Herz über Bord: Ein Weihnachtsmann fällt ins Wasser: Romantische Komödie
Von Allyson Snow und Amelia Lemon
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Über dieses E-Book
Wenn ein Millionär mit Erinnerungslücken auf deiner Couch schläft, kannst du sämtliche Pläne für ein ruhiges Weihnachtsfest über Bord werfen.
Krankenschwester Amber hat einiges auf dem Herzen und wenig auf dem Konto. Als sie bei einer Jachtparty auf Pierce trifft, den reichsten Grinch aller Zeiten, ist es Abneigung auf den ersten Blick. Doch das ist erst der Anfang! Ein kleiner Schubs von Pierce … und beide tauchen kopfüber ins Meer.
Im Krankenhaus treffen sie erneut aufeinander. Allerdings hat Pierce sein Gedächtnis verloren, und Amber, die rachsüchtige Retterin, nimmt ihn kurzerhand mit zu sich nach Hause. Soll der Millionär doch mal erfahren, was Armut bedeutet! Was folgt, ist ein amüsanter Abstieg in den Alltag von Amber und ihren beiden Töchtern.
Doch Amber kann das Geheimnis nicht ewig verbergen, vor allem, da Pierces echtes Leben gerade so richtig den Bach runtergeht. Die Spannung steigt, die Lügen fliegen, und plötzlich gibt es weiße Weihnachten in Florida! Doch was wird aus Pierce und Amber, wenn ihre Welten letztendlich kollidieren?
Eine herzerwärmende Liebeskomödie, die zeigt, dass das Leben die besten Überraschungen bereithält – auch wenn sie im Weihnachtsmannkostüm daherkommen!
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Buchvorschau
Herz über Bord - Allyson Snow
eins
SCHUBLADEN UND ALLES DAZWISCHEN
Es gibt Menschen mit Geld.
Es gibt Menschen mit viel Geld.
Und es gibt die Schnösel mit zu viel Geld.
Gut zwei Dutzend von diesen Snobs, die die Welt echt nicht braucht, hatten sich auf dieser schwimmenden Villa versammelt. Die Yacht war so groß, dass sie nicht mal richtig an den Ankerplatz ihres verträumten Hafenstädtchens Wintervern, an der Küste Floridas, passte. Die Gangway war ein schwankender Steg, so steil wie ein Ski-Abhang. Die Gäste würden in Port Banes wechseln, dort war man eher auf solche überdimensionalen Kähne, nur ein Level unter dem Kreuzfahrtschiff, vorbereitet. Drei Tage würde die Jamaika vor der Küste kreuzen, IT-Girls, Influencer und wusste der Kuckuck nicht noch alles sich gegenseitig hochleben lassen und mit Elektronikzeugs beworfen werden.
So hatte es zumindest Amber verstanden.
Das hier war eine dreitägige Party, organisiert von einem Tech-Millionär, der sein neuestes Produkt an ausgesuchte feine Pinkel verschenkte und darauf spekulierte, dass die es auf ihren Instagram- und TikTok-Accounts bewarben.
Obwohl die letzten Gäste gerade mal vor einer Stunde eingetroffen waren, hämmerte die Musik aus den Boxen und wurde trotzdem von dem Gegröle der ersten Betrunkenen übertönt. Welche, die sich für besonders witzig hielten, hatten sich Weihnachtsmützen und Rentierohren aufgesetzt oder sogar ein Elfenkostüm angezogen. Auch die Yacht war weihnachtlich geschmückt, mit grünen Girlanden und Tannenbäumen. Echten Tannenbäumen. Nicht solchen mickrigen Palmen, wie sie Amber zu Hause mit Kugeln behängte, weil in Florida nun mal keine Tannenbäume wuchsen und diese hier vierhundert Dollar kosteten.
Was genau hatte Amber in ihrem Leben bloß falsch gemacht, um nun aufpassen zu müssen, dass sturzbetrunkene D-Promis nicht von der Yacht ins Wasser fielen?
Ach ja, sie gehörte nicht in diese Kategorie Mensch. Sie besaß keinen Instagram-Account und gerade in den letzten Tagen eines Monats fast immer einen negativen Kontostand.
Sie konnte froh sein, dass der Veranstalter so vernünftig gewesen war, eine Handvoll Rettungsschwimmer zu buchen. Wenn sie ihrem Boss Robert glauben durfte, zahlte ihr Auftraggeber einen irrsinnig hohen Stundensatz dafür, dass die Rettungsschwimmer die ganzen drei Tage an Bord blieben. Es war übrigens nach ihrer Sicht kein Gehalt. Es war Schmerzensgeld. Vielleicht auch Schweigegeld.
Amber war sich ziemlich sicher, dass hier einige handfeste Skandale stattfinden würden.
Dort knutschte eine Blondine, die mit ihrer auftoupierten Frisur aussah, als wäre sie direkt aus den Achtzigern getürmt, mit einem vorhin noch eher distinguiert wirkenden Mittfünfziger herum. Daneben stand der Typ, von dem Amber glaubte, dass er der Ehemann der Achtzigerjahre-Blondine war, und legte dem älteren Herrn die Hand auf den Hintern, während dieser wiederum was im Ausschnitt der Blondine zu suchen schien. Dabei drückten sie sich an die Reling. Amber beugte sich zur Seite, um zu sehen, ob sie Gefahr liefen, in ihrem Fummelwahn über das Geländer zu kippen.
»Man könnte genauso gut den Pornokanal anschalten«, sagte plötzlich eine Stimme neben ihr, und Amber machte einen erschrockenen Satz. Sie stieß mit der Hüfte gegen die Brüstung und rieb sich die malträtierte Stelle.
»Ich weiß nicht, warum sie den Kahn ›Jamaika‹ getauft haben, wenn ›Sodom‹ oder ›Gomorrha‹ so viel passender wären«, murmelte Amber.
Shanna zuckte die Schultern. »Immerhin kann ich wegen denen Weihnachtsgeschenke kaufen, ohne dabei in jedem Laden vor Hysterie über die Kreditkartenabrechnung in Ohnmacht zu fallen.«
Das war wohl der Grund, warum überhaupt jemand von ihnen zugesagt hatte. Amber sah ihren Chef Robert auf ein Pärchen einreden, damit sie gefälligst wieder hinter die Reling kamen. Die hielten sich nämlich gerade für Leonardo DiCaprio und Kate Winslet.
»Ich bin die Königin der Welt«, kreischte ›Kate‹, und Robert schwang sich über das Geländer, packte sie kurzerhand um die Taille und hievte sie zurück. Sehr zum Unmut von ›Leo‹, der so gar nicht wie Leo aussah. Eher wie sein glatzköpfiger Bruder.
»Lass sie los, sonst erlebst du, dass ein Eisberg ’ne Rutschbahn gegen mich ist!«, brüllte der kahle Leo.
»Sollten wir ihm helfen?«, fragte Shanna und klang dabei so lustlos, wie sich Amber fühlte.
Allerdings wurde Robert von dem schwankenden Leo am Kragen gepackt, und nun löste sich Amber widerwillig aus ihrer Starre.
»Pass auf die auf«, sagte sie zu Shanna und deutete auf das knutschende Dreier-Gespann, bevor sie sich an denen vorbeidrückte.
Die konnten froh sein, dass sie annahm, die Hand, die ihr prompt am Hintern fummelte, hätte sich verirrt, sonst musste sie heute wirklich ins Wasser springen und jemanden retten – weil sie ihn hineingeworfen hatte!
Amber stieg über kreuz und quer hingeschobene Sonnenliegen, umrundete einen Haufen Erbrochenes und wich einem Bediensteten aus, der Eimer und Mopp heranschleppte. Spontan überkam Amber Dankbarkeit, lediglich eine Rettungsschwimmerin und keine Kellnerin zu sein.
›Leo‹ versuchte immer noch, mit Robert zu ringen. Doch Robert hielt ihn von sich weg, wich den Fäusten aus, und seiner geballten Hand nach zu urteilen, konnte er nur mühsam gegen den Drang ankämpfen, das Ganze mit einem Hieb auf das Kinn des Glatzköpfigen zu beenden.
»Jetzt reißen Sie sich zusammen!«, befahl er.
»Ich habe gesehen, wie du Sarah belästigt hast, du kleiner Baywatch-Gnom!«, donnerte ›Leo‹.
Robert wurde blass, aber bestimmt nicht, weil er sich schämte. Sie kannte Robert lang genug – er schäumte vor Wut. »Ich habe sie nicht belästigt. Ich habe sie aus der Gefahrenzone gezerrt, ich –«
»Er hat mir an die Titten gefasst«, schrillte Sarah.
»Hat er nicht«, widersprach Amber und zwang ihre Stimme, ruhig zu bleiben. »Ich habe die ganze Zeit zugesehen, außerdem –«
»Außerdem steckt ihr alle unter einer Decke«, behauptete Sarah.
»Das fehlte noch«, entfuhr Amber. Die nahmen ihr das mit der Decke hier zu wörtlich. Sie hatte einen Blick in die Kabinen geworfen, und selbst ein Puff war dezenter dekoriert.
»Was ist hier los?«, schnarrte eine tiefe Stimme, die in Amber ein unwillkürliches ›Ach‹ auslöste. Sie liebte volltönende Männerstimmen, aber meistens konnten besagte Männer nicht mit der Attraktivität ihres Basses mithalten. Also rechnete Amber wirklich nicht mit dem, was sich ihr bot, als sie sich umdrehte.
Vor ihr stand Santa Claus. Er trug einen weinroten Anzug mit Schnallen, die mit Smaragden besetzt waren. Es waren garantiert nicht nur grüne Steine. Nein, wer sich hier als Santa Claus verkleidete, schleppte so viel Geld an seinem Körper mit sich herum, wie er als Gegenwert nicht mal im Geschenkesack hatte. Nur hatte er nicht wie die meisten Santas eine Plauze, und die Mütze hatte er auch vergessen. Sein Bart war nicht lang und weiß, sondern kurz und braun. Seine Augen, bei allen Weihnachtswundern, diese Augen. Dunkel wie Holzkohle und sichtlich genervt. Eine Emotion, mit der sie sich spontan verbrüderte.
»Deine Aufpasser sind verdammte Spielverderber, Pierce«, beschwerte sich ›Leo‹.
»Er wollte den Eisberg nicht nur als Erstes knutschen, sondern hinschwimmen«, petzte hingegen Amber.
Pierce runzelte die Stirn. »Was?«
»Den Eisberg zuerst knutschen und hinschwimmen«, wiederholte Amber.
Santa Claus starrte sie verständnislos an. »Wir sind in Florida. Es gibt hier keine Eisberge. Sind Sie betrunken?«
Der Typ hatte jedenfalls schon mal keinen Humor. Als dieser Pierce sich vorbeugte, um an ihr zu schnüffeln, trat sie instinktiv zurück und atmete dabei versehentlich seinen Duft ein. Holzig. Mehr konnte sie nicht feststellen, denn der Blick in seine Augen ließ ihren Magen einen Salto hinlegen, und das war genauso unangenehm, wie es sich anhörte.
»Bisschen schlechter Atem, aber von Alkohol keine Spur«, stellte er fest. »Also vielleicht Drogen?«
Ehe Amber wusste, was ihr geschah, umfasste er ihr Kinn und kam ihr noch näher. Seine Nasenspitze berührte beinahe ihre, sein Atem strich über ihre Lippen, und sie stieß ihm mit aller Kraft die Hände gegen die Brust. Er musste sie loslassen, und beim Zurücktaumeln prallte er mit Sarah zusammen.
»Ihr Atem sollte Ihnen mehr Sorgen machen als meiner«, presste Amber heraus. »Wir versuchen, unseren Job zu machen. Wir sorgen für die Sicherheit.«
Santa, äh, Pierce rückte sich die Jacke zurecht, und wenn sie richtig gesehen hatte, dass zwischen den Knöpfen seine gebräunte Haut zum Vorschein kam, dann trug der nichts drunter!
»Sie sollen natürlich für die Sicherheit sorgen, aber Sie sollen nicht die Gäste behelligen«, erklärte er ihr mit einer solchen Herablassung in der Stimme, dass sie ihn am liebsten nach seiner Rute gefragt hätte. Damit sie ihm den Popo vollhauen konnte!
»Wenn jemand von Ihren Gästen über die Reling klettert, ist es unsere Aufgabe, sie zu behelligen. Oder sollen wir zusehen, wie sie ins Wasser fallen, und sie dann erst rausholen?«
»Sie sollen diskreter sein und weder die Gäste noch den anbrüllen, der Sie engagiert hat.« Er sagte es so ruhig, dass Amber sich einen Moment lang fragte, was er überhaupt meinte. Und dann fiel es ihr auf. Inzwischen starrten wirklich alle zu ihnen und das mit Sicherheit nicht, weil sie sich in normaler Lautstärke stritten. Amber wusste, wie laut sie manchmal werden konnte. Mist, verfluchter. Dieser Kerl war ihr Auftraggeber. Er war der, der sie bezahlte.
Zum Glück schob sich Robert vor sie und hob die Hände. »Es tut mir leid, dass Amber Sie angeschrien hat, sie meint es nur gut. Sie macht sich Sorgen um Sie und Ihre Gäste«, redete Robert begütigend auf diesen selbstgefälligen Kerl ein. »Einigen wir uns darauf, dass einfach alle hinter der Reling bleiben. Wir müssen immerhin drei Tage miteinander auskommen.«
»Sie meinen wohl, dass Sie und Ihre Leute drei Tage mit uns auskommen müssen, andernfalls sieht keiner von Ihnen einen Cent.«
Amber ballte die Fäuste und biss sich so fest auf die Lippe, bis sie das Blut schmeckte. Sie platzte sonst mit allen Beleidigungen heraus, die ihr in den Sinn kamen. Sie machten ihren Job, verflucht noch eins. Und dafür sollten sie sich nicht rechtfertigen müssen. Sollten sie die Idioten hier mit einem Glas Schampus hinter die Reling zurücklocken, oder wie? Da waren ihr ja Affen lieber, die nahmen wenigstens Bananen und fragten sie nicht danach, ob die wirklich Bio und auf einer goldenen Plantage geerntet worden waren, Herrgott noch eins.
zwei
REICHTUM IST KEIN ZUCKERSCHLECKEN
Vielleicht – nur vielleicht – war er zu hart gewesen. Pierce schluckte jegliche weitere Beschwerde hinunter und drehte den Rettungsschwimmern den Rücken zu. Er überquerte das Deck, um in den Schatten der Kabinen zu kommen. Die Sonne knallte regelrecht vom Himmel, und in dem Kostüm war ihm einfach nur elend heiß, aber so schnell kam er aus dem Ding nicht raus. Vor allem musste er es morgen wieder anziehen!
Wer brauchte bitte schön drei Tage lang Bescherung? Es war ja nicht mal Weihnachten, sondern erst der achtzehnte Dezember. Er hätte nicht gedacht, dass etwas so Langweiliges wie Rasierapparate zum Lifestyle-Produkt gemacht werden musste. Entweder man rasierte sich oder eben nicht. Und entweder man nahm dafür einen guten Rasierer oder eben nicht.
Nur widerwillig hatte Pierce zugelassen, dass seine Marketingabteilung das neueste Modell des bisher zuverlässigsten Elektrorasierers ihrer Marke als ›Prestige Shaver ZZ9000‹ bezeichnete und den Preis auf neunhundert Dollar festlegte, obwohl die Herstellungskosten nicht mehr als fünfzig Dollar betrugen. Genauso irrsinnig hatten sie die Preise für die anderen Produkte festgesetzt und versuchten nun, Thornington Shaving als Hersteller für Luxus-Pflegeartikel zu vermarkten.
Er konnte kaum beschreiben, wie sehr er es hasste, diesen blöden Anzug tragen zu müssen. Oder wie innig er solche Partys verabscheute. Aber wenn man sie schmiss, hatte man wenigstens ein wenig Einfluss darauf, wie arg sie entgleisten. Gleichzeitig war es, wie einen Sack Flöhe hüten zu müssen. Flöhe auf LSD. Hoffentlich hatte diesmal niemand Drogen an Bord geschmuggelt. Pierce hatte keine Lust, schon wieder die Cops bestechen zu müssen. Bisher hatte er immer Glück gehabt und war nicht auf Beamte getroffen, die es mit den Vorschriften zu genau genommen hatten.
Dafür schien die Rettungsschwimmerin umso mehr die Oberlehrerin heraushängen zu lassen. Er brauchte Sicherheitspersonal und keine Moralapostel.
Es reichte, wenn er sich diesen Irrsinn ansehen musste, da wollte er ihn sich nicht als Vortrag aufbereitet anhören. Das hier war ihr Job. Wenn die alle in der Nacht komplett aufdrehten, fiel sie doch in Ohnmacht und musste dann selbst aus dem Pool oder dem Ozean gefischt werden.
Warum zum Teufel regte er sich überhaupt so auf? Die Rettungsschwimmer würden ihren Job machen. Die Party würde in drei Tagen vorbei sein, und er konnte sich endlich wieder in New York verkriechen. Fernab von diesen geballten Eitelkeiten.
Ein Kellner nahte mit einem Tablett, auf dem er ein einzelnes Glas Whiskey mit Eis balancierte. Pierce lehnte es mit einer Handbewegung ab und bedeutete ihm, wieder zu verschwinden.
Wenn der Garçon darüber beleidigt war, dass Pierce seinen vorauseilenden Gehorsam nicht würdigte, ließ er es sich zumindest nicht anmerken. Der wusste, wie man sich als Angestellter benahm.
Pierce richtete seinen Anzug und wollte sich durch die Tür unter Deck davonstehlen, als sich zwei Frauenarme um seinen Hals schlangen. Eine Wolke duftenden Parfums – Rosen und Patschuli – umwehte ihn, und ein weicher Körper schmiegte sich an seinen. Sie trug ein Elfenkostüm, dessen Rock ihr gerade mal über die Pobacken reichte, hohe dunkelgrüne Stiefel und ein ebenso grünes Bikini-Oberteil mit weißem Flausch.
»Das wird so cool«, meinte Jacky seufzend, die eigentlich Jaqueline Rosewood hieß. »Ich hoffe nur, Violet kommt endlich!«
Pierce lächelte verkniffen. Er konnte Violet nicht leiden, und Jacky wusste das nur zu gut. Die Aussicht, drei volle Tage mit ihr auf diesem Kahn eingesperrt zu sein, bescherte ihm nervöses Zucken im Augenlid.
»Warum machen wir das noch mal?«, fragte er.
Jacky stupste ihm gegen die Brust. »Ach, Dummchen. Wie oft muss ich es dir denn erklären? Was ist? Hat sich dein Gehirn in ein Sieb verwandelt?«
Sie küsste ihn neckend auf den Mundwinkel, und er lachte. »In der Hinsicht schon. Immer wieder frage ich mich: Warum das Ganze? Die Erklärung kenne ich, schwachsinnig finde ich es trotzdem.«
»Du willst also sagen, dass meine Pläne Schwachsinn sind.« Jackys neckender Tonfall hatte sich verloren, stattdessen klang sie schnippisch. Pierce verkniff sich mit Mühe ein abgrundtiefes Seufzen. Jacky nahm immer alles persönlich. Als er das erste Mal gesagt hatte, dass er ihren Plan mit der Party auf der Yacht grauenhaft fand, hatte sie eine Woche lang nicht mehr mit ihm gesprochen. Dabei hatten ihre Argumente durchaus Hand und Fuß. Das war ja das Furchtbare daran. Sie hatte recht, und es ging ihm gewaltig gegen den Strich.
»Du musst der Welt endlich dein Gesicht zeigen«, sagte Jacky und wiederholte damit das, was sie ihm schon so oft gesagt hatte. »Du hast ein so hübsches Gesicht. Du musst im Fokus der Gespräche stehen, damit deine Firma in den Mittelpunkt rückt.«
Pierce’ Vater hatte das geschafft, ohne sein Privatleben an die Öffentlichkeit zerren zu müssen. Er hatte sogar dafür gesorgt, dass es keine Bilder von Pierce gab, bis dieser sich selbst für ein Leben vor aller Welt entscheiden würde. Bisher hatte das Pierce nie getan. Aber weil die Verkaufszahlen seiner Firma besorgniserregend rückläufig waren, musste er etwas ändern. Die Werbewelt hatte sich geändert. Statt Kataloge gab es Influencer. Und von denen waren zwanzig auf der Yacht. Sie würden an drei Häfen anlegen, und jedes Mal würden diese ach so hippen Online-Markenbotschafter von Bord gehen und andere dazukommen. Jeden verflixten Tag würde er diese ›Bescherung‹ machen. Er würde den überteuerten Elektrorasierer als Geschenk verteilen, und besagte Influencer hoffentlich so enthusiastisch auf ihren Kanälen davon erzählen, dass ihm die Konsumenten das Zeug aus den Händen rissen. Obwohl sie sich von dem Geld eigentlich Essen, neue Klamotten oder einfach ein besseres Leben kaufen könnten. Eine Strategie, die Jacky inzwischen nahezu perfektioniert hatte. Er gab es nur ungern zu, aber an ihren ständig steigenden Umsätzen sah man, dass sie recht hatte.
»Das nächste Mal besorge ich mir einen Doppelgänger«, brummte er.
Jacky drückte sich an ihn. »Schlag dir das mal aus dem Kopf, Pierce. Es sei denn, du willst, dass der auch in meinem Bett deine Rolle einnimmt.« Sie legte den Kopf schief, und ihre Augen funkelten. »Oder noch besser, ich habe dich dann einfach zweimal in der Kiste.«
Pierce hob die Hand. »Okay, für dich mag die Aussicht einen Reiz haben. Für mich ist das ja schlimmer als der Nussknacker in der Horrorversion.«
Sie lachte, legte ihm die Hand in den Nacken und gurrte ihm ins Ohr. »Ich verspreche dir, das werden die besten drei Tage deines Lebens.«
Na, ihr Wort auf Santas Wunschzettel.
Jacky klopfte ihm auf die Brust und deutete auf den Sack, der hinter der Tür stand. »Und jetzt raus mit dir. Wir legen bald ab, und es wird Zeit für die erste Runde der Bescherung.«
Ganz toll. Warum hatte er nicht seine Firma verkauft, als er die Gelegenheit dazu gehabt hatte? Ach ja, weil er dann einfach das Lebenswerk seiner Eltern verscherbelt hätte, und immerhin hatte ihm die Geschichte eine Freundin eingebracht, die in Sachen Marketing mehr von der modernen Welt verstand als er. Und was als Zweck-Partnerschaft begonnen hatte, mündete schlussendlich im Bett. Jacky war eine schöne Frau. Sein Vater hätte ihm zu dieser Wahl gratuliert. Seine Mutter hingegen hätte nur den Kopf geschüttelt. Sie hatte Jacky schon nicht gemocht, als sie beide noch im Sandkasten gespielt hatten.
Seufzend hievte er sich den Sack über die Schulter. »Okay, Weihnachtselfe, dann fangen wir mal an, die Hyänen zu füttern.«
Jacky rückte ihre Mütze zurecht und richtete den gewagten Ausschnitt ihres Kostüms. Als er durch die Tür gehen wollte, hielt sie ihn allerdings auf. »Warte noch. Wir müssen ein bisschen was optimieren.«
Und mit diesen Worten riss sie an seiner Jacke, dass die Knöpfe absprangen und seine Brust freilag.
»Findest du nicht, dass du ein wenig übertreibst?«, fragte er unbehaglich.
Jacky grinste. »Sex sells, erst recht bei einem solchen Body.«
Sie versetzte ihm einen Schubs und drängte ihn gegen die Tür. Immerhin konnte er sie aufziehen, bevor Jacky ihn in ihrem Übereifer womöglich noch mit der Nase dagegen donnerte. Hoffentlich wurde diese rüde Art nicht zur Gewohnheit, sonst musste er seine Unfallversicherung anpassen. Zahlten die auch bei häuslicher Gewalt? Pierce sah seine Mutter vor seinem inneren Auge den Kopf schütteln, und einen Moment lang war es so real, als stünde sie wirklich vor ihm und hielte von Jacky nicht das Geringste. Es versetzte ihm einen Stich. Seine Mutter hatte immer davon gesprochen, dass sie eines Tages sehen wollte, wie er heiratete. Nun würde sie es nicht mehr erleben. Denn so praktisch eine Beziehung mit Jacky war, er würde sie im Leben nicht heiraten wollen. Alles, was sie taten, sah auf den Bildern in den sozialen Netzwerken romantisch aus, in Wahrheit war es eine lose Affäre, von der sie beide profitierten. Es war nur ein Spektakel, und er hasste es, dass er eine der Hauptrollen spielen musste.
drei
BESCHERUNG MIT GÄNSEHAUTFAKTOR
Amber saß auf dem Hocker, auf dem sie Robert abgeladen hatte. Sie hockte dicht an der Reling und