Tom Percival und die Priester des Baal: Dämonenjäger Tom Percival, Band 3: Cassiopeiapress Spannung
Von Jo Zybell
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Über dieses E-Book
Tom Percival, der Londoner Reporter mit dem Faible für außergewöhnliche Recherchen, begegnet diesmal dem Grauen, als er den Machenschaften der Baal-Priester auf die Spur kommt.
Das dritte Abenteuer dieses von Maddrax- Autor Jo Zybell erfundenen Geisterjägers neuen Typs.
Der Schweiß brach ihm aus allen Poren, in alle Richtungen wollten seine Gedanken davon galoppieren und drohten seine Gefühle mit sich zu reißen. Sein Pulsschlag hämmerte ihm in den Schläfen. Er gewann die Macht über seine Gedanken und Empfindungen zurück, er zwang sich genau hinzuschauen: Etwas wie ein Mund öffnete sich in dem wabernden, weiß-glühenden Gesicht, und es fing an mit ihm zu reden.
Jedes Wort ging ihm durch und durch, jedes Wort bereitete ihm unerträgliche Schmerzen, so dass er schließlich vom Stein stürzte und sich wimmernd zwischen Eierschalenwand und sprechendem Gesicht wand. Ihm war, als würden ihm die Worte des Gesichts die Knochen brechen und wieder zusammenfügen, ihm war als würden sie sein Blut aufsaugen und wieder in ihn hineinspucken; ja, ihm war, als würde er durch die Worte, die er hörte, vernichtet werden, um danach überhaupt erst geboren zu werden.
„Du bist berufen“, sprach das Gesicht beispielsweise. „Du bist mein. Hier sind deine Kampfgaben“, und dabei hauchte das Gesicht ihn an. Das Ei bebte, der Boden zitterte, er glaubte verbrennen zu müssen. „Fortan heißt du Ahab! Du kennst meinen Namen – er sei der Name deiner Schlacht. Unter diesem Namen kämpfe und siege. Kein Unbefugter erfahre ihn je! Nun geh und tue, was ich dir geboten habe. Tue es, sobald die Zeit reif ist!“
„Woher weiß ich denn, wann die Zeit reif ist, mein Fürst?“, flüsterte er.
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Buchvorschau
Tom Percival und die Priester des Baal - Jo Zybell
Tom Percival und die Priester des Baal
von Jo Zybell
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author
© der Digitalausgabe 2014 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
Teil 1
Die Musik war hart, metallen und schrill. Eine neue Kettensäge hätte ähnlich reizvoll geklungen, doch so war es gut, so liebte das pummelige Mädchen zwischen den Boxen und vor dem Monitor es: hart, metallen und schrill.
Plötzlich riss sie ab, die Kettensägenmusik, und eine nervtötend freundliche Frauenstimme verkündete, dass Rose Goldsmith Post in ihrer Mailbox habe; nur das, und schon dröhnte die Musik wieder los.
Sie wechselte in ihr E-Mail Programm und holte die Nachricht aus ihrer Mailbox ab. Hi, Rosiebaby, wie findest du das? Dein Zuckerstangen-Teddy.
Die Anlage hieß C666 und war eine Bilddatei; ziemlich groß, über zwei Mega. Sie speicherte sie in einem ihrer Ordner mit den ganz besonderen Bildern. Dann raus aus dem Programm, hinüber in den speziellen Bildordner, ihr Passwort eingegeben und die neue Datei C666 geöffnet. Gespannt beobachtete sie den Bildschirm.
Was sich da aufbaute, erinnerte sie zuerst an einen Sandsturm in der Sahara, dann an die Steilklippen an der Südküste, dann an eine gewaltige Tropfsteinhöhle, und schließlich an eine Kathedrale. Und genau das war es: Eine Kathedrale. Und zwar nicht irgendeine Kathedrale, sondern die größte auf der ganzen Insel. Jedes Schulkind wusste das, jedes Schulkind kannte sie.
„Hey, Teddy, murmelte Rose. „Eine Kirche? Was soll das...?
Sie betrachtete das symmetrische Steingebirge: das Hauptschiff zwischen den beiden Südtürmen, der gewaltige Mittelturm über dem Kreuzgang und der kreuzförmige Chorkomplex dahinter – eine schier unübersichtliche Anlage aus Dächern, Dachtürmchen, Erkern, Mauern, Bogengängen, gotischen Fenstern und Türmen. Es war eine von der Seite aus vielleicht hundert Metern Höhe aufgenommene Gesamtansicht, vermutlich aus der Homepage der Stadt. Eine bearbeitete Aufnahme allerdings, denn die Fahrzeuge auf den Straßen vor der Kathedrale bewegten sich, und die Passanten und die Touristenströme vor der Kathedrale ebenfalls.
Es war nicht die erste Bilddatei, die Terry ihr schickte, und auch von den anderen kamen hin und wieder Fotos, Filme und Animationen. Musikvideos, schräge Comics, Darkwave-Mode, Gothic-Accessoires, und eine Menge geiler Motive, die man sonst in keiner Musikzeitschrift, in keinem Vorabendprogramm fand. Aber eine Kirche? Eine Kirche hatte ihr noch keiner geschickt.
„Hey, Terry, willst du mich verarschen?"
Sie entdeckte zwei Schaltflächen rechts oben – ein Kruzifix und ein umgedrehtes Kreuz. Sie klickte das Kruzifix an. Die Kirche rückte näher, das Hauptportal öffnete sich, der Innenraum des Hauptschiffes füllte den Bildschirm aus. Unter Orgelklängen führte ein virtueller Rundgang zunächst zum Altar.
Rechte Maustaste, eine Liste mit Befehlen, ein Klick auf >zurück<. Die Kathedrale aus der Luft, die Schaltflächen mit den Kreuzen, das umgedrehte Kreuz, klick!
Zunächst geschah überhaupt nichts. „Du willst mich doch verarschen..." Eines der vier Dachtürmchen des rechten Südturms kippte um, Steinschlag fuhr unter die Touristengruppe auf der Südseite. Rose hielt den Atem an. Ein zweites Dachtürmchen stürzte herab, und der linke Südturm brach zusammen. Mund und Augen weit aufgesperrt saß Rose auf der Stuhlkante. Eine gewaltige Staubwolke erhob sich über den Trümmern auf dem Vorplatz und hüllte den vorderen Teil der Kathedrale ein. Der Hauptturm über dem Kreuzgang vibrierte, Flammen schlugen aus dem Dach des Hauptschiffes...
„Rosie?! Bist du da?! Die Wohnungstür schlug zu. „Ich hab was zu essen mitgebracht!
Ihre Mutter. Schnell klickte sie auf >Datei<, dann auf >Schließen<. Schritte näherten sich der Tür zu ihrem Zimmer. Gerade noch schaffte sie es, den Ordner mit den besonderen Bilddateien zu schließen. Ihre Mutter zog die Tür auf. „Hi, Rosie. Kommst du zum Essen...?"
*
Obwohl es schon dämmerte, zog er seine Sonnenbrille aus der Brusttasche. „Ich geh allein." Er stieß die Fahrertür auf, stieg aus und warf sich seinen Rucksack über. Mit großen Schritten steuerte er das kleine Kiefernwäldchen an. Die anderen zogen die Seitentür auf, alle stiegen aus, alle zündeten sich Zigaretten an. Keiner ließ es sich anmerken wie er erleichtert sie waren, am Wagen warten zu können. Sie sahen ihm nach.
Nach vierzig Schritten etwa blieb er noch einmal stehen, setzte die Sonnenbrille auf, drehte sich um und rief: „Sollte ich nicht zurückkommen, sucht nicht nach mir." Der Seewind trug seine Stimme zusammen mit dem Rauschen der Brandung zu ihnen. Nacheinander nickten sie.
Er verharrte einen Moment, betrachtete einen nach dem anderen, als wollte er sich ihre Gesichter noch einmal einprägen. Sollte er zurückkehren, würde der, der dann zurückkehrte, ein anderer sein. Das wusste er. „Wenn ich nicht zurückkomme, bist du der Führer, Malcolm, vergiss es nicht!" Er drehte sich um und ging weiter.
Der Wind fuhr ihm unter das schwarze Tuch, das er sich um den Kopf gebunden hatte. In seinem Brustkorb brannte es wie Fieber. Sturmgebeugten Wächter gleich erwarteten ihn die Kiefern. Er trat mitten unter sie. Das letzte Abendlicht blieb zurück, sein Schatten versickerte im Unterholz.
Äste brachen unter seinen Sohlen, und jedes Mal richteten seine Nackenhaare sich auf. Je näher er dem Ort kam, den sie ihm beschrieben hatte, desto gründlicher verlor er jedes Zeitgefühl. Das Wäldchen lichtete sich. Plötzlich ragte das Gemäuer vor ihm auf: Überreste eines uralten Wehrturmes aus normannischen Zeiten. Buschwerk umwucherte es, dahinter sah er Meer und Abendhimmel miteinander verschwimmen.
Er trat ein, wandte sich nach rechts, durchquerte einen kleinen, schon fast dunklen Raum voller Geröll und Gestrüpp und fand die schmale Treppe nach unten. Alles so, wie sie es ihm beschrieben hatte.
Er nahm die Sonnenbrille ab, holte die Stablampe aus dem Rucksack, schaltete sie ein und folgte dem Lichtkegel hinab über ausgetretene Stufen. Der Lichtschein zitterte auf schwarzem, feuchtem Gestein. Es war kalt. Dennoch staute sich die Hitze unter seinem Kopftuch.
Die Treppe wurde steiler, die Stufen glitschig und brüchig. Mit der Rechten stützte er sich an der Wand ab. Seine Finger glitten über Moos. Es roch modrig, sein Hals fühlte sich eng an, jeder Schluck schmerzte, und er musste ständig schlucken.
Die Treppe endete, er blieb stehen. Der Lichtkegel wanderte über Steinwände aus nur grob oder gar nicht behauenen Quadern, über Geröll, über Holzreste, über ein paar auf dem Boden aufgerichtete Steine mit abgeschliffenen Oberflächen und über einen Haufen Kohle und Asche. Alles so, wie sie es beschrieben hatte.
Er ließ sich auf einem der Steine vor der Feuerstelle nieder, platzierte seine Lampe so auf dem Nachbarstein, dass ihr Schein die Feuerstelle und den Rucksack auf seinem Schoß leidlich beleuchtete. Er zog eine Jutetasche aus dem Rucksack und aus ihr die für diese Stunde aufbewahrten und während der letzten Mitternachtsmesse geweihten Dinge: Haar, Gefieder, Reisig, Knochen, Holzwolle, zerkleinertes Eibengeäst, Zweige von Bärlapp und Eisenkraut. Merkwürdig – während er auspackte, was er benötigte, wurde er ruhiger.
Zu seinen Füßen schichtete er alles über der Feuerstelle auf. Er ließ sich Zeit, murmelte die rituellen Formeln und achtete darauf sorgfältig zu arbeiten. Alles musste in festgelegter Reihenfolge übereinander gestapelt und miteinander verbunden werden, und zu jedem geweihten Bestandteil des Fürstenfeuers gehörte eine ganz bestimmte Beschwörung. Neun Jahre lang hatte er sich auf diesen Augenblick vorbereitet.
Endlich richtete er sich auf. Kniehoch wölbte sich der kunstvolle Aufbau über der alten Feuerstelle. Schließlich griff er ein letztes Mal in den Rucksack, kramte ein Zinkdöschen heraus, bevor er ihn hinter sich warf. Er öffnete das Döschen, schlug das Zeichen über den getrockneten, gelblichen und schwärzlichen Pilzbröseln, murmelte den Spruch und kippte sie aus dem Gefäß in den Mund. Auch während er den Pilz zu einem bitteren Brei zerkaute, murmelte er den Spruch wieder und wieder; bis er den Brei herunterschluckte.
Er schaltete die Lampe aus, schloss die Augen und wartete.
Bald wurde ihm wärmer. Er glaubte am Strand einer Südseeinsel zu sitzen, doch als er die Augen öffnete fand er sich im Inneren eines Eis wieder. Die Schale schien weich und halbtransparent zu sein, denn er sah die Innenwandrundungen seines Aufenthaltsortes schwingen. Sie wich zurück, sie wanderte auf ihn zu, bis sie ihn von allen Seiten umschloss und fast berührte, und sie wich erneut zurück. Rötliche Schatten tanzten, drei oder vier oder mehr – sie sprangen und hüpften an der Außenseite der Schale entlang.
Vielstimmiger Gesang erfüllte plötzlich das Ei, überirdisch schön und überirdisch schrecklich zugleich. Er zog die Schultern hoch und hielt sich die Ohren zu. Der Gedanke, das Ei von innen aufsprengen zu müssen, um fliehen zu können, versetzte ihn für einen Moment in Panik. Doch nicht lange. Er zwang sich, die Hände von den Ohren zu nehmen, öffnete sich dem Gesang und riss seinen Blick von den tanzenden Rotschatten los. Stattdessen konzentrierte er sich auf das, was zu seinen Füßen geschah.
Dort pulsierte inmitten von Geäst, Haar, Kräutern und Knochen ein Herz, blutig und klein. Es wuchs. Es schwoll. Es glühte, es begann zu brennen, und doch kein Rauch stieg von ihm auf. Aus den fast weißen Flammen schälten sich etwas, das wie die Konturen eines Gesichtes aussah.
Der Schweiß brach ihm aus allen Poren, in alle Richtungen wollten seine