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Wann sonst? Unterwegs zu neuen Ufern
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Wann sonst? Unterwegs zu neuen Ufern
eBook252 Seiten3 Stunden

Wann sonst? Unterwegs zu neuen Ufern

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Über dieses E-Book

Reiseroman mit Tiefgang

Eva wird aus ihrer tiefen Trauer um ihren verstorbenen Mann herausgerissen, als eines Tages ihre alte Studienfreundin Biggi, die sie seit Jahren nicht gesehen hat, mit einem Wohnmobil bei ihr vorfährt. Als dann auch noch ihre beste Freundin Johanna mit einem Koffer vor der Tür steht, weil sie Zoff mit ihrem Mann hat, brechen die drei auf zu einer Fahrt ins Blaue.

Auf ihrer Tour genießen sie die Schönheiten französischer Landschaften, auch wenn für die unterschiedlichen Charaktere das Zusammenleben auf engstem Raum nicht immer einfach ist. Doch wo kommen Johannas Blessuren her und welches Geheimnis steckt hinter Biggis plötzlichem Auftauchen? So einige Wahrheiten lassen sich nicht mehr verheimlichen.

In diesem gefühlvoll geschriebenen Roman lässt die Autorin, selbst erfahrene Wohnmobilistin, drei Frauen aus ihrer jeweiligen Sicht von einer Wohnmobilreise durch Frankreich, von einer verzwickten Dreiecks-Freundschaft, von Lebenskrisen und deren Bewältigung erzählen.
SpracheDeutsch
Herausgeberwinterwork
Erscheinungsdatum5. Apr. 2016
ISBN9783960140917
Wann sonst? Unterwegs zu neuen Ufern

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    Buchvorschau

    Wann sonst? Unterwegs zu neuen Ufern - Rosi Nieder

    Eva

    Auf dem Rückweg vom Friedhof hatten sich ein paar Mai-Sonnenstrahlen einen Weg durch die Wolken gebahnt. Zum ersten Mal seit langen Monaten spürte ich einen Hauch von Wärme in meinem Herzen. Immer noch war ich von einer tiefen Trauer und unendlicher Sehnsucht nach meinem geliebten Ferdinand erfüllt, mit dem ich vierzig glückliche Ehejahre verbracht hatte. An seinem Grab sprach ich oft mit ihm und manchmal auch noch auf dem Rückweg. So, als ginge er neben mir her wie bei unseren Spaziergängen früher. Gerade wollte ich ihm zeigen, in welch wunderschönem Lila unser alter Fliederstrauch leuchtete und mich darüber beschweren, dass vom Nachbargrundstück her mal wieder der ganze Löwenzahnsamen zu unserem Garten herüberwehte, als ich unvermittelt stehen blieb und meine Lippen abrupt aufhörten, stumme Worte auszusprechen. Vor meinem Haus stand ein Wohnmobil.

    Fast glaubte ich, mein Verstand würde mir einen Streich spielen. Ferdinand wäre gar nicht tot und er hätte endlich seinen lange gehegten Traum wahr gemacht, ein Wohnmobil gekauft und nun würden wir gemeinsam aufbrechen. Kurz bevor er starb, hatte er noch davon geschwärmt, dass wir endlich Zeit für ausgiebige Reisen haben würden, wenn auch ich in Pension ginge. Er hatte es nicht erlebt. Aber jetzt… So oft in den letzten Monaten hatte ich geglaubt, das alles würde ich mir nur einbilden. Es sei nur ein böser Traum.

    Nun fang nicht an zu spinnen, sagte ich zu mir selbst und ging zögernd auf das Haus zu, das eigentlich viel zu groß war für mich allein. Wer um alles in der Welt sollte ausgerechnet mitten auf der Einfahrt vor meiner Garage sein Wohnmobil abstellen? Unser Eifeldorf war kein typischer Urlaubsort und nicht zu vergleichen mit den Moselorten, wo überall Wohnmobile herumkurvten und nach Stellplätzen suchten. Also was sollte das?

    Ich zog den Haustürschlüssel aus der Jackentasche und lugte vorsichtig zur Fahrerkabine hin. Im gleichen Moment aber ertönte eine muntere Stimme aus der anderen Richtung. Eine Stimme, die mir sehr bekannt vorkam. Und schon sah ich die schlanke blonde Frau hinter der Hauswand her auf mich zukommen.

    „Aah, da ist ja doch jemand zu Hause! Hallo Eva! – Komm, lass dich drücken!"

    Ein paar Sekunden brauchte ich, bis ich wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen war und weitere Bruchteile von Sekunden vergingen, bis ich realisierte, wer da tatsächlich vor mir stand.

    »Biggi? Brigitte Wolters? Das darf ja nicht wahr sein!" Aus einiger Entfernung kam mir die sportlich chic gekleidete Biggi so vor, als hätte sie sich überhaupt nicht verändert. Doch als sie näher kam, mich umfasste und mir Küsschen rechts und links auf die Wange drückte, fiel mir auf, dass sie um einiges älter aussah, als ich sie in Erinnerung hatte. Wir hatten uns ziemlich lange nicht gesehen. Iirritiert von diesem unerwarteten Wiedersehen musste ich wohl einen etwas steifen Eindruck gemacht haben.

    „Na, das ist ja mal eine schöne Begrüßung!" legte Biggi in der ihr eigenen munteren Art los.

    „Ich dachte schon, es ist niemand zu Hause. Hab‘ mich gerade mal in eurem Garten umgeschaut. Ihr habt ja echt ein kleines grünes Paradies hier auf dem Land! – Ach Eva, wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen? Ich hätte dich ja fast nicht mehr erkannt – mit den grauen Haaren!"

    Biggi. Meine Studienfreundin von früher. Ach je, wie lange war das her, dass wir beide in Köln um die Häuser gezogen waren? Wie lange war es her, dass wir uns noch regelmäßig getroffen hatten, gemeinsam ins Theater gegangen waren, zu Konzerten, manchmal auch mit Ferdinand, wenn er mal Zeit hatte? Wohl schon so einige Jahre. Früher hatte uns Biggi regelmäßig hier besucht oder wenn ich mal wieder Stadtflair gebraucht hatte, war ich zu ihr nach Düsseldorf gefahren. Biggi, die ewige Frohnatur, immer perfekt geschminkt und frisiert und stets extravagant gekleidet. Sofort schämte ich mich ein wenig, vermutlich hatte ich mein Äußeres in letzter Zeit arg vernachlässigt.

    „Biggi, mit dir hätte ich nun wirklich nicht gerechnet.

    Du warst ja ewig nicht mehr hier. Komm doch rein! Bist du allein? Oder ist da noch jemand drin?"

    Ich konnte nicht wirklich glauben, dass Biggi mit einem Wohnmobil durch die Gegend fuhr. Wenn ich mich recht erinnerte, war sie bei ihrem letzten Besuch mit einem ziemlich teuer aussehenden roten Sportwagen vorgefahren.

    „Ja…nein, ich bin allein."

    Kaum hatte ich mit Biggi im Schlepptau die Diele erreicht und meine Jacke auf den Kleiderbügel an der Garderobe gehängt, klingelte das Telefon. Mit einem „Entschuldige, nimm doch schon mal Platz" schob ich meinen unangemeldeten Besuch rasch ins Wohnzimmer und nahm den Telefonhörer auf. Johanna, na klar, sie hatte mal wieder Probleme mit ihrem Egon. Während ich Johannas weinerliche Stimme am Ohr hörte, sah ich, wie Biggi lockernde Gymnastikübungen vollführte und sich in meinem Wohnzimmer umschaute. Nach den Modernisierungsmaßnahmen im Haus war sie wohl gar nicht mehr hier gewesen.

    „Johanna, ich hab dir schon hundert Mal gesagt, du bist selbst schuld. Du hast ihn viel zu viel verwöhnt und wenn du nicht endlich mal Klartext redest oder einfach mal ein paar Tage abhaust, wird er sich nie ändern. Aber…immerhin hast du deinen Mann noch. - Ach, tut mir leid, Johanna, ich kann jetzt nicht lange reden, ich habe gerade Besuch. – Erzähle ich dir später. - Tschüss Johana."

    „Entschuldige bitte, Biggi". Seufzend schüttelte ich den Ärger über Johannas Macho-Ehemann ab. Es war nicht das erste Mal, dass bei ihnen der Haussegen schief hing.

    „Komm setz dich doch, sagte ich zu Biggi. „Wie schön, dass du mich mal besuchst. Wann haben wir uns eigentlich das letzte Mal gesehen? Wie geht’s dir denn so?

    Biggi war die stets Fröhliche, die alles im Leben leicht nahm, während ich schon in Jugendjahren eher die Ernsthafte, die Strebsamere und besonders auch die Sparsamere von uns gewesen war. Das hatte ich wohl meiner sehr konventionellen ländlichen Erziehung zu verdanken. Doch trotz unserer Gegensätze hatte sich zwischen uns beiden während unserer Studienzeit eine äußerst intensive Freundschaft entwickelt. Auch später, als ich mit Familiengründung und Berufsleben voll ausgefüllt war, waren wir in Kontakt geblieben und hatten uns ab und zu getroffen. Biggi hatte all die Jahre ein Leben als großstädtische Single-Frau geführt, nach dem Tod ihres Vaters dessen kleine Hutfabrik in Düsseldorf übernommen, viel gearbeitet und trotzdem sämtliche Freuden des Lebens in vollen Zügen genossen.

    Es hatte eine Zeit gegeben, in der ich sie beneidet hatte. Damals, als Ferdinand seine Rechtsanwaltskanzlei in der nahen Kreisstadt aufgebaut hatte und er so oft weg war. Als Christian, unser Sohn, im Kleinkindalter noch viel Aufmerksamkeit gebraucht, ich es rasch zur Konrektorin gebrachte hatte und dann unbedingt auch Schulleiterin werden wollte und daher so wenig Zeit für mich selbst und für kulturelle Unternehmungen hatte.

    „Mir geht’s ganz gut und dir? Ihr habt umgebaut, nicht wahr? Als ich das letzte Mal hier war, hattet ihr noch die kleinen Fenster und die alten Eiche-Möbel. Wow, sieht echt chic aus jetzt."

    Eiche-Möbel, das war so gar nicht das, was Biggi gefallen hatte. Das war mir bekannt. Biggi hatte ihre Eigentumswohnung in einem noblen Düsseldorfer Stadtviertel immer topmodern gestaltet. Möbel wurden alle paar Jahre ausgetauscht.

    „Ja, wir haben umgebaut, das hat Ferdinand noch gemacht. Er wollte mal was anderes."

    Der drückende Schatten legte sich wieder auf meine Seele und sofort merkte ich, dass sich meine Miene verdüsterte.

    „Hmm?? Biggi schaute erstaunt. „Ferdinand noch gemacht? Wieso, ist er weg? Verblüfft richtete sie sich hoch: „Eva, sag bloß, ihr habt euch getrennt???"

    „Er ist… tot. Vor acht Monaten."

    Eine beklemmende Stille breitete sich aus. Biggi, der ewig Heiteren, blieben für eine Weile die Worte weg.

    „Tot? Ferdinand? Oh Eva, das ist ja schrecklich! - Das tut mir so leid, das wusste ich doch nicht!" Ein paar Sekunden lang wurde es still und es blieb mir nicht verborgen, dass Biggi, die sich erhob und so tat, als schaue sie aus dem Fenster, eine Träne über die Wange lief. Ich kannte diese peinlichen Momente nur zu gut, in denen man versucht, die Tränen zu verbergen. In den Wochen nach Ferdinands Tod hatte ich das allzu oft erlebt. Nur von der taffen Biggi hatte ich das nicht erwartet, die ja mit meinem Ferdinand nicht allzu viele Berührungspunkte gehabt hatte. Sie setzte sich neben mich auf die neue hellbeige Couch und drückte mich schützend fest an sich. Es tat mir gut. Trotzdem kamen nun auch bei mir wieder die Tränen.

    „Warum weiß ich das nicht? Hättest mich doch mal anrufen können. Oder schreiben. Oh Eva..."

    Eigentlich hatte ich gedacht, ich hätte längst keine Tränen mehr. Das kummervolle Weinen der ersten Monate war übergegangen in eine stumpfe Trauer. Ich hatte mich zurückgezogen vom Leben, hatte noch keine einzige kulturelle Veranstaltung besucht, schon gar keine Feste. Anfangs war unser Sohn Christian mit Frau und Kindern alle paar Wochen aus dem Schwabenland in die Eifel gekommen, damit ich nicht so alleine war. Aber irgendwann waren die Besuche seltener geworden.

    „Komm doch zu uns, jetzt wo du in Pension bist, hatte er gesagt, „ich suche dir eine Wohnung bei uns in der Nähe, dann kannst du die Kinder auch öfter sehen.

    Heraus aus meiner gewohnten Umgebung, so weit weg von Ferdinands Grab, nein, das konnte ich nicht. Ausgerechnet in diese Zeit der Trauer war auch mein Abschied von der Schule gefallen. Meine Pensionierung. Einerseits war ich froh gewesen, andererseits hatte ich nun nichts mehr, was mich aufrecht hielt. Danach war ich in eine Art Lethargie verfallen. Hätte meine gute alte Freundin Johanna mich nicht regelmäßig besucht, getröstet, mit mir geschimpft, mich mit ihren eigenen Sorgen abgelenkt und mich mit ihrem herzlichen Gemüt und unkomplizierten Charakter irgendwie aufgefangen, dann hätte ich mir vermutlich öfter gewünscht, schon neben Ferdinand im Grab zu liegen. Johanna, meine einzige Freundin von Kindesbeinen an, mit der ich schon im Matsch gespielt hatte. Mit der ich zusammen Schule und Gymnasium besucht hatte, bis sie kurz vor dem Abi abgegangen war, weil sie schwanger war und heiraten ‚musste‘.

    Nun aber unterhielt ich mich mit meiner alten Studienfreundin Biggi. Es gibt Menschen, denen tiefe Sorgen und Gedanken auf der Zunge liegen und die mit jedem darüber reden, der ihnen über den Weg läuft. So jemand war ich nicht. Bei Gesprächen mit Kollegen und sonstigen beruflichen Bekanntschaften hatte sowieso immer das Thema Schule im Mittelpunkt gestanden. Mit denen war mein Kontakt nach meiner Pensionierung schnell versickert und nach außen hin hatte ich immer die Starke gespielt. Wirklich mein Herz ausschütten, das konnte ich nur bei Johanna.

    Auf Biggis Fragen hin öffnete ich mich nun langsam. Ich erzählte, wie sehr Ferdinand und ich uns auf den gemeinsamen Ruhestand gefreut hatten. Wie Ferdinand plötzlich einen Herzinfarkt bekommen hatte und zwei Tage danach gestorben war. Wie plötzlich alles anders gewesen war. Ich allein in dem großen Haus. Nachts lag ich wach und hatte Angst.

    Irgendwann fiel mir ein, dass ich Biggi nicht einmal etwas angeboten hatte. Ich wischte mir die Tränen aus den Augen.

    „Oh Biggi, entschuldige, jetzt mache ich uns aber mal einen Kaffee."

    Während ich aufstand und die Kaffeemaschine bediente, fragte ich mich, wieso die so lange nicht gesehene Biggi so plötzlich hier auftauchte. Das musste doch einen Grund haben.

    „Trinkst du immer noch Zucker im Kaffee?"

    „Ja, das weißt du noch? Und ich würde jetzt furchtbar gerne eine Zigarette rauchen, aber das darf ich hier drin sicher nicht?"

    Biggi schlug wieder ihren gewohnt lockeren Ton an.

    „Ach, du mit deinen Zigaretten. Hast du das Laster immer noch nicht abgelegt?"

    „Hatte ich. Ehrlich. Aber jetzt…"

    Als Biggi von ihrer Zigarettenpause von draußen wieder zurück ins Wohnzimmer kam und ich mich entschuldigte, weil ich ihr zum Kaffee keinen Kuchen anbieten konnte, saßen wir uns einige Minuten lang schweigend gegenüber. Es ist ja eigenartig. Da trifft man manchmal gute alte Freunde und Bekannte, die man lange nicht gesehen hat, freut sich, fragt sich gegenseitig, wie es so geht und dann sucht man plötzlich nach einem Gesprächsthema. So ähnlich war es nun auch mit Biggi.

    Um die peinlichen Momente der Stille zu vermeiden, zeigte ich ihr das Haus und erklärte, was wir alles umgebaut hatten. Wir streiften durch den Garten, in dem die Farben des Frühlings schon voll leuchteten und nahmen dann irgendwann auf der Gartenbank Platz, wo uns die wärmenden Strahlen der Sonne erreichten. Ich spürte, dass es mir gut tat. Die Wärme, das Licht und Biggis Anwesenheit. Wieso erschien sie plötzlich hier, nach so langer Zeit?

    „Biggi, nun erzähle mal, was dich nach so langer Zeit nochmal hierher treibt."

    Ihre Antwort kam etwas zögerlich.

    „Ooch,… ich bin auf der Durchreise. In Richtung Westen, Frankreich. Ich habe die Firma… verkauft und da dachte ich, ich mache mal eine größere Tour. Ich hab‘ ja jetzt Zeit. Und weil das hier fast auf dem Weg lag, dachte ich mir, ich besuche mal meine alte Freundin Eva."

    „Eine Tour - mit dem Wohnmobil?"

    „Ja, das ist super. Kannst du überall alles anschauen, bleiben, wo es dir gefällt, dir einen Platz zum Schlafen suchen…"

    „Ich weiß." Oh ja, genauso hatte Ferdinand auch immer argumentiert. Wir hatten sogar schon Prospekte angeschaut und überlegt, welche Art Mobil für uns in Frage käme, ein voll integriertes oder eines mit Alkoven.

    „Aber ganz alleine? Hast du keine Angst?"

    Biggi lachte. „Ach, du kennst mich doch. Ich hab‘ doch keine Angst."

    „Aber als Frau so ganz allein, also ich könnte das nicht. Allein schon die Technik an so einem Auto, Strom und Wasser…"

    „Ach, das kann man alles lernen. Und so alt sind wir ja auch noch nicht." Biggi stutzte und überlegte kurz.

    „Habe ich gerade wir gesagt? Ja! Das ist es doch! Evilein, warum fährst du nicht ganz einfach mit? Was spricht dagegen? Jaaa, das wäre doch irre! Wir zwei auf großer Fahrt. Weißt du noch, wie wir damals nach Italien getrampt sind? Wie deine Mutter fast ausgeflippt ist und dein Vater gesagt hat‚ von mir kriegst du keinen Groschen, und wir dann in der Kneipe gejobbt haben, bis wir das Geld zusammen hatten? Oh Eva, komm, sei einmal spontan! Fahr mit!"

    Ach je, ein müdes Lächeln legte sich auf meinen Mund. Solche spontanen Schnapsideen konnten nur von Biggi kommen. Tauchte nach langen Jahren hier auf…

    Biggi schlug das Angebot aus, in meinem Gästezimmer zu übernachten.

    „Wozu hat man ein Wohnmobil?" sagte sie, parkte das fahrende Hotel jedoch lieber so, dass man es von der Straße aus nicht auf den ersten Blick erkennen konnte. Obwohl ich ihr versicherte, dass sich bei uns in der Eifel eher Hase und Igel gute Nacht sagen, als dass sich kriminelle Elemente herumtrieben. Mord und Totschlag fanden eigentlich nur in den Krimis statt.

    Dass ich in dieser Nacht wieder einmal kein Auge zu bekam, hatte andere Gründe. Wie so oft wünschte ich mir so sehr, noch einmal das Schnarchen von Ferdinand zu vernehmen, das mich vorher immer gestört hatte. Natürlich hatte ich Biggis spontanen Vorschlag glattweg abgelehnt. Nein, ich konnte doch nicht hier alles stehen und liegen lassen. Der Garten musste gepflegt werden, der Rasen gemäht, die Geranien gepflanzt, das Grab neu angelegt werden. Das Grab, ach je, nie und nimmer könnte ich Ferdinand dort allein liegen lassen. Er brauchte mich doch – oder ich ihn.

    Nach Stunden des Herumwälzens von einer Seite auf die andere kamen mit einem Mal auch andere Gedanken. Ich sah Bilder vor mir von langen einsamen Stränden, Felsenküsten, blauem Meer, von prächtigen Kathedralen und Schlössern. Ich hörte Ferdinand von der Bretagne schwärmen und davon, wie viel man bei Rundreisen mit so einem Mobil überall zu sehen bekäme. Und ich hörte ihn flüstern: Mach es doch! Wer weiß, wie lange du es noch kannst?

    Den Rest der Nacht verbrachte ich damit, mich weiter von einer Seite auf die andere zu wälzen und abzuwägen. Ja, wenn ich so einen bescheuerten Mann hätte wie Johanna, so einen Macho, der sie den ganzen lieben langen Tag lang herumtyrannisierte. Der, seitdem er Rentner war, nur noch

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