Die Gelben Drachen: Butler Parker 89 – Kriminalroman
Von Günter Dönges
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Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht!
Das schwere Wurfmesser war deutlich in der Luft zu sehen. Es schwirrte durch den Sonnenglast und galt einem jener Passagiere, die die Boeing 707 verließen und die Gangway hinunterkamen. Die Frauen und Männer auf der Treppe ahnten nichts davon. Sie alle hatten erwartungsfrohe und heitere Gesichter. Einige von ihnen hatten die Arme erhoben und winkten zum Flughafengebäude des Kaitak Airports hinüber. Hinter der gerade gelandeten Maschine erhob sich ein durchsichtiger gelb gefärbter Staubschleier. Durch ihn waren die Gipfel der Kowloon-Mountains zu sehen. Über allem lastete die gnadenlose, grelle Sonne von Hongkong. Das Wurfmesser hatte sein Opfer erreicht. Es stak in der Brust eines Mannes, der etwa vierzig Jahre alt sein mochte. Er war untersetzt und besaß die Andeutung eines kleinen runden Bauches. Er trug einen zerdrückten Sommeranzug und war auf den Stufen der Gangway zusammengebrochen. Die Passagiere vor ihm auf der Treppe hatten noch nichts bemerkt. Die Gäste hinter dem Getroffenen beugten sich vor. Einige von ihnen deuteten auf den abrutschenden Mann. Mit der linken Hand umklammerte er den Griff einer dunklen Aktentasche. Die rechte Hand aber hatte sich um das Heft des Wurfmessers gelegt, als wollte sie im letzten Moment noch die Waffe aus der tödlichen Wunde ziehen. »Reiner Zufall, daß diese beiden Fotos geschossen wurden«, sagte Inspektor McParish vom Kriminal-Departement. »Sie stammen von einem Andenkenfotografen.
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Die Gelben Drachen - Günter Dönges
Butler Parker
– 89 –
Die Gelben Drachen
Unveröffentlichter Roman
Günter Dönges
Das schwere Wurfmesser war deutlich in der Luft zu sehen.
Es schwirrte durch den Sonnenglast und galt einem jener Passagiere, die die Boeing 707 verließen und die Gangway hinunterkamen. Die Frauen und Männer auf der Treppe ahnten nichts davon. Sie alle hatten erwartungsfrohe und heitere Gesichter. Einige von ihnen hatten die Arme erhoben und winkten zum Flughafengebäude des Kaitak Airports hinüber. Hinter der gerade gelandeten Maschine erhob sich ein durchsichtiger gelb gefärbter Staubschleier. Durch ihn waren die Gipfel der Kowloon-Mountains zu sehen. Über allem lastete die gnadenlose, grelle Sonne von Hongkong.
Das Wurfmesser hatte sein Opfer erreicht.
Es stak in der Brust eines Mannes, der etwa vierzig Jahre alt sein mochte. Er war untersetzt und besaß die Andeutung eines kleinen runden Bauches. Er trug einen zerdrückten Sommeranzug und war auf den Stufen der Gangway zusammengebrochen.
Die Passagiere vor ihm auf der Treppe hatten noch nichts bemerkt. Die Gäste hinter dem Getroffenen beugten sich vor. Einige von ihnen deuteten auf den abrutschenden Mann.
Mit der linken Hand umklammerte er den Griff einer dunklen Aktentasche. Die rechte Hand aber hatte sich um das Heft des Wurfmessers gelegt, als wollte sie im letzten Moment noch die Waffe aus der tödlichen Wunde ziehen.
»Reiner Zufall, daß diese beiden Fotos geschossen wurden«, sagte Inspektor McParish vom Kriminal-Departement. »Sie stammen von einem Andenkenfotografen. Ich fürchte, sie werden uns nicht besonders helfen.«
Anwalt Mike Rander legte die beiden Aufnahmen zurück auf den Schreibtisch des Inspektors. Mit langsamen Bewegungen zündete er sich eine Zigarette an.
»Weiß man, wer das Opfer ist?« fragte er dann.
»Natürlich. Der Mann heißt Larry Croften und stammt aus Miami. Er war Miss Morefields Vermögensverwalter.«
»Zum erstenmal hier in Hongkong?«
»Den Eintragungen in seinem Paß nach zu urteilen, zum erstenmal«, bestätigte Inspektor McParish, ein drahtiger, mittelgroßer Mann von etwa 45 Jahren.
Die Sonne von Hongkong hatte ihm im Laufe langer Dienstjahre jedes unnötige Gramm Fett aus dem Körper gebrannt. Sein Gesicht mit den grauen kühlen Augen war lederartig gespannt.
»Wann wurde er genau ermordet?« fragte Mike Rander.
»Vor knapp einer Woche«, erwiderte der Inspektor. »Es passierte, wie ja auf den Fotos zu sehen ist, gleich nach der Landung. Von den Tätern fehlt leider jede Spur.«
»Konnte die Aktentasche, die auf den beiden Fotos zu sehen ist, sichergestellt werden?« schaltete sich Josuah Parker ein. Im Gegensatz zu McParish und Mike Rander, die sich ihre Jacketts ausgezogen hatten und in Hemdsärmeln waren, trug der Butler seinen pechschwarzen Dienstanzug. Der weiße Eckkragen wirkte wie frisch gestärkt. Seine Hände, die in schwarzen Zwirnhandschuhen staken, hielten die steife Melone und den unvermeidlichen, altväterlich gebundenen Universal-Regenschirm.
»Verflixt, Parker, schwitzen Sie eigentlich nicht?« stöhnte Mike Rander. Obwohl er unter dem Deckenventilator saß, griff er verzweifelt nach dem Tischwirbler und lenkte den Luftstrom auf sein Gesicht.
»Ich gestatte es mir einfach nicht, mich der Transpiration hinzugeben«, gab Josuah Parker würdevoll und auch etwas tadelnd zurück. Während er redete, ließ er den Inspektor nicht aus den Augen. McParish unterdrückte ein Grinsen. In Hongkong hatte er schon manch seltsamen Vogel kennengelernt. Menschliches war ihm nicht mehr fremd. Doch dieser Butler Parker übertraf alle Vorgänger. Er war einmalig skurril.
»Die Aktentasche wurde sichergestellt«, antwortete McParish. »Sie enthielt Geschäftsunterlagen, Papiere, einiges Bargeld. Rückschlüsse auf den Mörder läßt der Inhalt nicht zu.«
»Könnten wir uns die Tasche mal ansehen?« bat der junge, sympathisch aussehende Anwalt, der nicht wie ein Strafverteidiger, sondern eher wie ein Sportsmann aussah. Dunkelgraue Augen, braunes Haar und regelmäßig geschnittenes, ovales Gesicht verliehen ihm das Aussehen eines großen netten Jungen, mit dem man Pferde stehlen konnte.
»Klar, läßt sich machen«, beantwortete McParish die Frage. Er beugte sich über das Mikrofon seiner Sprechanlage, drückte einen Knopf und gab seine Order durch. Dann wandte er sich wieder Rander zu. »Seit wann sind Miss Morefields Briefe ausgeblieben?«
»Seit fast drei Wochen«, gab Rander zurück. Er hatte alle wichtigen Daten im Kopf. »Da sie aber weiterhin ihr Konto plünderte, fuhr Croften hierher nach Hongkong.«
»Hat Miss Morefield eine Verfügungsgewalt über das Konto?« fragte Inspektor McParish.
»Seit einem halben Jahr, nachdem sie großjährig geworden ist.« Mike Rander griff erneut nach dem Tischventilator und blies sich kühle Luft auf die schwitzende Haut. »Sie ist nach dem Tod ihrer Eltern Alleinerbin des Familienvermögens.«
»Muß sich wohl um viel Geld handeln, wie?«
»Darauf können Sie Gift nehmen, sonst hätten Miss Morefields Verwandte nicht so schnell Alarm geschlagen und uns gebeten, den Dingen nachzugehen. Um es rundheraus zu sagen, wir sollten Anwalt Croften in seinen Ermittlungen unterstützen.«
»Darauf wird er jetzt wenig Wert legen, fürchte ich.«
»Warum wurde dieser harmlose Mann ermordet?« fragte sich Rander laut. Dabei sah er den Kriminalinspektor an. »Ich vermisse jedes Motiv. Er hatte mit seiner Arbeit noch gar nicht begonnen.«
»Der Mörder wird die Antwort geben können, nicht ich.« McParish griff nach dem Tischventilator und fächelte sich damit kühle Luft zu. Er übersah, daß Randers Hand bereits darauf wartete, wieder nach dem Ventilator zu greifen.
Parker tat so, als ob er von der schwülen, drückenden Hitze im Dienstzimmer nichts bemerke. Er schien eine Klimaanlage unter dem Rock zu haben. Zurückhaltend, würdevoll, aber auch sehr aufmerksam verfolgte er die Unterhaltung.
»Haben Sie inzwischen herausbekommen, wo Miss Morefield zur Zeit wohnt?« erkundigte sich Mike Rander weiter.
»Erkundigt schon, Mr. Rander, aber leider ohne Ergebnis. Sie ist wie vom Erdboden verschwunden.«
»Könnte sie Hongkong verlassen haben?«
»Offiziell nicht. Aber denken Sie an die vielen Dschunken, die wir einfach nicht kontrollieren können. Wenn Sie mich fragen, so ist Miss Morefield nicht in Erpresserhänden. Sie wird sich einen netten Begleiter zugelegt haben und in den Bergen irgendwo Honigmond feiern.«
»Und zusätzlich ihr Bankkonto plündern«, meinte Rander lächelnd. »Mag ja alles stimmen und zutreffen, McParish, aber warum schreibt sie dann nicht? Warum gibt sie ihre teure Wohnung auf? Warum beantwortete sie nicht die Telegramme ihres Vermögensverwalters Croften? Nein, da muß etwas Böses mit ihr passiert sein!«
»Das ist natürlich nicht ausgeschlossen«, räumte Inspektor McParish ein. Er erbarmte sich und reichte den Tischventilator an Mike Rander zurück, der dankbar aufstöhnte. »Hier in Hongkong passieren ja die unglaublichsten Dinge. Erpressung und Entführung sind unser tägliches Brot.«
»Wo könnte man den Hebel ansetzen, Inspektor?«
»Sie brauchen Zugang zu der Unterwelt.«
»Wo finde ich den?«
»Ich kann’s nur inoffiziell tun. Ich werde Ihnen eine Telefonnummer geben. Ein gewisser Li Wang wird sich melden. Sagen Sie ihm, was vorliegt?«
»Kann man sich auf ihn verlassen?« wollte Mike Rander wissen.
»Da überfragen Sie mich, Rander. Er ist gerissen und verschlagen. Wenn er Tips liefert, dann nur, um seine eigenen Fäden zu spinnen. Versuchen Sie’s mit ihm, aber seien Sie auf der Hut.«
Inspektor McParish erinnerte sich, daß er eine Order gegeben hatte. Er drückte noch mal die Taste der Sprechanlage und fragte nach der sichergestellten Aktentasche des ermordeten Larry Croften. Im gleichen Moment klopfte es an der Tür, und ein uniformierter Beamter betrat den Raum. Er salutierte, ging zum Schreibtisch und beugte sich zum Inspektor hinunter. Er flüsterte ihm einige Worte ins Ohr.
Das Gesicht von McParish färbte sich rot. Einen Moment lang sah er verlegen und etwas unglücklich aus. Doch dann räusperte er sich knapp.
»Die Tasche ist aus dem Asservatenraum verschwunden«, sagte er zu Rander. »Daß uns das passieren muß! Einfach unglaublich!«
»Darf ich Ihre Worte dahingehend interpretieren, daß die bewußte Aktentasche gestohlen worden ist?« schaltete sich Josuah Parker in die Unterhaltung ein.
»Sie dürfen, verdammt noch einmal«, schimpfte McParish. »Ich finde einfach keine Worte …!«
»Suchen Sie sie inzwischen«, meinte Anwalt Rander und stand auf. Er griff nach seinem Jackett. »Wir werden uns inzwischen um Miss Morefield kümmern. Sie erreichen uns im ›Queens‹. Wir werden hier auf der Insel wohnen.«
»Drüben im Kowloon wohnen Sie aber besser.« McParish war nicht ganz bei der Sache. Der Diebstahl der Tasche saß ihm in den Knochen.
»Hier auf der Insel hat Miss Morefield aber gewohnt. Wir wollen all ihren Schritten nachgehen, Inspektor. Falls wir auf eine Spur stoßen, werden wir Sie verständigen.«
»Ich halte Ihnen die Daumen«, sagte McParish. »Sie werden sehr viel Glück brauchen. Sie ahnen ja nicht, was sich in dieser verrückten Stadt abspielt …«
*
Selbst Josuah Parker war