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Der Killer und das Mädchen vom Strand: Ein erotischer Krimi aus Wismar
Der Killer und das Mädchen vom Strand: Ein erotischer Krimi aus Wismar
Der Killer und das Mädchen vom Strand: Ein erotischer Krimi aus Wismar
eBook463 Seiten5 Stunden

Der Killer und das Mädchen vom Strand: Ein erotischer Krimi aus Wismar

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Über dieses E-Book

Eine Love-Story, ein Kriminalroman, ein Thriller. All das ist der Roman „Der Killer und das Mädchen vom Strand“ von Mikka Tornesch.
 
Nachdem Barbara Buszekowsky einem Immobilienbetrug im Ostseebad Boltenhagen auf die Schliche gekommen ist, muss sie um ihr Leben fürchten. Nur ein Zimmer im Hotel ist unverschlossen, die letzte Hoffnung auf ihrer verzweifelten Flucht. Im Bad sitzt der Auftragskiller Antonio Schmied, der sich gerade von einem erfolgreichen Auftrag in Hannover erholt. Er hilft der in Not geratenen Frau, unterzutauchen.
Das widerspricht dem Credo seiner Agentur: Keine Frauen, keine Familie – und vor allem, keine Zeugen.
 
Doch die lebensfrohe und mitreißende Barbara erweckt im Unterbewusstsein des Killers eine tief vergrabene Schuld. Barbara vor dem Tode zu beschützen wird zum unwiderruflichen Muss. Zusammen mit seinem technikavisierten Kumpanen Fred nimmt Antonio die Jagd auf Barbaras Jäger auf.
 
Allerdings verkompliziert sich der Fall. Die Immobilienbetrüger nehmen Barbaras Familie gefangen, um sich das Schweigen der Zeugin zu erkaufen. Gleichzeitig gibt es in Hannover die Hauptkommissarin Ute Jaskewitsch, die eine winzige Unachtsamkeit des Auftragskillers nutzt. Zusammen mit der Wismarer Polizei jagt sie das untergetauchte Duo.
Als Barbara auch noch die wahre Identität ihres Geliebten entdeckt, zieht sich die Schnur um ihren Hals schnell enger.
 
Seit Dezember 2021 enthält das Buch die Bonus-Story "Göttergabe auf dem Kamm des Deisters".
 
 
SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum2. Nov. 2019
ISBN9783748719458
Der Killer und das Mädchen vom Strand: Ein erotischer Krimi aus Wismar

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    Buchvorschau

    Der Killer und das Mädchen vom Strand - Mikka Tornesch

    Buch 1

    Das Verschwinden

    1. Kapitel

    Pfingstsonntag 2014 in Boltenhagen an der Ostsee

    „Na, mein Täubchen, warte mal ab, heute Abend noch werde ich dir deinen schönen Hals umdrehen."

    Barbara erbleichte, als sie die Worte des Fremden von seinen Lippen ablas. Erschrocken führ ihr Kopf herum. Nein, der große, düstere Mann hinten am Ende des Speisesaals meinte keine Andere.

    Oh, was grinste er schief. Nur der rechte Mundwinkel war verkrampft in Richtung Ohr gezogen. Der Mann faltete die Finger zusammen, drückte die Handteller von sich weg, dass es eklig knackte. Danach zupfte er jeden Finger einzeln. Die junge Frau, ja fast noch ein Mädchen, starrte gelähmt in die grässliche Fratze ihres Schicksals. Erneut las sie die gemurmelten Worte ihres Jägers: „Sieh meine großen Hände! In Kürze werden sie sich um deinen langen, schlanken Hals legen. Genüsslich werden sie zudrücken, bis deine Seele deinen wunderhübschen Körper verlassen hat, mein Zuckerding."

    Hektisch sprang Barbara vom Tisch auf. Riss ihre schwarze, mit vielen Nieten beschlagene Umhängetasche an sich und hastete zur Tür. In diesem Schreck ließ sie ihr iPhone zurück. Ebenso ihre verschreckten Eltern und Geschwister.

    Dem rügenden Vater keifte sie nur ein „Verschwindet" zu.

    Panik stand ihr ins Gesicht geschrieben.

    Wie kann das nur gehen? Konnte der Kerl meine Lippen lesen, als ich meinem Bruder sagte, ich hätte gerade ein sehr großes Geheimnis erfahren, fragte sich Barbara. Instinktiv krallten sich ihre Finger um den Schulterriemen ihrer Tasche, dass die Knöchel weiß hervor traten. Die Details konnte ich Timo schon nicht mehr nennen. Wohin soll ich gehen? Ich muss weg, untertauchen. So schnell wie möglich.

    Vor der großen Flügeltür des Speisesaals warf sie einen Blick über die Schulter. Der große Mann im adretten Anzug hatte schon ihre Verfolgung aufgenommen. Sicherlich war er der Leibwächter des smarten Mannes, des Drahtziehers der Verbrechen.

    Aber um zum Ausgang des Hotels zu gelangen, hätte Barbara den Weg ihres Verfolgers kreuzen müssen. So blieb ihr nur die Flucht hinauf ins Treppenhaus. Eine Sackgasse, wie sie sich beim Sprinten über die teppichbeschlagenen Stufen eingestehen musste. Dennoch, was sollte sie tun? Hoffen und beten? Dafür war keine Zeit. Im Flur der zweiten Etage rüttelte sie an der ersten Tür. Verschlossen. Beim zweiten Knauf nichts Anderes. Die dritte gab ebenfalls nicht nach. Vor ihr lag das Ende des Flures. Nur noch eine Tür. Wenn sich die nicht öffnen ließe, würde sie hier ihr Leben aushauchen.

    Unterbewusst griff Barbara sich an die Kehle. Sie spürte schon, wie sich des Jägers Hände um sie legen, seine Daumen ihr den Kehlkopf eindrücken würden. Warum kam ihr niemand zur Hilfe? Hatten ihre Eltern nicht bemerkt, was gerade geschehen war?

    Ein Angstvoller Blick zurück in den Gang, als sie die Hand auf den nächsten Türknauf legte. Gefühlt war es der Hundertste. Noch war der Hüne im Anzug nicht zu sehen. Seinen langsamen Schritt konnte sie jedoch schon hören. Gleich würde er um die Ecke biegen, sein Wild stellen.

    2. Kapitel

    Antonio Schmied amüsierte sich sehr über sich selber, als er mit einem Mabuhay Bagigba in der Hand vor der von Schaum nur so überquellenden Badewanne stand. Aber verdammt noch mal, warum sollte er es sich heute nicht gut gehen lassen.

    Auch wenn es ihm irgendwie absurd erschien, jetzt, wo er in dem von Wasserdampf erfüllten Badezimmer stand und genüsslich durch seinen Strohhalm den ersten Schluck trank. Absurd, weil es heute ein so heißer Frühsommertag war, bei dem man sich eher in ein Becken aus Eis denn in kochendes Wasser legen mochte.

    Die Geschäfte in Hannover waren sehr anstrengend gewesen. Nur selten hatte er dort Gelegenheit gehabt, mal ein Auge zuzumachen. Jetzt könnte er endlich entspannen.

    Nun denn. Er stellte sein Glas auf eine Ecke am Kopfende und glitt langsam in das wohlig nach Blutorange duftende Bad. Zufrieden schaute er auf seinen Cocktail, dem er einen etwas höheren Anteil an Grapefruitsaft beigemischt hatte, um ihm die Süße zu nehmen. Dadurch kamen auch die anderen Aromen von Kokos, Ananas, Rum und Aperol voll zur Geltung. Mit dem Crushed Ice befüllt und lange geshakt hatte das Glas eine kleine Schaumkrone. So stak der Strohhalm in dem Longdrink wie er in der Wanne.

    Da tauchte sie wieder auf. Vor seinem inneren Auge. Die hübsche, sehr junge Frau vom Strand. Mindestens 175 Zentimeter groß, blondes Haar, rechts gescheitelt. Es reichte ihr gerade bis auf die Schlüsselbeine. Dazu eine schlanke, durchtrainierte Figur mit wohlproportionierten Rundungen an den rechten Stellen, wahrlich eine überaus ansprechende Erscheinung. Sie hatte sofort all seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Warum, fragte er sich in diesem Moment, wo er mit einem genussvollen Stöhnen tiefer in das heiße Wasser glitt, bis nur noch sein Kopf herausschaute.

    Seit Jahren hatte er sich nichts mehr aus Frauen gemacht. Arbeitskollegen munkelten schon, er könnte vom anderen Ufer sein - na und! Deren Vermutungen tangierten ihn nicht.

    Wieso also fesselte ihn plötzlich der Liebreiz dieser blonden Frau? Dieser verdammt jungen Frau. Viele hübsche Frauen im reiferen Alter hatte er auf seinem bisherigen Strandspaziergang gesehen, doch bei keiner hatte sein Herz zu tanzen angefangen.

    Die wahren Gründe lagen tief verschlossen in seiner Seele. Das warme Wasser und der hohe Schaum legten sich wie ein doppelter Mantel darum. Zwecklos, hier weiter zu bohren, lockte sein Unbewusstsein ihn weg zu unverfänglicheren Erklärungen.

    Gut, sagte sich der Mann, sie wirkte keck und locker, als sie den Ball vorsätzlich zu ihm pritschte. Und senkte trotzdem sofort den Kopf, als er den Blickkontakt zu ihr suchte. Oh, dieser schwungvolle Mund, diese breiten, zum Küssen einladenden Lippen.

    Nein, Antonio Schmied durfte nicht daran denken.

    Nicht an das Küssen.

    Nicht an das Gefühl, von ihr umarmt zu werden.

    Aber in dem Moment, wo er die Bilder verdrängen wollte, klopfte die Erinnerung an ihr ungezwungenes Lachen wie ein böser Teufel an seinem Verstand an.

    Vielleicht half es, den Kopf unter Wasser zu bringen.

    Antonio spürte, wie das Wasser sein Haar hob, als der Hinterkopf am Porzellan entlangrutschte, bis er am Boden zum Liegen kam.

    Langsam zählte er bis dreißig.

    Dreißig Schläge gegen den Boxsack namens Vergessen. Dreißig stille Schreie gegen das Organ, das wild in seiner Brust pochte.

    Tief atmete er ein, nachdem er wieder aufgetaucht war.

    Geistesgegenwärtig wischte er sich die Schaumkrone vom Kopf.

    Ruhig lag sie in seiner Hand. Vor seinem Gesicht.

    Er hörte das leise Knistern der winzigen Bläschen, die verpufften.

    Mit einem kräftigen Stoß pustete er hinein.

    Die Krone zerplatzte in viele daumengroße Teilchen, die durch die Luft segelten.

    Und sich am Ende mit dem Schaum in der Wanne verbanden.

    Die weißen Dinger waren nicht wegzukriegen.

    Genau wie seine Gedanken; die Bilder in seinem Kopf.

    Die tolle Frau spielte mit ihren Eltern und Geschwistern am Strand Volleyball. Von weitem schon war sie Antonio aufgefallen, als er mit hochgekrempelten Hosenbeinen durch die Wellen des Ufers stapfte. Die Freude, mit der sie dem Ball hinterher hechtete; der Spaß, sich zum Baggern in den Sand zu werfen; die Präzision, mit der ihre Bälle bei den Mitspielerinnen und Mitspielern ankamen.

    Und mit jedem Schritt, den sich der dreißigjährige Mann diesem Mädchen näherte, stolperte dieses stärker in sein Herz. Da waren sie wieder, die Gefühle, die Antonio Schmied nicht zulassen durfte.

    Nicht hier und heute.

    Niemals. Nirgends.

    Aber verdammt, sie waren da.

    Sie waren ehrlich, fühlten sich so gut an.

    Und waren dennoch verboten.

    Für ihn.

    Den einsamen Wolf am Strand.

    Auch wenn er deutlich gespürt hatte, dieses Mädchen hatte auch für ihn spontan Gefühle empfunden.

    Um sie länger verstohlen beobachten zu können, blieb er vorhin am Ufer stehen. Ertappte sich bei dem irrationalen Wunsch, durch diese räumliche Nähe eine emotionale aufbauen zu können. Sah sich schon kühn diesem Mädchen entgegeneilen, die Arme aufgespannt, den fliegenden Vogel zu empfangen.

    Natürlich fehlte dazu der Mut.

    Ganz anders verhielt es sich bei dieser jungen und unkonventionellen Frau. Aus Schabernack schlug sie mit ihrer starken Hand den Ball in seine Richtung und lachte hell auf, als er den Kopf einzog. Ja, das war ihre Art, Interesse an den attraktiven Mann zu zeigen.

    Antonio hätte den Ball aufnehmen und zurück werfen können. Er hätte anbieten können, mitzuspielen. Er hätte dieses Mädchen ganz normal kennen lernen können.

    Aber Antonio lebte nicht unter normalen Umständen.

    Das war sein Schicksal. Sein Verhängnis.

    Stattdessen stapfte er weiter durch die Wellen. Den Kopf gebeugt von der Bürde seines Gewissens. Schwer haderte er mit sich selber, diesen Weg eingeschlagen zu haben.

    Doch mit jedem Schritt, den er sich der Seebrücke Boltenhagens näherte, schrie ein stiller Ruf in seinem Inneren „Geh nicht!"

    Das Bild dieses unbekümmerten Mädchens, nein, dieser jungen Frau, es verfolgte ihn, ließ ihn nicht zur Ruhe kommen, so groß die Ablenkung um ihn herum auch angerichtet war. Denn im kleinen Kurpark war Markt.

    Antonio stand vor den Auslagen hübscher Kleider. Trotzdem nahm er diese kaum wahr. Überall legte sich ihr Bild rüber. Eine sportliche Prinzessin am Strand. Nahm er ein Kristall in die Hand, funkelten ihre Augen ihn an. Legte er seine Lippen an das kalte Speiseeis, spürte er ihren Mund, ihre neckende Zunge.

    Es war nicht zu verhehlen, Antonio Schmied war krank.

    Wie er sich diese Schwäche eingestanden hatte, hastete er am Strand zurück.

    Aber sein Stern strahlte nicht mehr.

    Nur noch die Eltern und der Bruder spielten Ball.

    Die beiden Töchter waren verschwunden.

    Ob er sein Mädchen morgen wieder sehen würde? Warum hatte er die Chance verstreichen lassen, sie anzusprechen? Nur ein einziges, freundliches Wort. Und ein Lächeln, um Steine zu erweichen. Wie so oft in seinem Leben hatte er sich nicht getraut, die Gelegenheit beim Schopf zu packen. Was wäre, wenn er die schöne Blonde nie wieder sehen würde?

    Niedergeschlagen schleppte sich der Mann zu seinem Hotel.

    Das Abendessen schlug er aus, so flau war ihm.

    Vergessen wollte er. Mit aller Macht. Ein heißes Bad und ein leckerer Cocktail sollten ihm helfen.

    Gerade hatte Antonio erneut sein Glas ergriffen, da polterte es an seiner Zimmertür. In der nächsten Sekunde stand sie im Badezimmer. Der Schreck fuhr ihm bis ins letzte Zehenglied. Mit weit geöffnetem Mund schaute er sie an. Sie, die Frau vom Strand.

    Und nach ihren weit aufgerissenen Augen zu urteilen, war sie über dieses Wiedersehen nicht minder stark erschrocken. Oder gab es einen anderen Grund für ihre Furcht?

    Wie Antonio sich hierüber noch den Kopf zermarterte, hatte Barbara ihre Fassung schon zurückgewonnen: „Ich werde verfolgt, Sie müssen mich verstecken!"

    Antonio, reagiere jetzt nicht wieder falsch, hämmerte es in seinem Schädel. Zieh dieses eine Mal den Koipf nicht ein, fliehe nicht.

    Fest schaute er die aufgeregte Frau an. Im Flur hörte er Schritte, die vor seiner Tür anhielten. Da verstand er, die Panik der Hübschen war nicht gespielt: „Springen Sie hinein, nehmen sie diesen Strohhalm und dann ab unters Wasser."

    Eine Sekunde später spürte er Barbaras Turnschuhe an seiner Seite. Mit großer Kraft klammerte sie sich an seiner Hüfte fest, um nicht wieder aufzutauchen.

    Um ihren Kampf gegen das Hochkommen zu unterstützen, nahmen seine Unterschenkel den fremden Körper in die Zange.

    Die Schaumdecke hatte sich über seinen Gast gerade wieder geschlossen, da wurde die Badezimmertür erneut aufgerissen. Im Rahmen stand ein zwei Meter großer Hüne mit wütenden und eiskalten grauen Augen. „Haben Sie ein Mädchen durch ihre Wohnung rennen gesehen?", forderte er barsch eine Antwort.

    „Nein, absolut nicht. Aber wie Sie sehen, sitze ich in der Wanne und die Tür war zu. Ich hatte keine Möglichkeit, den Rest meines Appartements zu kontrollieren." Höflich schaute Antonio den Eindringling an. Entschuldigte sich fast, diesem Fremden nicht helfen zu können.

    Wutschnaufend drehte der Anzugmann sich weg, polterte ins Appartement, riss Schränke und Fenster auf, schob das Bett durch den Raum und stürmte mit einem „verfluchte Göre" auf den Lippen hinaus auf den Flur.

    Laut krachte die Zimmertür ins Schloss.

    Barbara tauchte vorsichtig mit ihrem Kopf auf. Eigentlich sah sie ganz witzig aus mit ihrer Schaumkrone, schmunzelte Antonio. Eigentlich. Denn ihre Augen zeugten von unendlicher Angst.

    Zu Recht, analysierte Antonio Schmied das soeben Erlebte. Der Eindringling war eindeutig aufs Morden aus gewesen. Er kannte diese Blicke, diese Unruhe, ja Gier. Aber warum?

    Aufmerksam musterte der Urlauber seinen unfreiwilligen Badegast, die Unterschenkel noch immer im Kontakt mit dem Körper der Schönheit. Das fühlte sich einfach umwerfend an.

    „Was ist geschehen?", bat er mit warmer Stimme um eine Erklärung.

    Barbaras Augen ließen die Tür nicht aus den Augen, als sie sich den Strohhalm aus den Mund nahm und sich den Schaum vom Kopf wischte: „Ich habe ein Geheimnis seines Chefs entlarvt . . . Ein kriminelles, schob Barbara schnell hinterher, nachdem sie die Runzeln auf Antonios Stirn gesehen hatte. „Wird der Hüne wiederkommen, wenn er mich nirgends findet?

    „Vielleicht. Wir müssen achtsam bleiben. . . . Vielleicht vergreifen er und sein Chef sich aber auch an deine Geschwister und Eltern. Ihr müsst alle so schnell wie möglich verschwinden."

    „Ich soll wieder hinaus in den Flur gehen? Wollen Sie mich hinaus in den Tod treiben?" Fassungslos starrte Barbara den fremden Mann an und erkannte, wie dieser mit sich selber rang.

    Wie ein Blitzlichtgewitter bei der Berlinale schossen die Gedanken quer durch ihren Kopf. Wie hätte sie auch etwas Anderes erwarten können? Warum sollte dieser die Entspannung suchende Mann sich für sie abschlachten lassen? Würde er sie rausschmeißen, wäre er aller Sorgen ledig. Sie dürfte es ihm nicht einmal übel nehmen. Oder doch nicht? Konnte man Zivilcourage einfordern? Warum nicht?

    „Vorhin am Strand hatten Sie mich mit sehr freundlichen Augen angesehen. Bitte verwandeln Sie sich nicht in ein Monster."

    Antonio hob überrascht eine Augenbraue, nahm Barbara den Strohhalm aus der Hand, spülte ihn kurz unterm Wasserhahn ab, steckte ihn in sein Cocktailglas und sog langsam eine Portion in seinen Mund.

    Er musste nachdenken.

    Was er sich wünschte, und was er durfte, waren zweierlei Dinge.

    Aber das forsche Auftreten der jungen Frau ließ das Pendel stark von dem Nicht-Dürfen wegschlagen. Vorsichtig tastete er sich vor. „Es ist alles nicht so einfach, wie Sie meinen."

    „Sie wollen . . . "

    „Ruhig jetzt. Unvermittelt war Antonio wie ausgewechselt. Seine Worte waren direkt, sachlich und extrem zielgerichtet. „Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Ihre neuen „Freunde werden jetzt sicherlich eine kleine Lagebesprechung abhalten. Dann werden sie reagieren. Rufen Sie sofort Ihre Eltern an. Sie und Ihre Geschwister müssen sofort das Hotel verlassen."

    Durch Barbaras Körper ging ein Ruck. Mit großen Augen fischte sie ihre Handtasche aus dem Wasser. Ihre Hände zitterten, als sie die Lederlasche umschlug. Das iPhone war nicht da.

    „Hier ist meins."

    Barbara nahm Antonios Handy und drehte es misstrauisch in der Hand. Ein billiges Ding, das wirkte, als hätte er es aus einem Museum gestohlen. Es passte überhaupt nicht zu dem Kerl.

    „Und was sage ich, wenn sie mich fragen, wo ich bin?"

    „Mit einem Bekannten auf dem Weg nach Berlin."

    „Das werden sie mir nicht glauben."

    „Sie müssen es. Werfen Sie all ihr Können in die Wagschale."

    Barbara blickte besonnen zu Antonio. Anscheinend war dieser wirklich bereit, ihr zu helfen. Nur, sollte sie einem wildfremden Mann wirklich vertrauen? Und wieso weiß er, dass meine Eltern hier sind, mahnte ihre innere Stimme der Vorsicht sie. Postwendend gab sie sich selber die Erklärung. Der Mann hatte die Begegnung am Strand nicht vergessen. Sie war in seiner Erinnerung hängen geblieben. Somit wusste er auch von ihrer Familie. Als sie sich dieses eingestand, verwandelten sich ihre Wangen in glühende Kohlen. Wer sich so viel merkt, muss ein großes Interesse an einem gehabt haben. Ob er mich gar mag?, spukte ein Gedanke durch ihren Kopf, während sie die Nummer ihres Vaters eintippte.

    Kaum hatte die junge Frau ihr Gespräch begonnen, stieg der reife Mann aus der Wanne. Geschwind schlug er sich ein großes, weißes Badehandtuch um die Hüften. Dennoch hatte sie einen Moment lang seine Nacktheit gesehen. Nun wandelte sich ihr Gesicht in ein Lavameer, während Antonio anstandshalber das Bad verließ und die Tür hinter sich schloss, um sie alleine mit ihren Eltern reden zu lassen.

    Der Mann mit dem schwarzen Haar und den eisgrauen Augen hatte gerade den Flur erreicht, da rumorte es erneut an der Wohnungstür.

    Barbara ließ das Handy auf den Läufer fallen, schnappte sich den Strohhalm aus Antonios Glas, tauchte unter, kam hektisch wieder hoch, angelte sich ihre Tasche, presste sich diese auf den Bauch und versteckte sich erneut.

    Die Todesangst lähmte sie fast.

    Sie musste sich konzentrieren, nicht zu hektisch durch den Strohhalm zu atmen, sonst würde ihr Schnaufen sie verraten, sollte der Hüne das Bad betreten.

    Unter Wasser hörte sie die hohen Stimmen von zwei Frauen. Sie mussten sich in der Nachbarwohnung lautstark unterhalten.

    Hingegen hörte sie nichts vom Flur.

    Das beängstigte sie umso mehr.

    Sie konnte ja nicht wissen, dass Antonio blitzschnell mit seinen Fingern in die Kehle des Eindringlings stieß, dem Überraschten und dem Atem Beraubten routiniert das Genick brach, den Toten in seinen Armen leise auf den Boden gleiten ließ, um ihn geräuschlos im Besenschrank des Flures zu verstauen.

    Den Schlüssel des Schrankes versteckte er in seiner Stiefelspitze. Vorsichtig öffnete er das Fenster in der Küche. Über sein Gesicht legte sich ein schiefes Grinsen. Drei mal holte er mit seiner Hand aus, als wollte er ein Frisbee werfen. Beim vierten Versuch segelte das iPhone des Eindringlings durch die Luft und fand einen Platz hinter dem Beifahrersitz eines vor dem Hotel angehaltenen Cabriolets.

    Wie Antonio das Fenster schloss, trat ein junges Paar aus dem Hotel. Er hatte richtig spekuliert: Das Hotel war ausgebucht, die Neuankömmlinge waren eine Stadt weiter verwiesen. Laut röhrte der Auspuff, als das Cabriolet entschwand.

    Eine Minute später trat der Schwarzhaarige mit einem zweiten Cocktail und einer Spielesammlung zurück in das Bad. „Backgammon, Mau Mau oder Schwimmen?" richtete er unbekümmert das Wort an die leer scheinende Badewanne.

    Schaum hob sich empor. Daraus pellte sich Barbaras Kopf. Ihr Atem pfiff laut, Wasser und Schaum flossen ihr auf die Schultern. Ihre Augen vibrierten, als wollten sie auch ohne den dazugehörigen Körper zur Flucht ansetzen wollen. „Ich denke, wir müssen fliehen?", spricht sie mit schriller Stimme.

    „Planänderung", sagte Antonio lapidar und stellte ohne eine weitere Erklärung die Spiele ab. Sodann übergab er ihr mit einem gewinnbringendem Lächeln ihr Getränk, hob sein Handy vom blauen Badewannenläufer auf und bedachte seinen Badegast mit einem fragenden Blick.

    Barbara zuckte mit den Schultern: „Ich weiß nicht, ob sie mir glauben?"

    Antonio drückte auf Wahlwiederholung.

    Barbaras Vater prustete augenblicklich los, da er glaubte, seine Tochter am Apparat zu haben. Antonio verdrehte die Augen, hielt das Handy in den Raum, das Barbara mithören konnte - und lächelte verständnisvoll.

    Wie der Vater Luft holte, gab Antonio ihm knapp seine Anweisungen durch. Widerworte duldete er nicht.

    Nach seiner Predig hielt er das Mobilphone Barbara vor den Mund: „Es ist alles in Ordnung, Daddy. Mach bitte, worum wir dich gebeten haben. Denk dabei an Timo und Carmen."

    Der Vater grummelte seine Zustimmung und legte auf.

    Barbara sah, wie sich die Stirn des attraktiven Mannes in Falten legte. Mit fiepsender Stimme gestand sie, ihrem Vater zu vertrauen. Alsogleich ärgerte sie sich, nicht selbstbeherrscht geklungen zu haben. Vor diesem Mann wollte sie weder kindlich noch schwach erscheinen. Beides war ihr vortrefflich misraten.

    Allerdings hatte sie nicht lange Zeit, mit sich zu hadern.

    Der Mann tat schon wieder etwas Komisches: Er öffnete das Fenster, sprach mit Jugendlichen, die der Unterhaltung nach mit ihren Fahrrädern unterwegs waren, und warf ihnen sein Handy zu, nachdem er den Bengels das Versprechen abgerungen hatte, dieses Telekommunikationsgerät beim Campingplatz am Ortsausgang in der Rezeption einem Herrn Bantelmann zu übergeben.

    Wie konnte Antonio so naiv sein, den Typen zu glauben, wunderte sich die Blonde, schüttelte ihren Kopf und wurde sich erneut ihrer banalen Situation bewusst. Wenn der Hüne ihre Eltern nicht fände, würde er hierher zurück kommen. Denn hier hatte er die Spur seines Wildes verloren.

    Machte sich Antonio darüber gar keine Sorgen?

    Zweifel nagten an Barbaras Verstand wie ihre oberen Schneidezähne an ihrer Unterlippe.

    Abermals schmunzelte der Mann.

    Die junge Frau spürte, wie sie sauer wurde. Nahm der Kerl sie nicht für voll?

    Misstrauisch beäugte sie den Mann, wie er das Fenster schloss, durchs Zimmer schritt und das Handtuch um die Hüften gewickelt zu ihr in die Wanne stieg.

    Ihr Mund stand weit offen.

    Unwillkürlich zuckte ihr rechter Fuß. Dieser wollte das klitschnasse Girl am liebsten durchs Hotel nach draußen auf die Straße führen, hin zum Parkplatz des Autos ihrer Eltern. Aber im letzten Moment schaltete sich Barbaras Verstand dazwischen. Selbst der kurzsichtigste Indianer der Welt hätte ihren nassen Fußabdrücken folgen können.

    „Über W-Lan lässt sich jede Bewegung eines Mobilphones nachverfolgen. Ich will nicht, dass Spuren Ihre neuen Freunde zu mich führen, erklärte Antonio unaufgefordert, als er in aller Seelenruhe ein großes Tablett quer über die Wanne legte und das Backgammon-Spiel aufbaute. „Zudem habe ich gesehen, wie Ihre Eltern das Weite gesucht haben.

    Barbara seufzte erleichtert auf. Für Sekunden entspannten sich ihre Gesichtsmuskeln. Dann rief sie unvermittelt aus: „Wurden sie verfolgt?"

    „Nein."

    „Weil sie nicht meine Eltern jagen, sondern mich. Sie sind noch auf der Suche nach mir. Wir müssen weg. Sofort."

    „Dass die Ganoven es nicht auf ihre Eltern sondern auf Sie abgesehen haben, wäre eine mögliche Erklärung. Eine andere könnte sein, dass die Herren nicht auffallen dürfen und die Sache deshalb langsam angehen lassen, äußerte Antonio in beiläufigem Tonfall seine Überlegungen. „Was war denn das Geheimnis, welches Sie nicht hätten hören dürfen?

    Die Gesichtszüge des Fast-Noch-Mädchens entspannten sich nicht. Wieso wollte der Typ nicht fliehen? Mit ihr . . . natürlich. Stattdessen bleben sie hier sitzen und taten . . . nichts. Ein irrsinniges Bild kam Barbara vor Augen. Sie sah sich und Antonio in einer viele Meter großen Messingschale sitzen. Das Kleinod war abgestellt auf dem Kegel eines Vulkans. Stechende Schwefeldämpfe stiegen von unten auf. Mussten die beiden mal nicht husten, hörten sie das Grollen der ansteigenden Lava.

    Ich bin verloren, sagte sich die junge Frau. Bin ich es wirklich? Würde der Schurke mich den Verbrechern aushändigen, wenn sie sein Kinn mit einem Pistolenlauf anheben würden?

    „Ist mein Fisch stumm geworden?" Die gütige Stimme des fremden Mannes riss Barbara aus ihren Spekulationen. Verbringe dein Leben nicht damit, dich um Dinge zu sorgen, die vielleicht passieren könnten, fiel ihr eine buddhistische Weisheit ein, aber wahrscheinlich nie über dich hereinbrechen werden. Werde nicht unglücklich, weil du dich dein Leben lang mit Illusionen abgibst.

    Illusionen? Ha! Die Tötungsabsicht war real. Ihr noch so junges Leben wirklich in Gefahr. Nahm der Mann ihr gegenüber dies Alles nicht wahr? Seelenruhig nuckelte er an seinem Strohhalm. Seine Augen hingegen sahen wie zwei Lanzen aus, die den Gegner erstechen. Den Gegner? Nein. Sondern das Mädchen, das ihm die Antwort verweigerte.

    Barbara räusperte sich. „Immobilienbetrug im großen Stil." Den Missmut ihres Gemüts konnte sie bei diesem kurzen Satz schwerlich verbergen.

    Den Mann brachte es nicht aus der Ruhe. Er lehnte sich zurück und erklärte ihr in selbstgefälliger Art, dass Betrüger nur gute Geschäfte machen würden, wenn sie nicht auffielen. Mit gezückten Knarren alle Gäste eines Hotels aufzuscheuchen, würde diesen Lehrsatz ab adsurdum führen.

    Diese Worte leuchteten der jungen Frau ein. Einerseits. Anderseits war da etwas Neues, was sie wahrnahm. Der schwarzhaarige Mann verschwieg etwas. Er wusste mehr als sie. Nannte ihr aber nicht den wahren Grund, warum sie sich nicht mehr zu fürchten bräuchte.

    Stattdessen blickten seine eisblauen Augen sie eindringlich an. Barbara konnte nicht sagen, ob ihr wegen dieses Blickes fröstelte oder wegen der kalten Luft, die noch immer im Zimmer stand. Dieser Blick, der ihr in Mark und Bein ging. Der sie irritierte. Weil er in ihr intensive Gefühle und Sehnsüchte weckte. Emotionen, die in dieser Situation der Gefahr unangebracht waren.

    Schnell reflektierte die blonde Frau die letzten Minuten. Das erste Mal in ihrem Leben war sie ihren Eltern für etwas dankbar. Wenn sie auch oft von Vater und Mutter vernachlässigt worden war, weil ihr Bruder den Bonus des Erstgeborenen und ihre Schwester den des Nestkükens hatten und für sie als „Mittelkind" kaum Aufmerksamkeit abgefallen war, so hatten beide ihr zumindest das Analysieren der Wirklichkeit beigebracht.

    Die Selbstsicherheit des Mannes vor ihr war nicht gespielt. Und die Art, wie er ihrem Vater Anweisungen gegeben und sein Telefon „verschenkt" hatte, zeugten von einem raffinierten Macher, der wusste, wie Verbrecher tickten.

    Vielleicht konnte dieser Typ sie wirklich beschützen.

    Als hätte Antonio abermals ihre Gedanken gelesen, offenbarte er ihr seine nächsten Absichten. Nach dem Spielen würden sie sich per Internet zu morgen früh ein paar neue Klamotten, eine Perücke und eine Sonnenbrille zustellen lassen.

    Das morgen früh hallte in Barbara nach wie der Urteilsspruch eines Richters. Beklemmung kam in ihr auf bei dem Gedanken, die ganze Nacht mit diesem fremden Mann in einem Zimmer bleiben zu müssen. So fasste sie all ihren Mut zusammen: „Können wir nicht die Polizei rufen, dass sie mich abholt und beschützt?"

    Reflexartig nahmen die Beine des fremden Mannes ihr Becken in die Zange. Sie befürchtete schon, dass eine Hasstriade über sie ausgeschüttet würde, da stimmte er ihr entgegen seiner Körperreaktion zu, dieses nach drei Spielen zu machen.

    „Ich bin übrigens Antonio", sagte er, als er die Würfel in seiner geschlossenen Hand schüttelte.

    „Barbara, antwortete die junge blonde Frau und spürte, wie sie begann, sich geborgen zu fühlen. Unerklärlicher Weise. Denn das Aufschieben eines Notrufs war ihrer Meinung nach unangemessen. Unpassend wie die heimliche Freude, von den Beinen dieses Mannes „umarmt zu werden. Deplatziert wie das liebenswerte Gefühl, das sie überflutet hatte, als er ihr mit weicher Stimme seinen Namen genannt hatte. Weich. Sanft. Geborgenheit erweckend. Dieses Angebot des Du.

    Barbara hatte das Gefühl, sich selber nicht mehr zu kennen, als sie mit Antonio anstieß.

    Das Klingen des Glases hallte noch im Raum, als die Würfel in seinen Händen klackerten. Hart polterten sie kurz darauf über das Spielbrett, dann schrappten zwei Spielsteine.

    3. Kapitel

    Es war eine regendunkle Nacht. Der Mann huschte mit seiner großen Tasche von seinem abgestellten Auto über den Hof zur Eingangstür. Seinen schwarzen Kapuzenanorak hatte er tief ins Gesicht gezogen.

    Erleichtert atmete er tief aus unter dem kleinen Vordach vor der zweiflügeliegen Glastür. Die heute Nachmittag abgeschalteten Bewegungsmelder waren nicht angesprungen.

    Sein Schlüsselbund raschelte metallern.

    Ein letzter Blick über die Schulter.

    Niemand hatte ihn gesehen.

    Wie ein Geist huschte er ins Haus, durcheilte den Flur, ohne Licht zu machen. Diesen Weg kannte er auswendig. Selbst im Dunkeln fand er sich zurecht.

    Erst in der großen Werkhalle setzte er seine Stirnlampe auf und schaltete deren Licht ein. Es war ein schmaler, weißer Strahl.

    Andachtsvoll nahm er seinen Laptop und eine Fernbedienung aus der Tasche.

    Kurz schnarrte das Elektrogerät, als es hochfuhr.

    Alsogleich packte der Mann einen in einem weißen Laken eingewickelten Gegenstand aus.

    Als wäre es ein heiliger Artefakt, stellte er das Ding in die Mitte der Werkhalle.

    Zurück am Laptop rief er einige Programme auf.

    Ein paar Kontrollblicke, dann packte er sich die Fernbedienung.

    Ein Knopfdruck, und das Ding auf dem Fußboden hob sich mit einem lauten Rattern in die Luft.

    Sein Saturn flog.

    Phänomenal.

    Nach einigen Runden schaltete er auf Autopilot.

    Nur weil es relativ dunkel in der Halle war, konnte man nicht sehen, wie sich seine Nase jedesmal rümpfte, wenn sein Flugobjekt gegen die Decke oder eine Wand stieß.

    Nach einer viertel Stunde packte der Mann seine Sachen wieder ein.

    Er wusste, die Motoren brauchten Schalldämpfer, die Infrarotsensoren, die die Abstände des Flugobjekts zu seiner Außenwelt maßen, waren noch zu ungenau eingestellt; bedurften noch einer Feinjustierung im Programm.

    Im Flur schaltete er seine Stirnlampe wieder aus, vor der Eingangstür zog er sich die Kapuze ein zweites Mal weit ins Gesicht.

    Wie er gekommen war, verschwand er.

    Niemand hatte von dem Spuk etwas mitbekommen.

    4. Kapitel

    „Fleet kommt überhaupt nicht zurück", stellte Marco Huntingten nüchtern fest. In seiner Stimme schwang ein Ton, als hätte er sich herzlich für ein Geburtstagsgeschenk bedankt, was er nun wirklich nicht benötigte und schon morgen in die Mülltonne verfrachten würde.

    „Vielleicht amüsiert er sich mit der Kleinen ein wenig länger, treibt sie in atemlose Spielchen? Hugo von Streelitz führte seine Espressotasse an den Mund und trank einen ganz kleinen Schluck. Um seinen Mund zuckte ein winziges Lächeln. Nur wer ihn ganz genau kannte, verstand den abgrundtiefen Sarkasmus seiner Worte. „Ist ja auch eine bezaubernde Schnecke. Wäre ich noch einmal so jung, wie Fleet, ich nähme mir ebenfalls das Erfreuliche, bevor ich zu den unangenehmen Taten des Abends schritte.

    „Ein heißes Erlebnis vorweg, die Göre hat es sich redlich verdient, bevor ihre Augen aus ihren Höhlen glubschen würden. Wäre ja jammerschade um sie, sie würde als Jungfrau vor den Herrn treten." Neid erwachte in Huntingten, nicht anstelle seines Kollegen Nick Fleet die Verfolgung aufgenommen zu haben. Aber so war es schon die ganze Zeit. Fleet war ihm immer einen Schritt voraus. Deshalb war Fleet und nicht er der erste Leibwächter seines Bosses von Streelitz. Langsam wurde es Zeit für ihn, Huntingten, aus diesem Schatten heraus zu treten. Nicht zufrieden war er mit der Tatsache, nur die Nummer Zwei zu sein.

    „Sie schauen etwas bekümmert drein, Mister Huntingten", forschte von Streelitz mit sorgloser Miene nach. Natürlich hatte er den unter seinen beiden Leibwächtern ausgebrannten Konkurrenzkampf längst vernommen. Viel profitierte er davon, dass beide sich selber übertreffen wollten, um ihm zu imponieren. Eine bessere Motivation konnte von Streelitz sich nicht vorstellen. Seine langen, schlanken Finger begannen zu kribbeln. Nervös bugsierte er sie an die Kante der herabhängenden Tischdecke. Huntingten sollte sein Entzücken nicht erkennen. Auf keinem Fall. Das würde ihn den Spaß an diesem Abend rauben. Wo der Tag so anstrengend gewesen war.

    Von Streelitz fühlte sich wie in der Manege eines Zirkus. Mit der riesenlangen Peitsche stand er in der Mitte, führte die Löwen und Tiger im großen Kreis um sich herum, ließ sie durch Ringe springen, sich auf Boxen setzen, ihre Reißzähne blecken. Jede einzelne dieser Raubkatzen hätte ihn sofort in Stücke reißen können. Doch mittels geschickter Manipulation hatte er, der Schwächere, sich auf den Thron gesetzt. Lebte von dem glücklichen Umstand, dass die Stärkeren sich ihrer Kraft nicht bewusst waren und die Schwäche ihres Herren nicht in Frage stellten. So funktionierte das Spiel in der Zirkusarena, auf der politischen Bühne, im wirtschaftspolitischen Machtkampf. Und er, von Streelitz, wähnte sich als einen Meister der Intrige.

    Um seine Macht direkt auskosten zu können, schickte er eine weitere Breitseite gegen seinen Leibwächter. Das war ein Genuss für seine Seele, wie Grappa für seinen Gaumen: „Keine Sorge, Mister Huntingten. Fleet ist mein bester Mann. Der kriegt das schon hin. Erzählen Sie mir lieber, warum meine rechte Hand aufgesprungen ist, dieses Küken zu rupfen? Bisher hatte er nie Interesse an Kindern gezeigt."

    Huntingten rang um Fassung. Auf keinem Fall durfte er seinem Chef zeigen, wie sehr diese Kränkung ihn getroffen hatte. Er zupfte ein paar Mal an seinem Nasenrücken, um sich die Worte zu Recht zu legen: „Das Flittchen hat gelauscht. Der Mund muss verstummen, bevor sie es weiter plappert", gab Huntingten die letzten Worte seines Kollegen Fleet wieder, kurz bevor er davon gestoben war.

    Der selbsternannte Immobilienmakler von Streelitz horchte auf. Lebhaft funkelten seine Augen. „Auf der Distanz? Unmöglich. Zudem die Geräuschkulisse hier im Saal. Ich kann gerade noch ihr Wort verstehen."

    „Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, Herr von Streelitz. Fleet war sofort aufgesprungen. Er sagte nur, keine Sekunde hätte er zu verlieren und war sichtlich erfreut, als das Mädchen schlagartig vom Tisch ihrer Eltern aufgesprungen war."

    „Küken halt. Fleet ist der Marder, den sie in ihren Hühnerstall gelockt hat.

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