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Meine Chefin, ihre Dates und ich: Romantische Komödie
Meine Chefin, ihre Dates und ich: Romantische Komödie
Meine Chefin, ihre Dates und ich: Romantische Komödie
eBook314 Seiten4 Stunden

Meine Chefin, ihre Dates und ich: Romantische Komödie

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Über dieses E-Book

Wer denkt, das eigene Liebesleben sei eine Herausforderung, hat offensichtlich noch nie versucht, eine exzentrische Millionärin mit einem Holzfäller zu verkuppeln!
Holly träumt von einem Leben als Journalistin in New York, doch die horrenden Mieten und lausig bezahlten Jobs machen ihr einen Strich durch die Rechnung. Die Zeitungsverlegerin Isabelle Woodward könnte dabei Hollys goldenes Ticket sein, doch die hat vom Teufel persönlich gelernt und schlägt ihr einen Deal vor: Holly bekommt einen Job, wenn sie die exzentrische Millionärin mit Hollys Jugendfreund Marc verkuppelt. Der brummige Holzfäller ist breitschultrig, attraktiv … und leider gar nicht an ihrer neuen Chefin interessiert.
Plötzlich hat Holly alle Hände voll damit zu tun, Mrs. Woodwards liebestolle Annäherungsversuche in den Griff zu bekommen, während Marc die Dates torpediert. Zum Glück findet sie einen Verbündeten in Bodyguard Jude. Nicht nur, dass er ihr mit diebischer Freude hilft, seine Chefin zu verkuppeln. Er bringt auch Hollys Herz dazu, schneller zu schlagen. Doch er hat ein Geheimnis, das Hollys Gefühle ins Wanken bringen könnte. Zu blöd, dass Mrs. Woodward genauso schlecht im Flirten ist wie darin, Geheimnisse für sich zu behalten …
 
Erfolgsautorin Allyson Snow schreibt unter dem Pseudonym Amelia Lemon höllisch humorvolle Liebesromane mit Biss und strapaziert mit dem chaotischen Liebesquartett in dieser Geschichte die Lachmuskeln.
SpracheDeutsch
HerausgeberZeilenfluss
Erscheinungsdatum13. Juli 2023
ISBN9783967142914
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    Buchvorschau

    Meine Chefin, ihre Dates und ich - Allyson Snow

    eins

    KOPF HOCH UND AB ZUR NÄCHSTEN PANNE

    ›Warum in die Ferne schweifen, das Gute liegt doch so nah?‹, hatte Hollys Grandma immer gefragt, sobald Holly ihr davon erzählte, sie wolle eines Tages in New York als Journalistin arbeiten. Das Gute hieß nach Grandmas Ansicht übrigens Waverly, lag im Bundesstaat Pennsylvania und kam immerhin auf knapp sechshundert Einwohner. Wahrscheinlich hatte man die Eichhörnchen mitgezählt, denn nach Hollys Meinung war diese Zahl völlig übertrieben. Jeder kannte hier jeden. Selbst Holly, die sich kaum Namen und Gesichter merken konnte. Eine Eigenschaft, die übrigens nicht sonderlich hilfreich war, wenn man Journalistin werden wollte.

    ›Träume sind Schäume‹, hatte ihr Vater dazu gebrummt, und Holly gab es nicht gern zu, aber wahrscheinlich hatte aus ihm die Weisheit des Alters gesprochen. Denn Hollys Traum war bisher wirklich nur eines … Schaum.

    Vor vier Tagen war sie zum dritten Mal aus New York zurückgekehrt. Wieder mal pleite. Wieder mal erfolglos. Ihre Ersparnisse waren für die Miete eines Zimmers draufgegangen, das kaum größer als ein Pappkarton gewesen war. Ihre Arbeit hatte aus unbezahlten Praktika bestanden, die zu Überstunden, einem überhöhten Stresslevel und einer chronischen Magenverstimmung, aber nicht zu einem festen Job geführt hatten.

    Vielleicht hätte sie Professor Neil doch seinen geheimen Traum erfüllen sollen – und ihm unter dem Pult einen blasen. Er hatte versprochen, ihr ein Vorstellungsgespräch bei der ELLE zu organisieren, wenn Holly das tat. Allerdings war ihre Hand schneller in seinem Gesicht gelandet, als sie die Vor- und Nachteile hätte abwägen können.

    ›Du suchst dir jetzt endlich einen Beruf, den du den Rest deines Lebens ausüben wirst‹, hatten ihre Eltern verlangt und ihr die Tür zu ihrem alten Kinderzimmer aufgehalten.

    Der Rest des Lebens war für eine Mittzwanzigerin verdammt lang, und in Waverly konnte sie eigentlich nur zwei Dinge werden. Kellnerin oder Hausfrau. Ganz ehrlich? Wenn Holly nicht mal ein gutes Händchen für einen Job hatte, wollte sie sich nicht vorstellen, wie sie erst bei einem Ehemann danebengriff.

    Außerdem gab es in Waverly nur einen unverheirateten Mann, der in ihrem Alter war, und das war Marc. Er hatte seinen eigenen Forst, war wortkarg, strenger als Zazu aus König der Löwen und gab den perfekten Einsiedler ab. Den unfreundlichen Hund, den wilden Bart und das rostige Gewehr besaß er schon.

    Holly stolperte über Letzteres, als sie das Haus ihrer Eltern verließ. Sie rannte die Stufen hinunter und machte zwei Schritte auf der Wiese, da stieß sie gegen den Lauf, und das blöde Ding feuerte einfach los. Die Schrotkugeln trafen den Stützbalken der Veranda und einen Heuballen, von dem ihre Mutter behauptet hatte, es sähe ›idyllisch‹ aus, wenn man den vor dem Haus abstellte und dort vermodern ließ, dekoriert mit kitschigen Keramikfiguren.

    Der Knall ließ nicht nur Holly zusammenfahren, er schreckte auch ihren Vater und Marc auf. Die rannten hinter der Scheune hervor.

    »Was hast du jetzt wieder gemacht?«, blaffte ihr Vater.

    »Ich bin die Treppe hinuntergegangen«, keifte sie zurück.

    Marc betrachtete die Stufen. »Sieht noch intakt aus. Außerdem klang es nach einem Schuss und nicht nach durchbrechendem Holz.«

    Wollte der sie auf den Arm nehmen? Sie verkniff sich die Erklärung, dass nicht die Treppe diesen Lärm von sich gegeben hatte. Stattdessen schob sie das Gewehr so, dass er es sehen musste und die Mündung auf Marc zeigte. »Ich kann ja noch mal die Treppe hinuntergehen, mal sehen, was ich diesmal treffe, wenn ich über das Gewehr eines Idioten stolpere, der es weder sichern, geschweige denn ordentlich weglegen kann!«

    Marc sah sie ungerührt an. »Das ist nicht meines.«

    »Ha«, entfuhr Holly. »Ich kenne nur einen Trottel, der hier mit einer Schrotflinte herumläuft, und das bist du.«

    »Ähm«, machte ihr Vater und hob die Hand. »Eigentlich ist es meine. Oder genauer gesagt, die deines Großvaters. Ich habe die Flinte auf dem Heuboden gefunden und wollte sie Marc zeigen, aber dann fiel mir was anderes ein und …« Er hob die Schultern, und Holly stöhnte. Ihr Vater verzettelte sich wahnsinnig gern.

    Marc kam auf sie und das Gewehr zu und hob es auf. Den Lauf auf den Boden gerichtet, sicherte er es. »Ich nehme es lieber mit. Ich vermute, du wolltest es mir ohnehin zum Reparieren geben, nicht wahr, Dean?«

    »Ja genau.« Ihr Vater kratzte sich am Kopf. »Zumindest glaube ich das.«

    »Super«, giftete Holly. »Wenn ihr mich entschuldigt, ich muss zur Arbeit.«

    Sie drehte sich gerade um, als die Stimme ihres Vaters sie einholte. »Deine Mum hat das Auto.«

    Das durfte nicht wahr sein. Ihre Mum wusste doch, dass sie heute ein Vorstellungsgespräch im Serendipity Tennis Club hatte. Es hatte letzten Monat eröffnet, umfasste neben unzähligen Tenniscourts ein Fünf-Sterne-Hotel samt Spa-Bereich und regelrechter Restaurantmeile, war nur für die piekfeine High Society vorgesehen, und Holly könnte dort eine Stelle als Kellnerin bekommen. Eine feste Stelle. Nicht nur einen Job, in dem sie helfen musste, gefrostete Gemüsepakete aus dem Lieferwagen in den Kühler zu schleppen. Sie hätte ein regelmäßiges Einkommen, und bei ihren Haaren und ihren Hüften bekäme sie ein hübsches Trinkgeld. Erfahrungsgemäß vorwiegend von Männern und je edler deren Anzug war, umso verwegener war die Art, mit der sie es ihr überreichten. Mit einem tiefen Blick in die Augen (immerhin nicht in den Ausschnitt) oder unter das Whiskeyglas geklemmt. Außerdem hätte sie mit Menschen zu tun, deren Modegeschmack über Karo-Hemden hinausging.

    Marc hob die Augenbrauen, vielleicht hatte er ihren angewiderten Blick auf sein Hemd bemerkt. Holly legte den Kopf in den Nacken und stieß ein herzhaftes »Fuck« aus.

    »Ich kann dich fahren«, bot Marc an. »Wir sind doch fertig, Dean?«

    »Ja, ja«, sagte ihr Vater schnell. »Vergiss nur das Gewehr nicht.«

    Wenn Marc etwas vergessen sollte, was er in der Hand hielt, wäre das sogar für ihn eine Leistung. Holly wollte nicht mit ihm fahren, aber was blieb ihr anderes übrig? Würde sie zu Fuß losgehen wollen, wäre sie erst in einer Stunde da, völlig am Ende, hätte Blasen an den Füßen und wäre auch bloß zu spät.

    Also sah sie zu, wie Marc das Gewehr ihres Vaters in die gepanzerte Kiste auf der Transportfläche seines Ford-Pick-ups steckte und diese abschloss. Wenigstens konnte man ihm nicht nachsagen, verantwortungslos zu sein. Holly hatte schon Menschen gesehen, die ihre Waffen zu den Kindern auf die Rückbank legten.

    Holly kletterte auf den Beifahrersitz und trat die Getränkedosen im Fußraum zur Seite. Sie klackerten, als sie hin- und herrollten. Marc war der Einzige, den sie kannte, der literweise Coke (natürlich nicht die Zero-Variante) trinken konnte, ohne fett zu werden.

    Sie sah zu, wie er sich hinter das Lenkrad schob und den Motor startete. Er tuckerte, irgendein Blech im Inneren des Wagens schlug gegen ein anderes Metallteil, bevor der Geländewagen ein gleichmäßiges Brummen von sich gab. Marc legte die Hände auf das Lenkrad, und Holly betrachtete verstohlen seine Unterarme, die von den hochgekrempelten Hemdsärmeln entblößt wurden.

    Feine, dunkle Härchen bedeckten die gebräunte Haut, unter der man bei jeder Bewegung die Muskeln und Sehnen arbeiten sehen konnte. Es wäre gelogen, zu behaupten, Marc sähe nicht gut aus. Sie wusste genau, dass unter seinem Bart markante Gesichtszüge steckten, und er hatte die grünsten Augen, die sie je gesehen hatte. Ihre Mutter lag also nicht völlig daneben, wenn sie behauptete, Marc gäbe für Holly einen ›hübschen‹ Ehemann ab. Aber Holly war mit ihm aufgewachsen, war mit ihm jahrelang zur Schule gegangen und hatte Marc auf dem Schulhof zwölfmal ihr Pausenbrot ins Gesicht geworfen, weil er so charmant wie ein Hackebeil gewesen war. Heute schien er einen seiner besseren Tage zu haben, wenn er schon anbot, sie zu fahren, und ihr nicht viel Spaß bei dem Spaziergang wünschte.

    »Wo willst du überhaupt hin?«, fragte er, als das Haus ihrer Eltern hinter einer Biegung und den dichten Kiefern verschwand.

    »Zum Serendipity Tennis Club«, sagte sie und sah auf den unebenen Weg vor ihnen, der zwischen den Bäumen entlangführte und bald auf der geteerten Straße enden würde. »Ich kann dort vielleicht als Kellnerin anfangen.«

    »Deswegen die biedere Bluse und die schwarze Hose«, stellte er fest.

    »Hast du gerade ›biedere Bluse‹ gesagt?«, fragte sie.

    »Sie ist weiß, sie ist schmucklos, sie ist nichtssagend«, erwiderte Marc. »Und ich könnte schwören, dass du sie schon vor vier Jahren bei der Hochzeit meiner Schwester getragen hast.«

    »Das war eine andere«, murrte sie. »Seit wann kennst du dich mit Mode aus?«

    »Ich bekomme manchmal Modekataloge geschickt«, erwiderte Marc. »Und wenn ich gerade nichts Besseres zu tun habe, sehe ich sie mir an, bevor ich sie in den Kamin stecke.«

    »Dabei ist dir nie in den Sinn gekommen, dich mal von deinen Karo-Hemden zu verabschieden?«

    »Ich mag sie«, verteidigte sich Marc. »Eines Tages sind sie eh wieder in Mode. Wie die Schlaghosen und Schulterpolster aus den Achtzigern.«

    Holly stöhnte. Möge Gott sie alle vor dem Tag behüten, an dem Schlaghosen in Neonfarben abermals in Mode kamen. In dem Fall hätte Marc wohl recht – mit seinen Hemden wäre er der absolute Trendsetter.

    »Im Übrigen gibt es bei den großen Marken tatsächlich gerade vermehrt karierte Hemden«, fügte er hinzu, und sie lehnte die Stirn gegen die Seitenscheibe. Die Bäume standen eng beieinander, ließen kaum einen Lichtstrahl durch und hüllten alles in ein dämmriges Licht. Das Autofenster schien nicht ganz dicht zu sein, ihr blies ein Luftzug ins Gesicht, und sie roch das Holz.

    Der Wagen holperte, als sie die Straße erreichten und sich der SUV über die Kante auf den Asphalt schob. Dabei stieß sie sich die Stirn an der Scheibe und seufzte.

    »Was ist los?«, fragte Marc. »Du siehst aus, als hättest du drei Nächte lang nicht geschlafen.«

    »Hast du jetzt auch noch was gegen mein Make-up?«, murrte sie.

    »Mit dir kann man nicht vernünftig reden«, beschwerte er sich prompt.

    »Tut mir leid, dass ich deinen lichten Moment nicht zu schätzen weiß«, gab Holly zurück. »Normalerweise kann man mit dir nicht reden.«

    »Was soll das jetzt wieder heißen?«, fragte Marc. »Du siehst mich kaum an, wenn ich bei deinen Eltern bin oder wir uns zufällig begegnen.«

    »Weil ich dich nicht mag.« Das hatte Holly so eigentlich nicht sagen wollen. Stille breitete sich zwischen ihnen aus, und am liebsten hätte sich Holly die Augen und die Ohren zugehalten. Warum zum Teufel sagte sie so was? Sie und Marc standen sich nicht sonderlich nahe. Jedenfalls nicht so nahe, wie man es von Nachbarskindern erwarten sollte, die immerhin nur zwei Jahre Altersunterschied aufwiesen und deren Familien befreundet gewesen waren.

    »Also …«, setzte sie an, aber ihr fiel nichts ein, wie sie ihre Worte relativieren konnte. »So war das nicht gemeint.«

    »Doch, es war so gemeint.«

    Holly lehnte den Kopf an die Kopfstütze und schloss die Augen. »Ich will einfach nur diesen Job. Ich will Geld verdienen und dann …«

    »Dann willst du hier weg. Wieder mal.« Marc versuchte wahrscheinlich, gleichgültig zu klingen, doch etwas schwang in seinem Unterton mit. Verbitterung? Wut? Sie konnte es nicht bestimmen, plötzlich fühlte sie sich mit Marc allein in dem Auto unwohl.

    »Vielleicht sollte ich lieber laufen«, sagte sie.

    »Red keinen Unsinn«, knurrte Marc. »Wir sind in zwanzig Minuten da.«

    Zwanzig Minuten hielt sie mit ihm nicht aus. »Halt bitte an.«

    »Holly, ich werde dich bestimmt nicht mitten auf der Straße aussetzen«, erwiderte Marc eisig. »Und wenn du aus dem Wagen springst, spekuliere nicht darauf, dass ich deine gebrochenen Knochen einsammele.«

    Holly presste die Handballen gegen ihre Schläfen und dann auf ihre Augen. »Kennst du das, wenn du richtig gestresst bist?«

    »Nein, ich bin nur der miesepetrige Idiot, der ein paar Meilen von euch entfernt wohnt und vom Weltgeschehen genauso wenig Ahnung hat wie der Igel vom Pokern und gerade dazu taugt, dich durch die Gegend zu fahren. Mein Tellerrand reicht von Waverly nach Dalton, wie soll man sich da gestresst fühlen? Es passiert weder in dem einen noch in dem anderen Ort etwas.«

    Jetzt wollte sie erst recht aus diesem Wagen raus. Marc war sauer auf sie, und sie wusste nicht, warum sie sich damit so unwohl fühlte. Normalerweise machte es ihr wenig aus, andere vor den Kopf zu stoßen. Aber heute war alles irgendwie anders. Sie war beim Aufstehen auf dem Weg zum Bad gegen den Türrahmen gelaufen, dann hatte sie sich völlig verpennt nicht richtig auf die Toilettenschüssel gesetzt und war runtergerutscht. Als wäre das nicht bereits genug, hatte sie dem Rahmen einen blauen Fleck an der Wange zu verdanken, und sie fürchtete, es war ihr nicht gelungen, die Blessur zu überschminken. Außerdem hatte sie keine Strumpfhose anziehen können, weil die letzte, die sie besaß, ausgerechnet heute eine Laufmasche bekommen hatte. Und in einem Kaff wie diesem bekam man nicht mal eben einen Ersatz. Also hatte sie sich hastig die Beine rasiert, und was war passiert? Über ihre Oberschenkel und Waden zogen sich unzählige rote Punkte. Sie hatte Erdbeerbeine.

    »Ist ein rasiertes Frauenbein mit roten Punkten eigentlich für einen Mann schöner als eines mit Haaren?«, fragte sie.

    »Was?« Marc schien mit dem abrupten Themenwechsel nicht gerechnet zu haben. Und das passierte dem Mann, der sie seit fünfundzwanzig Jahren kannte.

    »Hast du mir nicht zugehört oder verstehst du den Sinn meiner Worte nicht?«

    »Letzteres. Wie so oft.«

    Holly überhörte den Nachsatz geflissentlich, und Marc verriss das Lenkrad, als sie ihm ihr Bein über den Schenkel legte. Der Wagen machte einen Schlenker, und sie wäre beinahe von ihrem Sitz gerutscht.

    »Nimm deinen Fuß da runter«, verlangte er.

    »Ich wollte dir nur die roten Punkte zeigen«, erwiderte Holly und zog ihr Bein wieder an sich.

    Bedauerlicherweise bekam sie von Marc keine Antwort mehr. Auf der Straße vor ihnen stand eine Stufenhecklimousine. Der schwarze Lack glänzte wie frisch poliert in den Sonnenstrahlen, die sich durch das Blätterdach der Bäume am Straßenrand mogelten. Die hinteren Scheiben waren getönt, sodass man nicht sehen konnte, wer auf der Rückbank saß. Als sie langsam heranrollten, erkannte Holly einen Mann in einem Anzug, der vor der offenen Motorhaube stand und hineinsah, als könnte er dort die Weisheit der Welt finden.

    »Vom Gucken fährt die Karre nicht weiter«, murmelte Marc und parkte sein Auto hinter der Limousine. Holly schlüpfte aus dem Wagen und wäre beinahe in die Senke neben der Straße gestolpert. Vorsichtig schob sie sich an dem Geländewagen vorbei und näherte sich dem anderen Fahrzeug. Der Typ stand immer noch vor der Motorhaube, aber jetzt starrte er nicht mehr den Motor in Versenkung, sondern sah ihnen entgegen.

    Holly kam nicht umhin, festzustellen, dass er attraktiv war. Die schmale Nase lenkte automatisch den Blick zu seinen auffallend hellen Augen. Das dunkelbraune Haar trug er kurzgeschnitten, und der Anzug war garantiert maßgeschneidert. Er war hochgewachsen und recht schlank, für ihn sollte es schwierig sein, einen perfekt sitzenden Zwirn von der Stange zu bekommen. Typen wie ihn gab es in New York unzählige. Jung, erfolgreich, meistens an der Wallstreet und oft genug mit den Schatten großer Deals und langer Nächte unter den Augen. Sie hielten sich für Überflieger und sahen auf jene herab, die es nicht schafften, in New York Fuß zu fassen.

    »Hi«, begrüßte ihn Holly.

    »Hi«, erwiderte er. Der finstere Ausdruck in seinem Gesicht wich, ein kleines Lächeln umspielte seine Mundwinkel, und Holly konnte sich bereits bildlich die Frauen vorstellen, die liebend gern an seine Brust sanken. Er hatte volle Lippen, wie sie feststellte, und seine Hände waren genauso schmal wie seine Nase. Langgliedrig und doch war sein Händedruck fest, als er ihr die Hand reichte und sie die Geste erwiderte.

    »Was hast du für ein Problem mit der Karre?«, fragte Marc, aber Jude schien ihn überhaupt nicht wahrzunehmen.

    »Jude«, stellte er sich vor.

    »Holly«, gab sie zurück, und obwohl das Gespräch definitiv nicht vor Eloquenz strotzte, bohrte sich sein Blick in den von Holly, und es kribbelte in ihrem Magen. Ganz schlechte Idee. Einer von dieser Sorte ließ sich im Leben nicht auf eine Dorfpomeranze ein. Aber man konnte wirklich nicht leugnen, dass er eine Ausstrahlung besaß, die sie anzog wie die Motte das Licht. Und mit ihr sicherlich Dutzende andere Frauen.

    »Halten Sie auf keinen Fall an der Bar«, platzte sie eher heraus, als sie nachdenken konnte.

    Jude runzelte die Stirn. »Wieso nicht?«

    »Heute ist Ehefrauen-Stammtisch«, brummte Marc.

    Judes Augenbrauen wanderten höher. »Ich verstehe nicht.«

    »Weil Sie sonst sehr viele Ehefrauen am Hals haben«, informierte ihn Holly.

    »Okay …«, erwiderte Jude gedehnt.

    »Jemand wie Sie käme denen gerade recht«, steuerte auch Marc bei, in einem Tonfall, als redete er über das Wetter.

    »Gut zu wissen«, meinte Jude, schaute aber drein, als hielte er sie komplett für verrückt.

    »Ich meine, sehen Sie sich an«, platzte Holly heraus und deutete auf den Maßanzug, sein Gesicht, und sie erwischte aus Versehen beim Herumfuchteln seine Nase.

    Judes Hand zuckte nach oben, zu seinem Zinken. »Die wollen mir dann doch nicht stellvertretend die Nase brechen, weil sie zu Hause sonst Ärger mit den Ehemännern bekämen?«

    »Nein«, rief Holly raus. »Sie würden sich auf Sie stürzen, um mit Ihnen zu flirten. Sehen Sie? So.« Sie warf sich an seine Brust. Ihre Nase stieß gegen seinen Hals, unwillkürlich sog sie seinen Duft ein – ein Hauch aus etwas Holzigem und Rosmarin – und hörte Marc hinter sich leise lachen.

    »Das ist noch die entschärfte Variante«, behauptete Marc. »Sie werden von allen Seiten abgeknutscht, und wenn sie Ihnen all Ihre Lebenssäfte rausgepresst haben, dann dürfen Sie hinauskriechen.«

    Spätestens jetzt musste der sie beide für völlig überdreht halten, und Holly konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. So ziemlich allen Einwohnern von Waverly sagte man einen speziellen Humor nach, und es gab hier nicht viel Unterhaltung. Da foppte man gern mal einen Fremden, der mit seiner Luxus-Schüssel liegengeblieben war.

    »Ist Ihnen das auch schon passiert?«, fragte Jude und wandte sich dabei an Marc.

    »Nein«, gab der leutselig zurück. »Also, was ist jetzt mit dem Wagen?«

    Jude legte die Hände auf Hollys Schultern und schob sie von sich weg. Holly versuchte wirklich, das schiefe Grinsen zu unterdrücken, aber Jude musste es gesehen haben. Der schüttelte den Kopf, ging an ihr vorbei, klopfte auf den Kotflügel des Wagens und öffnete den Mund.

    Bevor er endlich mit der Sprache herausrücken konnte, huschte eine Frau auf High Heels aus dem Gebüsch. Sie zupfte sich erst die Ärmel ihres Blazers mit schimmerndem Samtkragen und dann ihr dunkelblaues Kleid zurecht, das knapp unter ihrem Knie endete und dessen Rock bei jedem ihrer Schritte mitschwang.

    »Also, ich denke ja, wir sollten den Abschleppwagen anrufen«, verkündete sie.

    »Das habe ich bereits getan«, gab Jude zurück. »Die brauchen eine Stunde.«

    »Und ich muss schon wieder pinkeln.« Sie seufzte. »Aber noch mal gehe ich nicht in diesen … diesen Wald!«

    Sie drehte sich zu ihnen um und bemerkte erst jetzt Holly und Marc. Holly spürte, wie ihr Blick desinteressiert über sie hinwegglitt, aber etwas neben ihr fixierte. Als Holly zur Seite schaute, stellte sie fest, dass es Marc war, den die Fremde begutachtete.

    »Brauchen Sie Hilfe?«, fragte Marc höflich.

    »Nein, wir parken mit Absicht hier«, gab die Frau schnippisch zurück.

    »Wenn Sie am Steuer gesessen haben, wundert mich das nicht mal.« Sollte Marc verärgert sein oder – Gott bewahre – sich amüsieren, verbarg es zumindest sein Bart.

    Die Frau schürzte die Lippen, doch dann trat ein seltsamer Ausdruck in ihre Augen. Er hatte etwas Lauerndes. Als würde sie Marc im nächsten Moment anfallen wollen, aber wenn hier einer Hollys Jugend-Hassfreundschaft kaputtmachte, war das immer noch Holly selbst.

    Sie trat vor. »Was er eigentlich meinte, ist, ob wir Ihnen helfen können? Den Wagen ein Stück schleppen oder nach dem Motor sehen. Ihr Freund scheint ihn ja nicht zu finden.«

    Judes Brauen schoben sich zusammen, seine hellen Augen waren noch stechender als zuvor, und wenn man sie fragte, erreichte seine Laune gerade das Level der Mordlust.

    »Zeigen Sie ihn mir doch«, forderte Jude sie auf und trat vor die Motorhaube.

    Sie stellte sich neben ihn und setzte eine Miene auf, von der sie annahm, dass nur Ärzte ihre todkranken Patienten so ansahen. »Da ist er«, sagte sie und zeigte auf den Motorblock. »Dort ist das Kühlwasser, was mal wieder aufgefüllt werden sollte. Muss sich ein Chauffeur nicht mit Autos auskennen?«

    »Ein Chauffeur sicherlich. Ein Personenschützer weniger.«

    »Sie sind Bodyguard?«, fragte sie perplex. »Und sagen das auch noch?«

    »Mrs. Woodward legt Wert darauf, dass es jeder weiß. Im Zuge der Prävention.«

    »Dann lass ich die Knarre stecken«, gab Holly zurück. »Und verzichte auf die Entführung. Ich wüsste eh nicht, wie viel ich fordern sollte.«

    »Wenn einem Mrs. Woodward in die Hände fällt, fällt einem sicher etwas ein.«

    Holly starrte Jude verwirrt an, und dann endlich fiel der Groschen. Woodward, Isabelle Woodward, war die Chefredakteurin und Besitzerin der Aurora Illustrated! Diese Zeitschrift hatte eine jährliche Printauflage von mindestens dreihunderttausend Exemplaren, plus die Online-Exemplare! Mrs. Woodward war eine Größe der amerikanischen Modewelt. Sie entschied mit, welches Model, welcher Designer, welches neue Gesicht es wert war, Aufmerksamkeit zu erhalten. Dabei war sie gerade mal vierzig. Letztens hatte Holly gelesen, dass sich Isabelle von ihrem Mann, einem stinkreichen Reeder, getrennt hatte.

    »Geben Sie jedem interessierten Kidnapper Tipps?«, entfuhr Holly, und die Mundwinkel von Mrs. Woodwards Bodyguard zuckten.

    »Keine Sorge. Sie sind ungefähr so harmlos wie ein Hamster am Tag.«

    Missmutig verzog sie den Mund.

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