Asternleuchten: Kurzroman
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Buchvorschau
Asternleuchten - Sigrid Hunold-Reime
Impressum
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Gmeiner Digital
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© 2016 – Gmeiner-Verlag GmbH
Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
Telefon 0 75 75/20 95-0
info@gmeiner-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Claudia Senghaas
E-Book: Mirjam Hecht
Umschlagbild: © marteina – photocase.de; © Rike_ – istock.com
Umschlaggestaltung: Simone Hölsch
ISBN 978-3-7349-9211-7
Gedicht
Geh nicht wie mit fremden Füßen,
als hättest du dich verirrt.
Willst du nicht die Rosen grüßen?
Lass den Herbst nicht dafür büßen,
dass es Winter werden wird.
An den Wegen, in den Wiesen
leuchten, wie auf grünen Fliesen,
Bäume bunt und blumenschön.
Sind’s Buketts für sanfte Riesen?
Geh nur weiter. Bleib nicht stehn.
Nebel zaubern in der Lichtung
eine Welt des Ungefährs.
Raum wird Traum. Und Rauch wird Dichtung.
Geh nur weiter. Bleib nicht stehn.
Erich Kästner
Kapitel 1
Ich schrecke hoch. Es ist dunkel. Mein Herz schlägt hart und viel zu schnell. Und so laut, dass sein Pochen im Zimmer widerzuhallen scheint. Ich begreife. Ein Albtraum. Seine Bilder fallen innerhalb von Sekundenbruchteilen auseinander. Ohne eine Erinnerung zu hinterlassen. Nur Angst. Meine Hand tastet nach dem Lichtschalter. Ich scanne mit den Augen den Raum ab. Schlafzimmerschrank. An seinen Türen kleben die kindlichen Malereien meiner Nichten. Daneben ist an der Wand ein riesiger Fächer in prallen Sonnenfarben. Ich habe ihn von einem Spanienurlaub mitgebracht. Über dem Stuhl hängen meine Klamotten vom Vortag. Die Vertrautheit meines Schlafzimmers lässt mich ruhiger atmen. Mein Herz schlägt nicht mehr aus dem Hals. Ich lasse mich auf das Kopfkissen zurückfallen. Das Licht bleibt angeschaltet. Die Angst sitzt mir noch in allen Gliedern. Es wäre zu früh, mich auf den nächsten Traum einzulassen.
Wie spät ist es eigentlich? Ich richte mich wieder auf, um den Wecker zu sehen. 6.30 Uhr. Viel zu zeitig zum Aufstehen. Es ist Sonntag. Ich ziehe die Decke bis ans Kinn. Entspann dich, Vera. Das war nur ein Traum. Weiter nichts. Mir wird es unter der Decke zu warm. Ich strampel sie weg. Oder war es etwa kein Traum? Hat mich ein Geräusch aus der Wohnung geweckt? Der Gedanke nagt und lässt sich nicht beiseitewischen. Ich stehe auf. Schleiche zur Tür. Bevor ich sie öffne, greife ich zu meinem Gymnastikschwingstab. Lächerlich. Aber ich fühle mich damit sicherer. Auf dem Flur gilt mein erster Blick der Haustür. Sie ist verschlossen. Ich tapse weiter ins Wohnzimmer und schalte das Licht an. Die Fenster sind heil. Die Außenjalousie unten. Küche. Gästezimmer. Badezimmer auch nichts. Ich gehe zurück ins Schlafzimmer. Alles in Ordnung, Vera. Leg dich wieder hin. Aber in mir bleibt eine undefinierbare Unruhe. Vielleicht kam das Geräusch von draußen? Es war auch mehr ein Schrei. Hat jemand um Hilfe gerufen? Und ich habe nicht reagiert. Ich kurbele den Rollladen hoch und sehe in eine dichte Nebelwand. Direkt vor meinem Haus steht eine Straßenlaterne. Ihr diffuses Licht erscheint wie ein weit entfernter Mond. Ich öffne das Fenster. Die kühlen feuchten Nebelschwaden wabern in mein Zimmer. Ich greife nach meiner Strickjacke, ziehe sie an und bleibe am geöffneten Fenster stehen. Horche angespannt nach draußen. Stille. Ich räuspere mich.
»Hallo? Ist da jemand?«
Meine Stimme klingt erschreckend laut nach. Ich habe das Gefühl, die gesamte Nachbarschaft hat mein zaghaftes Rufen gehört. Aber keine Reaktion. Es bleibt still. Niemand antwortet aus dem milchigen Nichts. Nur das Geräusch vereinzelnd fallender Blätter ist zu hören. Auch das ist ungewöhnlich laut. Und unheimlich.
Ich schüttele den Kopf und schließe das Fenster. Schluss. Ich habe eindeutig geträumt. Was nun? Zurück ins Bett kriechen? Nein. Ich bin nicht mehr müde. Wenn ich mich hinlege und wirklich noch einmal in den Schlaf sacke, werde ich mich hinterher zerschlagen fühlen. Ich gehe in die Küche und brühe eine Kanne Tee auf. Mit einem Becher dampfenden Tee in der Hand gehe ich ins Wohnzimmer. Ich lasse die Jalousie hoch und zünde ein paar Kerzen auf der Fensterbank an. Sie brennen in orangefarbenen Schalen. Ihr warmer Lichtschein erinnert an den Sonnenaufgang. Aber draußen ist es noch dunkel und nebelig. Die kühle Tristesse passt zu der Jahreszeit. Wir haben Ende Oktober.
Ich kuschele mich in eine Wolldecke und trinke das wärmende Getränk. Der Tag kann kommen. Der Schein der Kerzen fällt auf ein paar liebevoll verpackte Liköre, Teesorten und aufgestellte Karten. Geburtstagskarten zu meinem Fünfzigsten. Der ist vier Monate her, aber ich konnte es nicht übers Herz bringen, meinen Geschenketisch abzuräumen. Daneben hängt ein großes, gerahmtes Foto von meiner Schwester Carola und ihrer Familie. Sie haben drei Mädchen. Meine Nichten. Die Fünf lächeln um die Wette. Blitzsauber und freundlich. Unschlagbar freundlich. Ich trinke einen Schluck Tee und muss lächeln.
»Was? Du willst deinen Geburtstag nicht feiern?« Meine Schwester stand vor mir wie die personifizierte Empörung. »Das geht nicht. Du wirst fünfzig. Ein runder Geburtstag. Der muss gefeiert werden. Weißt du was, ich werde die Feier