Kaleidoskop: Satiren, Albernheiten, Plünderungen und Gesprächsanläufe
Von Thomas Schorrer
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Über dieses E-Book
Geschichte, Alltag, Berufsleben und Märchen, selbst die Zukunft kommt nicht zu kurz. Tendenziell säkulare Ausrichtung.
Kann Spuren von Barbarium enthalten. Nicht empfohlen für Autoritäre Fake Demokraten und deren Fans.
Mit Vorwort, Mittelwort und Nachwort.
Nach Art einer Flaschenpost in den unermesslichen Ozean der Zeichen und Wörter geworfen. Coupon verwenden? Versuch's mit Nachsicht.
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Buchvorschau
Kaleidoskop - Thomas Schorrer
Vorwort
Kaleidoskop? – eine Röhre mit kleinen farbigen Scherben darin, dazu gläserne Linsen, veränderliche Muster, bunte Bilder beim Durchschauen. Nun, ich habe auch noch ein Kaleidoskop ohne Scherben, mit einer Linse am Ende, durch die ich die Außenwelt betrachten kann, wenn auch stark verformt. Was aber eigentlich zählt, sind die Spiegel im Innern, die das ganze Bild vervielfachen und verzerren, so dass man etwas sieht, dessen Ursprung nur noch schwer auszumachen ist.
Andere Angaben: Märchen mit unpassendem Realitätsgehalt, etwas holprig scheinende Gespräche, launige Phantasmen, hochbedeutend wirkende historische -äh, „Dokumente", sowie Geschichten, die ich mir während der Pandemie selbst erzählt habe in meinem ländlichen Domizil. Das macht’s so etwa, im Kern.
Zunächst wollte ich das Ganze mit einer alphabetischen Aufzählung von Untertiteln versehen, wie etwa
Ansammlung anstrengungsloser Albernheiten
Behältnis buchförmiger Bequemlichkeiten
Container chaotischer Curiosa
Depot durchwachsener Denkspiele
Elaborat ephemerer Entgleisungen
Fingerübungen fortgeschrittener Faulheit
Galerie gelegentlicher Gedankenblitze
− aber dann schien mir der ganze Aufwand nicht mehr lohnend, zuviel Arbeit mit armem Ziel, kurz, ich hatte keine Lust mehr, auch wenn noch ein kleines Konvolut komischer Kurztexte auf Lager blieb.
Dann kam mir ein Name wie „Kaleidoskop, infrarot" in den Sinn, aber da war gleich auch die Frage: Warum nicht auch iuxtagelb, intergrün, periblau? Sollen die alle missachtet werden, bloß weil sie sichtbar sind? Da bleib ich doch besser in der kurzen Form des einzelnen Wortes. Die Farben kann sich dann dazudenken wer will.
Bevor jetzt aber noch akkurate Differenzierungen, etwa die zwischen Albernheit, Blödeln und Comedy – die bekannten Grundpfeiler jeglicher ABC-Analyse – sowie andererseits zwischen Nonsense und Parodie – unentbehrlich für die NP-Vollständigkeit – die potentielle Leserschaft allzusehr in Bedrängnis bringen, sei darauf hingewiesen, dass auf ordentliche Abgrenzung zwischen Scherz, Satire, Irokese und tieferer Bedeutung grundsätzlich verzichtet wurde.
Weitere Ausführungen sind sicherlich besser im Nachwort angebracht. Da ist der Inhalt schon bekannt und es herrscht dementsprechend mehr Klarheit und Übersicht. Oder sollte es doch, so in etwa.
Rapunzel in Gedanken
(Unbedenklich für Kinder mit fundierten Märchenkenntnissen und gerade noch so geeignet für Erwachsene mit zertifizierter Märchen-Zusatzqualifikation)
Die fotogene Rapunzel sitzt allein in ihrem Turm und wartet auf den Prinzen. Ihr schönes langes Haar staut sich erwartungsvoll im Raum. Wenn dann der Königssohn endlich kommt, will sie es für ihn aus dem Fenster herunterlassen, damit er daran hochklettern kann, da ein anderer Weg für beide nicht möglich ist, wie die Überlieferung berichtet.
Aber das dauert.
Lang zieht sich die Zeit dahin.
„Jetzt habe ich ‚Warten auf Godot‘ schon dreimal vor- und rückwärts gelesen, aber es half nichts, nicht im Geringsten. Die Zeit bleibt zäh und mein Haar reichte schon längst bis auf den Boden vor dem Turm, wenn ich es herunterließe, ja, es könnte dort schon Wurzeln schlagen", grübelt sie vor sich hin. „Und seit die Prinzen vom Pferd aufs Motorrad umgestiegen sind, sind sie auch nicht gerade schneller geworden. Sie müssen jetzt immer noch ein paar Extrarunden drehen, um andern zu imponieren, ihren Peers, wie es heute heißt, bis sie sich dann endlich auf den Weg machen. Und dann lassen sie sich noch von allen und jedem aufhalten."
Nun geschieht es eben oft, dass beim vielen Warten die quirligen und kontaktfreudigen Gedanken unentwegt und unruhig umherschweifen und dabei allerlei Ideen produzieren.
„So", sagt sich Rapunzel irgendwann, „Ich hab' keine Lust mehr, ewig hier in diesem drögen Turm herumzuhocken, auf den verschnarchten Prinzen zu warten, zu harren und zu hoffen und dabei langsam zu versauern. Ich will etwas erleben, will ein bisschen Action in meinem verriegelten Dasein, und zwar solange ich noch jung bin. Alt werde ich früh genug.
Meine megalangen Haare schneide ich ab und knüpfe sie zu einer Strickleiter, damit komme ich hier raus und kann anschließend unbemerkt kommen und gehen wie ich will.
Gleich nächstes Wochenende kann ich mich dann mit Schneewittchen treffen, meiner besten Freundin schon von klein auf. Wenn wir zusammen ausgehen, findet die immer ein paar lockere Typen, mit denen wir gemeinsam unseren Spaß haben können.
Obwohl …. zuletzt soll sie ja hauptsächlich mit irgendwelchen Zwergen abgehängt sein, wie so herumerzählt wird. Was da nur in sie gefahren ist! Das ist jedenfalls nicht ganz mein Style, aber vielleicht hat sie inzwischen wieder was anderes aufgegabelt, flott genug ist sie ja.
Und, mal sehn, womöglich hat Dornröschen endlich ausgeschlafen, dann wären wir zu dritt, auch nicht schlecht. Zeit wär's ja so langsam schon für sie, da in ihrem überwucherten, allmählich ganz verwahrlosten Domizil. Ich weiß ja, dass bisher vieles nicht leicht für sie war, aber ich finde, auch wenn sie Kummer hatte, sie hätte nicht soviel Veronal® einwerfen sollen."
[Anmerkung: An dieser Stelle lässt sich sehr gut erkennen, dass unser Märchen, wie ja die meisten anderen auch, auf eine ganz uralte Überlieferung zurückgeht, denn dieses Mittel zum Einschlafen ist schon seit vielen Jahren, ja, gar vielen Jahrzehnten komplett vom Markt verschwunden.]
„Irgendwann schmuggle ich ihr mal eine Erbse unter die Matratze und warte dann ab, wie sie darauf reagiert.
Wenn sie nicht wachzukriegen ist, könnte ich auch noch Schneeweißchen und Rosenrot abholen. Die beiden häufen zusammen so viel geballten Liebreiz auf sich auf, dass jede andere Idylle dagegen wie eine Müllhalde nach einem Granateneinschlag aussieht, oder wie die verwelkte Ödnis in Person.
Oder aber ich schau nach der prolligen Aschenputtel, die kann ich auch noch fragen ob sie mit will. Hoffentlich muss sie nicht gerade wieder so viel arbeiten. Und wenn sie nicht immer so viel rauchen würde, ganz nebenbei, dann hätte sie sicher auch einen schöneren Namen bekommen.
Sie soll ja in letzter Zeit von einem Schuhfetischisten gestalkt werden, wenn es stimmt, was der Buschfunk so alles verbreitet. Egal, wir machen dann eine Girls Night und lassen die Korken knallen, aber hallo! Mit der kann man doch so Dingens stehlen – wie hieß das nochmal, Pferde? Wer klaut denn sowas?!
Sollte allerdings irgendwo ein Prinz auftauchen, muss ich mich ziemlich ranhalten. Die Konkurrenz ist groß und echte Prinzen sind rar. Das muss er schon sein: Ein Prinz mit einem richtigen Schloss. Und zwar kein Schloss an