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Silent Water: Kate
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eBook326 Seiten4 Stunden

Silent Water: Kate

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Über dieses E-Book

"Wenn das Schicksal dich zerbrechen will, du aber nur stark genug wirst, um sogar einem Vampir zu trotzen!"

Kate braucht nach einem Schicksalsschlag einen Neuanfang und findet ihn auf "Silent Water".
Das schöne Anwesen fasziniert sie genauso wie ihr mysteriöser Arbeitgeber - Nathaneal Baxter.

Kate lässt sich Hals über Kopf auf eine Affäre mit ihrem Chef ein, bis sie eines Abends voller Schrecken erkennt, was er wirklich ist. Ein Vampir. 

Damit steht Kate vor der schwierigsten Entscheidung ihres Lebens. Glaubt sie an seine ehrliche Liebe oder will er sie nur in einen goldenen Käfig sperren?

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum6. Juni 2019
ISBN9783748706120
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    Buchvorschau

    Silent Water - Carmen Liebing

    Prolog

    1983

    Er beobachtete die Kleine jetzt schon seit zwei Tagen. Ihr Leben war so kleinstadtmäßig ereignislos, dass zwei Tage locker dafür ausreichten, es kennenzulernen. Nun gut, das würde sich ändern, auch wenn sie niemals jemandem vom aufregendsten Moment ihres Lebens erzählen würde.

    Er hielt dies schon immer für den besten Teil der Jagd. Das Aufstöbern, welches stets der faszinierendste Augenblick war, wenn ihm ein besonders verführerischer Geruch oder eine für ihn einladende Geste auf sein nächstes Opfer aufmerksam machte. Er liebte es, seine Delinquenten zu belauern und auszukundschaften. Dabei fühlte er sich meist bereits wie ein Eindringling in private Gemächer, der aber unbemerkt blieb.

    Selbst nach Jahrhunderten überraschten ihn die Menschen hin und wieder mit unerwarteten Geheimnissen und versteckten Emotionen. Nun war es so weit. Er wusste, wo sie wohnte, welche Schule sie besuchte und wo sie gerade jobbte und es wurde Zeit seine Erkenntnisse über sie zu überprüfen. Manchmal wurden seine Hoffnungen enttäuscht und es blieb ihm nichts weiter zu tun, als seine Beute zügig zu erlegen.

    Doch diesmal war es nicht so, er hatte sich nicht in ihr getäuscht. Seine Erwartungen waren nicht zu hoch gewesen. Im Gegenteil; mit jeder Minute erfüllten sie sich mehr. Ihr Leben mochte bürgerliche Langeweile verbreiten, sie selbst tat das jedoch nicht. Wenn er romantisch veranlagt wäre, würde er behaupten, sie wäre von einer pulsierenden Aura umgeben, deren Anziehungskraft er sich einfach nicht widersetzen konnte.

    Er sah zu, wie sie das billige Fast-Food-Lädchen verlies und dabei noch schnell fröhlich ihrer Ablösung zuwinkte. Wieder einmal musste er zugeben, dass ihr die pinke Uniform ausgezeichnet stand. Sie betonte ihre leicht gebräunten langen Beine und unterstrich ihre jugendliche, aber bereits sehr weibliche Figur. Gestern noch hatte er kurz darüber nachgedacht, sie einfach so anzusprechen. Ein ganz normales Date klar machen. Heute allerdings schüttelte er bei diesem Gedanken den Kopf über sich selbst.

    Das war so unmöglich wie in diesem Schuppen etwas zu essen zu bestellen. Er stand nicht auf Fastfood. Nicht bei Lebensmitteln und erst recht nicht bei seinen eigentlichen Leckerbissen. Nein. Er plante ein ausgiebiges, exquisites Dinner.

    Er wollte seine Entdeckung in jeder Hinsicht genießen. Den anregenden Duft ihrer Angst, den süßen Geschmack ihres Schmerzes und ihren zuckenden Körper, wenn sie sich unter seinen Stößen wand, bevor er die erfrischende Essenz ihres jungen Lebens aus ihren Adern saugte. Er war sich sicher, dass ihr Blut seine verwöhnte Zunge wie ein erlesener Wein liebkosen würde.

    Jetzt zog sie sich gerade das Band aus dem mahagonifarbenen Haar und schüttelte es aus. Der Wind trug ihm sofort ihren vielsprechenden Geruch über die Straße zu. Köstlich! Sie scherzte mit einem der jugendlichen Stammgäste und machte sich dann fröhlich auf den Heimweg.

    Nun kam der Moment immer näher, auf den er mit steigender Erregung gewartet hatte. Über die Dächer der kleinen Einkaufspassage hinweg überholte er sie mit Leichtigkeit. Es war noch nicht so spät, dass die Straßen völlig leer gewesen wären. Sein scharfes Gehör filterte das Klackern ihrer Absätze zielsicher sofort aus dem wirren Kessel voller abendlicher Geräusche heraus.

    Ihr Weg leitete sie zwangsläufig in die schmale Gasse, die zwischen den Geschäften zu den dahinter angrenzenden Wohnvierteln führte. Lautlos sank er von der Dachkante in eine kleine Nische neben einer Regenrinne, wo er in deren Schatten verschwand. Er konnte ihren Herzschlag bereits hören. Der pinkfarbene Rock wippte mit ihren Schritten und schickte seine Phantasie auf eine vergnügliche Reise. Die Vorfreude vertrieb das strahlende Blau aus seinen Augen und verwandelte es in ein tiefes Schwarz.

    Je weiter sie sich vom Lärm der Hauptstraße entfernte, desto ruhiger wurde es. Sein Erschaffer war ein alter mächtiger Vampir, der in seiner Umgebung die Natur für seine Zwecke beeinflussen konnte, doch er selbst besaß nur einen kleinen Hauch dieser Macht. Er nutzte sie, um sich auf die einzige Laterne in der Gasse zu konzentrieren, und ließ deren Licht flackern. Im diffusen Übergang von der Dämmerung zur Nacht erschien das restliche Licht jetzt wie schleichender Nebel, der bedrohliche Schatten über die Wände wabern ließ. Sie blieb kurz stehen. Das war das Stocken, das er gewollt hatte.

    In der plötzlichen Stille trat er geräuschvoll von einem Fuß auf den anderen und fuhr mit den Fingernägeln über die Backsteinmauer hinter ihm. Sofort begann ihr Herz schneller zu schlagen. Sie sah sich gehetzt um, aber noch zeigte er sich nicht. In ihr schwelte eher Misstrauen, statt Angst und genau so hatte er sich das vorgestellt.

    Der ständig steigende Adrenalinspiegel verlieh dem Blut eines Menschen seine ganz besondere Note, auf die er so versessen war. Ein plötzlicher Schock nahm ihm hingegen seinen exquisiten Geschmack. Das wäre schade um das Mädchen gewesen, das so köstlich roch.

    Deshalb verhielt er sich ruhig, lauschte ihrem Herzschlag und freute sich auf das Finale. Wie erwartet setzte sie ihren Weg scheinbar unbeschwert fort, als nichts weiter geschah. Aber er hörte das Hämmern ihres Pulses und bemerkte die schwache Unregelmäßigkeit ihres Atems. Ihre Schritte waren einen Tick schneller als vorher, was den Rock noch mehr wippen ließ.

    Er streifte an der Wand entlang knapp hinter ihr her. Das Atmen wurde zum Keuchen und dann schoss neues Adrenalin in ihre Blutbahn. Sie blieb stehen und sah sich wieder suchend um. Die unnötigste aller Fragen brachte ihn zum Grinsen.

    »Hallo …, ist da jemand?«

    Sie spürte die Gefahr, ohne erkennen zu können, woher sie kam. Es bestätigte, was er schon lange wusste. Frauen hatten diesen sechsten Sinn dafür. Wenn er einfach nur Hunger hatte, suchte er sich ein männliches Opfer. Für einen Mann kam er immer aus dem Nichts. Männer waren etwas für den Hunger zwischendurch.

    Die Jagd auf Frauen war schwieriger, machte aber dafür umso mehr Spaß. Sie boten dem Vampir ein Mahl, das er mit allen Sinnen genoss. Wie bei der kleinen Kellnerin hier. Sie hatte inzwischen einen Gegenstand aus ihrer Tasche gezogen und hielt ihn fest in ihrer Hand.

    »Bist du das, Dan? Das ist nicht komisch!«

    Ihre Stimme zitterte zwar ein wenig, aber überkippende Panik klang anders. Jetzt erkannte er auch das Ding in ihrer Hand: Pfefferspray! Beinahe hätte er laut aufgelacht. Zudem war ihm scheinbar doch die eine oder andere Kleinigkeit beim Beobachten entgangen. Wer zur Hölle war Dan?

    »Du sollst mich in Ruhe lassen! Ich will nichts mehr mit euch zu tun haben. Meine Entscheidung ist gefallen, also verpiss dich!«

    Die Wut jagte einen unerwarteten Schwall Adrenalin in ihren Körper, der seine Sinne berauschte. Das wurde ja immer besser. Als sie weitergehen wollte, löste er sich aus dem Schatten der Hauswand, mit der er bisher verschmolzen war.

    Instinktiv hob sie in einem Reflex die Spraydose und hätte ihn auch beinahe erwischt. Er schlug sie ihr erbarmungslos hart aus der Hand. Anscheinend erkannte sie ihren Denkfehler und spürte die fremdartige Gefahr. Sie drehte sich zur Flucht und trieb ihm durch diese rasche Bewegung ihren Geruch noch intensiver entgegen.

    Seine Hände ergriffen ihre schmale Taille und ehe sie noch erschrocken zappeln konnte, drehte er sie um und drückte sie mit dem Rücken an die Wand unter der flackernden Laterne. Sie riss überraschend ein Knie hoch und traf ihn genau da, wo es auch ihm wehtat. Doch das stachelte seine Gier nur noch mehr an. Sie wollte kämpfen? Sehr schön!

    Er packte ihre Handgelenke und zog ihre Arme über ihren Kopf, wo er sie mit einer Hand festhielt. Mit der anderen umfasste er ihr Kinn und zwang sie so, ihn anzusehen.

    »Wehr dich nur, meine Kleine. Das gefällt mir!«

    Er sah den Schock in ihren weitaufgerissenen Augen. Es waren dunkelbraune Augen, die eine, für ihr Alter, erstaunliche Tiefe besaßen. Sie spuckte ihn mit Verachtung im Blick an. »Lass mich sofort los, du Penner!«

    »Nicht doch, Süße! Ich fange doch gerade erst an!«

    Obwohl er nur flüsterte, richteten sich die feinen Härchen auf ihren Unterarmen auf. Er nahm es mit Genugtuung zur Kenntnis. Genauso wie ihr jetzt keuchendes Atmen. Mühelos schob er ein Bein zwischen ihre und drängte sie noch dichter an die Mauer. Ihr Puls begann zu rasen, als er die Hand von ihrem Kinn nahm und in ihren Ausschnitt gleiten ließ.

    Sie fing an zu zittern und ihre schönen Augen überzogen sich mit einem trüben Schleier. Er kannte diesen Moment, hatte ihn schon oft erlebt. Es war der Augenblick, in dem ihr Unterbewusstsein bereits akzeptierte, dass ihr von ihm der Tod drohte, sie es nach außen hin aber noch nicht eingestehen wollte.

    »Was soll das? Du bist keiner von Dans Freunden, oder?«

    Die Frage war so bescheuert, dass er sich die Mühe sparte, darauf zu antworteten. Seine Sinne waren damit beschäftigt, ihre Haut zu spüren, ihren Geruch aufzunehmen und ihre Angst voll auszukosten. Warm und seidig schmiegten sich ihre Brüste in seine Hand. Das war wirklich besser als alle seine Erwartungen. Ihr Widerstand bröckelte und wich langsam der Angst. Gleich würde sie anfangen zu weinen und zu betteln. Das konnte er gar nicht leiden, es verdarb ihm den Spaß.

    Seine Zähne gruben sich ohne Vorwarnung in ihre Halsschlagader und schon der erste Tropfen ihres Blutes belohnte ihn für das zweitägige Warten. Süß und erregend lief es über seine feinen Geschmacksnerven. Es berauschte ihn mehr, als jeder Alkohol es je vermocht hätte. Mit einem köstlichen Prickeln rann es ihm die Kehle hinunter und wärmte seinen eigentlich kalten Körper. Er spürte, wie sich die Erregung auch körperlich manifestierte und ihn daran erinnerte, dass er nicht nur ihr Blut begehrte.

    Doch zu seinem Bedauern glitt sie schneller als gedacht bereits in die tiefe Ohnmacht, die einem Vampirbiss folgt. Als er sie loslassen wollte, sank sie beinahe leblos zu Boden. Er hatte nicht rechtzeitig aufgehört, weil ihr Blut ihn so berauscht hatte, dass er vergaß darauf zu achten. Aus irgendeinem Grund hatte er sie für widerstandsfähiger gehalten, doch nun kam die Einsicht zu spät. Einen Moment sah er auf das Mädchen hinunter, dann fasste er einen Entschluss. Er hob sie hoch und fand sie erstaunlich schwer für ihre knapp 50 Kilo. Eigentlich hatte er mit ihr auf das Dach verschwinden wollen, aber irgendetwas stimmte hier nicht. Er legte sie zurück und im gleichen Augenblick zog es ihm die Beine weg.

    Was war das? Was war hier los? Er fühlte sich plötzlich schwach und benebelt. Fragend beugte er sich über die Ohnmächtige, die nur flach atmete und dann hörte er es. Ihr Herz schlug zwar leise, schwach und regelmäßig, aber da war noch ein zweites, viel schnelleres Klopfen. Sie war schwanger!

    Das war's also! Nach fast 500 Jahren sollte er in dieser elenden, kleinen Gasse verrecken, weil er das Wichtigste vergessen hatte. Das, was jeder Vampir bei einer Frau zuerst überprüfte. Das Blut einer schwangeren oder noch stillenden Frau war tödlich für jeden von ihnen. Dafür hatten die Hexen gesorgt. Der Schutz des neuen Lebens!

    Doch ganz ehrlich, die Kleine war 17. Sicher war das nicht unmöglich, aber er hatte nicht eine Sekunde darüber nachgedacht. Ein Fehler, der so töricht war, dass er spöttisch über sich selbst lachen musste. Das hast du nun davon, Tony! Du weißt doch, dass stille Wasser oft tief sind. Da warst du wieder mal so arrogant zu glauben, du wärst der einzige Mann im Leben einer Frau.

    Das Lachen blieb ihm jedoch in seinem Hals stecken. Stattdessen ergoss sich ein Schwall Blut auf seine Brust. Herausgewürgt mit einem schmerzhaften Husten. Er ließ den Kopf gegen die Wand sinken und tastete nach seinem Opfer. Zufälligerweise kam seine Hand auf ihrem Bauch zu liegen, was ihn erneut aufstöhnen ließ.

    »Da habt ihr zwei mich ganz schön drangekriegt. Gratuliere!«

    Ein neuer Blutschwall brach aus ihm heraus und er spürte schlagartig die Kälte des Bodens und der Wand. Das war seltsam. Seit beinahe fünf Jahrhunderten hatte er nicht mehr gefroren. Komischerweise hatte er sich nie gefragt, wie sein zweites Leben, sein Dasein als Vampir, einmal enden würde.

    Verdammt! Er war praktisch unsterblich, oder? Das durfte doch nicht sein. Sein Kampfgeist erwachte und mit letzter Kraft schuf er eine telepathische Verbindung, von der er hoffte, dass sie stark genug war.

    »Hilfe! Nathaneal! Ich sterbe!«

    Dann umfing ihn Dunkelheit.

    Ein neues Leben

    Kate/Vier Jahre später

    Ich war so aufgeregt wie lange nicht mehr, weil mein Plan, endgültig von Zuhause zu verschwinden nur funktionierte, wenn mein Vorhaben heute klappte. Ich brauchte dazu diese ausgeschriebene Stelle so notwendig wie die Luft zum Atmen.

    Die Aussicht darauf war der Grund, warum ich gestern noch einmal einkaufen gegangen war. Mein begrenztes Budget gestattete mir eine einfache weiße Bluse mit einem schmalen, nicht zu kurzen Rock. Schwarz natürlich! Ich wollte schließlich seriös aussehen.

    Ich verschwendete unzählige Nadeln an eine Hochsteckfrisur und schlüpfte in den teuersten Teil meiner neuen Garderobe. Die schwarzen Pumps forderten mein Balancegefühl immens, streckten mich dafür aber um stolze sieben Zentimeter.

    Eben erwähnte Balance wollte mich allerdings schon in der Eingangshalle von »Baxter Holding Inc.« verlassen. Wieso mussten die ihre sicher sündhaft teuren Fließen auch so ungeheuer glattpolieren? Ein uniformierter Schönling hinter einem gläsernen Tresen bedachte mich mit einem unverschämten Grinsen. Nach meiner Schrecksekunde zeigte ich ihm meine Einladung zum Vorstellungsgespräch bei Mr. Baxter, worauf er mir, immer noch grinsend, den Weg dorthin erklärte. Ich konnte seinen Blick in meinem Rücken fühlen, während ich zu den Aufzügen stöckelte.

    Expressaufzüge sollten gesetzlich verboten werden. Mein Magen war ohnehin schon nicht gut drauf, und als sich die Türen öffneten, wurde es auch nicht besser, eher das Gegenteil. Du lieber Himmel! Dass ich nicht die einzige Bewerberin um diese Stelle sein würde, war mir klar gewesen. Dafür war das Angebot zu gut. Aber diese Ansammlung von Frauen übertraf meine Erwartungen. Bei genauerem Hinsehen rutschte mir das Herz endgültig in die Hose, oder besser gesagt, den Rock.

    Mit ein paar Ausnahmen, wahrscheinlich hochqualifiziert, sah ich nur absolute Schönheiten. Die meisten wirkten wie frisch vom Cover einer Zeitschrift gehüpft. Ich wusste natürlich um den Ruf meines potenziellen neuen Arbeitgebers, kein Kostverächter zu sein. Aber das konnte doch nicht wahr sein. Laut Anzeige suchte er eine Haushälterin, keine Ehefrau. Was wollten die alle hier? Ich zog meine Einladung zu Rate. Doch, ich war richtig. Es wurde eine Hausdame gesucht, Datum stimmte, Uhrzeit und Ort auch. Das konnte ja lustig werden.

    Ich entdeckte eine mitten im Raum aufgestellte Tafel mit der Bitte um Anmeldung am Empfangstresen, der wiederum blöderweise am anderen Ende des Raumes stand. Zum Glück gab es hier einen Teppich und so kam ich halbwegs würdevoll am Ziel an.

    Der kleine Tresen war umlagert von Frauen, die albern kicherten. Als ich mich durch die Menge schob, erkannte ich den Grund. Ein weiterer Schönling saß dort und verteilte Komplimente. Na super! Ich sah meinen Plan in Scherben gehen, denn da konnte ich nicht mithalten. Ich hatte nicht im entferntesten Model-Maße, keinen Sinn für albernes Gekicher und Charme konnte ich nicht mal buchstabieren.

    Doch ich hatte Kampfgeist und ein großes Ziel. Also boxte ich mich entschlossen durch und sprach den Schönling an. Widerwillig wandte er sich mir zu, taxierte mich mit einem prüfenden Blick und nahm meine Mappe entgegen. Er schlug sie kurz auf, knurrte etwas Unverständliches vor sich hin, musterte mich nochmal und gab mir dann einen kleinen Zettel mit einer Nummer in die Hand.

    »Setzen Sie sich doch dort hin und warten Sie, bis Sie aufgerufen werden.«

    Seine Hand wies in Richtung einer doppelten, massiv wirkenden Holztür, an deren Seiten je vier Sessel standen. Ich war dort die Einzige und saß wie auf dem Präsentierteller, jedenfalls kam es mir so vor. War der Platz hier nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Nervös zupfte ich an meinen Kleidern und an meinen Haaren. Zu allem Übel warf der Schönling mir immer wieder seltsame Blicke zu. Die Frauen neigten die Köpfe zusammen und flüsterten über mich, das spürte ich ganz deutlich.

    Ich wurde zunehmend zappeliger. Als die Tür dann endlich aufging, wusste ich im ersten Moment nicht, ob ich erleichtert war oder eher das Gegenteil. Eine sanfte Stimme nannte meinen Namen. »Miss Kate Bishop?«

    Ich stand so hastig auf, dass meine Balance erneut in Schwierigkeiten geriet. Doch ich schaffte es ohne zu stolpern in das riesige Büro. Mir war gar nicht richtig bewusst gewesen, dass dieser verflixte Expresslift ins Penthouse fuhr, aber der Aussicht nach hatte er genau das getan. Eine einzige Glasfront war das Erste, was ich sah. Dahinter die Stadt aus einer, mir völlig neuen, Perspektive.

    Ich bemerkte den schönen, antiken Schreibtisch direkt davor und wollte einen Schritt darauf zu gehen. Da wurde mir schwindlig und ich knickte doch noch um. Ich wusste bisher gar nicht, dass ich Höhenangst hatte. Okay, ich war ja auch zum ersten Mal so hoch oben. Warme Hände an meinen Oberarmen verhinderten jedoch, dass ich fiel. Oh, nein! Der Schönling vom Empfangstresen!

    »Langsam, junge Dame! Alles in Ordnung mit Ihnen?«

    Kobaltblaue Augen sahen mich fragend an. Ich nickte nur schnell, weil ich meiner Stimme gerade nicht vertraute, aber dann ließ sie mich doch nicht im Stich. »Mir geht es gut. Danke!«

    Er nickte auch und führte mich galant zu einem schwarzen Ledersessel vor dem Schreibtisch. Ich sah ihn meine Mappe auf der polierten Platte ablegen und erst danach fiel mein Blick auf den Chef des Hauses. Mein erster Impuls war Flucht.

    Nichts wie weg hier!

    Mir wurde schlagartig klar, was all die Frauen da draußen wollten. Und dass ich mich diesbezüglich in nichts von ihnen unterschied.

    Nathaneal Baxter war die Reinkarnation eines römischen Gottes. Jedenfalls, wie ich mir einen dieser Götter immer vorgestellt hatte. Ein perfekt symmetrisches Gesicht mit den Zügen einer antiken Statue wurde gekrönt von leicht gelocktem, dunklem Haar. Es kräuselte sich am Hemdkragen und erweckte den Eindruck, als käme er gerade aus dem Bett einer frivolen Geliebten. Unsinnigerweise war ich sofort eifersüchtig.

    Sein leichtes Lächeln, bei dem wohlgeformte Lippen Sinnlichkeit versprachen, trieb meinen Puls hoch. Doch der absolute Hammer waren seine Augen. Sie glänzten wie flüssiges Silber und es schienen goldene Funken darin zu tanzen. Das war exakt der Moment, in dem ich lernte, albern zu kichern.

    Ein dichter Ring aus seidig schimmernden Wimpern gab den vollkommenen Rahmen für diese Juwelen, die eindeutig nicht von dieser Welt stammten. Nur mit Mühe konnte ich mich beruhigen und an den Grund für mein Hiersein erinnern. Ich holte tief Luft, um nicht sinnloses Zeug zu stammeln, aber er machte meine Bemühungen sofort zunichte.

    Er streckte eine Hand über den Tisch, um meine zu ergreifen und seine Berührung gab mir den Rest. Hätte er mich jetzt nach meinem Namen gefragt, ich hätte keine Antwort gegeben. Ich wusste nur noch, dass ich diese Hand ganz woanders fühlen wollte. Ich konnte sie direkt auf meinem Körper spüren. Meine Lippen begannen zu spannen, als hätte ich zu lange und zu leidenschaftlich geküsst. Unwillkürlich leckte ich mir mit der Zunge darüber und verstand mich selbst nicht. Was passierte gerade mit mir? Was machte ich da nur? Du meine Güte, Kate. Reiß dich zusammen! Du brauchst diesen Job!

    Ich schüttelte mich, kniff mir in den Unterarm und schlagartig konnte ich wieder klar denken. Plötzlich befand ich mich in einem zwar eindrucksvollen Büro, aber eben nur einem Büro, mit einem zugegebenermaßen ziemlich attraktiven Besitzer. Ich fand sogar meine Stimme wieder und konnte meinem Gegenüber auf seine Fragen antworten. Erstaunlicherweise in ganzen Sätzen und völlig logisch. Nicht zu fassen, was da kurz vorher mit mir geschehen war.

    Ebenso unfassbar war, was gleich darauf geschah. Er stand auf, kam um den riesigen Schreibtisch herum und gab mir die Hand.

    »Dann freue ich mich schon auf unsere Zusammenarbeit. Tony wird Ihnen die Einzelheiten erklären und Sie auch zum Haus mitnehmen. Natürlich erst, nachdem Sie alles Notwendige gepackt haben. Wir sehen uns dann heute Abend, Miss Bishop!«

    Ich hatte die Stelle!

     ***

    Nachdem Tony verkündet hatte, dass die Stelle besetzt war, kehrte schnell Ruhe im Büro ein. Ein paar bissige Bemerkungen fielen noch zur offensichtlichen Fehlbesetzung. Diesen Ausdruck benutzte eine aufgedonnerte Blondine, die mitbekommen hatte, dass Kate die Glückliche war. Sie versuchte sich an einem schmachtenden Augenaufschlag in Tonys Richtung.

    Doch der eben noch so charmante Sekretär des Firmeninhabers bugsierte sie unnachgiebig zum Ausgang. »Es ist gelaufen, meine Liebe. Vielleicht das nächste Mal!« Er schob sie in die Kabine und drückte den Abwärtsknopf.

    Tony eilte zurück in das große Büro, wo Nathaneal mit verschränkten Händen am Panoramafenster stand und offensichtlich in Gedanken versunken war. Zielstrebig ging Tony mit langen Schritten zur Bar und schenkte Brandy in zwei bauchige Gläser. »Das ist nicht möglich, oder? War sie das tatsächlich?«

    Nathaneal drehte sich zum Schreibtisch um und schlug die Mappe wieder auf.

    »Ich bin mir sicher und du doch bestimmt auch. Du solltest dir zumindest sicher sein!«

    Er fuhr mit dem Finger über Kates Angaben zur Person. »Hier steht nichts von einem Kind. Entweder lügt sie, was ich nicht glaube, oder es gibt keines. Sie war damals schon zu weit für einen legalen Abbruch. Als ich sie nach Hause brachte, war sie aber definitiv noch schwanger.«

    Tony sah ihm über die Schulter, als müsse er das kontrollieren. »Dann lügt sie doch! Wahrscheinlich hat sie es irgendwo untergebracht oder gleich zur Adoption frei gegeben.«

    Nathaneal setzte sich und sah grübelnd auf den Sessel vor ihm. Da hatte sie gesessen. »Nein, ich denke nicht, dass sie lügt. Sie erscheint mir nicht wie der Typ Teenie-Mütter, die ihr Kind hergeben, und selbst, wenn doch, glaube ich nicht, dass sie es schlicht verleugnen würde. Da ist etwas passiert.«

    Jetzt ließ Tony sich ratlos in diesen Sessel fallen und trank sein Glas leer. Es klirrte verärgert, als er es unsanft auf dem Tisch abstellte. »Und du verlangst von mir, dass ich sie fahre! Ich sollte die Gelegenheit nutzen und zu Ende bringen, was ich damals angefangen habe.«

    Sein Chef antwortete ihm mit schneidender Stimme. »Du wirst dich beherrschen, Tony! Wir wissen bis heute nicht, wieso du diese Schwangerschaft damals übersehen konntest. Das ist die Gelegenheit es herauszufinden.«

    Als er weitersprach, klang seine Stimme sanft und hatte einen warmen Unterton. »Irgendetwas ist an diesem Mädchen. Ihre Reaktion auf meine Manipulation war stark und intensiv, trotzdem hätte sie mich beinahe alleine abgeschüttelt. Dazu gehört schon ein gehöriges Maß an mentaler Stärke, was wiederum, angesichts ihrer Jugend, ziemlich erstaunlich ist. Meiner Erfahrung nach besitzen nur wesentlich ältere Menschen, die in ihrem Leben viel Schlimmes erleiden mussten, diese Kraft. Schicksalsschläge können Menschen zerbrechen, manche hingegen werden davon zu hartem Stahl geschmiedet. Diese junge Frau hat jedoch etwas von beiden, obwohl ich sie im Zweifelsfall zur Letzteren zählen würde. Sie ist definitiv ein interessantes Persönchen. Ich war in ihrem Bewusstsein und trotzdem ist sie mir ein Rätsel. Ein Rätsel, das ich lösen möchte!«

    Kate

    Ich war schon wieder so unglaublich zappelig und aufgeregt. Vielleicht träumte ich ja nur, und wenn ich aufwachte, würde ich wieder in der Bruchbude sein, die sich Wohnung schimpfte. Also kniff ich mir zur Sicherheit selbst in den Arm. Au! Das tat weh.

    Es war tatsächlich geschehen. Nach der Zusage war alles verdammt schnell gegangen, ähnlich wie in einem vorgespulten Film waren die folgenden Ereignisse quasi an mir vorbeigerauscht und ich war kaum zur Besinnung gekommen. Tony, der Schönling vom Tresen, von dem ich nicht wusste, ob er jetzt ein Angestellter oder ein Freund von Mr. Baxter war, hatte mich nach Hause gefahren. Er hatte mir mit meinem armseligen Gepäck geholfen und ehe ich mich versah, war ich hier.

    Silent Water nannte sich das Anwesen. Den See, der ja der Namensgeber sein musste, konnte ich nicht sehen, dafür war das Haus an sich eine Sensation. Wir fuhren durch ein verschnörkeltes schmiedeeisernes Tor über eine lange geschwungene Auffahrt vor einen Prachtbau aus den alten Südstaatentagen. Schneeweiß stand es im Licht der Nachmittagssonne und protzte mit mehreren schlanken Säulen, die sich komplett über die Vorderseite verteilten. Bunte Blumen lockerten das kühle Weiß auf und der leichte Wind ließ im Obergeschoss eine feine Gardine aus einem großen Fenster wehen, das offen stand. Ein wenig fühlte ich mich wie Scarlett O’Hara. Obwohl ich niemals und unter gar keinen Umständen zugeben würde, dass ich den Film mehr als einmal gesehen hatte.

    Die beeindruckende doppelflügelige Haustür besaß einen respekteinflößenden Türklopfer, der an ein königliches Wappen erinnerte. Tony hatte meinen schäbigen Koffer getragen und betätigte das Ding, worauf zu meiner Überraschung eine melodische Glocke im Innern des Hauses erklang. Eine rundliche, freundlich lächelnde Frau in den Fünfzigern öffnete und begrüßte mich auf Spanisch, was meine Vermutung bestätigte, sie sei Mexikanerin. Als sie bemerkte, dass ich sie nicht verstand, wechselte sie die Sprache und wiederholte ihren Willkommensgruß für mich. Obwohl ich sonst eher misstrauisch auf fremde Menschen reagierte,

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