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Die Dritte Zivilisation: Beste Science-Fiction
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eBook250 Seiten3 Stunden

Die Dritte Zivilisation: Beste Science-Fiction

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Über dieses E-Book

Wissenschaftler des projekts [ arche ] planen einen toten und unbewohnt geglaubten planeten für eine übersiedling urbar zu machen. eine kleine gruppe unter der leitung von [ gennadi komow ] findet ein vor vielen jahren abgestürztes raumschiff mit zwei toten. etwas später stellen sie fest, daß der planet offenbar doch bewohnt ist - von dem kind der beiden toten, das von außerirdischen gerettet und aufgezogen wurde, ohne dessen wissen. die gruppe stellt kontakt zu dem [ knirps ] her - in der hoffnung, mit seiner hilfe, kontakt zu der [ dritten zivilisation ] herzustellen, die offenbar noch auf dem planeten existiert. komow ist fest entschlossen, den jungen zur erde mitzunehmen.
dabei haben die wissenschaftler schwierigkeiten, den jungen als menschliches wesen zu akzeptieren. nach einer eigenwilligen aktion der wohnstattsucherin [ maja glumowa ], die die kontaktaufnahme gefährdet, finden wissenschaftler der [ komkon ] unter leitung von [ leonid andrejewitsch gorbowski ] im orbit des planeten einen getarnten satelliten, der vermutlich von den [ wanderern ] stammt.
der planet wird evakuiert, der junge wird auf dem planeten belassen, der satellit demontiert.

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum9. Juni 2023
Die Dritte Zivilisation: Beste Science-Fiction

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    Buchvorschau

    Die Dritte Zivilisation - Arkadi Strugatzki

    1

    Leere und Stille

    »Weißt du«, sagte Maja, »irgendwie habe ich kein gutes Gefühl …«

    Wir standen neben dem Gleiter. Maja sah auf ihre Füße und hackte mit dem Absatz auf dem gefrorenen Sand herum.

    Ich wusste nicht, was ich ihr antworten sollte. »Vorahnungen« hatte ich zwar keine, aber auch mir gefiel es hier nicht. Blinzelnd sah ich zum Eisberg hinüber. Wie ein riesiger Zuckerklumpen erhob er sich über dem Horizont – ein blendendweißer, schartiger Stoßzahn, eiskalt, unbeweglich und gleichförmig weiß, ohne pittoreskes Schillern oder Glänzen. So wie er sich vor hunderttausend Jahren an diesem flachen, schutzlosen Gestade festgesetzt hatte, so würde er, das war ihm anzusehen, auch die kommenden hunderttausend Jahre hier verharren – all seinen Brüdern zum Trotz, die rastlos im offenen Ozean trieben. Am Fuße des Eisbergs breitete sich der Strand aus; er war eben, von graugelber Farbe und funkelte von Myriaden glitzernder Reifkörnchen. Dahinter, rechts von uns, lag stahlgrau der Ozean und verströmte den Geruch erkalteten Metalls. Das Wasser kräuselte sich hin und wieder wie von einem leichten Schauer, wurde zum Horizont hin schwarz wie Tusche und wirkte unnatürlich leblos. Links von uns lagen heiße Quellen und ein Sumpf, und darüber grauer, vielschichtiger Nebel, hinter dem sich vielzackige Bergkuppen erahnen ließen. In der Ferne schließlich ragten steile, dunkle Felswände empor, die hier und da von Schnee bedeckt waren und sich am Ufer entlangzogen, so weit das Auge reichte. Am Himmel darüber, der wolkenlos war, doch freudlos und von eisiger graulila Farbe, ging eine winzig kleine, lilafarbene Sonne auf, die nicht wärmte.

    Vanderhoeze kletterte aus dem Gleiter, zog sich eilig die Fellkapuze über und kam auf uns zu.

    »Ich bin so weit«, sagte er. »Wo ist Komow?«

    Maja zuckte kurz mit den Achseln und hauchte in die erstarrten Hände.

    »Er wird bestimmt gleich hier sein«, sagte sie zerstreut.

    »Wohin wollt ihr heute?«, fragte ich Vanderhoeze. »Zum See?«

    Vanderhoeze legte den Kopf in den Nacken, schob die Unterlippe vor und sah mich über seine Nasenspitze hinweg schläfrig an – er sah aus wie ein betagtes Kamel mit rötlichem Backenbart.

    »Ich weiß, du langweilst dich hier allein«, sagte er teilnahmsvoll. »Aber du wirst noch eine Weile aushalten müssen. Was meinst du?«

    »Mir bleibt wohl nichts anderes übrig.«

    Vanderhoeze beugte den Kopf noch weiter zurück und schaute – wieder mit dem Ausdruck eines hoffärtigen Kamels – zum Eisberg hinüber.

    »Tja«, sagte er seufzend. »Hier besitzt zwar alles große Ähnlichkeit mit der Erde, aber es ist nicht die Erde. Und das ist das Schlimme bei diesen Welten: Du fühlst dich andauernd betrogen. Aber man kann sich auch daran gewöhnen. Was meinst du, Maja?«

    Maja gab keine Antwort. Sie schien heute irgendwie traurig zu sein oder im Gegenteil – wütend. Das kam bei ihr öfter vor, wir kannten es schon.

    Hinter uns öffnete sich mit einem leisen Klicken die Luke des Raumschiffs, und Komow sprang heraus. Er eilte auf uns zu, schloss noch im Gehen seinen Pelz und fragte atemlos: »Fertig?«

    »Ja«, antwortete Vanderhoeze. »Wohin geht’s denn heute, Gennadi? Wieder zum See?«

    »Ja«, sagte Komow und versuchte, den obersten Verschluss seines Pelzes zuzumachen. »Soviel ich weiß, Maja, haben Sie heute Quadrat vierundsechzig. Meine Punkte: Westufer des Sees, Höhe sieben, Höhe zwölf. Genaueres legen wir unterwegs fest. Popow, Sie möchte ich bitten, die Funksprüche durchzugeben; ich habe sie in der Steuerkabine hinterlegt. Verbindung mit mir über den Gleiter. Rückkehr um achtzehn null null Ortszeit. Im Falle einer Verspätung geben wir Ihnen vorher Bescheid.«

    »Alles klar«, sagte ich wenig begeistert; der Hinweis auf eine mögliche Verspätung gefiel mir nicht.

    Maja ging schweigend zum Gleiter. Komow, der den Haken an seinem Mantel endlich geschlossen hatte, strich sich mit der Hand über den Pelz und ging ihr hinterher. Vanderhoeze klopfte mir auf die Schulter und sagte: »Schau nicht so viel in dieser gottverdammten Gegend herum. Bleib lieber zu Hause und lies etwas, das schont die Nerven.«

    Dann ging er ohne Eile zum Gleiter, setzte sich auf den Fahrersitz und winkte mir zu. Maja ließ sich zu einem Lächeln herab und winkte ebenfalls zu mir herüber. Komow schaute mich nicht an, sondern nickte nur kurz. Der Gleiter setzte sich lautlos in Bewegung und schoss pfeilschnell nach vorn und in die Höhe; er wurde zu einem winzigen schwarzen Punkt und verschwand, als hätte es ihn nie gegeben. Ich war allein.

    Eine Zeit lang blieb ich stehen, die Hände tief in die Taschen meines Pelzes vergraben, und sah dem Treiben meiner kleinen Helfer zu. Im Laufe der Nacht hatten sie ordentlich geschuftet, waren mager und hohlwangig geworden. Jetzt aber rissen sie ihre Energiekollektoren weit auf und schluckten gierig die fahle Lichtbrühe, mit der die schwache violette Sonne sie fütterte. Nichts anderes kümmerte sie im Augenblick, und sie verlangten nach nichts anderem. Nicht einmal nach mir – zumindest nicht, solange ihr Programm noch lief. Freilich, der dicke plumpe Tom ließ jedes Mal, wenn ich in sein Sichtfeld kam, ein rotes Signal auf der Stirn aufleuchten. Mit etwas gutem Willen konnte man es als Begrüßung auffassen, als eine höfliche, wenn auch zerstreute Verbeugung. Aber ich wusste, dass es nichts weiter hieß als: »Bei mir und bei den anderen ist alles in Ordnung. Wir machen unsere Arbeit. Oder gibt es neue Anweisungen?« Aber ich hatte keine neuen Anweisungen für sie; um mich herum gab es nichts als Leere und große, sehr große Stille.

    Es war nicht die wattige Stille eines Akustiklabors, die einem die Ohren verstopft, auch nicht die wunderbare Stille eines Abends im Grünen, die erfrischt und sanft das Gehirn umspült, inneren Frieden gibt und einen eins werden lässt mit allem Schönen, was auf Erden existiert. Diese Stille war anders – durchdringend, glasklar, wie ein Vakuum; sie peitschte die Nerven auf. Es war die Stille einer unfassbar großen und vollkommen leeren Welt.

    Ich sah mich gehetzt um … Nein, das kann man nicht über sich selbst sagen … Ich drücke es besser so aus: Ich sah mich um. Die Wahrheit aber war, dass ich mich nicht einfach nur umsah, sondern mich tatsächlich gehetzt umsah. Lautlos gingen die Kyber ihrer Arbeit nach. Lautlos gleißte die lilafarbene Sonne am Himmel. Nein, so konnte es nicht weitergehen.

    Ich musste etwas tun. Zum Beispiel konnte ich mich endlich auf den Weg machen und mir den Eisberg aus der Nähe ansehen. Aber bis dorthin waren es fast fünf Kilometer, und laut Instruktion durfte sich der Diensthabende nicht weiter als hundert Meter vom Schiff entfernen. Unter anderen Umständen wäre die Versuchung, gegen die Vorschriften zu verstoßen, gewiss sehr groß gewesen. Aber hier? Hier konnte ich mich auf fünf oder hundertfünfundzwanzig Kilometer entfernen, ohne dass mir oder dem Schiff etwas zustoßen würde, ebenso wenig den anderen zehn Raumschiffen, die südlich von mir über die verschiedenen Klimazonen des Planeten verteilt waren. Es würde kein blutrünstiges Ungeheuer aus dem verkrüppelten Gestrüpp stürzen, um mich mit Haut und Haaren zu verschlingen – hier gab es keine Ungeheuer. Es würde kein wütender Taifun über den Ozean toben, das Schiff hochreißen und es gegen die finsteren Felsen schleudern – hier waren bisher weder Stürme noch Erdbeben registriert worden. Auch ein dringender Funkruf vom Stützpunkt war ausgeschlossen, wegen eines biologischen Alarms beispielsweise. Ein solcher Alarm war hier unmöglich, denn es gab nicht die geringste Spur von Viren und Bakterien, die dem Menschen gefährlich werden konnten. Nichts, gar nichts existierte auf diesem Planeten außer dem Ozean, den Felsen und den zwergwüchsigen Bäumen. Gegen die Vorschriften zu verstoßen, war ohne jeden Reiz.

    Doch sich an die Vorschriften zu halten, war gleichermaßen uninteressant. Auf jedem normalen, biologisch aktiven Planeten wäre es unmöglich, am dritten Tag nach der Landung mit den Händen in den Taschen herumzustehen. Ich würde wie besessen herumrennen: Der Wach- und Erkundungskyber müsste aufgeladen, programmiert, in Gang gesetzt und stündlich kontrolliert werden; rund um das Schiff und den gesamten Bauplatz müsste eine Zone Absoluter Biologischer Sicherheit geschaffen und gegen Gefahren von unten, aus dem Boden, abgesichert werden. Alle zwei Stunden müsste man sie kontrollieren und die Filter wechseln, den Außenbordfilter, den Innenbordfilter und den Filter für den persönlichen Bedarf. Ich müsste eine Sammelstelle für sämtliche Abfälle einschließlich der verbrauchten Filter einrichten und alle vier Stunden eine Sterilisierung, Entgasung und Desaktivierung der Robotersteuersysteme vornehmen. Hinzu käme das Sichten der Informationen, die von den medizinischen Kybern außerhalb der ZABS gesammelt wurden, sowie Kleinigkeiten wie Wettersonden, seismografische Erkundung, Speläogefahr, Taifune, Lawinen, Karstverschiebungen, Waldbrände, Vulkanausbrüche und so weiter.

    Ich stellte mir vor, wie ich – im Raumanzug, verschwitzt, unausgeschlafen, gereizt und schon ein wenig abgestumpft – den dicken Tom einer Generalprüfung unterzog und seine Nervenknoten durchspülte. Der Erkundungskyber würde mit der nervtötenden Beharrlichkeit eines Idioten zum zwanzigsten Mal wiederholen, aus einem Wasserloch in der Nähe sei ein grausiger gesprenkelter Frosch einer ihm unbekannten Art zum Vorschein gekommen. Und durch die Kopfhörer würde ich das unaufhörlich quäkende Alarmsignal der medizinischen Kyber hören, die über die Maßen erregt waren, weil ein heimisches Virus eine ungewöhnliche Reaktion auf die Baltermanzprobe gezeigt hatte und folglich, zumindest theoretisch, die Bioblockade durchbrechen konnte. Vanderhoeze würde im Schiff sitzen, wie es sich für ihn als Kommandanten und Arzt gehörte, und mir in besorgtem Ton mitteilen, dass die Gefahr bestünde, in einer Erdspalte zu versinken. Komow gäbe mit eisiger Ruhe über Funk durch, der Motor des Gleiters sei von kleinen, ameisenähnlichen Insekten zerfressen worden, und die lieben Tierchen machten sich nun gerade über seinen Raumanzug her … Uff! … Aber auf einen solchen Planeten hätten sie mich natürlich auch nicht mitgenommen. Man hatte mich wohlweislich auf einen Planeten geschickt, für den es keine Instruktionen gab. Weil man hier nämlich gar keine brauchte.

    Vor der Einstiegsluke blieb ich stehen, schüttelte die Sandkörnchen von den Schuhsohlen und verharrte einen Augenblick, die Hand am warmen, atmenden Schiffsrumpf. Dann betätigte ich die Einstiegsautomatik. Im Schiff war es ebenfalls sehr still, doch handelte es sich mehr um eine häusliche Stille, die Ruhe einer leeren, behaglichen Wohnung. Ich legte den Mantel ab und ging in die Steuerzentrale. An meinem Pult hielt ich mich gar nicht erst auf – ich sah auch so, dass alles in Ordnung war –, sondern setzte mich gleich an den Sender. Die Funksprüche lagen auf dem Tischchen. Ich schaltete den Chiffrator an und begann den Text einzugeben. Im ersten Funkspruch übermittelte Komow Koordinaten für drei infrage kommende Siedlungen an den Stützpunkt, erstattete Bericht über die Fischbrut, die gestern im See ausgesetzt worden war, und riet Kitamura, mit den Kriechtieren nichts zu übereilen. Diese Meldung war mehr oder weniger verständlich, doch aus der zweiten, die für das Zentrale Informatorium bestimmt war, wurde ich nicht ganz schlau. Ich begriff lediglich, dass Komow dringend Angaben brauchte über den Y-Faktor bei binormalen Humanoiden, deren Index so komplex war, dass er aus neun Ziffern und vierzehn griechischen Buchstaben bestand. Hier handelte es sich also um die unergründliche höhere Xenopsychologie, von der ich, wie übrigens jeder normale Humanoid mit Index null, nicht das Geringste verstand. Das war freilich auch nicht nötig.

    Nachdem ich den Text eingegeben hatte, schaltete ich den Dienstkanal ein und gab alle Mitteilungen in einem einzigen Impuls durch. Später, als ich die Funksprüche ins Bordbuch eintrug, überlegte ich, dass es auch für mich an der Zeit war, meinen ersten Bericht zu schreiben. Das heißt, was man so Bericht nennt … »Gruppe ER-2, Bauarbeiten nach Schema 15 zu soundso viel Prozent erfüllt, Datum, Unterschrift.« Fertig. Ich stand also auf und ging zu meinem Pult, um einen Blick auf den aktuellen Stand der Arbeiten zu werfen – und begriff schlagartig, wieso es mich plötzlich zu dem Bericht gedrängt hatte. Das heißt, es war weniger der Bericht gewesen als die Tatsache, dass ich, nun schon ein erfahrener Kybertechniker, das Stocken des Arbeitsprozesses gewittert hatte, bevor es diesbezügliche Signale gegeben hatte: Wie schon am Vortag, war Tom plötzlich und ohne ersichtlichen Grund stehen geblieben. Ärgerlich drückte ich die Kontrolltaste: »Was ist los?« Wie gestern verlosch das Haltesignal augenblicklich, dafür leuchtete das rote Lämpchen auf Toms Stirn auf: »Bei uns ist alles in Ordnung, wir gehen unserer Arbeit nach. Gibt es neue Anweisungen?« Ich gab ihm den Befehl, seine Tätigkeit wiederaufzunehmen, und schaltete den Videobildschirm ein: Jack und Rex arbeiteten eifrig, und auch Tom setzte sich in Bewegung, anfangs noch etwas seltsam, zur Seite geneigt, aber kurze Zeit später richtete er sich wieder auf.

    »He, Bruderherz«, sagte ich. »Du bist wohl überarbeitet. Ich werde dich wohl mal gründlich reinigen müssen.« Ich warf einen Blick in Toms Arbeitsbuch; seine Prophylaxe war für heute Abend angesetzt. »Na gut, bis dahin werden wir es schon schaffen, was meinst du?«

    Tom erwiderte nichts. Ich sah den Robotern noch eine Weile bei der Arbeit zu und schaltete dann den Bildschirm aus: der Eisberg, die düsteren Felsen, der Nebel über dem Sumpf … Nein, das wollte ich mir nicht länger ansehen.

    Ich funkte meinen Bericht durch und stellte sogleich Verbindung zur Gruppe ER-6 her. Wadik meldete sich in Sekundenschnelle, als habe er schon darauf gewartet.

    »Na, was gibt’s Neues bei euch?«, erkundigten wir uns gegenseitig.

    »Nichts«, sagte ich.

    »Bei uns sind die Eidechsen eingegangen«, berichtete Wadik.

    »Ach, ihr«, sagte ich vorwurfsvoll. »Dabei hat Komow, Doktor Mbogas Lieblingsschüler, euch ausdrücklich gewarnt, mit den Kriechtieren nichts zu übereilen.«

    »Wer übereilt denn hier etwas?«, protestierte Wadik. »Wenn du meine Meinung wissen willst: Sie können hier einfach nicht überleben. Es ist viel zu heiß!«

    »Geht ihr zum Baden?«, fragte ich neidisch.

    Wadik schwieg.

    »Wir springen bloß manchmal rein«, antwortete er unwillig.

    »Wieso das?«

    »Es ist zu leer«, sagte Wadik. »Wie eine schrecklich große Badewanne … Du kannst das nicht verstehen. Ein normaler Mensch kann sich eine so riesige Badewanne gar nicht vorstellen. Ich bin neulich an die fünf Kilometer rausgeschwommen. Anfangs war noch alles gut, aber dann wurde mir plötzlich bewusst, dass das kein Bassin ist, sondern ein Ozean. Und dass sich außer mir kein einziges Lebewesen darin befindet! Nein, mein Lieber, davon hast du keine Vorstellung. Ich wäre fast ertrunken.«

    »Hm, dann ist es bei euch also dasselbe«, murmelte ich.

    Wir unterhielten uns noch ein paar Minuten, dann wurde Wadik vom Stützpunkt verlangt, und wir verabschiedeten uns rasch. Ich setzte mich mit der ER-9 in Verbindung, aber Hans meldete sich nicht. Ich hätte es jetzt natürlich noch bei der ER-1, der ER-3, der ER-4 bis hinauf zur ER-12 versuchen können, um mich mit ihnen darüber auszutauschen, wie schrecklich tot und leer hier alles war, aber was hätte ich davon gehabt? Nichts im Grunde. Deshalb schaltete ich den Sender ab und ging wieder zu meinem Steuerpult hinüber. Kurze Zeit saß ich einfach so da, schaute auf die Bildschirme mit den Baustellen und dachte, dass die Arbeit, die wir hier leisteten, in zweifacher Hinsicht Gutes tat: Zum einen bewahrten wir die Pantianer vor dem sicheren Untergang, zum anderen befreiten wir diesen Planeten von seiner Leere, seiner Totenstille, seiner Sinnlosigkeit. Die Pantianer mussten allerdings sehr seltsame Wesen sein, wenn unsere Xenopsychologen davon ausgingen, dass dieser Planet am besten zu ihnen passte. Seltsam musste wohl auch das Leben auf der Panta sein, denn man konnte sich nur mit Mühe vorstellen, wie man die Pantianer, anfangs natürlich nur zwei oder drei Vertreter jedes Stammes, herbrächte und diese beim Anblick des gefrorenen Strandes, des Eisbergs, des öden Ozeans und des leeren violetten Himmels begeistert ausriefen: »Wie herrlich! Ganz wie bei uns zu Hause!« Mir wollte das nicht in den Sinn. Aber es würde nicht mehr ganz so ausgestorben sein, wenn sie hier eintrafen: Die Seen würden voller Fische sein, an ufernahen seichten Stellen gäbe es essbare Muscheln und im Dickicht Wild. Vielleicht würde es uns noch gelingen, Eidechsen anzusiedeln, und Vögel in der Nähe des Eisbergs … Übrigens hatten die Pantianer gar keine andere Wahl. Ich wäre auch nicht wählerisch, wenn es auf der Erde plötzlich hieße: Bald wird unsere Sonne explodieren und sämtliches Leben auslöschen! Ich würde mir sagen: Halb so schlimm, wir werden uns schon irgendwie einleben. Die Pantianer wurden außerdem gar nicht groß gefragt – sie hätten sowieso nichts begriffen, weil sie noch gar keine Vorstellung von Kosmografie besaßen, nicht einmal die primitivste. Sie würden nicht einmal erfahren, dass sie den Planeten gewechselt hatten …

    Plötzlich hörte ich ein Geräusch, ein Rascheln, als sei eine Eidechse vorbeigehuscht. Dieser Vergleich kam mir sicher wegen des Gesprächs mit Wadik in den Sinn; in Wirklichkeit nämlich handelte es sich um einen kaum wahrnehmbaren, undefinierbaren Laut. Dann begann am hinteren Ende der Steuerzentrale etwas zu ticken,

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