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Aufstand der Gefühle: Erleben
Aufstand der Gefühle: Erleben
Aufstand der Gefühle: Erleben
eBook398 Seiten5 Stunden

Aufstand der Gefühle: Erleben

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Über dieses E-Book

Liebe, genährt durch Hoffnung, durchbricht mit Mut alle Grenzen.

Jasmin hat herausgefunden, dass sie der frisch erwachte Avatar der Liebe ist. Zusammen mit Alexander, der den Mut verkörpert und Raja, der personifizierten Hoffnung, ist sie auf der Flucht vor dem Aufstand. Nachdem diese nur knapp gelungen ist, wird die Gruppe, zu der nun auch Kain gehört, gezwungen, sich aufzuteilen. Er hat die Seiten gewechselt, um Jasmin zu unterstützten und Wayne, den Anführer des Aufstandes aufzuhalten. Wird es Jasmin schaffen, oder verfolgt Kain doch andere Ziele?
SpracheDeutsch
HerausgeberSIBOST Verlag
Erscheinungsdatum14. Apr. 2024
ISBN9783982626406
Aufstand der Gefühle: Erleben

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    Buchvorschau

    Aufstand der Gefühle - Marie Loth

    Glossar

    Aufstand

    Wayne                  Avatar der Gleichgültigkeit, Kopf des Aufstandes

    Kain                  Avatar des Egoismus, Waynes rechte Hand

    Desire Morél            Avatar der Verachtung

    Gigi                  Avatar der Eiversucht

    Aleister            Avatar der Angst

    Ray und Garry      Avatare von Hass und Zorn

    Sven                  Avatar des Ekels

    Widerstand

    Aleyander            Avatar des Mutes

    Raja                   Avatar der Hoffnung

    Benjamin            Avatar der Freude

    Felice                  Avatar des Glücks

    Jasmin                  Avatar der Liebe

    Menschen

    Lisa Richter            Jasmins beste Freundin

    Bewohner aus Lukxun

    Elara                  Mutter Natur

    Thalia                  Frühling

    Elion                  Sommer

    Gaja                  Herbst

    Chion                  Winter

    Sol Aestaris, Naile      Erste Frau von Elion

    Suvi                  Tochter von Elion

    Imani                  Mitglied des Harems

    Prolog

    Es geschah zu der Zeit, in der eine Macht Wayne erwählte und sich in ihm festsetzte. Als frisch erwachter und nicht komplett ausgebildeter Avatar fasste er einen Gedanken. Ein Vorhaben, das die Welt verändern würde. Im Bewusstsein, dass Jahrzehnte ins Land zogen, ehe seine Ziele Früchte trugen. Doch wenn er eins besaß, dann Geduld. Er war bereit, zu warten.

    Seine erste Aufgabe bestand darin, zu lernen, wie er es schaffte, seine Macht zu kontrollieren. Das stellte kaum ein Hindernis für ihn dar. Bisher war kein Avatar auf Erden gewandelt, der seine Gabe in so kurzer Zeit zu lenken vermochte, wie er. Nicht jeder Mensch, den die Macht sich ausgesucht hatte, war so geschickt wie Wayne. Er schien, wie dafür berufen zu sein, diese Naturgewalt in sich zu tragen. Während er lebte und in seiner Aufgabe aufging, starben andere eines qualvollen Todes.

    Nachdem er sich alles beigebracht hatte, was er zu nutzen gedachte, bat er um eine Audienz bei der Frühlingskönigin. Sie war die Erste auf Waynes langen Liste, die es zu beeinflussen galt. Lukxun bot ihr und ihren Geschwistern Heimat. Chion war der älteste, auf ihn folgten Gaia, Elion und Thalia. Zusammen regierten sie über die Erde, jeder für exakt drei Monate.

    Für sämtliche Lukxunreaner wäre ein Empfang bei der Herrscherin der Frühlingslande eine ausgesprochene Ehre. Jedem hätte vor Ehrfurcht und Respekt das Herz bis zum Hals geschlagen. Beim Anblick der zarten Königin der Blüten, deren Schönheit über viele Lande hinweg bekannt war, regte sich bei Wayne absolut nichts. Das lag zum einen an seiner Gabe, zum anderen an seinem natürlichen Wesen. Die Rundungen von Thalia waren ihm gleichgültig. Für ihn spielte es keine Rolle, wer da auf dem Thron saß. Selbst wenn sie wie ein waldschartiger Zwerg aussähe, für ihn war die Frühlingskönigin einzig ein Mittel zum Zweck.

    Manch einer munkelte, er strebe die Herrschaft der Frühlingslande an, sie irrten sich. Das, was er verlangte, war die absolute Loyalität derer, die darauf saßen. Wen wunderte es da, dass die Ehrfurcht und der Respekt, die er Thalia entgegenbrachte, nichts als Scharade waren.

    Man führte ihn durch den geräumigen, prunkvollen Raum. Die Aufregung, die in ihm aufkeimte, war vorgetäuscht. Mit gespielt ehrfurchtsvollem Blick musterte er die Säulen rechts und links zu seinen Seiten. Sie waren mit zartem Efeu umgeben und ragten weit nach oben. Wayne legte seinen Kopf in den Nacken und entdeckte kein Ende. Es schien, als hätte der Saal versucht, die Ewigkeit des Himmels einzufangen. Einzig die dezenten rosa oder weißen Schleierwolken am Rand der Halle stahlen dem Ganzen den Hauch der Unendlichkeit. Die breiten Rundbogenfenster, die zwischen den Säulen ruhten, waren blank geputzt, dass es den Anschein vortäuschte, es wären keine vorhanden. Wayne schloss für einen Augenblick die Augen. Es roch nach frischem, feuchtem Gras. Von irgendwoher vernahm er ein leises Plätschern und Vögel zwitscherten vergnügt ihr Lied. Es war derart betörend und reizvoll und dennoch berührte ihn nichts von dem, was er sah. Unbeeindruckt schritt er den Saal entlang.

    Am Ende des Raumes saß Thalia auf ihrem Thron und wartete darauf, ihren Gast zu empfangen. Wayne richtete seinen Blick auf sie. Sie strahlte vor kindlicher und unschuldiger Anmut. Diese unschuldige Seele, um den Finger zu wickeln, glich einem Kinderspiel.

    Eine elfengleiche Gestalt trat an sie heran und flüsterte der Königin seinen Namen und die Gabe seiner Macht zu. Zuerst erkannte er die Verwirrung in ihrem Gesicht, trotzdem lächelte ihn die Frühlingskönigin aus vollem Herzen an, nachdem er vor ihr stehen geblieben war.

    Thalia räusperte sich. »Was führt dich zu mir. Wieso …«, erhob sie die Stimme und der Avatar fiel ihr ins Wort.

    »Gestatten Mylady!«

    Sie runzelte die Stirn ob diesen Affront, doch davon ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen. Es war riskant, die Königin zu unterbrechen, und gehörte auf jeden Fall zu seinem Spiel.

    »Mein Name ist Wayne«, stellte er sich erneut vor und legte sich die linke Hand auf das Herz.

    Thalia zog über seine Dreistigkeit ihre zarten Augenbrauen zusammen. Von da an war er überzeugt davon, dass das Mädchen auf dem Thron nach ihrem Bauchgefühl entschied. Obwohl sein Verhalten nichts außer ein Test war, vergewisserte er sich, dass der Eindruck, den er bei der Frühlingskönigin hinterließ, der war, den er beabsichtigte zu erzielen. Die Luft um ihn herum flimmerte von den Umstehenden unbemerkt auf, und schwappte zu ihr hinüber. Sofort glättete sich ihre Stirn. Es war von Bedeutung, dass er nicht ausschließlich ihre Aufmerksamkeit, sondern vielmehr ihr Vertrauen gewann, um seine Ziele zu erreichen.

    »Ihr seid ein Avatar, was verschafft mir die Ehre?«, fragte sie mit gelassener, ja nahezu gleichgültiger Stimme.

    Das war seiner Macht geschuldet. Wayne lächelte, denn er hatte sie in seinen Fängen. Er räusperte sich.

    »Es stimmt, ich gehöre zu denen, deren Gabe es ist, zu lenken und zu leiten. Und im Gegensatz zu anderen bin ich noch nicht lange im Dienst. Ich bin ein unbeschriebenes Blatt – und …«, er näherte sich einen winzigen Schritt, »… ich würde gerne mehr von Lukxun erfahren. Eure Bräuche und Sitten kennenlernen.«

    Dieses Mal war sein Interesse nicht geheuchelt. Für das, was er vorhatte, war es unerlässlich, dass er alles über die Welt der Geschwister erfuhr und die vier Monarchen persönlich kennenlernte. Das, was er sich bisher in einigen Archiven angelesen hatte, reichte bei Weitem nicht aus.

    Thalia kräuselte die Stirn und sah das Mannsbild vor sich genauer an. Sie wägte ab, was es ihr brachte, ihm zu trauen. Wer da vor ihr stand, war ihr bewusst. Es entsprach nicht seinem Naturell, sich für jemanden oder eine gewisse Sache, Lukxun im Speziellen zu interessieren. Dennoch, bisher hatte es kein einziger der Avatare für angebracht erachtet, sich bei ihr vorzustellen. Ihrer Meinung nach hatten sie über die Jahrtausende hinweg zu viele der menschlichen Sitten übernommen.

    Da die Aufgabe der Avatare auf Erden nie enden würde, lebten sie hauptsächlich in der Menschenwelt und kehrten Lukxun mehr und mehr den Rücken. Die Frühlingskönigin und ihre Geschwister traten zunehmend in Vergessenheit. Das war Wayne bewusst und er nutzte es zu seinem Vorteil.

    »Dein Interesse über unser Land und seine Bewohner ehrt dich.«

    Thalia stand auf und schritt die paar Stufen zu ihrem Besucher herab. Der Avatar ließ sie nicht aus den Augen, solange sie ihn ihrerseits von allen Seiten betrachtete.

    »Nun – Wayne, seid mir als Gast willkommen. Es solle Euch an meinem Hofe an nichts fehlen.«

    Ihre ernste Miene taute auf und das gutherzige Lächeln vom Anfang des Gesprächs erhellte ihr Gesicht. Sie klatschte in die Hände und ein blasser Junge kaum älter als sechzehn Jahre eilte herbei. Er trug die landesübliche Dienertracht. Eine blattgrüne und zu weit geschnittene Bundhose, ebenso ein elfenbeinfarbenes Hemd, darüber eine besticke Weste.

    »Das ist Leave. Er ist, solange ihr an meinem Hofe verweilt, Euer persönlicher Diener.«

    Mit diesen Worten entließ Thalia ihren Gast und widmete sich wieder ihren Tagesgeschäften. Der Avatar war dem Jungen ein paar Schritte gefolgt, nachdem er Thalias Stimme erneut hörte.

    »Wayne!«

    Er drehte sich um, um nicht uncharmant zu erscheinen. Was sie ihm sagte, war im egal.

    »Ja, Mylady.«

    Es war nicht zu übersehen, dass der Königin seine Anrede gefiel, und er schenkte ihr obendrein sein allerschönstes falsches Lächeln.

    »Ich wünsche, dass Ihr Euch in der traditionellen Tracht des Landes kleidet.«

    »Selbstredend, Mylady, wie Euch beliebt Euer Gnaden«, log der Avatar und ein Lachen zog sich breiter über sein Gesicht.

    Ehrfürchtig senkte er vor Thalia den Kopf.

    »Ich hasse diese Menschenaufmachung. Und jetzt verlasst den Saal«, fügte die Frühlingskönigin mit gerümpfter Nase hinzu.

    Mit ausgestrecktem Arm und winkender Hand deutete sie Wayne an, dass es Zeit war, sich zu entfernen. Er hatte auf dieses Zeichen gewartet. Erneut verbeugte er sich und setzte die ersten Schritte zu ihr gewandt nach hinten an. Er nutzte diese Geste, um ihr seine Ergebenheit zu präsentieren, die einem Schauspiel glich. Sein Verhalten war reines Theater. Daraufhin drehte er sich um und stapfte beherzt vor Leave aus dem Thronsaal.

    Nachdem sich die Tür zum Saal geschlossen hatte, fiel seine Maske. Dem entgegenkommend wirkenden Gesellen wich ein eiskalter und berechnender Mann. Rücken und Schultern strafften sich und es schien, als wuchs er um ein paar Zentimeter. Leave war verunsichert und Wayne erkannte das Unbehagen in den Augen des Jungen. Wenn er nicht schleunigst eingriff, verriet der Bengel ihn. Blitzschnell ergriff er die Kehle des Dieners und presste ihn mit dem Rücken an die Wand. Dieser erblasste vor Schreck traute er sich nicht zu atmen.

    »Du spitzt jetzt die Lauscher, Junge!«

    Wayne wartete sein Nicken ab und sein Blick bohrte sich unnachgiebig in die Seele von Leave.

    »Du wirst für mich Augen und Ohren am Hof sein. Du wirst mir von jeder Kleinigkeit berichten, von der du hörst und siehst, und sei es noch so unwichtig, ich wünsche, alles zu wissen. Thalia sagst du nichts davon. Du wirst ihr erzählen, dass ich ihr auf Gedeih und Verderb ergeben bin. Hast du das begriffen?«

    »Ja, ja, ja, das werde ich, mein Herr!«, krächzte der Bengel mit heiserer Stimme.

    Wayne, lies von ihm ab.

    Damit der Junge seine Anweisungen Folge leistete, vergiftete er die unbefleckte Seele des Knaben mit seiner Macht. Leaves blaue Augen verloren an Farbe und erstarrten. Alle Fröhlichkeit entwich seinem Blick und sein Wesen veränderte sich. War er vor dem Zusammentreffen mit Wayne ein geselliger und aufgeweckter Lukxuneaner, wirkte er künftig zugeknöpft und akkurat.

    Wayne verbrachte mehrere Monate an dem Hof der Frühlingskönigin. Er war ihr Zuhörer, Berater und Begleiter. Ihm war es mithilfe des Dieners gelungen, das Vertrauen von Thalia zu erschleichen und seinem Vorhaben ein enormes Stück nähergekommen. Die Königin fing an, in dem Avatar eine Art Vaterperson zu sehen, und bemerkte nicht, dass er sie zunehmend mit seiner Macht beeinflusste.

    Nachdem er es geschafft hatte, ihr kindliches Herz erkalten zu lassen, ließ Wayne Gigi an den Hof holen. Mit seiner Hilfe gelang es ihm, ihr Unwahrheiten über ihre Geschwister in den Kopf zu setzen. Anfangs war Thalia argwöhnisch, je länger sie dem Einfluss der beiden ausgeliefert war, umso mehr vertraute sie ihren Lügen. Der Avatar hatte zu jeder Zeit die richtigen Argumente, um ihre Sichtweise zu verändern. Er hatte ein Talent dafür, anderen das Wort im Mund umzudrehen und ihnen eine durchgehend veränderte Sicht auf die Vorkommnisse zu begründen.

    Geschätzt zur Hälfte des Sonnenzyklus geschah das, wovon sich keiner getraut hatte zu träumen. Sie Frühlingskönigin hatte die Zeitspanne, die sie auf Erden verbrachte, beendet. Ihr Bruder war dabei, seine Nachfolge anzutreten, da keimten die Lügen in ihr auf und wuchsen.

    In dem Augenblick, in dem Thalia Elion sah, erkannte sie das, was Wayne und Gigi ihr vorhielten, als wahr. Sie bildete sich ein, dass ihr Bruder sich kein bisschen um das scherte, was sie sorgfältig aufgebaut hatte. All die Knospen und filigranen Blüten an den Bäumen drohten durch seine Hitze zu welken. Sie sah einen Elion, der nur auf seine eigenen Vorteile bedacht war, ausgelassen Feste feierte und die Erde vernachlässigte und vertrocknen ließ. In ihren Augen achtete der Sommerkönig nicht genug auf die Bedürfnisse der Erdenbewohner. Er sah nicht, wie die Menschen, Pflanzen und Tiere unter den hohen Temperaturen litten.

    Wayne und Gigi redeten so lange auf die Frühlingskönigin ein, bis sie in dem Verhalten von ihrem Bruder als einen Angriff, einen persönlichen Anschlag erachtete. Die harte Arbeit der vergangenen Monate drohte zu zerbrechen. Alles, was sie vor ein paar Tagen aufopferungsvoll gewässert und mit den ersten, zarten Strahlen der Sonne zum Leben erweckt hatte, war dabei zu vertrocknen. Die Vögel, Tiere und Pflanzen, die sie aus ihren Winterquartieren gelockt hatte, standen kurz davor, jämmerlich zu verenden. Und diese einfältige Menschenbrut verehrten ihren Sommerkönig dafür. Sie waren dankbar über die behaglichen Temperaturen. Erquickten sich daran, dass kein Regen mehr fiel, und zündeten ihm zu Ehren obendrein ein Feuer an.

    Thalia war nicht länger bereit, dem Treiben zu folgen. Die Ignoranz ihres Bruders und das unbedarfte Verhalten der Menschen ekelte sie an. In diesem Sommer entfesselte sie, angetrieben von Hass und Zorn oder in Kreisen der Avatare, Ray und Gary einen gewaltigen Orkan, den sie über das ganze Land hetzte. In weiten Teilen der Erde verursachte sie beachtlichen Schaden. Sie war blind vor Wut. Ihr schien es egal zu sein, ob sie damit ihre eigene Arbeit zugrunde richtete. Der Sturm deckte Dächer ab und beraubte Kinder ihrer Eltern. Auf See versenkte die Königin Schiffe und das Meer riss sie mit samt der Besatzung in die Tiefen. Angeheizt von Ray und Gary, Waynes treulose Gesellen, war ihr einziges Ziel, ihrem Bruder das Vergehen an ihrer Schöpfung bis in die Knochen fühlen zu lassen. Dass die undankbaren, jämmerlichen Menschen ebenfalls unter ihrer ungezähmten Wut litten, war ihr recht. Waren sie nicht besser als Elion.

    Die Zeiten, in denen sie den Frühling und sie als seine Königin ehrten, ihre Werke schätzten, ihr die Hochachtung erwiesen, die ihr gebührte, waren vorbei. Die Frühlingskönigin war vor Ewigkeiten in Vergessenheit geraten. Dieser Verrat schwelte seit einer ganzen Weile in Thalias Herz und hatte es Gigi ermöglicht, die Saat der Eifersucht darin zu sähen.

    Nachdem Wayne Thalia unter Kontrolle hatte, richtete er seine Aufmerksamkeit auf Elion und die restlichen Geschwister. Eins nach dem anderen fiel seiner Beeinflussung zum Opfer. Sie merkten nicht, wie er sie gegeneinander aufhetzte und ihnen damit das raubte, was im Leben das Wichtigste war. Die Liebe, der Zusammenhalt und die Familie.

    Eins

    »Ich bin gekommen, um dich zu töten!«

    Der Satz hallt in mir nach. Gleichzeitig zerbricht mein jämmerlich naives Herz. Regungslos stehe ich da und starre Kain aus geweiteten Augen heraus an. Er hebt seine Lider und sein Blick bohrt sich mir tief in die Seele. Eine Träne rinnt mir heiß über die Wange. Er streckt mir seinen Arm entgegen und ich schüttle ungläubig den Kopf. Unfähig zu denken, rasen in meinen Gedanken Fetzen durcheinander und hüllen alles in einen undurchdringbaren Nebel.

    Habe ich mich in ihm getäuscht? War das Ganze ein perfides Spiel? Bin ich auf ihn reingefallen? Da ist was zwischen uns, beziehungsweise war. Das kann nicht nur ich gespürt haben. Ich habe mir das nicht eingebildet! Oder täusche ich mich in ihm?

    »Alles, was er zu dir gesagt hat, jedes Wort, jede innige Geste«, erhebt Frau Morél ihre Stimme und durchkreuzt meine Gedanken, »der Kuss – es war vorgetäuscht! Nichts davon ist echt!«

    Ich ziehe erschrocken die Luft ein. Die Risse in meiner Welt reißen auseinander, gewaltige Krater entstehen und verschlucken das, was übrig ist. Er hat ihr alles erzählt. Und sie war in jedes Detail eingeweiht. Ihr war bewusst, dass Kain sich einen Weg in mein Herz sucht. Erklärt das ihr herablassendes Verhalten?

    Wenn sie mir im Büro auflauerte und mich schief angegrinste, mich herabwürdigte und mir nichts weiter als ein gehässiges Lachen schenkte, war das von der Schlange inszeniert, um mich zu erniedrigen. Ihr verachtendes Grinsen, ihre Sticheleien und das Aufhetzen der Kollegen. Übelkeit steigt in mir auf. Eine erdrückende Leere ergreift mich, fließt wie flüssiges Eis durch meine Adern und entreißt jeder Zelle Kraft, bis meine Knie und Beine zittern. Ich starre zu dem Kerl hinüber, von dem ich geglaubt habe, er wäre die wahre Liebe. Er kniet am Boden und hält den Kopf wieder gesenkt. Kann oder will er mir nicht in die Augen sehen?

    Mich schwindelt es und ich taumle ein paar Schritte von ihm weg. »Ich bin gekommen, um dich zu töten!«, hallt es in meinen Gedanken nach. Mit diesem einen Satz reißt er mir das Herz aus der Brust, umklammert es mit seinen Fingern und drückt zu. Hat er das mit Lisa geplant? Am liebsten würde ich zu Kain hinüberrennen, ihm eine Ohrfeige verpassen, ihn anschreien und anflehen, dass er sagt, dass das nicht stimmt. Ich brauche eine Erklärung, obwohl die Erkenntnis lähmt, wie das Gift einer Schlange und sich quälend langsam im ganzen Körper ausbreitet.

    Mein Herz wartet darauf, dass er zu mir kommt, mich in seine Arme zieht und mir bestätigt, dass das Schauspiel hier ein geschmackloser Scherz war. Diese Hoffnung hege ich vergebens.

    Um mich herum dreht sich die Welt zunehmend rascher, wie in einem Karussell. Galle steigt in mir auf. Den Drang, mich zu übergeben, schlucke ich hinunter. Die Sonne brennt unermüdlich auf uns nieder, dennoch kriecht mir Gänsehaut den Rücken hinauf. Setzt sich in eiskalten Wellen bis in die Knochen fort. Ich fange an zu hyperventilieren und trotz alledem habe ich das Gefühl zu ersticken.

    »Ich bin gekommen, um dich zu töten!« Ständig spult sich dieser Satz in Gedanken ab. Er brennt sich mir unter die Haut und zerstört alles, was mich mit Kain verbindet. Der Mensch, der keine drei Meter vor mir kniet, ist ein Fremder.

    Ich schüttle den Kopf, in der Hoffnung, mit der Geste das Geschehene zu ändern. Ernüchterung breitet sich in mir aus, er rührt sich nicht vom Fleck. Das hat er nicht gesagt! Das hat er nicht so gemeint!

    Aus dem Augenwinkel heraus registriere ich, wie die nächste Spielzeugbombe von Benjamin durch die Luft fliegt. Sie landet nicht weit von Kain und Frau Morél entfernt in Sand.

    Ich starre stur auf den Verräter, der mir das Herz gestohlen hat. Meine ehemalige Personalchefin packt ihn am Schopf und zieht ihm ruckartig den Kopf zurück. Kain verzieht zwar das Gesicht, aber ihm macht ihre ruppige Art nichts aus. Mich schmerzt es bis in die Seele. Ihren diabolischen Blick wendet sie mir zu und ihr selbstgefälliges Grinsen bohrt sich in mein Inneres. Die Verachtung in ihren Augen mir gegenüber ist nicht zu übersehen. Den Kloß im Hals schlucke ich herunter.

    Eine Stimme in mir drängt mich. Ein unheimliches Gefühl flüstert mir zu, wegzulaufen oder den Blick abzuwenden doch der Befehl kommt nirgends an.

    »Sie hin!«, fordert Frau Morél, beugt sich zu Kain hinunter und küsst ihn.

    Ein leises Flüstern aus den Tiefen meines Herzens fleht, dass er sich wehrt, dass er es verhindert, dass ich das sehe, aber doch er regt sich nicht. Ich halte die Luft an und meine Beine drohen unter mir nachzugeben.

    »Nein!«

    Meine Stimme ist kaum mehr als ein Hauchen, dennoch Kain erkennt das stille Flehen. Ich zittere am ganzen Körper. Er ignoriert es und erwidert ihren Kuss. Mit offenen Augen beobachtet er meine Reaktion. Erschöpft sacke ich auf die Knie. Wieso lässt er mich derart leiden? Tränen rinnen an meinen Wangen herunter und tropfen vor mir in den Sand.

    »Warum?«, forme ich lautlos.

    Die falsche Schlange verspürt Freude an dem, was sie mir zufügt. Und Kain? Er rührt sich nicht. Gefällt es ihm am Ende, sich an meinem Leid zu ergötzen?

    »Komm Schatz, wir räumen hier auf und beenden das, was du angefangen hast«, stichelt Frau Morél und zieht Kain auf die Beine.

    Selbstgefällig schmiegt sie sich an ihn und streicht mit einer Hand durch sein offenes Haar. Sein Gesicht gleicht dem einer Maske und ist nicht mehr ausschließlich durch den Kampf gezeichnet. Ihr Lippenstift prangt wie ein Mahnmal ihrer Inbesitznahme auf seinen Lippen.

    Ein Knall ertönt. Das Aufziehspielzeug explodiert direkt neben ihnen und hüllt sie in dicken Rauch. Die beiden nicht länger vor Augen zu haben, befreit mich aus der Starre.

    »Jasmin«, dringt Alexanders Stimme wie durch einen Nebel zu mir hindurch. Er rennt zu mir herüber und legt behutsam eine Hand auf meine Schulter und ich schüttle sie ab.

    »Wir müssen hier weg, du bist nicht sicher!«

    Frau Moréls Peitsche schnalzt schallend auf. Es ist wie bei einem Wettkampf und der Peitschenknall der Startschuss, auf den alle gewartet haben. Chaos bricht aus. Die Irren, die am weitesten von mir entfernt stehen, stürmen aus den bunten Rauchschwaden hervor und hetzen auf uns zu. Alexander packt meinen Arm, dreht mich zu sich herum und rüttelt, damit ich endlich aufwache.

    »Los! Komm zu dir, Kätzchen, wir müssen hier weg!«

    Die Gedanken in meinem Kopf überschlagen sich. Ich würde am liebsten alles herausschreien. Die Wut, die Anspannung der letzten Tage und die Angst davor, was vor mir liegt. Ich bin nicht die Richtige. Alexander und Raja setzen ihre Hoffnung in die Falsche. Ich bin nicht stark genug, um sie zu unterstützen. Dabei bringe ich keinen Ton heraus. Was nütze ich ihnen, wenn ich mich so problemlos hinters Licht führen lasse? Ich bin nicht der Anführer, den sie brauchen. Fassungslos starre ich auf die Stelle, an der sich Kain und Frau Morél im Nebel verbergen.

    »Du musst hier weg!«, brüllt Alexander.

    Die Anspannung in seiner Stimme ist nicht mehr zu überhören. Er hat Angst. Es klatscht und meine Wange durchzuckt ein Schmerz. Mit leerem Blick wechseln meine Augen ihr Ziel. Er steht vor mir. Irritiert schaue ich ihn an. Hat er mir eine Ohrfeige verpasst?

    Das war nötig, damit ich aus der Starre erwache. Die beiden Irren haben uns bald erreicht.

    »Sorry, aber ich habe dir ja versprochen, dass ich alles tun werde, um dich zu beschützen.«

    Er drückt seine Lippen rasch auf meine Stirn und sieht mich mit lodernden Augen an. Den Blick, den er mir schenkt, zieht sich mir durch Mark und Bein. Versagen und die Angst ringen darin um die Wette. Das sind Gefühle, mit denen er genauso zu kämpfen hat wie ich, gleichwohl schafft er es, dass ich den letzten Fetzen Mut zusammenkratze. Er verschränkt seine Finger mit meinen und wir sprinten los. Seine Hände zittern.

    Ein Ruck reißt mich zur Seite. Nein, Alexander hat mich weggestoßen.

    »Los!«, brüllt er aus Leibeskräften. »Lauf so schnell dich deine Füße tragen, und versteck dich. Ich finde dich, versprochen!«

    Mit hastigen Schritten strauchle ich davon. Renne der Piniengruppe entgegen. Ich drehe mich noch mal um und bemerke, dass der Degen in seiner Hand erscheint. Er stellt sich den Irren in den Weg und sorgt dafür, dass ich genügend Zeit habe, um zu entkommen. Mein Herz wiegt schwer in der Brust. Ich will das nicht! Trotzdem haste ich weiter und bringe mich in Sicherheit.

    Raja eilt an Alexanders Seite und umklammert dabei ihren Stock, bis ihre Fingerknöchel kalkweiß hervortreten. Ich stolpere über die eigenen Füße und entdecke Benjamin, der unentwegt seine Spielzeugrauchbomben wirft. Felice habe ich in dem Durcheinander aus den Augen verloren.

    Wohin sind Kain und Frau Morél verschwunden? Nachdem sich der Nebel minimal gelichtet hatte, waren sie nicht mehr zu sehen. Ich laufe weiter Richtung Pinienwald und mein Herz setzt für einen Augenblick aus. Kain kämpft mit Alexander. Meine Füße tragen mich zu ihnen, während seine Stimme in meinem Kopf flüstert, dass es zu gefährlich ist!

    Ich ignoriere sie. Er hat versprochen, dass er mich findet. Es sind nur ein paar Meter, bis ich den Wald erreiche. Er, Raja, Benjamin und Felice kämpfen, damit ich überlebe. Diese Erkenntnis schmerzt, ich laufe davon und lasse sie im Stich. Ich bin keine Anführerin, aber ich ertrage es nicht, mich wie eine verschreckte Maus zu verstecken, solange andere ihr Leben aufs Spiel setzen.

    Der Aufstand hat mir alles genommen. Lisa war das letzte Stücken Familie, das mir geblieben ist. Aleister hat eiskalt meine beste Freundin zusammengeschlagen und jetzt ist sie verschwunden. Vermutlich lebt sie nicht mehr. Für Kain hätte ich mich noch bereiterklärt, der Macht zu entsagen, doch er ist Teil davon. Er ist einer von ihnen! – Nein! – Die Zeiten, in denen ich wie ein kleines, eingeschüchtertes Mädchen davongelaufen bin, sind vorbei. Frau Morél, Aleister, Gigi, die beiden Irren und Kain bekämpfen ein paar Meter vor mir meine Freunde. Das sind sie, meine Freunde! Alexander, Raja, Benjamin und sogar Felice.

    Der Aufstand schreckt sicher nicht davor zurück, sie umzubringen. Wer bin ich, dass ich sie im Stich lasse? Ich ertrage es nicht, einen von ihnen zu verlieren.

    In meiner Hand materialisiert sich der Bogen. Ich lege ihn an und der Pfeil erscheint. Angespannt schweift mein Blick auf der Suche nach einem Ziel über den Strand. Benjamins Rauchbomben rauben mir die Sicht. Bunte Nebelbänke reihen sich wie in einem Regenbogen aneinander und zeichnen über die Szenerie eine grotesk eindrucksvoll schimmernde Atmosphäre. Ich kneife die Augen zusammen. Alles, was ich erkenne, sind Arme oder Beine und nie den ganzen Körper.

    Beherzt umfasse ich den Griff des Bogens. Aleister versteckt sich hier. Ich lasse ihn nicht ungeschoren davonkommen, das bin ich meiner Freundin schuldig. Selbst, wenn Alexander mit mir schimpft. Gelegentlich ist es besser, zu handeln und später um Verzeihung zu bitten.

    Er hat vor ein paar Tagen damit angefangen, mich zu unterrichten, und ich habe offen gesagt keine Ahnung von dem, was ich da mache.

    Lisas verquollenes Gesicht, ihre blutunterlaufenen Augen, ihr regloser Kopf in den Händen. Diese Bilder haben sich in mein Gehirn gefressen und schüren eine Wut in mir, vor der ich mich selbst fürchte.

    »Ich liebe dich«, war das Letzte, das sie mir zugeflüstert hat, bevor sie in sich zusammensackte und ich sie zurückgelassen habe. Ich habe sie im Stich gelassen! Sie hat mir unseren lächerlichen Streit um das Durcheinander von Jack dem Barkeeper verziehen.

    »Ich liebe dich mehr«, schicke ich ihr in Gedanken zu.

    Aleister ist nicht weit. Ich spüre seine Anwesenheit deutlich. Die Angst um meine Freunde zehrt an mir, schleicht sich unaufhörlich unter meine Haut und breitet sich wie ein Schleier über mir aus. Er pflanzt mir Bilder in den Geist, bei denen einem das Blut in den Adern gefriert.

    Alexander, mit blutverschmiertem Gesicht und starrem Blick, er liegt regungslos auf dem Boden. Raja, mit aufgeschnittener Kehle. Benjamin, der …

    Ich schüttle den Kopf und die Vision löst sich in Rauch auf. Meine Gedanken klären sich. Aleister dieser Mistkerl versucht, mich erneut zu beeinflussen. Heute bin ich vorbereitet und lasse mich kein zweites Mal von ihm unterkriegen. Auch wenn es heißt, mich gegen Alexanders Anweisung zu widersetzen und der Macht in mir zu vertrauen.

    Meine Muskeln zittern. Ich senke den Bogen samt Pfeil und halte die Sehne nicht mehr auf Spannung. Dabei bleibe ich wachsam und bereite mich innerlich darauf

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