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Mondscheingeheimnisse: Im Bann des Fluches
Mondscheingeheimnisse: Im Bann des Fluches
Mondscheingeheimnisse: Im Bann des Fluches
eBook282 Seiten4 Stunden

Mondscheingeheimnisse: Im Bann des Fluches

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Über dieses E-Book

In einem Internat in Hamburg leben fünf ungewöhnliche Jugendliche: bei Nacht, wenn der Mond auf sie scheint, verwandeln sie sich in Raubtiere. Bei Sonnenaufgang werden sie wieder zu Menschen. Ein anderes Mädchen entdeckt jedoch dieses ungewöhnliche Geheimnis und es bricht Panik aus. Hinzukommt noch ein Fluch, der sie alle versteinern lässt. Nur Lucy ist von den Fünf noch lebendig und hat keine andere Chance, als Clarissa um Hilfe zu bitten. Der Wettlauf gegen die Zeit beginnt, denn auch Lucy ist bald ihrem Schicksal geweiht. Clarissa ist schon bald auf sich alleine gestellt. Wird sie es schaffen, die Halbmenschen aus der Versteinerung zu erlösen?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum17. März 2021
ISBN9783347280953
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    Buchvorschau

    Mondscheingeheimnisse - Cosima Klodt-Bussmann

    1. Kapitel

    Im Zimmer bewegten sich Schatten, schwarz wie die Nacht. Gespenstisch wirkten sie. Fast ganz verschmolzen mit der Umgebung und dennoch erkennbar, wenn man sich anstrengte und versuchte, sie zu sehen. Es waren nicht die Schatten von Menschen. Nur zu wem gehörten die Schatten sonst? Zu Ungeheuern? Zu Monstern? Da! Einer hatte Krallen! Ein anderer hatte mörderscharfe Reißzähne! Jetzt war es eindeutig: Es waren die Formen von Tieren. Nicht von harmlosen, nein, von Raubtieren! Sie schlichen in dem Zimmer umher. In keine genau Richtung. Oder doch? Was war das Ziel dieser Raubtiere? Schlafende Kinder überall. Nichtsahnende Geschöpfe. Unschuldige. Waren sie die Beute? Die stechenden gelben Augen einer Tigerin glitzerten bedrohlich im Dunkeln. Ein weiteres gelb funkelndes Augenpaar tauchte auf. Nun waren es zwei Schatten. Stark genug, um es mit einer ganzen Horde kreischender Menschen aufzunehmen. Wäre jetzt ein Schlafender aufgewacht, hätte er sicher den Schrecken seines Lebens gehabt. Wie am Spieß hätte er geschrien. Doch es schreckte keiner aus seinem Schlaf hoch und somit schrie auch niemand. Zu hören waren allein die Atemgeräusche der wachen und der schlafenden Personen. Leises Schnarchen füllte den Raum aus, doch davon ließ sich niemand irritieren. Einer der Schatten bewegte sich nun zielgerichteter. Er kam einem der Betten gefährlich nahe. Er beugte sich über ein Mädchen mit blonden leicht gewellten Haaren. Wie eine kleine Prinzessin lag sie seelenruhig dort. Nicht wissend, dass sich gerade über sie ein Raubtier beugte. Der Schatten schaute auf sie hinab, die wie ein kleiner Engel dalag. Doch auch sie war nicht, wer sie vorgab zu sein. Wer war denn überhaupt noch normal? „Lass das. Sie wird schon gleich nachkommen. Da bin ich mir sehr sicher, zischte ein zweiter Schatten genervt. Die andere Gestalt glitt lautlos, aber doch widerspenstig vom Bett des Mädchens zurück und meinte: „Ich wollte sie ja bloß schon wecken, damit sie nichts verpasst. Also Mrs. Ungeduldig. Wolltest du dich nicht beeilen? Mit diesen Worten huschte sie zur Tür und verschwand. Das andere Raubtier folgte ihr. Ein kleiner Windstoß ließ die Gardinen flattern, dann war wieder alles still. Als wäre nie etwas Absonderliches geschehen. Sie traten auf den Flur hinaus und schlichen durch das Tor. Auf halbem Weg trafen sie zwei weitere Schatten. Sie folgten ihr. Eine mächtige Garde von Raubtieren. Als sie draußen an der frischen Luft waren, stürmten sie los. Nichts könnte sie jemals aufhalten. Sie spürten keinen Schmerz mehr, keine Furcht. Das Kratzen der Dornen war egal. Einzig und allein ihre Freiheit zählte. Atemlos glitten sie aus den Büschen. Sie glaubten sich in Sicherheit, vor Blicken und Gefahren geschützt. Jetzt konnte man sie erst erkennen. Vor dem Mond zeichneten sich die Raubtiere ab: Ein Bär, eine Leopardin, ein Wolf und eine Tigerin. Der Bann war gebrochen. Schmerz und Furcht, davor würden sie nie bewahrt werden, selbst als Tiere nicht. Die Leopardin begann zu sprechen. Ihre Verzweiflung machte ihre Stimme brüchig. Tränen rollten über das Fell ihrer Wangen: „So können wir nicht weiter machen! Wenn uns jemand sieht, werden wir wahrscheinlich gejagt. Und irgendwann werden sie einen von uns treffen und dann können wir nie wieder ein Mensch bei Tage sein! „Ach, du bist ja so eine Heulsuse und denkst immer gleich an das Negative, erwiderte die Tigerin, doch tief in ihrem Innern spürten sie alle, dass es die Wahrheit war. Ein Keuchen erklang aus dem Gebüsch, ein Ast knackte. Das Geräusch schalte laut durch die Stille als wäre ein Schuss abgefeuert worden. Abrupt drehten sie sich alle vier um. Wer war das? Hatte sie jemand gesehen?

    Totenstille. Vor Schock vergaßen sie zu atmen. Rote Fetzen waren zwischen den Blättern zu erkennen. Ein Rascheln war zu hören und noch eins. Die vier Tiere standen dort wie zu Salzsäulen erstarrt. Unfähig sich zu bewegen. Wäre dies ein fremder Beobachter, wären sie ausgeliefert, das war ihnen klar. Die Kälte und die Angst ließen ihre Leiber bibbern. Hellgrüne Augen blitzten zwischen dem satten, dunkelgrünen Blätterwerk hervor.

    Langsam, als würde sie den Moment genießen wollen, trat die Gestalt aus ihrer Deckung hervor. Es war kein Mensch. Ein weiterer Schatten? Als alle sie erkannten, traf sie eine Welle der Erleichterung. Sie atmeten wieder aus. Es war nur Lucy, eine Füchsin. „Habe ich etwas verpasst?, fragte sie zufrieden, als sie die überwältigten Gesichter vom Rest der Garde sah. „Nein, nicht wirklich. Nur das übliche Problem mit Nella. Du weißt ja gar nicht, wie sehr du uns erschreckt hast! Ein kleines Lächeln huschte der Füchsin übers Gesicht. Ja, das hatte sie. Obwohl sie es noch nicht einmal vorgehabt hatte. Der große braune Bär stand abseits. Er schaute wie hypnotisiert in den kleinen Fluss, der zu seinen Füßen floss. Er war die Ruhe in Person und dabei war das, was er gleich sagen würde, nicht erfreulich. Ganz im Gegenteil. Seine Stimme war tiefer und hatte einen angenehmen Singsang, als käme der Akzent aus einer anderen Welt. Seine Augen wurden unnatürlich groß. Er sprach wie ein Prophezeiender: Gelassen aber eindringlich. „Großen Ärger wird es geben. Geheimnisse werden sich lüften. Von dem Moment an, wo irgendjemand uns sieht, während wir uns bei Tagesanbruch zurückverwandeln oder wenn wir uns aus dem Internat schleichen, geht alles bergab. Wir werden auf immer Tiere bleiben. Hütet euch vor der goldenen Schlange. Wir haben nur eine Rettung…"

    Etwas weiter von ihnen entfern, in dem Internat für Jungen und Mädchen lebte ein besonderes Mädchen. Sie hatte Kochdienst und musste deswegen sehr früh aufstehen. Sie hieß Clarissa, hatte blondes Haar, das ihr über die Schulter fiel, blaue Augen und hatte eine beste Freundin (sie hieß übrigens Lotte). Das Schräge war, dass Clarissa jeden Morgen von leisen Bewegungen geweckt wurde. Sanft war das Aufwachen nie gewesen, denn sie wurde jedes Mal brutal aus dem Schlaf gerissen. An diesem Tag jedoch erwachte sie von selbst. Sie zog ihre Taschenuhr hervor, und nur ein Blick genügte ihr und sie wusste, dass sie noch früher erwacht war, als sonst, an einem normalen Tag.

    Aber dies war eben kein normaler Tag. Die Uhr in ihrer Hand war schwer und golden. Wenn man sie anschaute, wusste man sofort, dass sie sehr alt war.

    Clarissa ging auf das Internat, weil sie keine Eltern hatte. In den Ferien fuhren die Kinder, die Eltern hatten, nach Hause und die anderen mussten für diese Zeit ins Waisenhaus. Dort war alles viel zu modern und kühl eingerichtet, fand Clarissa. Sie war sehr glücklich, dass sie nicht die ganze Zeit dort bleiben musste. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie an die Leiterin des Waisenhauses dachte. Eine knochige, alte Dame mit Adleraugen, denen nichts entging. Wäre ja auch echt der Horror!, dachte sie. Die Uhr hatte sie schon um den Hals hängen, als sie ein ganz kleines Kind war. Sie hatte kaum mehr eine Erinnerung daran, was passiert war, bevor sie vor dem Tor des Waisenhauses abgegeben worden war. Vielleicht hatte sie diese Antiquität ja von ihren Eltern bekommen. Doch dann rief sie sich wieder ins Gedächtnis, dass die Köchin auf sie wartete. Der Gedanke an ihren Dienst brachte sie wieder ins hier und jetzt zurück. Die Köchin freute sich, wenn man früher kam. Also schob sie die Decke beiseite und zog sich an. Clarissa war schon sehr geschickt darin geworden, leise zu sein, da es jeden Morgen so war. Es war schon eine Routine für sie. Sie ging auf den Flur und nahm den Weg zum Speisesaal hinter dem auch die Küche war. Und wirklich, die Köchin freute sich sehr darüber, sie schon früher zu sehen. Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen und ließ sie gleich viel freundlicher wirken. Auch Clarissas Stimmung hob sich augenblicklich. Clarissa band sich die Schürze um. An diesem Morgen sollte sie leckere Pfannkuchen, Brot, gekochte Eier, Speck, Wurst und Kaffee zubereiten. Sie schaute aus dem Fenster und verschüttete fast die Milch. Sah sie noch richtig? Clarissa erblickte etwas Merkwürdiges: Tiere. Eher gesagt Raubtiere. Ein Bär, ein Wolf, eine Füchsin, eine Tigerin und eine Leopardin im Gebüsch beim Internat. Hier! Clarissa kniff sich in den Arm, aber das half nichts, denn die Tiere waren immer noch da. Das würde ihr niemand glauben! Und dann passierte noch etwas Komisches. Die Sonne schien gerade mit ihren ersten Strahlen auf die Erde. Sie erwärmte ihr das Gesicht in einem wunderschönen orange. Während dieses schönen Momentes spielte sich das Unfassbare in Blitzgeschwindigkeit ab. Die Pfoten der Tiere begannen zu glitzern. Es sah aus, als würden sie sich in feinen Staub auflösen. Aber wie ging das denn? Anstelle, gar nichts zu hinterlassen, erschienen Menschenbeine. Der Staub und die Tiere verflüchtigten sich. Zurück blieben ganz gewöhnliche Menschen. Die Tiere hatten sich also urplötzlich in Menschen verwandelt. Doch das Schockierendste war, dass die, die eben noch eine hübsche Tigerin gewesen war, jetzt ihre beste Freundin war. Die Anderen kannte sie nicht. Oder doch? War das nicht Lucy? Lotte hatte ihr schon öfters von ihr erzählt.

    Clarissa mochte die Köchin, Gerda, sehr gerne, da diese immer nett zu ihr war. Gerade erteilte sie ihr eine weitere Aufgabe und sie musste sich beeilen, weiter zu machen. Also sagte sie sich in Gedanken: Verschieb deine Verwunderung auf später und pass jetzt auf! Gerda ist doch auch sonst schon so geduldig mit dir. Sie bemühte sich, nicht an dieses Ereignis mit den wilden Tieren zu denken und kochte und backte was das Zeug hielt. Es war Samstagmorgen und die Schule begann erst um neun Uhr. Andere Schulen in Hamburg hatten samstags keine Schule, doch das Hamburger Internat für Jungen und Mädchen (die Abkürzung dafür war HIfJuM) war ein Sonderfall. Als Clarissa nach ein paar Stunden mit ihrem Dienst fertig war, zog sie die Schürze aus.

    Später, als es Frühstückszeit war, sah sie Lotte. Von außen schien sie putz-munter, doch sie ahnte schon, dass etwas mit ihr nicht stimmte und dass sie etwas bewegte. Sie konnte diese Fassade durchschauen nach so vielen Jahren der Freundschaft. Sie ging zu ihr und den anderen Mädchen an ihrem Tisch und fragte: „Kommst du einmal mit, Lotte?. Sie musste unbedingt mit ihr über diese „Sache sprechen. Sie zog Lotte leicht am Ärmel, um ihr zu verstehen zu geben, dass es dringend war. Sie gingen zusammen in eine Ecke. „Was ist denn los?", wollte Lotte von ihr wissen.

    „Ich möchte mit dir sprechen, über das mit den Tieren und der Verwandlung ", gab Clarissa wahrheitsgemäß zurück. Lotte starrte nur in die Ferne und für einen kurzen Augenblick dachte sie, Angst in ihren Augen gesehen zu haben. Doch der Moment verflog sofort. Irritiert schaute sie Clarissa an und die dachte schon fast sie wäre übergeschnappt und hätte sich alles nur eingebildet. Aber nur fast. Sie konnte sich einfach nicht geirrt haben, oder vielleicht doch? War die Fantasie mit ihr durchgegangen?

    „Ich weiß nicht, von was du da gerade sprichst ", meinte Lotte noch, bevor vier Kinder sie riefen und sie zu ihnen ging. Es waren dieselben, wie die, die sie vorhin mit ihr gesehen hatte, als sie sich verwandelt hatten. Sie erkannte Lucy auch wieder. Lotte drehte sich nicht mal mehr zu ihr um und aß mit den anderen. Es versetzte Clarissa einen tiefen Stich ins Herz, den sie verdrängen wollte. Doch er blieb und sie wusste, dass er bleiben würde. In ihrem Inneren war sie verletzt und traurig darüber, dass Lotte ihr nicht die Wahrheit sagen wollte und so tat, als wüsste sie von nichts. Clarissa suchte unentwegt nach einem Platz zum Essen. Doch da alle Kinder abräumten sobald sie in deren Nähe kam, gab es genug freie Tische. Also gab sie die Suche auf und setzte sich an einen leeren Tisch und musste ohne Gesellschaft essen. Sie dachte über das Gesagte beim Frühstück nach. Ein großes Knäuel schien in ihrem Bauch zu sein, denn sie fühlte sich zusammen-gepresst und mies.

    Warum lassen alle mich so alleine? Wieso reagiert Lotte so unfreundlich und gereizt? Habe ich mich getäuscht, sie gesehen zu haben? Der Gong erklang und sie räumte ihr Tablett ab. Eilig hastete sie in ihren Klassenraum. Die Schule begann und sie wollte in der Zeit nicht an Lotte denken. Also passte sie gut auf. Doch es fiel ihr schwer, nicht jede Sekunde einen schnellen Blick zu Lotte zu werfen. Clarissa sah sie sich genauer an. Immer, wenn sich ihre Augen trafen, senkte sie sofort ihre Lider. Lotte schrieb etwas auf einen losen Zettel. Was tut sie da?, fragte sie sich. Eine geheime Nachricht vielleicht? Oder doch ein Liebesbrief an irgendeinen Jungen? Clarissas Stimmung war auf einmal wieder gut. Oh ich bin ja so gespannt an wen er ist! Früher haben wir uns immer so etwas erzählt und das tut sie jetzt bestimmt auch noch. Also müsste sie es mir eigentlich bald verraten. Clarissa war fast schon enttäuscht, als der Zettel durch die Luft flog (natürlich als der Lehrer gerade nicht schaute) und auf ihrem Platz landete. Dort stand in krakeliger Schreibschrift:

    Clarissa,

    ich muss später mit dir sprechen. Du weißt weshalb!

    Es war kurz und verständlich. Doch irgendwie war das frech. Keine Entschuldigung und keine Erklärung. Etwas genervt schrieb sie zurück:

    Schreib es mir doch! Das wird schon kein anderer lesen. Ehrlich… Aber antworte nicht so geheimnisvoll!

    Sie faltete das Blatt, wie Lotte es zuvor getan hatte, zu einem Papierfalter. Dann blies sie es von unten in die Luft zu Lotte. Doch der Lehrer sah es und schaute sie verärgert an. Clarissa wurde wütend. Lotte schrieb aber nichts mehr sondern schaute aufmerksam in die Klasse. Und bedeutete dem Lehrer zu dem was er sagte, nickend, dass sie aufpasste und mitmachte. Das machte Clarissa nur noch wütender. Sie schaute Lotte für eine Ewigkeit nicht an. Auch als sie einen ganz sachten und leichten Windstoß spürte, schaute sie sich nicht um. Unmittelbar danach landete ein Zettel auf ihrem Tisch. Dieses Mal war es aber kein kleiner Zettel sondern ein großes Blatt Papier, das gefaltet worden war. Clarissa nahm ihn auseinander. Dort stand:

    Liebe Clarissa,

    ich weiß, dass du weißt, dass ich ein Geheimnis habe. Es ist wirklich nicht über oder gegen dich, aber ich konnte es dir noch nicht erzählen. Es war -und ist eigentlich immer noch-zu gefährlich. Für mich, aber auch für die Anderen. Mein ganzes Leben hängt an diesem Geheimnis! Keiner darf etwas davon mitbekommen, der nicht in unserer Gruppe ist. Jeder hat ein Schicksal, aber nicht immer kann man es sich aussuchen. Hätte ich es gedurft, hätte ich mich bestimmt dagegen entschieden, ein halbes Tier zu sein. Ich verwandele mich in der Nacht in eine Tigerin, wie du sicherlich auch gesehen hast. Jede Nacht treffen wir uns, wenn ihr anderen alle schlaft…

    Clarissa, ich flehe dich an, verrate niemanden etwas von dem was du gesehen hast!

    Danke!

    Deine allerbeste Freundin Lotte

    Das war wieder ihre Freundin, fand sie. Also die, die sie mochte und kannte. Die, mit der sie schon fast ihr ganzes Leben verbracht und gespielt hatte. Auch wenn wir viel weniger Zeit zusammen verbringen als früher, finde ich, dass ich sie noch wiedererkenne. Manchmal ein bisschen melodramatisch, aber auch offen und irgendwie frei, dachte sie. Endlich hatte sie seit langem mal wieder das Gefühl eine gute Freundin zu haben. Sie war nicht mehr wütend, eher … glücklich. Als sie den Brief noch ein zweites Mal durchgelesen hatte, schaute sie wieder auf. Der Unterricht konnte nun für sie weiter gehen. Und wie durch ein Wunder erschien ihr die Stunde nicht mehr ganz so lange. Vielleicht hatte sie sogar ein bisschen Spaß an den Aufgaben des Lehrers. Bald ertönte auch das Schulläuten. Die Schule war vorbei. Alle Kinder strömten erleichtert aus dem Klassenraum und auf dem Flur war es sehr voll. Alle Kinder drängelten.

    2. Kapitel

    Clarissa stand an diesem schönen Sonntagmorgen noch früher auf, als am Tag zuvor. Das Einzige was sie dazu trieb, war es, mehr über Lottes Geheimnis zu erfahren und es selbst nochmal mit eigenen Augen zu sehen. Sie konnte es sich nicht vorstellen, verrückt zu sein. Daher stieg sie aus ihrem Bett und zog die Gardine auf. Sie sah aber nichts von dem, was sie sehen wollte. Stattdessen zeichneten sich hinter dem Glas Bäume, Büsche und Blumen ab. Denn der Platz, wo sich die Halb-Tier und Halb-Mensch Kinder trafen, lag vor dem Küchenfenster und nicht vor dem Mädchenzimmer. Hinter ihr regte sich ein Mädchen und blaffte sie an, wieso sie denn so früh die Gardine öffne und offen ließe. Da zog Clarissa den Vorhang ganz schnell zu. Das Mädchen legte sich murrend wieder hin. Wie jeden Morgen zog sie sich ihre Sachen an und ging in die Küche. Dort schaute sie aus dem Fenster. Hinter ihr regte sich etwas, aber sie schaute nur verblüfft hinaus. Dort war kein Anzeichen von ihrer Freundin und den Anderen- oder doch! Die ihr allmählich vertrauten Schatten schlichen in Richtung Internatseingang. Für Clarissa war die Entscheidung nicht schwer, sie musste denen hinterher! Vielleicht erfuhr sie ja sogar ein Geheimnis!

    Aber ihr war klar, dass niemand sie sehen durfte. Nicht Lotte mit ihren Freunden, noch irgendjemand anderes. Kurz gefasst, es durfte sie einfach niemand sehen. Sie drehte sich um und wollte ihr Vorhaben in die Tat umsetzten, doch da stand ein hübsches Mädchen vor ihr und wollte sie etwas fragen. Clarissa wurde bei dem Anblick des Mädchens neidisch. Denn sie war das einzige Kind im Internat, dessen Eltern reich waren, es zudem noch liebten und es nur abgeben mussten, weil sie zu viele Arbeitsreisen (wegen ihrer Jobs) machten und so zu wenig Zeit für ihr Kind hatten. Und jetzt wollte dieses Kind sie zum ersten Mal etwas fragen. Aber es war eine ganz andere Frage, zu einem ganz anderen Thema, als sie gedacht hatte. Denn sie sagte: „Ich komme von Konrad und er hat mir aufgetragen, dich zu fragen ob du ihn liebst. Und, liebst du ihn?, fragte sie spöttisch. Naja, ehrlich gesagt war sie ein bisschen in ihn verknallt, aber das wollte sie ihr nicht gestehen. Deshalb sagte sie angeekelt: „Nein, wieso sollte ich? „Könnte ja sein. Aber da es nicht so ist, musst du es ihm klar machen. Hmm… Du könntest ihm ins Gesicht schreien, dass du ihn nicht magst und ihm eine Backpfeife geben. Clarissa war zu überrascht von dieser neuen Situation, als dass sie einen klaren Gedanken hätte fassen können. „Aber muss das denn sein?, fragte Clarissa besorgt. „Bist du jetzt in ihn verliebt oder nicht? Ich habe ihm meine Meinung auch schon Mal ins Gesicht geschrien und ihm eine Backpfeife gegeben. Das klappt wirklich."

    „Okay, ich… ich mache es, sagte sie nach kurzem Zögern. „Du hast aber lange gebraucht, darüber nachzudenken. Egal, ich hole jetzt ein Kissen, damit wir das Schlagen üben. Das hast du, so wie du aussiehst, bestimmt noch nie gemacht, sagte das viel zu hübsche Mädchen und verschwand in Richtung Mädchenschlafzimmer. Immer noch besorgt, ergriff Clarissa die Chance, den anderen und Lotte doch noch folgen zu können und gleichzeitig dem Mädchen, das mit ihr das Schlagen üben wollte, zu entwischen. Und sie hatte Glück, denn genau in dem Moment, als sie hochguckte, glitten die Schatten gerade an der Tür des Essbereichs vorbei. Schnell und flink folgte Clarissa ihnen. Schon bald hatte sie die anderen eingeholt. Doch plötzlich drehte sich einer von ihnen um.

    Ihr Herz schlug ihr in Sekundenschnelle bis zum Hals. Gerade noch rechtzeitig sprang sie hinter eine Kommode. Sie wunderte sich, weshalb dieser Gegenstand sich in einem sonst komplett leeren Flur befand, aber das machte ja nichts aus. Die Hauptsache war, dass sie dadurch nicht aufgeflogen war. Also bis jetzt noch nicht.

    Sie wagte einen Blick hinter der Kommode hervor und blickte einen kurzen Augenblick lang in andere Augen. Sie waren grün mit braunen Sprenkeln. Sie gehörten einem Jungen und Clarissa fürchtete schon, er hätte sie entdeckt. Also musste sie hier weg. Rundherum war kein Gegenstand oder Lebewesen, hinter dem sie sich verstecken konnte. „Was ist denn los, Marley? Hast du jemanden gesehen?, fragte ein Mädchen. „Nein, ich weiß es nicht, aber ich glaube, dass sich dort hinten irgendetwas bewegt hat.

    Puh, sie atmete erleichtert aus. Ups, nicht so laut Clarissa, sonst hören sie dich noch!, ermahnte sie sich selbst in Gedanken. „Oh nein, jetzt ist es passiert!, jammerte ein anderes Mädchen. „Jemand hat uns entdeckt. Das ist der Anfang vom Untergang.

    „Ach hör schon auf. Wenn wir vorsichtig sind, kann er oder sie uns nicht folgen. Und wer weiß, ob sich Marley nicht vertan hat und da doch niemand ist?", meinte Lotte.

    „Na gut, dann aber weiter jetzt, sagte Marley genervt. Finster dachte er: Aber ich würde etwas anderes machen. Da setzte sich die kleine Gruppe wieder in Bewegung. Clarissa folgte ihnen. Jetzt jedoch vorsichtiger und mit mehr Abstand. Die Truppe ging die ganze Zeit geradeaus und der Flur schien Clarissa viel zu lang. Wenn man nach vorne schaute konnte man auch kein Ende entdecken. Doch da, als sie schon fast aufgeben wollte, hielt die kleine Gruppe vor ihr an. Zu dem Glück von Clarissa bemerkten sie nicht, dass sie immer noch da war und kaum zehn Meter entfernt hinter einer Säule stand und zuguckte. Lotte klopfte mit der Faust die Wand entlang und hielt dann knapp vor der Säule an, hinter der Clarissa sich versteckte. Sie holte aus ihrer Hosentasche einen kleinen, filigranen Ring, den sie dann in eine Mulde in der Wand schob. Er passte perfekt. Man hörte es klirren und knacken. Holzriegel wurden von innen zur Seite geschoben. Eines der drei Mädchen gab der Wand einen Tritt und die Mauer ging wie eine Tür auf. Die Fünf gingen hinein und Clarissa tat es ihnen leise und unbeobachtet nach. Dann schloss der Junge, der bisher noch nichts getan oder gesagt hatte, die Tür (Wand). Hätte er das nur ein klein wenig früher getan, hätte er Clarissa direkt ins Gesicht geschaut. Dann wäre alles gut gewesen, aber so war es nun mal nicht. Daher kam sie unversehrt nach drinnen, wo sehr viel mehr Zeug stand, als auf dem leeren Flur. Dadurch fand sie so schnell ein Versteck, dass auch die anderen nichts bemerkten. Lotte ging zu der Stelle an der Wand, wo sie das Schmuckstück rein getan hatte (nur, dass sie jetzt auf der anderen Seite stand) und versuchte, den Ring aus der Mulde zu bekommen. Sie schaffte es nicht. „Nella könntest du mir helfen, ihn da heraus zu holen?, fragte sie und zeigte das Problem.

    „Na klaro!, sagte das Mädchen, das Nella hieß und zog kräftig daran. Ihr Gesicht war vor Anstrengung verzerrt und es sah so aus, als wollte auch sie gerade aufgeben. Doch plötzlich machte es plopp!- der Ring war draußen. Der bis jetzt so dunkle Raum wurde auf einmal hell. Das Licht war angegangen. Schon gleich fühlte sich Clarissa wohler. Dunkelheit und Ungewissheit konnte sie echt nicht ausstehen. „Aber wirklich: da war jemand, fing der eine Junge nochmals nachdrücklich mit dem Thema an. Clarissa konnte ihn jetzt schon nicht leiden. Weshalb machte er denn so ein großes Gewese daraus? Lotte antwortete: Ich habe nichts und niemanden gesehen. Mach doch nicht immer gleich so ein Drama daraus, wenn nur ein paar Schatten tanzen. Außerdem können das auch unsere eigenen gewesen sein.

    „Aber wenn nicht, knurrte Marley bedrohlich „Dann zeig ich ihm wo der Haken hängt!

    „Jetzt hör schon auf mit dem Quatsch! Ist etwas los, Lucy? „Ich glaube, ich habe dort drüben etwas gehört, sagte sie verunsichert.

    „Seid ihr jetzt etwa alle durchgeknallt?!?, fragte Lotte. „Erst Marley, dann Nella und jetzt auch noch du, Lucy!

    „Ich möchte dich gerne darauf hinweisen, dass ich auch noch da bin", meinte der Junge, der die Tür geschlossen hatte.

    „Natürlich habe ich dich

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