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Mamarosa: Ein Oberbayern-Krimi
Mamarosa: Ein Oberbayern-Krimi
Mamarosa: Ein Oberbayern-Krimi
eBook300 Seiten4 Stunden

Mamarosa: Ein Oberbayern-Krimi

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Über dieses E-Book

Ein Fall, bei dem Kommissar Bernrieder das Pferd von hinten aufzäumen muss.

In den ländlichen Gefilden von Bad Tölz sorgt ein Mordfall auf einem idyllischen Pferdegestüt für jede Menge Wirbel. Kommissar Franz Josef Bernrieder wird aus seinem romantischen Wochenende mit einer Freundin gerissen, um herauszufinden, wer die neue Hof-Mitarbeiterin erstochen hat.

Katrin Harlinger wollte ein neues Leben anfangen – bedauerlicherweise ist ihr gewaltsamer Tod diesen Plänen dazwischengekommen. Doch obwohl sie noch nicht lange in der Gegend war, wächst die Liste an Verdächtigen überraschend schnell: Eine dubiose beste Freundin, vertraute Fremde und verstrickte Affären.

Während Bernrieder sich durch ein Geflecht aus Beziehungschaos und Alibiverwirrung kämpft, kommt es zu weiteren mysteriösen Todesfällen. Dieses Mal muss er besonders akribische Kleinarbeit betreiben, um herauszufinden, wer wirklich hinter den Kulissen die Hebel bewegt …

"Mamarosa" ist der fünfte Band der Serie „Bernrieder ermittelt”. Dieser Roman ist in sich abgeschlossen. Alle Teile der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden.

SpracheDeutsch
HerausgeberZeilenfluss
Erscheinungsdatum24. Nov. 2023
ISBN9783967143683
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    Buchvorschau

    Mamarosa - Olaf Maly

    1

    Wenn man von Bad Tölz aus Richtung Süden, auf der Bundesstraße 13, fährt, kommt man zwischen Bad Tölz und Lenggries rechter Hand an einen Weg. Nur ein Feldweg, der ab und zu mit grobem Kies begradigt wird, wenn es nötig ist, aber dennoch immer nur ein einfacher Feldweg bleibt. Ein großes Schild an beiden Seiten der Straße, grün mit goldfarbenen Buchstaben und einem Pferdekopf, zeigt mit einem Pfeil auf das Gestüt Brenninger.

    Früher war das einmal ein Bauernhof. Als man endlich einsehen musste, dass Kühe kein Geschäft mehr sind, stellte man den Betrieb ein. Kurz danach starb der letzte Siegel-Bauer, dem der Hof gehört hatte. Seine Frau konnte es nicht ertragen, dass ihr bisheriges Leben mit dem Verkauf der letzten Kuh endete, und ging lange vor ihm. Er wollte den Hof nicht verkaufen. War dort geboren und aufgewachsen. Kinder gab es nicht, also lebte er dort, bis er eben nicht mehr lebte.

    Seit Generationen war der Hof in Familienbesitz, bis er der Letzte war. Ohne Familie. Dann stritten sich die Erben, ein paar Verwandte zweiter Linie, für ein paar Jahre, bis diese eingesehen hatten, dass die Anwälte so langsam, aber sicher mehr Geld an der Erbschaft machten als sie selber. Das war das Zeichen, sich entweder zu einigen oder alles zu verlieren. Also wurde der Hof verkauft, das erlöste Geld verteilt, und alle waren glücklich. Wie man das eben sein kann, wenn man nicht das bekommen hat, was man eigentlich wollte.

    Der Herr Brenninger bekam den Zuschlag bei der Versteigerung. Seine Frau wollte Pferde züchten. Und er wollte seiner Frau etwas Gutes tun, da sie sich nichts mehr gewünscht hatte als eben das. Ein Gestüt. In ihren Kreisen hatte man Pferde. Und wenn man noch ein bisschen höher angesiedelt sein wollte, eben ein Gestüt.

    Der Hof wurde für viel Geld pferdegerecht umgebaut. Zu viel Geld, wie der Herr Brenninger immer sagte, aber nichts dagegen tun konnte. Aus dem Haupthaus, mit angebautem Stall, wurde ein sogenanntes Clubhaus. Im Erdgeschoss gab es Umkleideräume, Duschen und kleine Schränke, in denen die Mitglieder des Reitvereins ihre Sachen lagern konnten. Ein kleiner Bereich wurde als Bar eingerichtet, in der man sich zusammensetzen und über Pferde reden konnte. Das war, wie man sich vorstellen kann, das einzige Thema. Außer der neuen Ausstattungen, denen es ab und zu bedurfte, wie neue Stiefel aus feinstem Leder, den modischsten Reithosen und alles, was man eben so braucht, wenn man Pferde hat, die mehr kosten als der teure Wagen vor der Tür.

    Der ganze Raum war mit Zirbenholz ausgeschlagen. Die Wände und die Decke. Der Boden war grob gehobeltes Holz. Man ließ es, wie es seit ewigen Zeiten war. In der Ecke stand noch ein Kachelofen. Auch ein Relikt der Zeit, als es noch ein Bauernhof war.

    Im ersten Stock befand sich noch ein kleines Appartement für die Familie Brenninger, sollte jemand von ihnen dort übernachten wollen. Frau Brenninger nahm es des Öfteren in Anspruch, wenn der Weg nach Hause auch nur knapp eine Stunde dauerte. Besonders im Winter, wenn der Schnee hoch lag und man nur mit einem Traktor weiterkommen konnte, was die Fahrt nach Hause beschwerlich oder sogar unmöglich machte.

    Der ehemalige Stall neben dem Haupthaus diente als Lagerraum für das Futter und all die anderen Dinge, die man auf so einem Gestüt brauchte.

    Gegenüber diesen Gebäuden, dort, wo einmal die Tenne stand, baute man den Pferdestall und angrenzend daran eine Reithalle. Man wollte vom Wetter unabhängig sein. Am Ende des Stalles, der links und rechts Boxen für die Pferde hatte, gab es eine kleine Wohnung für den jeweiligen Aufseher, der die Tage und Nächte dort verbrachte und auf die Pferde achten musste. Es waren kostbare Tiere, die man nicht so einfach allein lassen konnte. In diesem Fall war es eine Aufseherin, die erst seit ein paar Monaten dort arbeitete, nachdem der Herbert Wieser, der Pferdehüter, in Rente gegangen war.

    Sie kam aus dem Norden, einer Gegend, in der Pferde schon seit ewigen Zeiten gezüchtet wurden. Hannoveraner. Auch im Gestüt Brenninger züchtete man diese Rasse. Aus geschäftlichen Gründen durften auch keine anderen Pferde in den Boxen stehen. Frau Brenninger achtete genau darauf. Sollte jemand sein Pferd dort unterstellen wollen, dann nur, wenn es eben ein Hannoveraner war. Hatte man keinen, war sie gerne bereit, einen zu besorgen. Fragte man sie nach den Gründen, sah sie einen nur verächtlich an. Wenn man das nicht selber wusste, hatte es wohl keinen Sinn, es zu erklären.

    Der Hauptwohnsitz der Brenningers war und ist in Grünwald, einem noblen Vorort von München. Mit einer eigenen Ritterburg. Nicht dass die Brenningers eine hatten, nein, nur am Ort stand eine seit hunderten von Jahren, aber dennoch. Genau genommen seit dem zwölften Jahrhundert. Nicht viele Plätze in Bayern haben noch Ritterburgen. Nur interessieren sich die meisten Einwohner dort nicht sehr für dieses Überbleibsel aus lang vergangener Zeit. Man nimmt sie als gegeben hin und überlässt sie den Touristen. Die Anwohner selbst leben lieber hinter dichten Hecken und manchmal auch hohen Mauern.

    Frau Brenninger war Mitte fünfzig, schlank, mit goldblonden Haaren und einer sehr ansprechenden Figur. Sie war nett anzusehen, was sie wohl auch dem jährlichen Aufenthalt in gewissen Einrichtungen zu verdanken hatte, die für viel Geld und Geduld dafür sorgten, dass es auch so blieb. Jedenfalls für ein paar Jahre.

    Man sah sofort, wenn man ihr auf dem Gestüt begegnete, wer dort das Sagen hatte. Sie musste es niemandem mitteilen. Ihre Präsenz sagte alles, wenn sie mit leicht wiegenden Schritten durch die Anlage schwebte. Immer mit einer Gerte in der rechten Hand, die sie pausenlos auf ihre linke Handfläche streichen musste. Die Angestellten drehten sich dann um und verrichteten irgendeine Arbeit, auch wenn sie bis dahin keine hatten. Sie vermieden es, sich freiwillig mit ihrer Chefin zu treffen, und zogen es vor, nur zu kommen, wenn sie rief.

    An diesem Tag, es war ein Montag, ging Frau Brenninger wie immer als Erstes in den Stall, um nach dem Rechten zu sehen. So fing ihre Woche an. Und ihr Tag, wenn sie auf dem Gestüt war. Das Wochenende verbrachte sie meistens in ihrer Villa in Grünwald, mit ihrem Mann und manchmal auch den Kindern, die zwar schon aus dem Haus waren, aber sich dennoch öfter blicken ließen. Auch das war eine der inoffiziellen und nicht diskutierbaren Abmachungen in der Familie. Dass man sich traf und Zeit miteinander verbrachte.

    Es war noch dunkel im Stall. Die Türen waren geschlossen. Da es früh am Morgen war, sah man noch nicht viele Leute auf dem Gelände. Zwei Arbeiter fuhren gerade mit einem kleinen Traktor in die Scheune, um Futter zu holen. Das Wetter war nass und schwer. Es war ein trüber, trister Tag, dieser Montag Ende September. Am Vortag hatte es sogar schon ein bisschen geschneit. Nicht viel, nur ein paar Flocken, als würde sich der Wettergott noch nicht entscheiden können, ob es Regen oder Schnee sein sollte. Also hatte er erst einmal ein paar weiße Flöckchen in den Regen gemischt. Nur so. An diesem Tag war die Luft angefüllt mit Wasser. Es regnete zwar nicht mehr, aber die in der Luft schwebende Nässe setzte sich auf alles, was damit in Berührung kam. Fast konnte man sie schneiden. Die Sonne versuchte vergeblich, sich durch die am Boden liegenden Wolken zu kämpfen. Man sah nur einen kleinen, hellen Kreis, der daran erinnerte, dass da einmal etwas war.

    Frau Brenninger blickte nach oben in den Himmel und seufzte ein bisschen. Der Sommer war nun endgültig vorbei. Die Jahreszeit, die sie besonders liebte. Im Radio redete man schon davon, dass es bald Schnee geben würde, so wie gestern, nur eben mehr. Da sie nichts dagegen tun konnte, ließ sie es dabei, einmal geseufzt zu haben. Es beruhigte sie.

    Es gab ein großes Tor an einem Ende des Stalles, in das noch eine kleine Tür eingesetzt war. Dort ging man durch, wenn man nur in den Stall wollte. Das große Tor wurde nur, sollte es nötig sein, für die Pferde aufgemacht. Oder für die Anlieferung des Futters und das Entsorgen des Stallmistes. Als sich Frau Brenninger dem Eingang näherte, sah sie, dass die Tür nicht verschlossen war. Das war ungewöhnlich, da sie darauf bestand, abends alle Türen zu verschließen. Sie schüttelte leicht den Kopf, da sie annahm, dass die neue Pferdehelferin es wohl vergessen hatte. Sie würde sie daran erinnern, wenn sie mit ihr redete.

    Im Stall angekommen sah sie eines der Pferde im Gang stehen. Die letzte Box auf der rechten Seite war offen. Auch die Tür, die in das Appartement führte, war nicht verschlossen. Es brannte Licht in der Wohnung. Auch das war Frau Brenninger nicht recht. Sie wollte Ordnung. Disziplin. Keine Schlamperei. Langsam stieg ein leichter Groll in ihr hoch, weil sie dachte, dass die neue Kraft, die den Stall kurzfristig übernommen hatte, doch nicht die richtige war. Der Verdruss wurde immer schlimmer, je näher sie der Box kam. Sie wollte schreien, nur sah sie niemanden, den sie anschreien konnte.

    Alles war still. Nur die Pferde, die von Natur aus neugierig sind, bewegten sich, um nachzusehen, was denn los sei, und streckten ihre Hälse aus den Boxen. Das Pferd im Gang sah Frau Brenninger nur an, bewegte sich jedoch nicht. Nur sein Kopf ging ruckartig immer ein bisschen nach oben und unten. Es schlug mit den Hufen auf den festen Lehmboden. Die anderen Pferde wieherten oder schlugen leicht gegen die Boxenwände.

    Das Einzige, was man hörte, waren die dumpfen Schritte der Frau Brenninger, die schnellen Schrittes in Richtung der Box ging, die offen war. Dabei streichelte sie im Vorübergehen kurz das Pferd, das im Gang stand, um es zu beruhigen.

    An der Box angekommen erschrak sie. Die neue Pferdepflegerin lag am Boden. Der Rücken war an die Wand gelehnt, die Beine ausgestreckt. Die Arme hingen schlaff am Körper. Das karierte Holzfällerhemd, das sie anhatte, war mit Blut getränkt. Der Kopf lag seitlich auf der Schulter. Die Augen waren weit offen, als wollte sie allen sagen, wie grausam es war zu sterben.

    Ein Schemel stand draußen an der Boxenwand. Frau Brenninger setzte sich, sah sich an, was sie nicht begreifen konnte. Sie hatte noch nie einen Toten gesehen. Und schon gar nicht jemanden, der voller Blut war. Sie vermied es, sich solche Sachen anzutun. Wie sie alles aus ihrem Leben strich, was nicht schön, ästhetisch oder angenehm war. Ihre Aufregung und ihre Wut wegen des offenen Stalles waren einer endlosen Traurigkeit gewichen. Dann nahm sie ihr Handy und wählte die Nummer der Polizei.

    2

    Kommissar Franz Josef Bernrieder lag oben in seinem Bett. Im ersten Stock. Das Wetter um diese Zeit verlangte ganz einfach, sich dort aufzuhalten. Besonders, wenn man nicht alleine war. Bodennebel hatte sich über die Wiesen gelegt, die vor seinem Haus waren und auf denen der Bauer vom Nachbarhof seine Kühe abgestellt hatte. Sie standen dort und hatten keine Beine. Die waren im Nebel ganz einfach untergetaucht.

    »Die Küh schweben in der Luft, Birgit«, sagte er zu seiner Flamme, die gerade aus dem Bad kam und sich einen Morgenmantel anzog. Er hatte immer mehrere parat, falls ein Besuch überraschend kam. Man brauchte sie einfach manchmal, diese leichten, anschmiegsamen Umhänge, die den Körper kunstvoll umhüllen konnten. Wie jetzt eben. Obwohl er sich seine Birgit auch ohne Morgenmantel hätte vorstellen können. Eigentlich sogar viel lieber, was er aber nicht sagte. Sie wusste es ohnehin.

    Er hatte Besuch über das Wochenende. Weiblichen Besuch. Sie kam am Freitagnachmittag überraschend bei ihm im Büro vorbei und fragte, ob er am Wochenende schon etwas vorhätte. Natürlich, meinte er, das schon, sehr viel sogar, aber für sie würde er selbstredend alle Termine absagen.

    »Franz, des is total super von dir, weil ich nämlich am Montag heimmuss und dich noch amal seh'n wollt. Weißt eh. Und ich werd für eine Zeit lang nicht kommen. Die Kuren hier werden immer teurer und des Geld immer weniger. Aber vielleicht liegt's an mir, und ich brauch jedes Jahr einfach immer mehr Pflege, was meinst?«

    »Birgit, du siehst einfach so umwerfend aus wie immer. Wenn's nach mir geht und mich jemand fragt, brauchst du da gar nix nicht machen. Bleib so, wie du bist, und was immer die andern reden, hör nicht drauf.«

    »Des glaub ich dir aufs Wort, du Suppenkasperl. Aber wie ich g'hört hab, is sogar die Heizung in deinem Haus jetz endlich einbaut, also steht dem ja nix mehr im Weg, dass wir uns des da g'mütlich machen. Ich mein, des Bett in der Küch war schon irgendwie romantisch, aber nicht grad warm, b'sonders wenn der Kachelofen aus war.«

    »Aber ich hab dich immer warm g'halten, da kannst nix sagen. Und woher weißt du denn des überhaupt jetz mit der Heizung, meine liebe Birgit?«

    »Franz, des wissen alle deine Liebschaften, die des hier im Umkreis gibt. Und wir reden mitanander, weißt. Dass da nix passiert. Stell dir nur amal vor, geistig, mein ich, wie so einen Film, weißt, da wär ich bei dir am Wochenend, wir hätten da eine ganz tolle Zeit, und da käm jemand anders. Was Weibliches, mein ich. Da könnt des ja glatt sein, dass du einen Mordfall in deinem Haus haben könnt'st. Ich mein, da bräuchst ja dann nicht lang ermitteln, weil du ja dabei g'wesen wärst. Nur des schaut halt nicht so gut aus, wenn der Hauptkommissar von Bad Tölz in seinem eigenen Haus ermittelt und sich dann selber Fragen stellen muss. Ob er ein Alibi hat, oder wie des heißt. Und warum da eine zweite Frau is, die die andere nicht g'mocht hat. Viele solche Fragen, die nicht beantwortet werden können.«

    »Und deswegen sprecht's ihr euch ab? Des glaub ich nicht. Des is nur ein riesiger Schmarrn, was du da sagst.«

    »Dann frag halt die andern, wenn'st meinst. Oder lass des doch amal drauf ankommen. Dann möcht ich dich seh'n.«

    »Aber Birgit, wie du sehr gut weißt, gibt's da niemanden außer dir.«

    »Zurzeit jedenfalls, mein ich«, wie er noch leise hinzufügte, da er sich seiner kleinen Unwahrheit bewusst wurde und die nicht herausposaunen wollte.

    »Ja, Franz, des wissen wir. Des is so sicher wie des Amen in der Kirch, nachdem du deine Beichte abg'legt hast. Nur wie auch jeder weiß, gehst du ja gar nicht in die Kirch, also tust du auch nicht beichten. Aber du wirst des dann schon seh'n, wenn du vor dem hohen Gericht stehst und dich der Herrgott fragt, was du so trieben hast, da unten, auf der Erden. Dann kommt des alles raus.«

    »Da hab ich gute Beziehungen hier, Birgit, des kannst glauben. Der wird des dann schon richten. Der hat einen guten Draht nach oben.«

    »Und deswegen mach ich mir um dich auch keine Sorgen. So, hamma jetz ein Wochenende oder nicht? Weil ich muss des wissen.«

    Franz Josef Bernrieder konnte natürlich nicht nein sagen. Noch dazu, da sie andeutete, noch jemand anderen besuchen zu wollen, falls das nichts mit ihm werden sollte. Alleine wollte sie ihr letztes Wochenende in Bad Tölz nun ja doch nicht verbringen. Man hängt an Erinnerungen, meinte sie noch. Und wenn man sich dann nach all den Jahren zurückversetzt, will man doch eine schöne Zeit vor Augen haben. Und nicht ein leeres Hotelzimmer.

    Birgit war eine langjährige Freundin, die jedes Jahr für ein paar Wochen nach Bad Tölz kam. Angeblich war sie aus Regensburg, aber ob das so war, wusste er nicht. War auch nebensächlich. Und langjährige, gute Freundinnen sollte man nicht enttäuschen.

    Beide saßen gerade gemütlich beim Frühstück, redeten über alte Zeiten und den Tratsch des Ortes, als das Handy klingelte. Franz Josef Bernrieder nahm es ab und hörte zu, was die Partei am anderen Ende zu sagen hatte.

    »Und wo is des?«

    »Ja, des weiß ich schon, wo des is, aber schick mir die Adress trotzdem durch. Nur dass ich des nicht …«

    »Ja, ich dich auch, Korbinian. Servus.«

    »Des war mein Büro, Birgit. Ich muss leider weg. Da is eine Tote g'funden worden.«

    »Hier in Tölz? Ich kann des gar nicht glauben. Aber ich hab dir des g'sagt am Freitag.«

    »Nein, des hast nicht. Du hast phantasiert, dass des in meinem Haus sein soll, weil die Weiber sich gegenseitig umbringen wegen mir. Des is aber in einem Pferdestall. Ganz in der Näh. Du kannst dann, wenn'st fertig bist, ganz einfach die Tür hinter dir zumachen.«

    Dann ging er zu ihr, gab ihr noch ein paar Küsschen, säuselte etwas davon, wie aufregend schön das Wochenende war und dass er hoffe, es wäre nicht das letzte gewesen.

    »Franz, ich hab dir g'sagt –«

    »Birgit, überleg dir des. Ich bin immer da für dich.«

    »Außer wenn'st nicht da bist.«

    »Dann natürlich nicht, logisch, aber des kommt nicht vor, wenn du mir genug Vorlauf gibst. Oder wenn, dann nur sehr selten. Weil wann jemand hier bei uns umbracht wird, da hab ich noch keinen Einfluss drauf.«

    Dann gab es noch ein paar Küsschen, und die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.

    3

    Den Ersten, den er sah, als er vor dem Stall des Reitergutes parkte, war Korbinian Schuhnagel, den Polizisten in seinem Revier. Einen der Polizisten. Dieser zeigte ihm, nachdem man sich gegenseitig mit einem herzlichen Servus begrüßt hatte, wo es langging.

    Das Auto von Amelie Hammer, die Spurensicherung in Person, und auch eine hilfreiche Kollegin in schwierigen Sachen, stand neben dem Stall. Sie lief vor der Box herum und machte Bilder. Er sah sie schon von der Tür aus. Das gab ihm die Gewissheit, wohin er zu gehen hatte.

    Neben der Box war eine Frau, die auf einem Schemel saß und telefonierte. Sie war ziemlich weiß im Gesicht, als wäre ihr nicht ganz wohl.

    Dr. Wilhelm Mittler, der diensthabende Arzt, der den Tod festzustellen hatte und die Obduktion veranlassen würde, redete ebenso gerade in sein Telefon. Alles und jeder schien beschäftigt zu sein.

    »Wenn ich hier amal a bisserl stören darf«, sagte er, als er auf die Gruppe getroffen war, die scheinbar einiges zu tun hatte.

    »Könnt mich da amal bitte jemand einführ'n und mir sagen, was da los is?«

    Amelie übernahm es, ihn aufzuklären. Sie waren auch gute Freunde, hatten viele Fälle miteinander gelöst, verstanden sich prächtig. Er hatte ihr sogar früher, als sie noch nicht verheiratet war, Avancen gemacht, die allerdings nie erwidert wurden. Was, wie er immer betonte, ihr Verlust war, nicht seiner.

    »Franz, schön, dass du den Weg hier raus g'funden hast. Des is die Frau Brenninger«, wobei sie auf die Frau zeigte, die auf dem Schemel saß und immer noch telefonierte. Ihr Gesicht hatte seine Farbe noch nicht verbessert.

    »Ihr g'hört des hier alles. Und wie sie in der Früh amal nachschau'n wollt, was in ihrem Betrieb so los is, hat sie die Frau Katrin Harlinger, so heißt die Tote, da g'funden.«

    Franz Josef Bernrieder dankte für die kurze Einführung, sah Frau Brenninger an, die immer noch am Telefon hing, als sei es ihr angewachsen und ohne sich um irgendetwas um sie herum zu interessieren, und ging näher an das Mordopfer heran. Dr. Mittler stand in Sichtweite und sah den Kommissar an.

    »Des schaut nicht gut aus, Doktor.«

    »Nein, Franz, des tut's wirklich nicht. Ich geh davon aus, dass des so sieben oder acht Messerstich sind, die da jemand in die rein hat. Grausam. Wie kann man so was nur machen? Des frag ich mich immer. Ein oder zwei hätten doch g'reicht.«

    »Ja, des is wirklich grausam. Und warum des jemand macht und wer des war, des werden wir schon rausfinden. Wie is sie denn g'storben? Hat des lang dauert?«

    »Kommt drauf an, welcher Stich zuerst war. Einer is genau ins Herz. Wenn des der erste Stich war, dann is schnell gangen. Aber die in München können dir dann schon mehr sagen.«

    »Wissen wir schon, wann des passiert is?«

    »Ich würd sagen zwischen zehn Uhr abends und zwei Uhr nachts. Ungefähr. Jedenfalls so um Mitternacht rum. Plus minus zwei Stunden halt.«

    »Gut, des reicht mir schon. Ich hoff, die hat nicht leiden müssen. So eine junge Frau. Richtig schad. Jetz brauch ma nur noch den Mörder finden.«

    »Ja, Franz, des machst. Die Person möcht ich seh'n, die so was g'macht hat.«

    Franz Josef Bernrieder sah sich die Tote noch eingehend an. Sie war jung, keine dreißig würde er schätzen. Mittellange, dunkelblonde Haare, ein fein geschnittenes Gesicht mit kleiner Nase. Ihre Hände waren von der Arbeit ein bisschen rau. Man sah, dass sie das nicht gewohnt war. Ihre Fingernägel waren manikürt, aber durch die Tätigkeit im Stall teilweise abgebrochen. Angezogen war sie mit einem karierten Hemd und einer Jeans. An den Füßen hatte sie grobe Stiefel.

    »Amelie, wissen wir schon, wer des is? Ich mein, außer dem Namen.«

    »Die Leut sind grad dabei in der Wohnung und schau'n nach. Sie hat hier g'arbeitet, aber erst seit ein paar Wochen. Sagt die Frau Brenninger.«

    »Dann reden wir doch amal mit ihr.«

    »Die hängt nur am Telefon.«

    »Nicht mehr lang.«

    Franz Josef Bernrieder ging zu dem Schemel, auf dem Frau Brenninger immer noch saß, das Telefon fest ans Ohr gedrückt.

    »Frau Brenninger. Franz Josef Bernrieder, Kommissar von Bad Tölz. Wir müssen mitanander reden«, sagte er etwas lauter als sonst.

    Keine Reaktion. Sie blickte nur ganz kurz auf und ignorierte den Kommissar.

    »Frau Brenninger«, sagte er dieses Mal noch ein bisschen

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