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Die Stadt der Betrüger
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eBook164 Seiten2 Stunden

Die Stadt der Betrüger

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Über dieses E-Book

Ich hatte von einer Stadt gelesen, die vor der Wahl stand, ihr Rathaus teuer zu restaurieren oder - noch teurer - neu zu bauen, und für beide Lösungen nicht das Geld hatte. Daraus wurde die Idee geboren, die Bürger aufzufordern beziehungsweise ihnen anzubieten, Anteile am Wert des Rathauses zu erwerben.
Dies war die Keimzelle meiner Idee. Allerdings wollte ich den Bürgern die ganze Stadt verkaufen.

Wir hatten einen Plan, zu seiner Durchführung war es erforderlich, dass einer von uns zum Bürgermeister der Stadt gewählt wurde
Natürlich waren wir uns darüber im klaren, dass bis dahin noch viel Wasser die Eider hinunterfließen würde.

Viele Schritte waren nötig, um dieses Ziel zu erreichen
Die Gründung einer neuen "Bewegung".
Die Gründung einer Zeitung, um die neue "Bewegung" bekannt werden zu lassen und tonnenweise Schmutz über den politischen Gegner ausschütten zu können.
Die Gewinnung von Mitgliedern
Die Beteiligung an den nächsten Kommunalwahlen.
Die Entsendung von Mitgliedern in die Ratsversammlung und schließlich die Erringung der Mehrheit im Rat oder jedenfalls die Erreichung des Status eines Züngleins an der Waage, um bei der nächsten Bürgermeisterwahl ein entscheidendes Wort mitreden zu können
Blieb dabei nicht die Moral auf der Strecke? Mitnichten. Ich hatte meine persönliche Moral, und die hieß: Jeder Handel ist ehrenwert, außer der mit der eigenen Seele

Und letztlich wollten sie alle betrogen werden, irgendwie. In jedem von uns steckt (mehr oder weniger verborgen) der Wunsch, der Vater des Gedankens ist. Eine Haltung, die - wie vieles - im Englischen kürzer und prägnanter mit "wishful thinking£ bezeichnet wird.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum1. März 2018
ISBN9783746074641
Die Stadt der Betrüger
Autor

Peter Schönau

Peter Schoenau wurde am 19.12.1944 in Rendsburg, Schleswig-Holstein, geboren. Nach Besuch der Mittelschule und Ausbildung zum Großhandelskaufmann auf einem Schlachthof meldete sich Peter Schönau freiwillig zur Marine und durchlief die Offiziersausbildung bis zum Fähnrichslehrgang an der Marineschule Mürwik. Er verließ die Marine noch während des Lehrgangs auf eigenen Wunsch und ging für eine deutsche Firma nach La Paz, Bolivien. Nach seiner Rückkehr arbeitete er bei mehreren Unternehmen im Export und als Übersetzer und machte sich Anfang der 70er Jahre als Übersetzer selbständig. 1993 ließ er sich in Italien nieder, wo er seitdem als Übersetzer und Autor arbeitet. Von 2005 bis 2010 hielt er sich überwiegend in Buenos Aires auf, seit Sept. 2010 ist Coimbra, Portugal, sein zweiter Wohnsitz.

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    Buchvorschau

    Die Stadt der Betrüger - Peter Schönau

    Die Stadt der Betrüger

    Titelseite

    Impressum

    Die Stadt der Betrüger

    Nichts (oder nur wenig), was in diesem Buch steht, ist wahr. Doch wenn jemand behauptet, es könnte nie wahr werden ...

    Wir werden geboren, ohne sprechen zu können, und sterben, ohne dass wir etwas sagen konnten. Unser Leben verläuft zwischen der Stille dessen, der schweigt, und der Stille dessen, der nicht verstanden wurde, und um all dies herum flattert, wie eine Biene an einem Ort ohne Blumen, unbekannt ein sinnloses Schicksal. (Fernando Pessoa, portugiesischer Dichter und Literat).Personen:

    1.Die Viererbande:

    a) Peter Stein - freier Handelsvertreter, Alter 33, unverheiratet.

    b)Jürgen Pohl - Inhaber eines (ererbten) Feinkostgeschäftes, Alter 44, geschieden.

    c)Dieter Kaiser - Studienrat an einem der drei hiesigen Gymnasien, Alter 43, verheiratet mit Ingrid Kaiser, geb. Doritz; ebenfalls Lehrerin, jedoch an der städtischen Realschule, zwei Kinder im Heranwachsendenalter, ein Sohn (Karsten, 17) und eine Tochter )Anna, 16).

    d)Norbert Kahl - evangelischer Pfarrer an der Christkirche, Alter 39, unverheiratet und ohne Aussicht auf baldige Eheschließung

    2. Die Opfer

    a) Die Banker, die das große Geschäft wittern und darüber ihr kritisches Urteilsvermögen verlieren.

    b) Die Intelligenzija, die gerne einem Betrug auf den Leim geht, wenn er den Charakter eines geistreichen, wenn auch nicht unbedingt logischen Theorems annimmt.

    c) Die Parteien, die bisher das Schicksal der Stadt bestimmten und sich von der Futterkrippe nicht verdrängen lassen wollen.

    d) Die Notabeln, die Angst davor haben, mit Amt und Würde auch ihre Bedeutung zu verlieren.

    3. Die Statisten

    Die schweigende Mehrheit, die damit geködert wird, dass sie Mitbesitzer ihrer Stadt werden kann, indem sie Aktien der Stadt AG zu einem Vorzugspreis erwirbt.

    4. Die Stadt

    Wenn man die Stadt beschreibt, muss man zuerst ihre Vergangenheit beschreiben, um ihre Gegenwart zu verstehen.

    Nur im Traum überlagern sich Zeit und Raum, fließen ineinander und werden eins: Im Traum war alles einfach, Zeit und Raum, Vergangenheit und Gegenwart bildeten keinen Widerspruch, sogar die Zukunft schien manipulierbar. Ich hielt alles in einer Hand. Manchmal gelang es mir, die Vergangenheit in die Zukunft zu verlängern. Doch wenn ich erwachte und mich in der Gegenwart wieder fand, musste ich feststellen, dass mein Traum mir Projekte als realisierbar vorgegaukelt hatte, die einen Schönheitsfehler hatten: Sie negierten den Faktor Zeit, und ich hatte mittlerweile festgestellt, dass die vergeudete, verschwendete Zeit zur größten Hypothek eines Lebens werden konnte. Ich musste dringend etwas unternehmen, um diese Hypothek in ein Guthaben zu verwandeln.

    Ich habe etwas übrig für Geschichten mit einem Happyend. Manchmal treiben sie mir die Tränen in die Augen wie beißender Rauch oder schneidender Januarwind. Sie erwecken eine Fiktion von grenzenloser Brüderlichkeit und Liebe unter den Menschen, die der Realität in den seltensten Fällen standhält.

    Doch manchmal greifen Engel in unser Leben ein, wenn ihr Handeln auch vom göttlichen Zufall bestimmt ist.

    Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Natürlich hat jede Geschichte einen Anfang und (meistens) auch ein Ende. Der Anfang ist am schwierigsten, genauso wie es schon das Sprichwort sagt: Aller Anfang ist schwer. Wenn man erst einmal einen gewissen Erzählfluss gefunden und der Geschichte eine Struktur verpasst hat, kann man sie abspulen wie einen Faden von einem mehr oder weniger dicken Wollknäuel. Einmal angeschoben, gewinnt sie eine Eigendynamik, entblättert sich wie eine Blume, entpackt sich automatisch, bis auch ihr letzter Krümel einen Platz auf Papier, weiß wie frisch gefallener Schnee, oder in einer Datei auf der Festplatte eines Computers gefunden hat.

    Apropos Krümel, meine Freunde nennen mich Krümel. Schon seit der Schulzeit. Selbst ich weiß nicht mehr, wie ich zu diesem Spitznamen kam. Er ist eine Tatsache, wenn auch sehr viel trivialer als unsere Geschichte, die an einem Abend auf der Landstraße zwischen Bokelholm und Westensee begann.

    *

    Spritzig, con brio, ging man früher dem Tod entgegen. Unter klingendem Spiel starb es sich leichter, das war eine feststehende Tatsache. Nicht umsonst hatten fröhliche Trommelwirbel und Fanfarenstöße Jahrhunderte lang den Tod auf dem Schlachtfeld begleitet. Sie waren ein Schutzwall gegen die Angst und hinderten am Nachdenken über Sinn oder Unsinn des eigenen Opfers. Beim nächsten Waffengang würden klingendes Spiel und Ehrensalven über Massengräbern vielleicht keinen Sinn mehr ergeben. Man würde am vergifteten Wasser oder an der verpesteten Luft sterben, wo blieb da das Heldentum? Ich überlegte, dass es besser war, erst gar nicht darüber nachzudenken und dem Tod so zu begegnen, wie es unserer Zeit entsprach: ungläubig, als einem gut gelungenen Werbegag, der sich später als falscher Zauber entlarvt.

    Wenn man jung stirbt, sollte man auf jeden Fall dort begraben werden, wo man die Spiele der Kindheit gespielt hat, wo die Herzen junger Freunde dich beweinen, deren Tränen noch heiß sind und nicht eingetrocknet wie die der Alten, für die der Tod nur die Einlösung eines überfälligen Wechsels ist.

    Die erste Kategorie hatte ich schon verpasst, und die zweite sollte noch lange auf mich warten, wenn es nach mir ging.

    Je älter man wird, um so weniger verspürt man den Wunsch, die Dinge zu ändern. Man setzt seine verbliebenen Kräfte sparsam ein und verwendet sie darauf, das Morgen zu erreichen, weil schon das Übermorgen unerreichbar sein könnte.

    Mit 33 Jahren fühlte ich mich noch jung genug, um einen neuen Anfang zu wagen, aber schon zu alt, um noch zu glauben, dass der Marschallstab im Tornister ausreichte, um das eigene Glück zu schmieden. Man musste schon gehörig schieben, um nicht geschoben zu werden.

    Außerdem hatte ich das Gefühl, dass die Welt immer schneller einer Situation entgegensteuerte, in der wir nur noch die Restposten einer Rasse waren, die aufeinander einschlugen, im Totalausverkauf wegen Liquidation; mit Niedrigpreisen ausgezeichnete Waren, die am Ende verschleudert wurden, weil es für sie keinen Käufer mehr gab.

    Irgendwie roch die Zukunft schon heute nach Verwesung und sollte doch erst morgen geboren werden.

    Jürgen war mit 44 Jahren der Älteste von uns. Allerdings hatte er noch die Figur eines Dreißigjährigen. An seinem durchtrainierten Körper, der durch den regelmäßigen Besuch eines Fitnesszentrums seine Paßform nicht verlor, war kein überflüssiges Gramm Fett. Sein schwarzes Haupthaar litt noch unter keinen Ausfallserscheinungen, die Wirkung seiner eindrucksvollen strahlendblauen Augen untergrub noch keine Tränensäcke, und über den Backenknochen war die Haut noch straff gespannt. Er war der typische Fall eines enttäuschten Anhängers der Schönen neuen Welt von Aldous Huxley und deswegen auf der Suche nach bleibenden Werten in einer Welt, deren oberste Maxime nicht gerade die Werterhaltung ist, sondern die sich eher im schnellen Konsum erschöpft.

    Dieter war einer der verlässlichsten Menschen, die ich bisher in meinem Leben getroffen hatte. Sein Humor war so trocken wie die Wüste Gobi, er war der einzige von uns, der verheiratet war und im wahrsten Sinne des Wortes (dank seiner beachtlichen Größe von 1,92 m) auf zwei Kinder herabblicken konnte. Möglicherweise nicht mehr lange, denn Sohn und Tochter - beide im Heranwachsendenalter - waren nach ihm geraten, jedenfalls was die Wachstumshormone betraf. Als Studienrat an einem hiesigen Gymnasium, der in den Fächern Geographie und Geschichte unterrichtete, war er kein Freund besonderer körperlicher Betätigung, was sich in einem leichten, doch unverkennbaren Bauchansatz auswies. Sein Gesicht allerdings strafte dieses Attribut der Lebensmitte Lügen. Wenn es sich unter seiner blonden Mähne zu einem Lachen verzog, wirkte es wie das spitzbübische Grinsen eines Jungen, der seinem Vater gerade die Erhöhung des Taschengeldes abgetrotzt hat.

    Norbert schließlich hielt als evangelischer Pfarrer an der Christkirche die Verbindung zum Transzendentalen aufrecht. Eine Verbindung, von der man nie wissen konnte, ob sie nicht doch zu irgend etwas taugte, und wenn es sich nur darum handelte, den Segen höherer Mächte für ein Unternehmen zu erflehen, das er (als theologische Rechtfertigung) in die Rubrik: Gebt Gott, was Gottes, und dem Kaiser, was des Kaisers ist, eingeordnet hatte. Eigentlich sah er mit seinem kantigen, solariumgebräunten Gesicht und seinen groben Händen gar nicht wie ein Geistlicher aus. Auch verfiel er nie in den salbungsvollen Tonfall, der viele seiner Berufskollegen auszeichnete. Manchmal zweifelte ich an der Richtigkeit seiner Berufswahl und hätte ihm eher einen Preis für die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat verliehen. Er übte ein Amt aus, für das ihm die Kirche wahrscheinlich nie das Mandat erteilt haben würde, hätten seine Oberen auch nur geahnt, welchen Ketzer sie an ihrer Brust großgezogen hatten. Sicher gab es Dinge, an die Norbert glaubte, aber der Gott der Kirche gehörte nur sehr bedingt dazu.

    *

    Wir vier wären uns nie begegnet, wenn ich nicht an jenem Abend auf einer dunklen Landstraße mit meinem Wagen eine Panne gehabt hätte. Und das wiederum hätte bedeutet, dass unser Leben (voraussichtlich) keine so einschneidende Änderung erfahren hätte, wie sie uns bevorstand.

    Ein am Straßenrand abgestelltes Auto und ein schwacher Lichtschimmer vom Seeufer wiesen mir den Weg zu drei Anglern und einem Holzkohlengrill, auf dem mehrere Koteletts schon eine gesunde Bräune aufwiesen. Wir stellten fest, dass wir nicht weit voneinander entfernt wohnten. An diesem Abend wurde eine verrückte Idee geboren.

    Ich hatte von der Stadt gelesen, die vor der Wahl stand, ihr Rathaus teuer zu restaurieren oder - noch teurer - neu zu bauen, und für beide Lösungen nicht das Geld hatte. Daraus wurde die Idee geboren, die Bürger aufzufordern beziehungsweise ihnen anzubieten, Anteile am Wert des Rathauses zu erwerben.

    Ich dagegen wollte ihnen die ganze Stadt verkaufen.

    Blieb dabei nicht die Moral auf der Strecke? Mitnichten. Ich hatte meine persönliche Moral, und die hieß: Jeder Handel ist ehrenwert, außer der mit der eigenen Seele. Ich hatte zu unterscheiden gelernt zwischen legalen, weniger legalen, etwas illegalen und überwiegend illegalen Geschäften. Sie alle störten mein Selbstverständnis nicht besonders, solange ich sie erfolgreich beenden konnte und niemand darunter leiden musste, der es meiner Meinung nach nicht verdient hatte. Mit meiner Seele ließ ich allerdings nicht spaßen, sie war unverkäuflich. Wenn ich vielleicht auch Schwierigkeiten gehabt hätte zu definieren, wo meine Seele aufhörte und mein Geschäftssinn begann.

    Letztlich wollten sie alle betrogen werden, irgendwie. In jedem von uns steckt (mehr oder weniger verborgen) der Wunsch, der Vater des Gedankens ist. Eine Haltung, die - wie vieles - im Englischen kürzer und prägnanter mit wishful thinking bezeichnet wird.

    Natürlich hatten einige wirklich etwas zu verlieren. Die Politiker die Futterkrippe und die Notabeln Amt und Würde und damit ihre Bedeutung. In der Brust der Banker wohnten dagegen, wie so oft, zwei Seelen. Sie witterten ein großes Geschäft, und doch sagte ihnen ihr Instinkt, dass etwas an dem Braten, den sie schnupperten, ihnen Magenschmerzen bereiten könnte. Aber nach mehr oder weniger langem Kampf mit ihrer besseren Einsicht siegte in der Regel ihre Habgier, die selten ausgeprägter anzutreffen ist als bei einem Banker.

    *

    Manche Dinge passieren, obwohl kein Buchmacher darauf eine Wette annehmen würde: Politik ist angeblich die Kunst des Möglichen. Doch seiner Natur nach ist dieses Mögliche eine Variable und keine feste Größe. Sie wird aus einer Reihe von Parametern gebildet, die zu ihrer Definition sorgfältig untersucht werden müssen. Deshalb war unsere erste Aufgabe die möglichst objektive Bewertung des Umfelds, in dem wir uns bewegten: die Stadt, ihr soziales Gefüge, ihre Politiker, die Parteien, denen sie angehörten, sowie die Entwirrung des Geflechtes von Abhängigkeiten, denen ihre wichtigsten Persönlichkeiten ausgesetzt waren. Denn alle Beziehungen basieren auf einem enggestrickten Netz von Interdependenzen. Erst wenn man sie erkannt hat, ist man zum Angriff auf die feindlichen Stellungen gut gerüstet.

    Ich hatte einen Plan geschmiedet, doch ich wusste, dass bis zu seiner Durchführung noch viel Wasser die Eider hinunterfließen würde.

    Viele Schritte waren nötig, um sein Ziel zu erreichen:

    Die Gründung einer neuen Bewegung.

    Die Gründung einer Zeitung, um die neue Bewegung bekannt

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