship Breaking
Sieben Ziegen
Staatenlos
Vier Rupien
Warten lernen
Zerschnitten
Georg Felsberg
Georg Felsberg Georg Felsberg, über dreißig Jahre Fernsehredakteur und Reporter in der ARD, ist fasziniert von Begegnungen mit Menschen auf dem indischen Subkontinent: Indien, Sri Lanka, Nepal und Bangladesch.
Er reist jedes Jahr für sechs Wochen mit Bussen und Bahnen, oft aber auch zu Fuß mit seinem blauen Reisesack dahin, wo Touristenbusse selten zu sehen sind. Er reist allein – schickt aber seiner Frau in Europa täglich eine SMS: „Mir geht es gut."
Die Menschen, die er trifft, sind Tempeldiener, Handwerker, Bootsvermieter, Verkäufer, Schuhputzer oder Bettler. Die Geschichten über diese „neuen Freunde" können und wollen nicht spiegeln, was Indien und die Nachbarstaaten als wirtschaftliche Erfolge feiern.
Georg Felsberg erzählt Alltagsgeschichten: Vom Warten lernen, von merkwürdigen Ritualen, liebevollen Umarmungen, heiligen Schildkröten und dem täglich neuen Versuch der Menschen glücklich zu sein.
Der Mann hinter dem Loch in der Mauer
Der Mann hinter dem Loch in der Mauer Der Kassierer hinter dem Gitter im Loch in der Mauer hat meinen Fünfhundert-Takaschein – das sind etwa fünf Euro – entgegengenommen und mir eine Eintrittskarte fürs Lalbagh Fort in Dhaka auf die kleine Ablage gelegt. Nur seine rechte Hand sehe ich. Schöne, fein gegliederte dunkle Finger mit einer Narbe. Das fällt mir auf. Ich will im Fort zum roten Mausoleum von Bibi Pari, dem Feenmädchen, der Lieblingstochter von Shaista Khan. Sie ist sehr jung gestorben. „Unbedingt musst du dorthin", hatte mir Abdul immer wieder gesagt, mein Fahrradrikschafahrer, der mir seit Tagen die Stadt zeigt.
Wo bleibt mein Wechselgeld? Ich warte. Die Karte kostet für Fremde hundert Taka. Was ist mit den restlichen vierhundert? Der Kassierer bedient jetzt andere Kunden, die sich neben mir drängeln. Ich frage nach.
„Hundert Taka hast du mir gegeben, sagt die Stimme hinter dem Gitter. „Du hast hier deine Karte. Was ist das Problem?
Ich beuge mich vor, um den Mann zu sehen. Nur eine dunkle Silhouette kann ich erkennen.
Ich protestiere, der Kassierer protestiert, die Leute ringsum finden das lustig und ungewöhnlich spannend.
Einer will genau gesehen haben, dass ich nur hundert Taka hineingereicht habe. Andere finden, dass er lügt.
Einige knuffen sich, andere sind empört. Abdul, der alles mit angesehen hat, meint: „Du bist doch ein reicher Mann. Du kannst bis nach Bangladesch reisen. Sogar mit einem Flugzeug. Der da ist nur ein armer Schlucker. Streite dich nicht."
„Ich wollte den großen Schein wechseln, um dich nachher bezahlen zu können! Da kann ich nichts ver wechselt haben ."
„Weiß ich doch, sagt Abdul, der mich immer wieder überrascht. „Weiß ich doch alles, aber was willst du machen?
Er hebt eine Schulter, so, als sei so ein Streit nichts wert.
„Wir fahren zur Polizei!", sage ich mit meinem europäischen Kopf.
Alle reden auf mich ein: „Nur keine Polizei!" Eine halbe Stunde später sitze ich im Polizeihauptquar-
tier einem Offizier gegenüber. Wir trinken süßen Tee und unterhalten uns über unsere Familien. Abdul wartet drau-ßen. Er hat auf der Fahrt hierher nur den Kopf geschüttelt.
Dem Polizeioffizier sage ich, dass es mir nicht ums Geld geht. Ich möchte nur, dass andere Touristen nicht mit demselben Trick hereingelegt werden. Falls wieder Klagen über den Kassierer kommen sollten, dann könnte meine Anzeige vielleicht helfen.
„Nein, sagt er, „das muss sofort geklärt werden!
Sechs schwer bewaffnete Polizisten begleiten mich in zwei Jeeps zum Tatort. Abdul strampelt hinterher. Die Kasse zum Fort wird geschlossen, die Gitter am Eingang verriegelt. Ich werde dem Kassierer an der Rückseite der Kasse gegenübergestellt.
„Ist das der Mann, der Ihren Takaschein entgegengenommen hat?", fragt der Chef. Ich weiß es nicht, nur die Narbe an der Hand kommt mir bekannt vor.
„Haben Sie andere Fünf hundert-Takascheine?" Ich zeige sie ihm. Sie kommen frisch aus dem Geldautomaten. Er prüft genau, wie sie gefaltet sind.
Jetzt werden alle Fünf hundert-Takascheine aus der Geldkiste herausgesucht, und darunter ist auch ein Schein, der so gefaltet ist wie meiner. Auch die Seriennummer soll irgendwie meinen Nummern ähnlich sein.
Der Kassierer jammert. Der Offizier wird laut. Viel Geschrei. Vorwürfe. Drohungen. Ich bin betroffen. Ich schäme mich. So wollte ich das nicht. Vielleicht habe ich mich doch geirrt.
Die Chefin des Forts lässt sich in einem Konferenzraum alle Fakten aufzählen. Der Kassierer sitzt mir gegenüber. Ein freundlicher älterer Mann. Wir mustern uns gegenseitig. Meinen Vorschlag, doch bis zum Kassenschluss zu warten, dann müsse sich doch nach der Abrechnung herausstellen, ob Geld zu viel oder zu wenig in der Kasse ist, wird mit Heiterkeit verworfen. Niemand weiß, wie viele Karten verkauft werden. Es soll Sonderkonditionen geben für Beamte oder Freunde von wichtigen Persönlichkeiten. Gegengerechnet wurde noch nie.
Die Museumsleiterin entschuldigt sich, ich bekomme meine fünf hundert Taka zurück. Das freundliche Angebot, jetzt „kostenfrei" zu Bibi Paris Mausoleum zu gehen, lehne ich ab. Vielleicht morgen. Dem Kassierer gebe ich die Hand. Er nimmt sie.
Auf der Rückfahrt zum Hotel hat Abdul vor sich hin gebrabbelt. Ihm gefällt nicht, wie ich mich in seiner Heimat benehme. Ich will sehr ernsthaft darüber nachdenken.
Am nächsten Morgen – jetzt ohne Abdul, der für eine andere Fahrt gebucht war – schiebe ich am Fort einen Hundert-Takaschein durch das Gitterfenster. Der Kassierer erkennt meine Hand sofort. Er kommt hinter seiner Mauer hervor, geht mit meinem Schein zum Aufsichtsbeamten am Einlasstor und fragt ihn: „Was ist das?"
Der sagt: „Das sind hundert Taka!"
„Na also, sagt der Kassierer und grinst. „Ich irre mich nie! Oder?
Adoptiert
Die jungen Männer ahmen meine Schritte nach. „So kommst du nie hinauf, alter Mann." Das kleine Mädchen zeigt mir, wie es mit Hüpfen geht.
Kurz Anlauf nehmen und dann auf einem Bein auf die nächste Stufe springen.
Die beiden Alten halten bei jeder Biegung der Treppe an und warten, bis ich nachgestiegen bin. Sie opfern ihre letzte Flasche Wasser, die noch nicht angebrochen ist, um mir zu trinken zu geben. Wie kann ich ohne Wasser in der Mittagshitze auf einen heiligen Berg steigen ein paar tausend Stufen