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Belorah: Die Prophezeiung
Belorah: Die Prophezeiung
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eBook326 Seiten4 Stunden

Belorah: Die Prophezeiung

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Über dieses E-Book

Ein schriller Ton, gleißende Sonnenwinde, dann Stille!
Plötzlich, ohne zu realisieren was mit ihr geschieht, befindet sich Ilena in einer ihr völlig fremden Welt. Eine Welt, die ihr bisheriges Leben auf den Kopf stellt und in der sie es mit geheimnisvollen, düsteren Kreaturen aufnehmen muss. Zwischen Kampf, Intrigen, Chaos und Liebe lernt sie ihre tief verborgenen Kräfte kennen und begibt sich in einen direkten Zweikampf mit dem Bösen, um sich und das Leben aller anderen zu retten.
Als wäre das alles nicht genug, wirbeln zwei Engelskrieger ihre Gefühle durcheinander und stellen ihr Herz auf die Probe.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum10. Nov. 2021
ISBN9783754919705
Belorah: Die Prophezeiung
Autor

Sarah Zenker

Sarah Zenker ist Studentin der Zahnmedizin an der Charité in Berlin und ist, neben den Patientenbehandlungen, als freiberufliche Autorin tätig. Bevor Sarah ihren ersten Roman "Belorah - die Prophezeiung" veröffentlichte, verfasste sie schon etliche Kurzgeschichten, die sie jedoch nur im Rahmen ihrer Familie verbreitete. Die Idee für ihren Roman kam ihr als Teenager. Sie schrieb ihren lebhaften Traum nieder und spann sich daraus eine mitreißende Geschichte. Sarah liebt es durch die Weltgeschichte zu reisen und neue Kulturen kennenzulernen, wobei sie stets auf der Suche nach neuen Inspirationen für ihre Schreibfeder ist. Ihre Kreativität lebt sie, außer im Schreiben, noch im Skizzieren und Zeichnen aus, welches ihr einen wichtigen Ausgleich zum Unialltag schafft.

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    Buchvorschau

    Belorah - Sarah Zenker

    Belorah

    Titel

    Impressum

    Widmung

    Prolog

    Der Traum

    Belorah

    Verborgene Kräfte

    Von Dunkelheit umgeben

    Aufbruch ins Ungewisse

    Tödliches Ritual

    Wendigowak

    Gezeichnet

    Besessen

    Böses Erwachen

    Düstere Aussichten

    Bell

    Sluvrak

    Überleben

    Höhere Mächte

    Stunde der Wahrheit

    Legende

    Sarah Zenker

    Belorah 

    Die Prophezeiung

    Fantasy Roman

    Impressum

    Originaltexte: © 2021 Copyright by Sarah Zenker

    Alle Rechte vorbehalten

    Illustrationen: © 2021 Sarah Zenker

    Umschlaggestaltung:

    Sarah Zenker und Tom Kudick nach dem Motiv von Aaron Zenker © 2021 Sarah Zenker

    Verlag:  

    Sarah Zenker

    Ferdinandstraße 21

    12209 Berlin

    s.v.zenker@gmail.com

    Lektorat: Anne Horsten

    Vertrieb: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

    Für meine Familie, die mich beim Schreiben immer treu begleitet hat und mir in schwierigen Zeiten immer zur Seite steht.

    Prolog

    Sonnenwinde sind Sternenwinde der Sonne. Sie strömen von der Sonne ins All und sind im Volksmund auch als Sonnenstaub bekannt. Die Magnetosphäre schützt die Erde normalerweise vor dem Eindringen dieser Sonnenwinde, jedoch können je nach Stärke dieser Winde Polarlichter entstehen, wenn die äußersten Schichten überwunden werden. Diese Winde können die Kommunikation mit Satelliten oder Ähnlichem stören, jedoch ist dies nicht der Grund warum ich euch von ihnen erzähle.

    Gerüchte machen die Runde, dass diese in allen Farben strahlenden Sonnenwinde übernatürliche Kräfte besitzen und zu mehr in der Lage sind, als nur Polarlichter hervorzurufen. Seit Jahrzehnten wird das wiederkehrende Verschwinden von Frauen, immer im Zusammenhang mit dem Auftreten gleißender Sonnenwinde, gemeldet. Keiner konnte das Mysterium je aufdecken, weshalb es der Allgemeinheit bis heute verschwiegen wurde.

    Der Traum

    Ilena stand auf einer grünen Wiese, mitten im seidenweichen Gras, Unmengen von Blumen wie von Zauberhand hineingestreut. Kaum fuhr sie mit dem nackten Fuß über die zarten Grashalme, verspürte sie den Drang, sich auf die Wiese zu legen, um sich von ihrem frischen Duft einhüllen zu lassen. Ilena ließ ihren Blick umhergleiten. Nicht weit entfernt säumten Sträucher das Gebiet. Dort begann ein üppig wuchernder Wald. Die junge Frau spitze ihre Ohren und lauschte dem Gesang unbekannter Vögel. Alles war so friedlich. So perfekt. Kein Laut der Zivilisation störte diese Idylle.

    Sie drehte sich einmal um sich selbst und betrachtete ihre Umgebung. Kein Haus, keine Straße, nichts außer der freien, unbändigen Natur. In ihrem Augenwinkel bewegte sich etwas. Ein Rehkitz stand unentschlossen am Waldrand und schaute Ilena aus seinen haselnussfarbenen Augen an. Die Sonne ließ das goldbraune Fell des kleinen Kitzes glänzen. Ilena war von der Schönheit der Natur und dem Frieden, den sie geradezu in der Luft schmecken konnte, wie in Trance.

    Plötzlich zerriss ein Zischen die Stille, das Kitz zuckte heftig am ganzen Körper, wankte und fiel zitternd zu Boden. Ilena presste sich eine Hand vor den Mund, um einen spitzen Aufschrei zu unterdrücken. Ein silbernes Jagdmesser ragte aus der Kehle des Tiers. Das Blut schoss pulsierend aus dem zuckenden Körper. In ihrer Bewegung erstarrt schnappte sie erschrocken nach Luft. Langsam, einen Fuß vor den anderen setzend, kam sie dem Kitz näher, bis sie nur noch wenige Zentimeter voneinander trennten. Sie kniete sich neben das am ganzen Leib bebende Tier und strich ihm mit zittriger Hand über den schweißnassen Kopf. Wie konnte jemand so herzlos sein und dieses unschuldige Wesen jagen? Sofort fiel ihr auf, dass sie nicht wusste, woher die tödliche Waffe gekommen war. Hektisch, ohne ihre Hand von dem Kitz zu nehmen, ließ Ilena ihren Blick über den Waldrand wandern und suchte jeden Winkel nach dem Jäger ab. Irritiert stellte sie fest, dass sie niemanden sah. Nicht einmal ein leises Knacken oder Rascheln verriet sein Versteck.

    Unter ihrer Hand regte sich etwas. Sofort löste sie ihren suchenden Blick vom Waldesrand und wandte sich wieder dem sterbenden Tier zu. Verblüfft stellte sie fest, dass sich das Kitz unter ihren Händen in ein kleines Mädchen verwandelt hatte. Sie sah in die verängstigten, braunen Augen des Kindes, beruhigende Worte flüsternd. Das Mädchen war um die sechs Jahre alt, hatte langes, braunes Haar und eine blasse, samtene Haut. Ihre kalten, zitternden Hände umklammerten Ilenas Arm, und vergeblich versuchte sie zu sprechen. Doch nur anhand ihrer Lippenbewegungen konnte Ilena erahnen, was sie zu sagen versuchte: »Lauf!« Entschlossen schüttelte Ilena ihren Kopf und nahm den des Kindes in die Hände: »Nein, niemals würde ich dich hier so zurücklassen!« Das Mädchen zwang sich, etwas zu erwidern, was ihr jedoch nur unter einem heiseren Krächzen gelang: »Bitte. Lauf!« Ihre Stimme brach, doch sie nahm all ihre Kraft zusammen und flüsterte. »Sonst musst du auch sterben!« Kaum hatte die Kleine ihren Satz beendet, verschwamm alles um Ilena herum. Eine tiefe Schwärze umhüllte sie.

    Ilenas Lider flatterten und flogen auf. Alles nur ein Traum! Alles nur ein Traum!, redete sie sich ein. Sie setzte sich auf und wischte mit der Hand über ihr tränennasses Gesicht. Erschöpft schlug sie ihre Decke zurück und ging auf nackten Sohlen ins Bad, um sich Wasser ins Gesicht zu spritzen. Ilena wagte es kaum, in den Spiegel zu schauen, denn sie wusste, wie sie jetzt aussah: rot unterlaufende Augen, vom Weinen ein fleckiges Gesicht und ihre lockigen, langen Haare zu einem Nest zerzaust. Ein flüchtiger Blick in den Spiegel bestätigte ihre Befürchtungen, doch die Sorge um ihr Aussehen verschob sie auf den nächsten Tag und machte sich wieder auf den Weg zurück in ihr Zimmer. Seufzend ließ sie sich auf ihr Bett plumpsen.

    Das war nicht das erste Mal, dass dieser Traum sie heimgesucht hatte, erst gestern Nacht war sie ebenfalls davon aufgeschreckt. Sie war doch kein Kind mehr, dass sie mit ihren 20 Jahren immer noch Angst vor Alpträumen hatte und sich abends oft davor fürchtete einzuschlafen. Im Moment war es ihr aber wirklich zu viel. Von Tag zu Tag wurde sie immer unausgeschlafener und unkonzentrierter. Nun plagte sie dieser Albtraum schon seit längerer Zeit, und immer, wie auch heute, starb das Rehkitz, das sich am Schluss als kleines Mädchen entpuppte. Jedes Mal von einem Messer durchbohrt. Der Traum häufte sich; am Anfang träumte sie ihn nur wöchentlich, doch nun kam er jede Nacht angekrochen, um ihr Unterbewusstsein heimzusuchen. Irgendetwas stimmte hier nicht, doch sie war bereit, es herauszufinden. Ein Schauer schüttelte Ilena und plötzlich fror sie, als ob der Winter in ihrem Zimmer wütete, weshalb sie die Decke zurückschlug und eilig darunterschlüpfte. Jetzt ist aber Schluss, ermahnte sie sich selbst, eingekuschelt bis zum Hals. Mit klammen Händen fischte sie ihr Lieblingsbuch aus einem kleinen Regal neben ihrem Bett und begann darin zu lesen, eine Angewohnheit, die Ilena sich, seitdem sie nachts oft nicht mehr schlafen konnte, zugelegt hatte.

    Ein immer lauter werdender, schriller Ton durchbrach die Stille, ließ sie aufhorchen und den Kopf heben. Genervt schwang sie ihre Beine aus dem Bett und blickte sich suchend nach der Quelle dieses Übels um. Sicher war nur wieder bei einem ihrer Geräte der Akku leer. Verdutzt kräuselte Ilena die Nase, einem ungewohnten Duft folgend. Bildete sie es sich nur ein, oder roch es nach Heu, Blumen, frischem Gras und Sommer? Davon angezogen lugte sie neugierig um ihren Kleiderschrank in den hinteren Teil ihres Zimmers, und plötzlich sah sie es: Ein Wirbel aus Sonnenstrahlen, vergleichbar mit den aufkommenden Sonnenwinden an den Polen, strahlte von ihrer Zimmerdecke herab. War es eine optische Täuschung oder konnte Ilena direkt in den Himmel sehen? Geblendet durch die hellen Strahlen musste sie ihre Augen abwenden. Als sie sich dem Leuchten weiter näherte, wandelte sich der schrill anhaltende Ton auf einmal in fröhliches Gezwitscher, und der Wirbel bewegte sich langsam kreisend auf sie zu, als würde er nach ihr suchen. Berauscht von dieser magischen Schönheit stand sie nun direkt unter dem zum Trichter geformten Sonnenwirbel und blickte nach oben. Die glitzernden Strahlen zauberten Ilena ein angenehmes Prickeln auf die Haut und ließen sie, umgeben von Wärme, erschaudern.

    Das Licht wurde heller und heller, beinahe gleißend weiß. Sie verengte ihre Augen zu Schlitzen, doch die Strahlen blendeten sie, sodass sie beide Augen schließen musste. Plötzlich spürte sie, wie ihr der Boden unter den Füßen entglitt, doch sie hatte keine Angst, ganz im Gegenteil, sie war fasziniert und neugierig, was sie erwarten würde. Ein flaues Gefühl machte sich in ihrem Magen breit, ruckartig wurde sie heftig hin und her gewirbelt; dennoch ließ sie es mit sich geschehen und versuchte nicht, dagegen anzukämpfen. Abrupt landete sie unsanft auf ihren Knien und fiel vornüber. Der Boden war samtweich, tausend Vögel gaben ein Konzert, doch die hellen Strahlen hatten sie derart geblendet, dass sie ihre Augen noch geschlossen hielt.

    Belorah

    Langsam öffnete Ilena ihre Augen. Sie fand sich auf einer mit Blumen übersäten Wiese, ganz in der Nähe eines dunklen Waldrandes wieder. Ach, wie goldig, dachte sie, als sie das kleine Kitz ein paar Meter neben sich im Gras liegen sah. Doch auf einmal gefror ihr das Blut in den Adern, und ihr Herz setzte für einen kurzen Schlag aus. Starr vor Schreck zählte sie eins zum andern: die Wiese, der von Büschen gesäumte Waldrand und das kleine Rehkitz! Sie stand mitten in der Landschaft ihres wiederkehrenden Albtraums. Ohne lange nachzudenken warf Ilena ihren Kopf herum, suchend streiften ihre Augen über den Rand des Waldes; eilig stand sie auf und schritt vorsichtig und gebückt auf das liegende Kitz zu. Langsam streckte sie ihre Hände nach ihm aus. Das Tier begann, an ihr zu schnuppern und sie vertraut anzustupsen.

    Doch dann hörte Ilena, wie aus dem Nichts, plötzlich ein Zischen die Luft durchschnitt. Intuitiv rollte sie sich blitzschnell zur Seite, das Kitz im Arm haltend. Die tödliche Waffe bohrte sich nicht weit von ihnen in die Erde und blieb aufrecht stecken. Ihr war sofort klar, dass der Jäger bald zum erneuten Angriff ansetzen würde. So schnell sie konnte, hob sie das kleine Kitz hoch und huschte mit flinken Schritten in das schützende Dickicht des Waldes. Erschrocken begann das junge Geschöpf zu wimmern und weitete seine Augen, bevor es den Kopf einzog und ein weiteres Messer, nur wenige Zentimeter neben Ilenas Kopf, die Luft mit einem surrenden Laut durchschnitt. Sie schnappte nach Luft. Die Waffe hatte sie zum Glück wieder verfehlt. Noch eine weitere Chance würde sie wohl nicht bekommen.

    So schnell ihre Beine sie trugen, sprang sie über Wurzeln und kleine Unebenheiten im Boden, immer tiefer in den dichten Wald hinein, bis sie ein Knacken in den Ästen über ihr aufhorchen ließ. Beruhigend legte Ilena ihre Hand über den Kopf des Kitzes, woraufhin sich ihr Schützling noch enger an sie schmiegte. Die sich nähernden Geräusche ließen es erneut aufschluchzen. Ilena blickte ungläubig auf das sich in ihren Armen gewandelte Kitz, und wirklich lag dort das kleine Mädchen aus ihren Träumen. »Es gibt kein Entkommen!«, hauchte sie mit einem zittrigen Wimmern an Ileanas Brust gepresst. Sie ahnte, dass die Kleine Recht hatte. Sie konnte nicht viel länger in diesem Tempo und mit dieser Last in ihren Armen laufen, aber trotz allem wollte sie dem Mädchen Mut machen: »Wir müssen es schaffen! Glaub nur ganz fest daran!«

    Ihr Blick, der bis jetzt auf den Boden geheftet war, damit sie nicht über die vielen Hindernisse stolperte, schreckte hoch, als vor ihnen urplötzlich ein kräftig gebauter Mann in einem dunkelgrauen Mantel aus dem Dickicht auftauchte. Abrupt bremste sie ihren Lauf ab, um nicht gegen ihn zu prallen. Ihr Kopf flog herum, als sie auch hinter sich ein dumpfes Geräusch vernahm. Ein weiterer Mann hatte sich von einem dicken Baum abgeseilt. Von allen Seiten, was ihnen auch den letzten Fluchtweg abschnitt, kamen weitere Kreaturen hinzu, die Affen glichen. Sie waren größer als die Kerle. Ihr ganzer Körper war mit einem struppigen, rabenschwarzen Fell bedeckt. Um ihre Bäuche trugen sie schwere Gürtel, die mit etlichen, in der Sonne glänzenden, scharfen Messern und breiten Schwertern bestückt waren; doch keinem fehlten die Waffen. Hastig zuckte Ilenas Blick auf den Gürtel des Mannes, der direkt vor ihr stand: Dieser wies zwei klaffende Lücken auf.

    Wütend und ohne an die Konsequenzen zu denken trat sie einen gewagten Schritt auf ihn zu und schaute ihm direkt in das Narbengesicht. Ihr Blick sollte eiskalt wirken, sie hatte ihre Augen zu bedrohlichen Schlitzen zusammengezogen und hob angriffslustig den Kopf. Die beiden waren nur noch eine Beinlänge voneinander entfernt, doch Ilena zeigte weder Angst noch Schwäche. Der Mann ergriff als Erster das Wort: »Übergib sie uns und wir lassen dich gehen. Versuchst du, sie weiterhin zu schützen, werdet ihr beide sterben. Entscheide dich!« Ilenas Blick wanderte zwischen dem zitternden Mädchen in ihren Armen und den offenbar mordlüsternden Kreaturen hin und her. Der hoffnungslose Blick der Kleinen zerriss ihr fast das Herz. Niemals könnte sie das Kind hier hilflos zurücklassen! Diese furchtbaren Wesen würden sie augenblicklich töten. Wie konnte sie verhindern, dass sie hier beide auf ebendieser Stelle starben? Darauf bedacht, Zeit zu schinden, versuchte sie die Männer in ein Gespräch zu verwickeln. Vielleicht erfuhr sie mehr, um sich aus dieser tödlichen Schlinge ziehen zu können. »Was wollt ihr von diesem Kind? Wieso wollt ihr so etwas Unschuldiges töten?«

    Sie war erstaunt, wie fest und selbstsicher ihre Stimme klang. Doch intuitiv wusste sie, dass mit diesen Gestalten nicht zu spaßen war. Lange würden die sich nicht von ihr hinhalten lassen. So schnell es ging musste Ilena sich für einen Weg entscheiden. Nein, das hatte sie bereits getan. Was auch immer diese grausamen Kreaturen mit ihnen vorhatten, sie würde alles versuchen, um wenigstens das Mädchen zu retten. Plötzlich riss einer der Männer sie mit seiner rauen, tiefen Stimme aus ihren Gedanken: »Sie ist eine Mostrana! Seit Jahrhunderten hatten sie die Macht über unsere Welt, nun ist es an der Zeit, dass wir uns unser Land und unsere Macht zurückholen! Das ist doch überall bekannt! Närrin!... Alle wissen das!« Hämisch grinsend breitete der Kerl die Arme aus, um seinen Worten mehr Wirkung zu verleihen.

    Wovon redet er? Mostrana, der Name sagt mir überhaupt nichts. Und davon wissen alle? Nun, ich nicht, dachte sie und verzog angewidert das Gesicht. Diese Reaktion entging dem Mann wohl nicht, denn er durchbohrte Ilena mit seinem Blick. »Wer bist du? Kommst her, pfuschst uns dazwischen und tust, als wüsstest du von nichts.« »Ich äh… Ilena… und äh… wo bin ich hier?«, stotterte sie und erkannte zu spät, dass sie das besser nicht gesagt hätte. Der Mann sah sie erstaunt an und musterte sie eindringlich. »Die Prophezeiung!«, zischte jemand hinter ihr, Hass zitterte in der Stimme. Die Affen grunzten laut, wobei einige von ihnen, als Ausdruck ihrer Zustimmung, ihre Waffen aufeinanderschlugen und damit ohrenbetäubend schepperten. Sie hatte das Gefühl, dass alle Augenpaare auf ihr ruhten und sie von Kopf bis zu ihren Füßen musterten. Ilena schwirrte der Kopf. Welche Prophezeiung? Das alles war ihr allmählich doch zu viel. Erst lande ich in einer anderen Welt, dann diese Mostrana, diese Affendinger und jetzt auch noch irgendeine Prophezeiung. Was kommt denn jetzt noch, dachte sie panisch. Sie fand, jetzt wäre der richtige Moment, um wieder aufzuwachen – zu Hause im warmen Bett.

    Doch der hochgewachsene Mann vor ihr hatte seine Fassung wiedergewonnen und sprach sie direkt an: »Na, das nenne ich mal Glück, dass wir dich gleich gefangen haben, bevor du noch mehr Unsinn stiften konntest!« Er freute sich sichtlich, worauf ein höhnisches Lachen folgte. »Das ist schon lustig, so ein kleines, zartes Mädchen wie du«, sein Grinsen wurde noch breiter, »soll uns davon abhalten, die Macht zu übernehmen? Das hat noch keine vor dir geschafft! Und du, Mäuschen, hast jetzt schon verbockt!« Sein boshaftes Lachen schallte durch den Wald und ließ sogar die Vögel verstummen, die von den Ästen auf sie herablugten.

    Urplötzlich verstummte der Kerl und gab seinem Gegenüber ein Zeichen; dieser reagierte sofort und war mit ein paar Schritten bei Ilena. Seine vorgeschnellte Hand wollte sie gerade packen, als ein mit goldenen Ranken verzierter Pfeil seine Brust durchbohrte. In derselben Sekunde schlossen sich große, weißglänzende Flügel um Ilena und das an sie gepresste kleine Mädchen. Nicht einen Wimpernschlag später schossen sie hinauf in die Lüfte. Starke Arme hielten sie beide umschlungen und schützten sie. Schnell entfernten sie sich von ihren Angreifern, die immer mehr verblassten, bis sie nur noch als kleine Punkte auszumachen waren und dann zwischen den Baumkronen verschwanden. Die Luft zischte warm an ihnen vorbei, während sie in einem berauschenden Tempo über Wiesen und Wälder, Flüsse und Seen flogen. Ihre Angst wich langsam einem Gefühl der Freude. Seit sie ein Kind war, wünschte sie sich von Herzen, fliegen zu können. Nur hatte sie diesen Traum schon seit Jahren aufgegeben, nachdem sie auf dem Pferdehof ihres Onkels von der Scheune gesprungen und mit einem gebrochenen Fuß davongekommen war.

    Das Geräusch auf- und abschlagender Flügel riss sie aus ihren Gedanken. Höher und höher ging es. Kann es möglich sein, dass… nein! So etwas gibt es nur in der Fantasie, im Traum, in Büchern oder Filmen, doch keinesfalls in Wahrheit! Was geschieht hier mit mir? Ist das eine andere Realität oder habe ich nur wieder einen meiner verwirrenden Träume? Ihr Bauchgefühl widersprach ihr jedoch. Alles wirkte real. Das Kind in ihrem Arm. Eine Mostrana, das klang schön. Die Bedrohung durch die brutalen Jäger und diese affenähnlichen Wesen. Da war es wahrscheinlich, dass diese neue Welt weitere Überraschungen für sie bereithielt. Langsam und darauf bedacht, dass ihr Retter es nicht mitbekam, drehte Ilena ihren Kopf zur Seite und schräg nach oben um ihn genauer anzusehen.

    Sie blickte in das makelloseste Gesicht, das sie je gesehen hatte – eine gerade männliche Nase und perfekt geschwungene Lippen. Schwarze Locken flogen wild im Wind. Sein Blick war hingegen starr und konzentriert nach vorne gerichtet. Seine Flügel waren gewaltig und reflektierten seidig das Sonnenlicht. Seine Aura versprühte Sicherheit und Macht. Dann ließ Ilena ihren Blick wieder über das kleine Mädchen schweifen, das sich zufrieden lächelnd an sie kuschelte. Sie strich der Kleinen mit einer Hand über den Kopf, und ihr Blick huschte zu ihrer Retterin auf, sie neugierig musternd.

    »Ich bin Ilena! Und wie heißt Du?«, sagte sie mit einem warmen Lächeln. »Anastasia, aber alle nennen mich Ana!« Ihre Augen funkelten fröhlich. Wo war das ängstliche Mädchen von vorhin geblieben? Fühlte sie sich in der Gegenwart des Engels auch so unverletzlich wie sie selbst? Kaum hatte Ilena den Gedanken zu Ende geführt, setzte ihr Retter zum Landeflug an. Es war ein elektrisierendes Gefühl. Eine Achterbahnfahrt konnte man wohl am ehesten damit vergleichen, so, wie sie durch die Luft glitten und schließlich zwischen gewaltigen Bäumen landeten. Der Engel entließ sie aus seiner Umarmung und nahm ihr das Mädchen ab. Ohne sie auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen, sprach er zu Ana: »Das nächste Mal passt du bitte besser auf und entfernst dich nicht so weit vom Dorf! Wäre ich nicht im richtigen Moment aufgetaucht, wärst du jetzt tot und deine Begleiterin«, mit einem Kopfnicken zeigte er in Ilenas Richtung, »wäre eine Gefangene Luzifers und das nur, weil sie dir – im Prinzip – das Leben retten wollte!«

    Also wirklich, dachte Ilena, ich habe mein Leben aufs Spiel gesetzt, um Ana zu retten und dann habe ich Anas Leben nur im Prinzip gerettet. Was für ein arroganter, selbstverliebter Typ ist das denn! Okay, er hat uns in letzter Sekunde aus der Patsche geholfen, aber hätte ich nicht den ersten Schritt gemacht und wäre mit Ana geflohen, dann würde es keine Ana mehr geben und auch er wäre zu spät gekommen, verteidigte sie sich innerlich, aber es auszusprechen wagte sie nicht. Sie wusste ja nicht, wozu diese Engel fähig waren.

    »Ich wollte niemals, dass irgendjemand sein Leben für mich aufs Spiel setzt! Wirklich! Oh, Ilena es tut mir so leid!«, weinte Ana und wischte mit einer Hand über ihre Augen. »Ach, Ana!«, Ilena drückte das Kind an sich, »Alles ist doch noch gut ausgegangen! Niemandem ist zum Glück etwas passiert.« Die Augen der Kleinen schauten zu ihr auf, und sie presste die Arme noch fester um Ilena. »Ich denke, wir sollten die anderen im Dorf informieren, dass Ana wieder da ist und dass«, er warf einen skeptischen Blick auf Ilena, »eine neue Retterin erschienen ist, um unser Volk zu schützen und zu regieren.« Es sprudelte nur so vor Wut in ihr: »Was denkst du eigentlich, wer du bist, dass du die ganze Zeit so herablassend mit mir reden kannst? Ich habe mir das hier alles auch nicht ausgesucht, wo bin ich überhaupt?« Der Engel erwiderte ihren feurigen Blick mit Gelassenheit. »Also, um deine erste Frage zu beantworten, ich heiße Samael. Und dass dies hier nicht deine Welt ist, wirst du wohl schon bemerkt haben.« Auf Ilenas fragenden Blick hin ergänzte er: »Du bist in Belorah, in einer Zwischenwelt, zwischen Himmel und Erde, die überwiegend Mostrana bewohnen. Also wundere dich hier über nichts.«

    »In Belorah? Also ich sehe nur Bäume und Wildnis…«, erwiderte Ilena und blickte ihn spöttisch an, aber er ignorierte sie einfach, drehte sich um und trat zwischen drei hohe Pinien, die ein gleichschenkliges Dreieck bildeten. Ana nahm Ilenas Hand und zog sie ebenfalls hinein. Sobald die drei hineingetreten waren, begannen sich die durch die Baumkronen fallenden Sonnenstrahlen in Windrosen zu wandeln. Lose Blätter, die eben noch zu ihren Füßen lagen, bewegten sich tanzend gen Himmel. Die vielen hell glitzernden Windrosen kreisten geradewegs auf sie zu, bis sie sich schließlich miteinander vereinigten und einen an ihren Gliedern zerrenden, funkelnden Wirbelsturm bildeten. Starke Böen erfassten ihre drei Körper und rissen sie vom Boden. Die Strahlen waren so gleißend hell und schmerzten, dass Ilena ihre Augen zukneifen musste. Kaum konnte sie realisieren, was mit ihr geschah, da hatte sich der wirbelnde Sturm wieder verzogen und sie mitten in ein quirliges Dorfleben hineintransportiert. »Wie… was… «, stotterte Ilena durcheinander und musste sich an Ana festhalten, bis es sich in ihrem Kopf nicht mehr drehte, und ihr Gleichgewicht zurückkam.

    »Daran wirst du dich wohl gewöhnen müssen! «, entgegnete ihr Samael kühl, »wir sind durch ein Portal in unser Dorf gelangt. So halten wir es vor den grauen Kriegern, den Wukogi, und ihren Soldaten, den Sluvrak, versteckt. Und bevor du fragst – das Portal lässt nur Lebewesen hindurch, die ein reines Gewissen und ein liebendes Herz haben. Na ja, mich wundert´s etwas, dass es dich hindurchgelassen hat!«, fügte er grinsend hinzu. »Dasselbe könnte man von dir sagen!«, konterte Ilena. »Wie es auch sei, willkommen in Belorah! Es ist mir eine Freude, dich hier begrüßen zu können!«, mischte sich ein weiterer Engel in ihr Gespräch ein, der den Wortwechsel zwischen ihnen gehört zu haben schien. Er machte eine kleine Verbeugung, nahm charmant ihre Hand, hob sie an seine Lippen und hauchte einen sanften Kuss darauf. Ilena sah ihn verblüfft an und machte ihrerseits einen kleinen Knicks zur Begrüßung. »Vielen Dank!«, hauchte sie.

    Der Engel lächelte sie kurz an und ließ seinen Blick langsam über ihren Körper gleiten, als würde er ihn begutachten. Ilena tat es ihm gleich und musterte ihn ebenfalls. Seine Kleidung bestand nur aus einer enganliegenden, dunklen Hose und hohen Stiefeln aus Leder. Seinen muskulösen nackten Oberkörper zierte nur der breite Gurt für sein riesiges Schwert, abgesehen von den ausladenden Flügeln auf seinem Rücken. Eher ein Krieger als ein Engel. Aber auch er hatte diese schwarzen, zerzausten Haare und ein ebenmäßiges, wie aus Marmor gehauenes Gesicht, das Ilena beeindruckte. Sein blau blitzender Blick traf sie unvorbereitet. Ertappt schlug sie die Augen nieder, als sie ein Schmunzeln um seine Mundwinkel wahrnahm.

    Aber da spürte sie Anas Hand in ihrer, die heftig daran zog. Ilena gab nach und die Kleine drängelte sich mit ihr durch die sich inzwischen versammelte Menge, weg von diesem irritierenden Engel, von dem sie leider nicht einmal den Namen erfahren hatte. »Du musst unbedingt meine Familie kennenlernen!«, plapperte Ana aufgeregt und hüpfte vor ihr her. Einige der umstehenden Leute, alle in langen farbigen Gewändern, musterten Ilena misstrauisch, andere lächelten und begrüßten sie herzlich. So wie es schien, kannte hier jeder jeden, und da fiel ein Fremder sofort auf.

    Im Laufe des Vormittags lernte sie Anas siebenköpfige Familie kennen. Außer der altmodisch wirkenden Kleidung war an ihnen nichts Ungewöhnliches. Höflich und gastfreundlich dankten sie ihr für Anas Rettung. Keiner von ihnen erwähnte den Schutzengel, was Ilenas Selbstvertrauen steigerte. Gegen Mittag sollte Ana ihrer Mutter in der Küche helfen, sodass der Neuankömmling Zeit hatte, sich im Dorf umzusehen. Unter einem Baum, der Schatten vor der Hitze bot, saßen einige

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