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Herbstsplitter
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eBook307 Seiten3 Stunden

Herbstsplitter

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Über dieses E-Book

Die ehemalige Elfenkriegerin Syen lebt mit ihrer Freundin Netai glücklich und tief verborgen im Ebona-Wald, bis eines Tages der Prinz des Königreiches Ibandis auf sie stößt und Syens Vergangenheit hervorholt. Aufgrund eines Streites mit Syen willigt Netai ein mit ihm aufs Schloss zu kommen. Doch sie ahnt nichts von seinen tatsächlichen Absichten. Auf einem Fest wird sie als seine Braut vorgestellt. Sofort flieht sie, wird jedoch vom Prinzen eingeholt und schwer verletzt. Dennoch kann sie entkommen. Als Netai am nächsten Tag wieder im Ebona-Wald eintrifft, ist nicht nur Syen verschwunden, sondern sie stellt auch an sich gravierende Veränderungen fest. Über Nacht scheint sie um Jahrzehnte gealtert zu sein.
SpracheDeutsch
HerausgeberHomo Littera
Erscheinungsdatum18. Okt. 2013
ISBN9783902885272
Herbstsplitter

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    Buchvorschau

    Herbstsplitter - Ingrid Pointecker

    Pointecker

    Herbstsplitter

    Über die Autorin

    Ingrid Pointecker, geboren 1986, schreibt seit ihrem 10. Lebensjahr. Die ursprünglich aus Oberösterreich stammende Autorin lebt, studiert und schreibt in ihrer Wahlheimat Wien.

    Sie begeistert sich für Geschichte, Sprachen und das Leben zwischen vielen Büchern. Inspiriert wird sie dabei von Musik, einem sehr lustigen Freundeskreis und einer tollpatschigen Katze. Neben dem eigentlichen Verfassen von Büchern bastelt sie auch mit großem Enthusiasmus neue Fantasywelten.

    Mehr Informationen über die Autorin auf der Verlagshomepage www.HOMOLittera.com oder www.ingridpointecker.at

    Ingrid Pointecker

    Herbstsplitter

    Fantasyroman

    Inhaltsverzeichnis

    Herbstsplitter

    Über die Autorin

    Impressum

    Widmung

    Prolog

    1 - Morgengrauen

    2 - Krieger

    3 - Letzte Sonnenstrahlen

    4 - Erinnerungen

    5 - Fallende Blätter

    6 - Gewundene Pfade

    7 - Auf der Suche

    8 - Ein berauschendes Fest

    9 - Delirium

    10 - Ende eines Abends

    11 - Morgengrauen

    12 - Leben

    13 - Bestrafung

    14 - Wiedersehen

    15 - Aufbruch

    16 - Dämmerung

    17 - Urteilsvermögen

    18 - Nachtwanderer

    19 - Ein neuer Tag

    20 - Ein Traum

    21 - Ende einer Ära

    22 - Die traurige Bardin

    23 - Fallende Blätter

    24 - Hitze des Gefechts

    25 - Verworrene Zeiten

    26 - Das letzte Stück des Weges

    27 - Gräber

    28 - Das Kloster

    29 - Heimweh

    30 - Die ungekrönte Königin

    31 - Herzensangelegenheiten

    32 - Hachtinasi

    33 - Bangen und Hoffen

    34 - Übermacht

    35 - Rettung

    36 - Blut

    37 - Grabesstimme

    38 - Eiseskälte

    39 - Die Krone

    40 - Schwerter

    41 - Aufruhr

    Epilog

    Danksagung

    Programm

    Das Leuchten des Almfeuers

    Lesbian Summer Dreams

    Sündhafte Begierde der Verdammnis I und II

    Endstation Wirklichkeit

    Sommergayflüster

    © Ingrid Pointecker, Herbstsplitter

    © HOMO Littera Romy Leyendecker e. U.,

    Am Rinnergrund14, 8101 Gratkorn,

    www.HOMOLittera.com

    Email: office@HOMOLittera.com

    Coverfoto:

    Gothic girl with a sword © bertys30 – Fotolia.com

    Foto im E-Book:

    Sword © nakov – Fotolia.com

    Das Model auf dem Coverfoto steht in keinem Zusammenhang mit dem Inhalt des E-Books. Der Inhalt des E-Books sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Models aus.

    Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages gestattet.

    Handlung, Charaktere und Orte sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist rein zufällig.

    Originalausgabe: Oktober 2013

    ISBN PDF: 978-3-902885-26-5

    ISBN ePub: 978-3-902885-27-2

    ISBN PRC: 978-3-902885-28-9

    ISBN Printausgabe: 978-3-902885-25-8

    Für Sonja und Tanja – 

    die ultimative Inspiration für alle romantisch Veranlagten

    Warum müssen wir ihr das antun, Loinnan?"

    Vahrir, der Elfenkrieger, wusste, dass er keine Antwort von der hochgewachsenen Frau, die ihm gegenüberstand, erwarten konnte. Trotz allem hatte er gefragt. Er machte sich Sorgen um seine Tochter, die auf einem steinernen Altar vor ihm lag. Nur noch der frische Verband, der beinahe ihre ganze Brust bedeckte, zeugte von den Strapazen, die der Körper des Kindes in den letzten Stunden hatte erdulden müssen. Der kleine Leib erzitterte. Vahrir war sich in diesem Moment nicht sicher, ob die Kälte von dem steinernen Altar ausging oder von der Frau. Fahrig bewegten sich seine schlanken Hände, als er den schweren Umhang abstreifte und über das Mädchen legte. Wieder bedachte er sein Gegenüber mit einem forschenden Blick, doch Loinnan beachtete ihn nicht einmal. Er glaubte, ein Lächeln auf ihrem Gesicht zu erkennen. Übelkeit stieg in ihm auf.

    „Du weißt, was du zu tun hast?", ertönte Loinnans Stimme in dem von Fackeln erleuchteten Kellergewölbe.

    Vahrir wusste, dass es keine Frage war. So sanft wie möglich schob er seine Arme zwischen den Körper seiner Tochter und den kalten Stein des Altars, um sie hochzuheben. Während Loinnan ihre blutigen Hände in einem der Wasserbecken säuberte, schickte er sich an, eine der künftigen Kriegerinnen des Königreiches Ibandis zu Bett zu bringen.

    „Ja, Eure Hoheit", flüsterte er beim Verlassen des Raumes.

    Es war noch dunkel im Wald Ebona, als Syen, eine athletisch gebaute Elfe, sich nach einigen trockenen Zweigen bückte. Zwischen den frisch gefallenen Blättern einer großen Weide wurde sie schließlich fündig. Sie sammelte das Feuerholz auf und entdeckte ein Eichhörnchen, das bei ihrem Anblick die Flucht ergriff.

    Prüfend sah sich Syen um und drehte ein gelbes Blatt zwischen ihren Fingern. Sie freute sich auf den Herbst. Wie das flüchtende Eichhörnchen würde auch sie demnächst mit dem Sammeln und Einlagern von Wintervorräten beginnen.

    Mit einem Liedchen auf den Lippen machte sie sich auf den Rückweg zu ihrer Behausung. Gerade als die ersten Sonnenstrahlen sich ihren Weg durch die Ritzen der verfallenen Burgmauern bahnten, kam sie von ihrem morgendlichen Ausflug zurück. Eine schwarze Haarsträhne hatte sich aus ihrem Zopf gelöst. Verzweifelt versuchte sie, einerseits die störenden Haare aus ihrem Gesicht zu pusten, andererseits nichts von dem Holz zu verlieren, das sie zwischen ihren Armen und ihrem Kinn festgeklemmt hatte. Um Balance ringend und sich seltsam verrenkend, betrat sie die große Vorhalle der Festung, deren beste Tage längst vergangen waren. Die Morgensonne zauberte durch die Löcher im großteils vermoderten Dach verwirrende Lichtmuster auf die herausgebrochenen Mosaiksteinchen, die auf dem unebenen Boden verstreut lagen.

    Ohne eines der Hühnereier zu verlieren, die sie in ihren Manteltaschen verstaut hatte, schaffte sie es auf die einzige intakte Tür zuzusteuern, die sich direkt gegenüber dem Eingangstor befand. Dort schlüpfte sie aus ihren Schuhen und drückte vorsichtig rückwärtsgehend die schwere Holztür nach innen, gerade so weit, dass sie sich geräuschlos durchmanövrieren konnte.

    Ihre Augen brauchten einige Momente, bis sie sich an das Halbdunkel in dem großen Saal gewöhnt hatten. Doch auch wenn sie nichts hätte sehen können, war ihr nach all den Monaten der ehemalige Thronsaal der Burg mehr als vertraut.

    Wo früher einmal der Herrschersitz gestanden hatte, war nun eine kleine Feuerstelle. Genau dort legte sie ihr gesammeltes Holz sachte auf dem steinernen Boden ab. Die Eier, Früchte und Kräuter verstaute sie im Kessel, den sie gestern nach dem Abendessen neben der Brandstätte platziert hatte.

    Auf leisen Sohlen schlich sie darauf in einen der Seitenflügel des Raumes, wo wohl vor einigen Jahrzehnten schaulustiges Volk ihrem König oder ihrer Königin mit gesenktem Haupt seine Aufwartung gemacht hatte. Sie legte ihren Mantel ab und ihr Zopf löste sich dadurch endgültig in seine Bestandteile auf. Dichtes, schwarzes Haar floss in breiten Strähnen über ihre Schultern und den Rücken hinab. Syen hielt inne und spähte zum Bett, in dem sie ihre Freundin am Morgen allein zurückgelassen hatte. Lächelnd stellte sie fest, dass sie von dem Anblick ihrer Gefährtin Netai noch immer genauso fasziniert war wie bei ihrer ersten Begegnung. Amüsiert beobachtete sie, wie die kleine Elfe etwas Unverständliches in der elfischen Sprache vor sich hin murmelte und sich auf dem Bett zu einer kleinen Kugel zusammenrollte. Sie konnte nur noch den roten Haarschopf ihrer Liebsten sehen, der oben aus dem Knäuel Decke ragte.

    Syen setzte sich vorsichtig an den Rand des Bettes und betrachtete die regelmäßigen Atemzüge. Im Gegensatz zu ihr – sie war zeit ihres Lebens groß und breitschultrig – wirkte Netai klein und zerbrechlich. Sie reichte ihr gerade bis zur Brust, wenn sie sich gegenüberstanden. Im Moment hatte Netai jedoch große Ähnlichkeit mit einem Igel, der sich im Blattwerk vor dem Winter verbarg.

    Vorsichtig schob Syen die Decke, in der sich Netai eingewickelt hatte, ein Stück aus deren Gesicht. Zärtlich strich sie eine widerspenstige rote Haarsträhne von der Schlafenden und verstaute die Locke hinter dem Ohr.

    „Du hast eiskalte Hände", nuschelte Netai schlaftrunken und verkroch sich komplett unter der grünen Wolldecke.

    „Und was schlägt Eure Hoheit vor, wie mit diesen Eisklötzen am besten zu verfahren sei?", entgegnete Syen dem Knäuel, das langsam von ihr fortrobbte.

    „Warm machen, dann wiederkommen ...", sprach Netai unter der Decke mit gedämpfter Stimme.

    Mit einem wilden Kampfschrei stürzte sich Syen auf ihre Freundin, wickelte sie mit einer schnellen Handbewegung aus ihrem Kokon und schob der mittlerweile nicht mehr ganz so schläfrigen Elfe das Nachthemd bis zum Kinn hoch, nur um ihre eiskalten Hände auf deren Bauch zu platzieren. Ein gellender Schrei hallte durch das Gemäuer und schreckte einige Vögel auf, die es sich vor einem der Fenster des ehemaligen Thronsaals gemütlich gemacht hatten.

    Quietschend und zuckend wehrte sich Netai gegen die Übergriffe. Als sie aufspringen und vor der nächsten Attacke fliehen wollte, fand sie sich im Klammergriff der wesentlich größeren Elfe wieder, die sich mit ihrem ganzen Körpergewicht auf sie warf und ihre Handgelenke festhielt. Verzweifelt probierte Netai, sie abzuwerfen, doch sie scheiterte nach ersten zappelnden Versuchen an der Muskelkraft der ehemaligen Kriegerin.

    Syen kicherte leise vor sich hin, als Netai endlich aufhörte zu strampeln und lachend und um Atem ringend unter ihr lag. Mit einem triumphierenden Grinsen auf den Lippen rollte sie sich von ihrer zerzaust aussehenden Freundin herunter.

    Am Ende der kleinen Rauferei lagen sie beide auf dem Rücken, während vor den Fenstern die Sonne aufging und erstes Vogelgezwitscher aus dem Ebona-Wald zu vernehmen war.

    Nach einigen Minuten fand Netai wieder zu Atem und wandte ihr Gesicht der Gefährtin zu, die sie wohl schon seit einiger Zeit beobachtete.

    Syen blickte in blaue Augen und in ein sommersprossiges Gesicht, das von wilden Locken in feurigem Rot umrahmt wurde. Mit Händen, die mittlerweile warm geworden waren, zog sie Netai näher zu sich heran, bis sie deren Atem auf ihrem Mund spüren konnte. Sie liebte den Moment, in dem diese in Erwartung eines Kusses die Augen schloss, so, wie sie es jetzt tat.

    Kurz bevor ihre Lippen sich berührten, dachte Syen, dass sie noch nie in ihrem Leben so glücklich gewesen war.

    Vahrir, die Königin möchte Euch sprechen!", erschallte der Ruf der hoheitlichen Beraterin quer über den Hof des Schlosses.

    Vahrir, seines Zeichens Waffenmeister von Königin Loinnan, war gerade dabei, die Pferde in den Stallungen zu versorgen. Sanft tätschelte er die Nüstern seines treuen Reittiers und legte die Bürste aus der Hand, bevor er sich zum Gehen umwandte. Die steife Brise, die während aller Jahreszeiten in den Roinak-Bergen wehte, blähte seinen weiten blauen Umhang, als er auf den Eingang zum Regierungssaal zuschritt. Die beiden schwer gerüsteten Wachen, die das Tor flankierten, nickten ihm zu und ließen ihn passieren, ohne einen weiteren Blick zu riskieren. Dabei prüfte er den korrekten Sitz seiner Rüstung und das Vorhandensein seines Schwertes.

    Auf sein Geheiß öffneten zwei Bedienstete des Schlosses die Flügel der schweren Metalltür. Einige gelb verfärbte Blätter wehten über die Schwelle. Gemäßigten Schrittes betrat er den Thronsaal. Außer der Königin und ihrer Beraterin schien im Moment niemand im Saal anwesend zu sein. Auch wurde nur der aus dunklem Holz geschnitzte Thron, auf dem Loinnan hocherhobenen Hauptes saß, von Fackeln beleuchtet. Serri, die unscheinbare Beraterin, verschwand halb im Dunkeln, das den Rest des Raumes erfüllte.

    „Ah, bequemt sich mein Waffenmeister auch endlich zu seiner Befehlshaberin zu kommen, wenn sie nach ihm rufen lässt? Sehr schön. Vielleicht sollte ich nächstes Mal um eine Audienz bei Euch und Euren Pferden verlangen, Vahrir?"

    Loinnans Blicke waren wie vergiftete Pfeile, die in Vahrirs Richtung abgefeuert wurden. Doch er wusste bereits, dass diese Art von Empfang für ihre Verhältnisse recht freundlich ausfiel. Deshalb begnügte er sich damit, sich zu verbeugen und Loinnan, Herrscherin des Elfenreiches Ibandis, gesenkten Kopfes anzulächeln. Erst dann fragte er nach ihrem königlichen Begehr.

    Loinnan erhob sich und blickte nachdenklich zu einem der bunt verzierten Fenster, die sich seitlich des Thrones befanden, bevor sie sich in Bewegung setzte. Die Schleppe ihres kornblumenblauen Kleides schleifte raschelnd über den glatten Steinboden. Fast sah es aus, als würde sie auf das Glasfenster zuschweben.

    „Die Bauern werden unruhig, Waffenmeister", erhob Loinnan erneut die Stimme und sah weiterhin in die Ferne.

    Vahrir bedachte sie kurz mit einem fragenden Blick. Wieder flog ihm einer ihrer unsichtbaren Giftpfeile aus den eisblauen Augen zu, als sie sich ihm zuwandte.

    „Versteht doch, die Ernte wird nicht reichen, sollten wir einen harten Winter wie den letzten haben. Wir werden in einigen Wochen gezwungen sein, an den Grenzen von Ibandis um milde Gaben zu flehen, sollte sich die Situation nicht bessern. Ihr wisst, was Ihr zu tun habt, Vahrir."

    Der letzte Satz war wie ein Dolch in seinem Herzen. Er hatte ihn schon einmal aus ihrem Mund gehört. Seine Bedeutung hatte damals zu großem Leid geführt. Als er sich ohne ein weiteres Wort zum Gehen umdrehte, ahnte er bereits, dass das Leiden kein Ende haben würde.

    Loinnan blickte auf das schroffe Bergmassiv und dachte über die gegenwärtige Situation nach. Die Bauern waren tatsächlich unruhig. Die Ernte würde nicht für den ganzen Winter reichen, und die Stimmung in den Dörfern kippte allmählich.

    Bis vor zwei Jahren hatte zwischen den sieben Elfenkönigreichen Krieg geherrscht. Zwar wusste niemand mehr, wer diesen Krieg wann und weshalb vom Zaun gebrochen hatte, doch er war ein Bestandteil ihrer aller Leben gewesen.

    Loinnan konnte sich an keine Zeit erinnern, in der die tapferen Frauen und Männer nicht im Frühling ausgezogen waren, um im Herbst beladen mit schönen Dingen aus der Fremde siegreich heimzukehren.

    Tatsächlich war das Elfenreich Ibandis meist sieghaft aus den Schlachten hervorgegangen. So lange, bis es den anderen sechs gekrönten Häuptern zu mächtig geworden war. In einer Nacht- und Nebelaktion verbündeten sie sich und fielen in Ibandis ein.

    Loinnans Blick schweifte über eine Stelle der Festungsmauer, in der ein Flicken aus neu geformten Steinen an die Katapultangriffe der Feinde erinnerte. Zweihundert Jahre nachdem sie den Thron von Ibandis bestiegen hatte, auf dem Höhepunkt ihres Schaffens, war Ibandis gefallen. Das Land hatte gebrannt und sie war mit ihren wenigen verbliebenen Truppen in die Roinak-Berge zurückgewichen, die sich in einer Nord-Süd-Linie quer durch ihre Ländereien zogen. Sie war eine stolze Königin und willigte bis zum Ende nicht in die Kapitulationsbedingungen ein – schließlich hatten die feindlichen Herrscher etwas beschlossen, das für sie noch heute viel schlimmer war, als es eine Kapitulation je hätte sein können.

    So schnell, wie sie gekommen waren, waren die feindlichen Heere aber auch wieder abgezogen. Außer denjenigen, die während der ersten Angriffe gefallen waren, hatten sie alle am Leben gelassen, die sie nicht direkt angegriffen hatten.

    Seither hatte man im Königreich Ibandis nie wieder etwas von den verhassten Nachbarn gehört. Kein königlicher Diplomat, kein fahrender Händler, keine Gauklertruppe aus den benachbarten Reichen hatte sich seit zwei Jahren auf das Gebiet verirrt, das sie immer noch regierte. Aber die Bewohner waren gegangen, hatten das Königreich verlassen und sich dem Tross der feindlichen Truppen angeschlossen. Am Ende waren nur noch einige Dörfer von dem ehemals größten aller Elfenreiche übrig geblieben. Standgehalten hatten nur die Verzweifelten und Verbitterten, die wie sie nach Rache für die Demütigungen sannen, die ihnen durch die langen Kriegsjahre widerfahren waren.

    Loinnan ballte die Hände zu Fäusten und blickte weiterhin aus dem Fenster.

    „Es wird ihnen schon irgendwann langweilig werden, dann werden sie wieder angekrochen kommen", murmelte sie stirnrunzelnd vor sich hin und strich die Falten ihres Kleides glatt.

    Im Moment schien es für sie nur zwei gangbare Wege zu geben, ihr immer desolater werdendes Reich noch zu retten. Die erste Möglichkeit wäre, ihre wenigen verbliebenen, aber gut ausgerüsteten Truppen abermals in den Krieg zu schicken, in der vagen Hoffnung, sie könnten mit reicher Beute aus den Grenzgebieten zurückkehren.

    Die zweite Möglichkeit ließ Loinnan laut seufzen. Ihr Sohn Tefin müsste in eine Familie niedrigeren Standes aus einem der ehemaligen Feindesgebiete einheiraten, um neue Bande zu knüpfen und die Versorgung ihrer Bevölkerung zu sichern. Doch Tefin, der Thronerbe, taugte weder zum neuen Waffenmeister noch war er intelligent genug, um bei einem der Gelehrten unter die Fittiche zu kommen. Immer schon klein von Wuchs und kränklich, würde es schwer sein, eine junge Dame adeligen Standes für ihn begeistern zu können.

    Loinnan wandte sich vom Fenster ab. Sie musste an ihren Ehemann denken, den sie in einer Schlacht im Norden verloren hatte, noch bevor er ihr einen fähigen Nachkommen hatte schenken können. In diesem Moment überdachte sie die Vorteile, die ein andauernder Frieden haben könnte. Ein Lächeln breitete sich auf ihren sonst so reglosen Gesichtszügen aus. „Lass nach Tefin schicken. Es ist Zeit für ihn, sich auf Brautschau zu begeben."

    Die Beraterin, die sich immer noch im Schatten verborgen hielt, neigte ihr Haupt und eilte zum Ausgang.

    Syen wachte um die Mittagszeit auf. Halb nackt, wie sie war, fröstelte sie leicht, als ein Windhauch durch das offene Fenster wehte. Vor ihr hatte sich Netai zusammengerollt, das Haar genauso zerwühlt wie die Laken auf dem Bett. Syen streckte sich genüsslich und angelte mit einem Fuß nach ihrer Leinenbluse, die in einem Anfall von Liebestollheit in hohem Bogen aus dem Bett geflogen war und nun zusammengeknüllt auf dem Boden lag.

    Als sie sich den kühlen Stoff über den Kopf gezogen hatte, vernahm sie ein gemurmeltes „Schade" aus Netais Richtung. Schmunzelnd wandte sie sich um, fasste ihr Haar zu einem Zopf zusammen und fischte mit den Füßen nach ihrer restlichen Kleidung. Lächelnd beugte sie sich zu ihrer kleinen Freundin hinab und küsste sie auf die Stirn.

    Auch Netai verließ schließlich das Bett, ihre Nacktheit mit einem Laken verdeckend, das hinter ihr wie eine Schleppe über den staubigen Boden schleifte.

    „Gehen wir zum See baden?", fragte sie, wobei die zweite Hälfte der Frage beinahe durch den herzhaften Biss in einen Apfel untergegangen wäre.

    Syen grinste verschmitzt, hob Netai mühelos hoch, warf sie sich über die Schulter und stürmte mit der kreischend protestierenden Elfe zur Tür hinaus in Richtung See.

    ***

    Tefin war nicht begeistert, und das war noch eine sehr freundliche Umschreibung seines aktuellen Gemütszustandes. Auf dem schaukelnden Pferderücken, flankiert von zwei Kriegerinnen des Schlosses, bahnte er sich mühselig den Weg durch das dichte Unterholz. Er solle sich nach einer Braut umsehen, hatte die Beraterin seiner Mutter gemeint. Nur weil er sich nicht schon wieder mit ihr hatte anlegen wollen, hatte er sich auf den Weg gemacht. Er fragte sich ernsthaft, was die Königin von ihm erwartete. Wo sollte er in einem sterbenden Königreich, das aus einer Handvoll Schlossbewohnern und Bauern bestand, eine seinem Stand angemessene junge Dame finden?

    Nachdenklich manövrierte er das Pferd durch das Gehölz und fuhr sich mit einer Hand durch sein kurzes blondes Haar. Zweige zerkratzten seine Waden und nährten den Zorn, den er seiner Mutter entgegenbrachte. Einzig ein helles Lachen, das nicht weit entfernt durch den Wald schallte, ließ ihn aus seinen trüben Gedanken hochschrecken.

    Er wies die Kriegerinnen mit Handzeichen an, ihm in einigem Abstand zu folgen, bevor er nach der Quelle des Gelächters zu suchen begann und sein Pferd beschleunigte.

    ***

    Mit einem spitzen Schrei flog Netai in hohem Bogen auf die grünliche Wasserfläche des Waldsees zu und landete bäuchlings mit einem lautstarken Platschen. Das Wasser drang ihr in Mund und Ohren. Auf dem schlammigen Grund des Sees angekommen, stieß sie sich mit den Beinen wieder zur Oberfläche hin ab. Einen Augenblick später tauchte sie hustend und spuckend auf.

    Syen stand am Rand des Sees und hielt sich vor Lachen den Bauch.

    Netai hustete noch einmal und stimmte dann in das Gelächter mit ein. Sie konnte Syen nie lange böse sein. Stumm beobachtete sie ihre Freundin, die noch eine Weile geistesabwesend vor sich hin kicherte. Es war noch gar nicht lange her, da war nicht Syen die Stärkere von ihnen gewesen.

    Vor zwei Jahren, als zum letzten Mal große Schlachten das Land verheert hatten, war sie ziellos durch den Wald gestreift. Sie hatte schon immer im Wald gelebt, so wie ihre Eltern, ihre Großeltern und wahrscheinlich alle Elfen zuvor in ihrer Familie. Auf einem ihrer Streifzüge fand sie Syen. Eingewickelt in die Reste einer königlichen Flagge lag sie blutend auf einer Lichtung, wahrscheinlich vom Feind zum Sterben dort abgelegt. Tatsächlich hatte die wie eine königliche Kriegerin gekleidete Frau kaum noch einen heilen Knochen im Leib. Netai hatte von ihrer Familie gelernt, jedem Lebewesen den gleichen Respekt entgegenzubringen – unabhängig von Herkunft, Stand oder Geschlecht. Somit wickelte sie Syen fester in die Flagge und schleifte sie zu ihrer Behausung, der

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