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Puk: Fantastischer Kriminalroman
Puk: Fantastischer Kriminalroman
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eBook188 Seiten2 Stunden

Puk: Fantastischer Kriminalroman

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Über dieses E-Book

» Magrot, sagt man, sei wie ein Geist. Er locke seltsame Dinge an. Und wirklich finden im wörtlichen Sinn solche Fälle zu Magrot, und so auch zu mir, die mit der Bezeichnung ›seltsam‹ nur schwach umschrieben sind. So ruft man ihn nur dann, wenn die Umstände sich entsprechend darstellen, lässt ihn aber sonst seine Runden drehen, weil die Polizei ein rationaler Verein ist, aber hin und wieder einen Schmuddelwinkel für das Unerklärliche braucht. «
Was geht vor in Reifenbach? Wer geht um in Reifenbach? Zwei bizarre Leichenfunde, ein ewiger Sitzenbleiber, eine sorgenvolle Mutter und nicht zuletzt das merkwürdige Verhalten eines Backenzahns sind die Zutaten für einen der seltsamsten und unheimlichsten Fälle des Ermittler­duos Magrot und Koblenzka.
Eine übelriechende, silbrige Substanz, der in Seide verpackte Zahn einer Kuh und der geheime Keller eines Richters führen die Beiden langsam auf die Spur des Täters. Und sie erkennen, das man manchmal rückwärts gehen muss, um voranzukommen.
SpracheDeutsch
HerausgeberConte Verlag
Erscheinungsdatum21. Dez. 2023
ISBN9783956022708
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    Buchvorschau

    Puk - Christoph Steckelbruck

    Inhalt

    Cover

    Christoph Steckelbruck - Puk

    Motto

    Magrot und ich

    Hartmann

    Die Lehrerin

    Beim Zahnarzt

    Atem

    Der dicke Herr Möller

    Silber

    Der Unterirdische

    In der Schule

    Der blaue Mann

    Stettdorfer versteht die Welt nicht mehr

    Die Liebe der Euphrasia Kobolek

    Zähne

    Das unsichtbare Haus

    Geburt

    Die Mutter

    Psycho

    Die Hösslichkeit

    Bergmanns zweite Nachricht

    Schatten

    Der ewige Sitzenbleiber

    Die gläserne Haut

    Frau Kobolek erstarrt

    Rüdiger

    Wer ist Puk?

    Möllers Liebschaften

    Der Richter Gnadenlos

    Der Aufbruch

    Der Flüsterer

    Amok

    Ursulinengasse 16

    Stettdorfer räumt ab

    Heimkehr

    Bergmanns Aufbruch

    Ende

    Anmerkung

    Autor

    Impressum

    Landmarks

    Cover

    Titelseite

    Inhalt

    Textbeginn

    Öfter als wir denken überschreiten wir diese Grenze, ohne es zu bemerken. Ein kurzes Zögern, ein Schritt zurück, ein Innehalten, scheinbar ohne Ursache. War da etwas? Ganz am Rand des Sehfeldes, kaum für einen Augenblick zeigt sich die Fremdheit der Welt, tanzen Schatten und Geister. Meistens neigen wir dazu, den störenden Eindruck einfach zu verscheuchen, wie eine lästige Fliege. Der übliche Lärm der Welt hilft uns dabei, jene winzigen Abweichungen, die kleinen Risse in der Realität, zu übersehen. Erst wenn wir in die Stille kommen, wird das Gesumm der Störenfriede laut und lauter. Und dann klärt sich der Blick und man fragt sich: »Wie konnte ich das übersehen?«

    Magrot und ich

    Schon seit der Grundschule läuft mir Magrot immer wieder über den Weg. Nur seiner auffälligen Gestalt war es anfangs zu verdanken, dass seine Person mir überhaupt Aufmerksamkeit abverlangte. Schon als Sechsjähriger überragte Magrot seine Mitschüler um Haupteslänge. Selbst sein bedeutendstes Merkmal, der gewaltige Nasenerker, deutete sich schon zu einer Zeit an, als wir anderen noch stupsige Pünktchen im Gesicht trugen. Seit jeher schweigsam, grüblerisch, stumm und ruhend wie ein Findling in der Heide, fand er nicht in die Teilhabe des Schulhofgetümmels, welches sich wirr und ohne Sinn sammelte, sobald die Glocke zur Pause rief. Er stand dann dort inmitten der wirbelnden Kinderleiber wie die Kaaba zu Mekka im kreisenden Strom der Pilger. Nichts rührte ihn, oft blickte er in die Wolken oder in unsichtbare Fernen, sicher weit über die Horizonte seiner Mitschüler hinaus. Allen blieb er ein Rätsel und niemand machte sich daran, es zu lösen. Ja, selbst die übelsten Provokateure und Gewalttäter des Schulhofes schlugen einen weiten Bogen um den Sonderling. Auch ich, Matthias Koblenzka, der Autor dieser Zeilen, suchte nicht nach dem Kern dieser Erscheinung, obwohl sie mich faszinierte. Seine ausgeprägte Weltferne ängstigte mich, vielleicht weil ich damals schon spürte, dass die Weiten, in die er blickte, Dinge bargen, die besser im Verborgenen bleiben sollten. Doch fühlte ich mich ihm auf unerklärliche Weise verbunden und behielt ihn im Auge. Einmal, da warf er mir einen kurzen Blick zu, hinweg über die Köpfe des Gehudels. Da wurde mir klar, dass auch ich still stand im Fluss der lärmenden Körper. Kurz nickte er mir zu, dann wandte er sich ab und schaute wieder ins Unerklärliche. Dies blieb die einzige Kontaktaufnahme bis zu jener Geschichte, die uns für alle Zeiten miteinander verbinden sollte. Es lag ein Versprechen, vielleicht auch eine Drohung darin. Als wir nach dem initialen Erlebnis in Plums auseinandergingen, deutete sich nicht im Geringsten das Faktum einer lebenslangen Verbundenheit an. Im Gegenteil, wir gingen unserer Wege und glaubten, so der Heimsuchung der Erinnerung an das seltsame Geschehen entgehen zu können. Was für ein Trugschluss. Obwohl die Begegnung mit einer mythischen Geisterschar in dem ausgesprochen merkwürdigen Dorf Plums mir bis heute als ein verwaschener Traum erscheint, der nur wenig an meiner rationalen Denkweise kratzt, bleibt doch der Eindruck eines Moments absoluter Intimität, ja Identität, mit diesem Mann, dessen Vorname mir bis heute nicht bekannt ist. Wüsste ich es nicht besser, müsste ich zugeben, den Augenblick seiner Ermordung mit ihm nicht nur geteilt, sondern an seiner Stelle erlebt zu haben. Aber das müssen Traumgespinste gewesen sein, ausgelöst durch schwarzgebrannten Schnaps und der Gärung überhitzter Luft in stockdunkler Nacht. Zumal Magrot sich seitdem bei allerbester Gesundheit befindet.

    Wir beide erhielten damals ein Geschenk. Ihm richteten die Ereignisse die verdrehten Füße, sodass er von seinem Watschelgang geheilt wurde. Ich fand Inspiration, überwand eine ewige Schreibblockade und nenne mich nun mit Fug und Recht einen Schriftsteller. Zu der freundlichen Gabe der Geisterschar, die von den Plumsern »Die guten Leute« genannt wurde, gehörte auch ein ambitionierter Verleger, der trotz geringer Umsätze, meine bislang vier Romane zur Welt brachte. Durchgreifender Erfolg war meinem Werk bisher nicht beschieden, obwohl die Kritik einhellig Begeisterung zeigte. Doch immerhin ermöglichte mir das damit einhergehende Prestige, meinem Chef ein höheres Gehalt abzuzwingen. Es liegt ihm etwas daran, einen echten Autoren zu beschäftigen, beziehungsweise, sich einen solchen zu halten. Seine eigenen Ambitionen in dieser Richtung mündeten bislang in eine Jugenderzählung, die laut Untertitel das interessante Leben des Autors beschreibt und Pornographie reinsten Wassers ist. Die eigenfinanzierte, sehr optimistische Erstauflage von 5000 Exemplaren lagert seither im Keller unter der Redaktion und findet im Wortsinn reißenden Absatz als Nistmaterial für die zahlreichen Mäuse. Ansonsten erfährt das Interesse der Leser selbst durch großformatige Werbeanzeigen in unserer Zeitung, gedruckt neben in verweslich blassen Farben beworbenen Fleischereiprodukten, keine Hebung. Da meine Bücher nach wie vor keine erwähnenswerten Beträge einfahren, bleibe ich an die »Allgemeinen Reifenbacher Nachrichten« gebunden. Der fette Sadist, Bernd Klotzmann, genannt der große Klotzky, weiß das und genießt es. Einmal ließ er mich eine Rezension seines Machwerks verfassen, was mich zwang, neben ihm der einzige Leser seines Buches zu werden. Ich kann mich nicht erinnern, jemals zuvor solcher Verzweiflung anheimgefallen zu sein.

    »Denk an deinen Gönner, wenn du mal berühmt wirst, Koblenzka!«, sagt er mindestens zweimal am Tag, insinuierend, dass dies niemals der Fall sein werde. Nun, immerhin zwackt diese Art der Arbeit nur geringe Mengen von meiner kreativen Energie ab und es bleibt mehr als genug fürs Schreiben. Irgendwann wird schon ein Bestseller dabei sein.

    Magrot, was gibt es da zu erzählen? Er ist Polizist. Schon immer und drei Tage. Mehr braucht es nicht, ihn zu beschreiben. Polizist, Bulle, Kommissar. Ein Polizist an sich. Schweigsam, mürrisch und in sich gekehrt wie seit Grundschulzeiten. Eine kosmische Konstante, ein Anker für die wirbelnde Welt. Vielleicht braucht die filigrane Realität solche Klötze, sich festzuhalten, damit sie nicht von ihrer eigenen Unglaublichkeit verblasen wird.

    Wie kam es nun, dass Magrot und ich wieder zueinanderfanden und seither ein fast symbiotisches Verhältnis pflegen? Die Antwort scheint mir in der Vermutung zu liegen, dass weder unser erstes Zusammentreffen auf dem Schulhof, noch das seltsame Abenteuer in Plums, wo alle Bewohner den gleichen Nachnamen trugen, vom Zufall bestimmt waren, sondern einer zwingenden Notwendigkeit folgten. Unser Zusammentreffen konnte folgerichtiger nicht sein. Vielleicht wird sich mir der Sinn dahinter eines Tages erschließen. Es muss einen Sinn geben, da bin ich mir sicher.

    Die meiste Zeit verbringen wir in unseren eigenen Sphären. Magrot schlurft sinnend durch Reifenbach und Umgebung. Obwohl seine Füße wundersame Reparatur erfuhren, kultiviert er nach wie vor den archetypischen Plattfußgang. Die Hände auf dem Rücken durchmisst er in langem Mantel die reizarmen Straßen unserer Heimatstadt, die, vor kurzem noch nicht mehr als ein Dorf, hefig aufquellend die Größe einer mittleren Kleinstadt angenommen hat. Das ist seine Hauptaufgabe, dafür wird er bezahlt. Obwohl seine Dienstzeit noch kaum die Nähe der Pension wittert, befindet er sich doch in einer Art Ruhestand. Als Beamter nicht kündbar, zieht er seine Bahnen auf einem Abstellgleis. Mit seiner Kompetenz hat das nichts zu tun. Aus schwer erfindlichen Gründen umwabert ihn der Nimbus des Unheimlichen. Magrot, sagt man, sei wie ein Geist. Er locke seltsame Dinge an. Und wirklich finden im wörtlichen Sinn solche Fälle zu Magrot, und so auch zu mir, die mit der Bezeichnung »seltsam« nur schwach umschrieben sind. So ruft man ihn nur dann, wenn die Umstände sich entsprechend darstellen, lässt ihn aber sonst seine Runden drehen, weil die Polizei ein rationaler Verein ist, aber hin und wieder einen Schmuddelwinkel für das Unerklärliche braucht.

    Hartmann

    Das Unterfangen des Erwachsenwerdens erfordert manchmal einen Lehrmeister in dieser Kunst. Diesen fand Hermann Poschwili in seinem Klassenkameraden Hartmann Nisse. Der schon zwei Jahre ältere Sitzenbleiber war der bewunderte und gefürchtete Heros der Klasse, den Schülern ein Vorbild, den Lehrern ein Dorn im Auge. Einigen wenigen nur gelang es, sich in seinem Wohlwollen zu sonnen, Poschwili gehörte nicht in diesen Kreis. Zunächst musste er sich zu den Opferlämmern zählen. So dicklich und puttenhaft wie ein Barockengel kam er daher, nicht allein Hartmann, sondern auch allen anderen willkommener Spielball. In der Hackordnung des Schulhofs stand Hermann Poschwili an letzter Stelle. Gern wurde er hergenommen, wenn Hartmann seine Laune hatte. Da wurde man plötzlich von hinten gepackt und in den Genickbrechergriff genommen. In diesem Fall erwies es sich als unklug, Gegenwehr zu leisten. Der ältere Junge verfügte über Bärenkräfte, die selbst den höheren Stufen, ja, sogar dem Lehrkörper des Ludwig-Prömmel-Gymnasiums Respekt abforderten. Und neben dieser Kraft beherrschte ihn ein furchteinflößendes Maß von Wahnsinn, das unverkennbar in solchen Momenten durch seine Augen flickerte. Es hieß, er sei nicht mehr bei sich, mithin sogar gefährlich, seit sein Bruder den Tod fand.

    Dennoch brachte ihm die gesamte Schülerschaft der unteren Klassen, die zum überwiegenden Teil der Opferseite angehörte, eine kaum erklärliche, fast religiöse Verehrung entgegen. Er war der rasende Gott des Alten Testamentes, der wilde, ungerechte Wüstendämon Hiobs. Alles Volk drängte, den eifernden Jehova mit den brennenden Augen und der flammend roten Haarmähne anzubeten. So auch Poschwili, der ihm, wie alle, mit hündischer Hartnäckigkeit hinterherlief. Der Große ließ ihn heran, nannte ihn »Fettbeule«, aber mit einem Lächeln. Sagte gar »Freund« und schmeckte aus, wie der Jüngere sich darin suhlte. Wenn Poschwili dann fest im Glauben an das Wohlwollen seines Gottes stand, nahm dieser ihn in den Schraubstock, warf sich auf ihn, bis er bald erstickte, spuckte ihm ins Gesicht und verpasste ihm ein paar Ohrfeigen, die sich gewaschen hatten.

    Wenn Poschwili beschmutzt und blutig nach Hause kam, nahm der Vater ihn ins Gebet. Von ihm bekam er ebenfalls Saures, weil er sich nicht wehrte. Ein Mann, ein »richtiger« Mann, fürchte sich nicht. Dabei hätte Hartmann Nisse den kleinen Mann ohne besonderen Kraftaufwand gegen die Wand werfen können. Diese Vorstellung stellte sich bildhaft ein, während der Vater mahnte und predigte und schlug. Ach, wie weich diese Schläge heranflogen, wie lachhaft, wie läppisch. Für diesen schwachen Mann erübrigte er nichts als Verachtung. Der schlug ihn, weil er selbst als Prügelknabe durchs Leben gehen musste, bevormundet von Frau und Schwiegermutter, in deren Haus sie lebten. Groß tat er, machte Pläne und fand doch nicht ins Leben. Seit Jahren, fern jeden Erfolges, meistens auch ohne Arbeit, gab er den Philosophen, las und zitierte ohne Verstand, aber mit Pathos, Nietzsche und Schopenhauer, hob die Welt aus den Angeln und gab sich der Lächerlichkeit preis.

    Hermann Poschwili sah in eigener Schwäche und Scheu eine üble Kongruenz zum Wesen seines Vaters. Darum begehrte er den Hartmann als Freund, fand Lust in der Vorstellung, sich ihm ganz zu unterwerfen. Denn dessen Gewalttätigkeit entstammte einer wahrhaftigeren Quelle.

    Eines Tages, als sie über die frisch abgemähten Stoppelfelder rannten, Hartmann, Krapper, Mundtschön und Poschwili ein ganzes Stück dahinter, da fühlte er Glückseligkeit. Auch, als Hartmann ihn griff und niederwarf, ihn mit seinem schweißigen Leib unter dem Gejohle seiner beiden Paladine fast zermalmte, als ein spitzer Stein sich schmerzhaft in seinen Rücken bohrte, da geschah es. Er blickte Poschwili in die Augen, das erste Mal wohl, und erkannte etwas, dass ihn stocken ließ.

    »Du heulst ja gar nicht! Du heulst ja eigentlich nie!«, sagte er, aber es klang vorgeschoben. Der wahre Grund seines Wunderns zeigte sich darin nicht. Da stand plötzlich eine Idee im Raum, die, noch im Nebel, aber machtvoll, ihrer unausweichlichen Verwirklichung entgegenstrebte.

    Sein stinkend warmer, männlicher Atem füllte ihm Nase und Mund. Poschwili nahm ihn in sich auf wie die heilige Kommunion. Hartmann ließ von ihm ab, was Poschwili fast bedauerte, reichte ihm die Hand und half dem Kleineren auf die Beine.

    »Mensch, Kerl!«, sagte er. »Du hast Mumm.« Auch jetzt bemerkte er, dass Hartmann etwas anderes meinte.

    Den anderen

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