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Tränen waschen den Staub von der Seele
Tränen waschen den Staub von der Seele
Tränen waschen den Staub von der Seele
eBook130 Seiten1 Stunde

Tränen waschen den Staub von der Seele

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Über dieses E-Book

Wann nehmen wir den Fuß vom Gaspedal des Lebens? Wann beginnen wir, uns an uns selbst zu erinnern und was ermutigt uns dazu? Jeder Mensch trägt seine Geschichten in sich, die wiederentdeckt und entstaubt werden möchten. Heike Severin hat sich für dieses Buch auf die Stille eingelassen, um ihren Erinnerungen Raum zu geben.

In ihrer neuen Wahlheimat Schweden und im Herbst ihres Lebens angekommen, blickt die Autorin zurück auf Jahre, die sie mit der Überholspur ihres Lebens bezeichnet. In leichter, poetischer Sprache macht sie alte Plätze sichtbar und sucht nach Antworten auf noch offene Fragen. Sie spürt ihren russischen Wurzeln nach, erzählt von Kindheit und Jugend in der DDR und der turbulenten Nachwendezeit, den Herausforderungen als Unternehmerin, als Mutter und dem ewigen Konflikt zwischen Verantwortung, Schuldgefühlen und der Sehnsucht nach Raum und Zeit für sich ganz allein.

Ein Buch, das sich der heiklen Frage nach dem gelungenen Leben gelassen stellt. Ein Buch, das vom Luxus schwärmt, nackt im glasklaren Wasser eines schwedischen Sees zu baden. Ein Buch, das erinnert und sich auch den Themen der heutigen Zeit stellt.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum18. Apr. 2023
ISBN9783757899004
Tränen waschen den Staub von der Seele
Autor

Heike Severin

Heike Severin wurde 1959 in Luckenwalde geboren. Die ersten 30 Jahre lebte sie in der DDR und lebte weitere 30 Jahre im vereinten Deutschland, bis sie dann mit ihrem Mann nach Schweden auswanderte. Sie ist stolze Mutter und Großmutter. In jüngeren Jahren hat sie Musik gemacht und wurde 2006 dafür ausgezeichnet. Ein Journalist schrieb einmal: "Heike Severin ist eine Künstlerin, die nicht um die Gunst des Publikums buhlt, leise Töne machen sie aus, leise Lieder für eine laute Welt, ehrlich, authentisch. Sie spricht seit Jahren das Analphabetentum an, wenn es um unsere Gefühle geht." Sie war und ist Gastgeberin und Geschäftsfrau, liebt es zu kochen, zu fotografieren, Räume zu gestalten und in der Natur zu sein. Manchmal trägt sie selbst entworfene Kostüme, um einem Publikum, in einer Lesung, die Künstlerin Frida Kahlo näherzubringen. Eine ihrer größten Gaben ist das Zuhören können. In ihrer Wahlheimat Schweden freut sie sich nun über Menschen, die ihr Wolfsfrau-Retreat besuchen. "Tränen waschen den Staub von der Seele" ist ihr erstes Buch. Es schob sich in Schweden beim Gehen unter ihre Füße, erzählt sie, es wollte geschrieben werden.

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    Buchvorschau

    Tränen waschen den Staub von der Seele - Heike Severin

    INHALT

    Meine Schreibstube in Schweden

    Bullerbü oder Die große Sehnsucht

    Bücher und ihre Menschen

    Meine Lieder und Gott

    Mein Glaube an Wunder

    Meine Wurzeln sind in Russland

    Brief an mein Kind

    Mein Ego oder Der gehört mir

    Wohnen ist Menschsein

    Luxus und was ich sonst noch brauche

    Krieg und Gesellschaft

    Henrike, Herrin des Hauses

    Tränen waschen den Staub von der Seele

    MEINE SCHREIBSTUBE IN SCHWEDEN

    Das erste Mal, als Wolli und ich nach unserer Auswanderung wieder nach Deutschland reisten, befiel mich auf der Autobahn in Richtung Berlin ein unangenehmes Gefühl. Unruhe stieg in mir auf und ich bemerkte, dass wir ständig von anderen Autos überholt und geschnitten wurden. Was war da los? Dann wurde mir plötzlich klar: Wir fuhren viel zu langsam. Das nahm man uns übel und zeigte es uns auch. In Schweden sind auf der Autobahn maximal 110 bis 120 Stundenkilometer erlaubt, auf der Landstraße gemütliche 80 Stundenkilometer üblich. Auch wir hatten anfänglich so unsere Schwierigkeiten, uns an das reduzierte Tempo zu gewöhnen, aber nach einer Weile empfanden wir es als entspannend. Es schien, als würde auch unser Lebenstempo durch die gemäßigtere Geschwindigkeit auf der Straße etwas verlangsamt. Auf der Autobahn in Deutschland, kurz hinter Rostock, wurde ich aus meinen Bullerbü-Träumereien in das reale Leben zurückkatapultiert. Mein Gott, klar, die haben es alle eilig, ein dringender Geschäftstermin, die Geburt des ersten Kindes, das Treffen mit der Freundin, von der die Ehefrau nichts weiß. Denn es sind ja vorwiegend die Männer, die sich ihren Adrenalinkick auf der Autobahn holen. Mitunter gibt es sicher auch mal eine Frau, die diesen Geschwindigkeitsrausch braucht, aber das wird die Ausnahme sein. Ich stellte mir vor, wie es sein muss, mit 200 und mehr Stundenkilometern über die Autobahn zu fegen, die Konzentration ganz auf die Straße gerichtet, die Umgebung ausgeblendet, die Atmung heftig, vielleicht läuft auch noch AC/DC im Radio, natürlich in der entsprechenden Lautstärke. Da darf kein Fehler passieren, ein fach so auszuscheren würde ins Chaos führen und auch noch andere Menschen ins Unglück stürzen.

    Plötzlich war ich mit meinen Gedanken nicht mehr auf der Autobahn. Ich sah mich verbissen am Lenkrad des Lebens sitzend, nicht nach links und rechts schauend, in viel zu hoher Geschwindigkeit, mir kaum eine Pinkelpause gönnend. Und wehe, es stellte sich mir jemand in den Weg, das ging gar nicht. Es gab nur die Überholspur und oft saß ich auch alkoholisiert am Steuer meines Lebens. Augen zu und durch war meine Devise. Aber wer lebt schon bewusst, wenn er jung ist? Ich wurde jäh aus meinen Gedanken gerissen, als Wolli heftig bremsen musste, weil ein BMW-Fahrer vergessen hatte, dass er eigentlich die Ausfahrt vor uns nehmen wollte. Also Spurwechsel von der Überholspur an unserer Motorhaube vorbei in Richtung Ausfahrt, willkommen zurück in Deutschland.

    Es war für mich eine sehr schwere Entscheidung gewesen, nach Schweden auszuwandern. Das macht man ja nicht mal eben so, mit 62 Jahren. Für Wolli war das einfacher, Schweden war schon immer sein Traumland. Er spricht die Sprache, weil er bereits als junger Mann ein paar Jahre in Stockholm gelebt und gearbeitet hat. Wir sind seit fast 25 Jahren zusammen und beide zum zweiten Mal verheiratet. Vielleicht hat mich unbewusst die Sehnsucht nach Stille getrieben, den Schritt wirklich zu gehen.

    Die Gedanken, die ich auf der Autobahn über mein bisheriges Leben hatte, haben mich auch nach unserer Rückkehr in Schweden nicht losgelassen, haben sich in meinem Kopf eingenistet, es sich gemütlich gemacht und vermitteln nicht den Eindruck, mich in naheliegender Zukunft wieder zu verlassen. Sie scheinen sich einig zu sein, sind fordernd und werden immer lauter. Es tauchen Erinnerungen auf und ich versuche, sie zu sortieren, was mir aber nicht gelingt.

    In unserem Haus gibt es eine kleine Wohnung unterhalb unserer eigenen, die wir eigentlich vermieten wollten. Wenn ich allein sein möchte, dann gehe ich in diese Räume, in denen nur ein Stuhl steht.

    Ich setze mich also auf diesen Stuhl und werde ganz ruhig, ein wohliges Gefühl von Zufriedenheit macht sich breit, das immer deutlicher wird, je häufiger mich die Sehnsucht nach Stille an die Hand nimmt und hierhin führt. Da sitze ich also, allein, und plötzlich melden sie sich wieder zu Wort, meine Untermieter im Kopf. Gedanken, Bilder aus meiner Kindheit schieben sich in meinen Raum, ohne anzuklopfen, alte Plätze tauchen auf, die Wohnung, in der meine Familie lebte, als ich Kind war. Ich spüre das Verlangen, etwas aufzuschreiben, aber ich habe keinen Stift und kein Papier dabei. Auch befürchte ich, dass dieser wunderbare Moment sich verflüchtigt, wenn ich den Raum jetzt verlasse, um Schreibutensilien zu holen. Ich dachte bislang immer, mein Unterbewusstsein habe meine Kindheit nahezu ausgeblendet. Aber nein, ich sehe Bilder, ganz deutlich, was passiert hier? Aus diesem wohligen Gefühl heraus entwickelte sich eine Idee, ein Wunsch, den ich mich gar nicht traute auszusprechen. Wir haben ein Mehrfamilienhaus in Schweden gekauft, eine alte Villa, um die Wohnungen zu vermieten. Wie sollte ich meinem Mann nur beibringen, dass ich eine eigene kleine Wohnung haben möchte? Eines Tages jedoch schien es plötzlich sonnenklar, unumgänglich, und ich sah meinen Schreibtisch am Fenster ganz deutlich vor mir. Den Schreibtisch, den ich damit assoziiere, Zeit zu haben, Zeit nur für mich, die Stille zu hören, in sie einzutauchen, sie mit allen Sinnen wahrzunehmen, mich auf sie einzulassen, die Erinnerungen, die diese Stille dann durchbrechen werden, aufzuschreiben. Dafür braucht es Raum und nun nehmen meine Träume Gestalt an, der Raum öffnet sich. Ich nehme zum ersten Mal wahr, dass ich Zeit habe. Das ist nicht nur vorübergehend, stelle ich verwundert fest, schaue nach hinten links und rechts, als verfolgte mich jemand, aber nein, niemand in der Nähe. Ich nehme wahr, dass Stille ist, die ich brauche, ebenso wie den Raum, den ich noch nie ganz allein für mich hatte.

    So richte ich mir eine eigene Wohnung in unserem Haus ein. Welch ein Luxus, meine erste eigene, kleine Wohnung, nun ist es ausgesprochen und wir beginnen mit der Einrichtung meiner Schreibstube, hier in Schweden. Aus zweiter Hand kauften wir einen stabilen Holztisch und vier Stühle, stellten ihn vor das Fenster, natürlich nur einen Stuhl und den Tisch, ist ja klar. In der Küche stehen seit heute die alte Kaffeemaschine aus unserem ehemaligen Bistro, der Casa Boheme, sowie ein wenig Geschirr, ein paar Sorten Kräutertee und Honig. Wenn ich an meinem Tisch sitze und schreibe, dann kann ich zu meiner linken Seite aus dem Fenster in den Park sehen, geradeaus steht meine Gesangsanlage und rechts davon in der Ecke mein Frida-Kahlo-Bett. Das ist ein altes Himmelbett, das ich bunt angemalt und mit Masken, Bildern und Stoffen dekoriert habe. Noch ist nicht geplant, dass ich auch hier schlafe, aber ich könnte es, nur darauf kommt es an. Ich werde mir auch eine neue Zahnbürste für meine Wohnung kaufen. Auf meinem Schreibtisch in meinem neuen Domizil stehen Kerzen, Bücher und ein altes Foto von Zenta Maurina. Ich habe es neben meinen Laptop gestellt. Sie war eine lettische Schriftstellerin, die ich sehr bewundere. Ich weiß, dass sie mir bei meiner Wortfindung behilflich sein wird. Glaub dran oder nicht, ich jedenfalls glaube daran.

    Es ist Samstag, ein grauer und verregneter Herbsttag. Ich sitze am Fenster und beginne in mich hineinzulauschen, gebe mich den Gedanken und Erinnerungen hin, genieße die Ruhe, lasse mich ein, schaue immer mal wieder in den Park. Manchmal kann ich hören, wie der Regen zärtlich bittend auf das Blechfensterbrett tropft. Vielleicht möchte er sich ein wenig aufwärmen. Er hat meinen Pfefferminztee mit Zitrone und Honig entdeckt, das prasselnde Feuer im Kaminofen und denkt, mein Gott, hat die es gut. Ja, das hat sie. Was für ein Tag hier in Långban, mitten in Värmland, in Schweden.

    Es ist still und ich sauge diese Stille nun schon seit Wochen auf wie ein Schwamm, endlos, denn er bekommt offensichtlich nie genug davon. Ich hingegen denke, jetzt muss doch auch mal wieder gut sein mit der Stille, geh mehr unter Leute, sonst vereinsamst du noch völlig. Aber nein, der Möchtegernruheschwamm in mir bittet flehentlich um noch mehr davon, wenn Besuch droht oder Wolli und ich eingeladen werden. Dann scheint er im Kreis zu springen, fast wütend zu werden. Was soll ich tun? Wie viel Stille brauche ich und was will sie mir sagen? Wann ist es genug? Schlummert da noch etwas in mir, kommt da noch was zum Vorschein, wenn es darf, wenn ihm Raum gegeben wird? Wenn der Drang nach Stille so groß ist, dann muss ich dem doch nachgeben? Nie zuvor hätte ich Raum, Zeit und Geld gehabt, so in mich hineinlauschen zu können. Die Zeit war vorher noch nicht reif dafür. Ich denke, dass alles seinen richtigen Zeitpunkt bekommt und den richtigen Ort. Und nun bin ich also in Schweden gelandet, sitze in meiner Schreibstube und beginne, mich an mich zu erinnern. Das war auf der Überholspur meines bisherigen Lebens nicht möglich. Die Geschwindigkeit war einfach zu groß, Lebensabschnitte sind schlicht gar nicht mehr da, ausgeblendet. Hier in Schweden beginne ich nun mit dem Versuch, mein Leben in all seinen Facetten zu verstehen, möchte mich an das Gute erinnern. Zu viele Jahre war ich Opfer meiner Vergangenheit, meiner Lebensumstände und habe die Schuld dafür natürlich oft bei anderen gesehen. Ist ja klar, das macht man halt so, wenn man es nicht besser weiß. Ein Hier und Jetzt gab es nicht. Es gab nur eine bedauernswerte Vergangenheit und eine Zukunft, in die ich ängstlich, ohne Vertrauen blickte. Was sollte sie schon anderes bringen als ein Leben, das ich so nicht wollte. Als ich eine junge Frau war, war mein Leben oft nur ein Existieren, wie essen, ohne Hunger zu haben. Okay, dann mach ich das mal. Wenn es mir gut ging, glaubte ich, dass ich das nicht verdient hätte, dann kam ich mir vor wie eine Diebin.

    Und doch sind selbst in diesem Leben Schätze

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