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Die Wellen Ersticken Den Wind: Beste sowjetische Science-Fiction
Die Wellen Ersticken Den Wind: Beste sowjetische Science-Fiction
Die Wellen Ersticken Den Wind: Beste sowjetische Science-Fiction
eBook230 Seiten2 Stunden

Die Wellen Ersticken Den Wind: Beste sowjetische Science-Fiction

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Über dieses E-Book

Maxim Kammerer, der von den Büchern Die bewohnte Insel und Ein Käfer im Ameisenhaufen durch seinen Werdegang begleitet wurde, ist mittlerweile 89 Jahre alt. In seinen Memoiren blickt er auf die Ereignisse um die „große Offenbarung“ zurück, ein Ereignis, das gegen Ende des 23. Jahrhunderts stattfand. Die große Offenbarung schockierte die Menschheit zutiefst und förderte Sachverhalte zu Tage, mit denen niemand gerechnet hätte. Vor allem aber beendet sie die unheimliche Stagnation, an der die Welt des „Mittags“ zu ersticken droht. Kammerer, einst freier Sucher, d. h. auf der Suche nach fremden Zivilisationen im All, später ein Progressor, dessen Aufgabe es war, fremde Zivilisationen zu unterstützen und sie in ihrer Entwicklung zu begleiten, ist in einer Kommission zum Schutz der Erde tätig. Immer wieder kommt Kammerer in Kontakt mit den Auswirkungen menschlichen Fortschritts, und so ist auch die letzte Konsequenz keine überraschende – zumindest für ihn nicht, auch wenn er zunächst der einzige ist, der die Situation erkennt. Viele Umstände und Motive der Handlung bleiben im Dunkeln bzw. werden nicht schlüssig begründet.

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum7. Juni 2023
Die Wellen Ersticken Den Wind: Beste sowjetische Science-Fiction

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    Buchvorschau

    Die Wellen Ersticken Den Wind - Arkadi Strugatzki

    Arkadi Strugatzki, Boris Strugatzki

    DIE WELLEN ERSTICKEN DEN WIND

    Beste sowjetische Science-Fiction

    DIE WELLEN ERSTICKEN DEN WIND

    Arkadi und Boris Strugatzki

    »Verstehen bedeutet vereinfachen.«

    D. Strogow

    Einführung

    Ich heiße Maxim Kammerer. Ich bin neunundachtzig Jahre alt.

    Vor langer Zeit einmal las ich einen Roman, der auf ebendiese Weise begann. Und ich weiß noch, wie ich damals dachte, dass ich - würde ich später einmal meine Memoiren zu schreiben haben - genau so damit beginnen wollte. Doch handelt es sich hier nicht um Memoiren im eigentlichen Sinne … Und am Anfang sollte ein Brief stehen, den ich vor ungefähr einem Jahr erhielt.

    Nowgorod, den 13. Juni "25

    Kammerer, sicher haben Sie die berüchtigten »Fünf Biografien des Jahrhunderts« gelesen. Bitte helfen Sie mir herauszufinden, wer sich hinter den Pseudonymen P. Soroka und E. Braun verbirgt. Ihnen wird das vermutlich leichter fallen als mir.

    M. Glumowa

    Ich habe diesen Brief nicht beantwortet, weil es mir nicht gelang, die wirklichen Namen der Autoren festzustellen. Ich fand nur heraus, dass P. Soroka und E. Braun - wie zu erwarten - prominente Mitarbeiter der Gruppe »Menten« am Institut für kosmische Geschichtsforschung (IKGF) waren.

    Ich konnte ohne Mühe nachfühlen, was Maja Toivowna Glumowa empfunden hatte, als sie die Biografie ihres Sohnes in der Version von P. Soroka und E. Braun las. Und mir wurde klar, dass ich mich in dieser Sache äußern muss.

    Also habe ich diese Memoiren geschrieben.

    Aus der Sicht eines unbefangenen, vor allem eines jungen Lesers bedeuteten die Ereignisse, von denen hier die Rede sein wird, das Ende einer ganzen Epoche im kosmischen Selbstverständnis der Menschheit. Anfangs schien es sogar, als eröffneten sich damit völlig neue Perspektiven, die zuvor nur theoretisch betrachtet worden waren. Ich war Zeuge, Teilnehmer und in gewisser Weise sogar Initiator dieser Ereignisse. Daher verwundert es nicht, dass sich die Gruppe »Menten« in den letzten Jahren immer wieder mit entsprechenden Anfragen an mich wandte - mit offiziellen und inoffiziellen Bitten, die Patenschaft für ihre Arbeiten zu übernehmen, oder mit Appellen an meine Bürgerpflichten.

    Den Aufgaben und Zielen der Gruppe »Menten« brachte ich von Anfang an Verständnis entgegen, habe aber nie ein Hehl aus meiner Skepsis gemacht, was ihre Erfolgschancen angeht. Zudem war ich sicher, dass die Unterlagen und Erkenntnisse, über die ich persönlich verfüge, der Gruppe »Menten« nicht im Geringsten von Nutzen sein würden. Daher bin ich jeglicher Teilnahme an ihrer Arbeit bislang ausgewichen.

    Dann aber erhielt ich den Brief Maja Glumowas und hatte nun aus eher privaten Gründen das dringende Bedürfnis, alles, was mir über die ersten Tage der Großen Offenbarung bekannt war, zusammenzutragen und es für die Menschen, die sich dafür interessieren mochten, aufzuschreiben. Als Große Offenbarung bezeichnet man für gewöhnlich diesen Sturm von Diskussionen und Befürchtungen, von Unruhe, Streit, Aufruhr und großem Erstaunen, der auf die Ereignisse, von denen hier die Rede sein wird, folgte.

    Ich habe den letzten Absatz noch einmal durchgelesen und muss mich sogleich korrigieren. Erstens werde ich hier natürlich nicht annähernd über alles berichten, was mir bekannt ist. Manche Unterlagen sind zu speziell, um sie hier darlegen zu können; einige Namen möchte ich aus ethischen Gründen nicht preisgeben, und ich werde darauf verzichten, bestimmte Verfahrensweisen zu erwähnen, die mit meiner damaligen Tätigkeit als Leiter der Abteilung für Besondere Vorkommnisse (BV) der Kommission für Kontrolle (KomKon 2) zusammenhängen.

    Zweitens waren die Ereignisse des Jahres’99 streng genommen gar nicht die ersten Tage der Großen Offenbarung, sondern - im Gegenteil - ihre letzten. Ebendarum ist die Große Offenbarung heute nur noch Gegenstand historischer Forschungen. Die Mitarbeiter der Gruppe »Menten« aber können oder wollen das nicht verstehen - trotz all meiner Bemühungen, es ihnen begreiflich zu machen. Vielleicht war ich aber auch nicht beharrlich genug … Man wird alt.

    Nun zu Maja Glumowas Sohn - Toivo Glumow, dessen Persönlichkeit bei den Mitarbeitern der Gruppe »Menten« ein ganz besonderes Interesse weckt. Das verstehe ich und habe ihn deswegen zur Hauptfigur meiner Memoiren gemacht.

    Aber natürlich nicht nur deswegen. Ja, nicht einmal hauptsächlich deswegen. Denn wann immer ich an jene Tage denke und was immer mir dabei einfällt - in meiner Erinnerung taucht sofort Toivo Glumow auf. Ich sehe sein schmales, junges und immerzu ernstes Gesicht vor mir; sehe seine wasserklaren, grauen Augen, die von den langen, hellen Wimpern halb verdeckt werden. Ich höre seine wie mit Absicht langsam dahingesprochenen Worte, fühle das stumme, hilflose, und doch unerbittliche Drängen, das von ihm ausging wie ein tonloser Schrei: »Was ist? Warum unternimmst du nichts? Befiehl, befiehl doch endlich!« Oder aber umgekehrt: Kommt mir Toivo Glumow in den Sinn, in welchem Zusammenhang auch immer, sofort erwachen »die bösen Hunde der Erinnerung«: der ganze Schrecken jener Tage, die Ohnmacht und Verzweiflung, die ich damals erlebte - allein, denn es gab niemanden, mit dem ich es hätte teilen können.

    Die Grundlage meiner Memoiren bilden Dokumente: In der Regel sind es Routineberichte und -meldungen meiner Inspektoren oder offizielle Schriftwechsel, die ich hier vor allem deshalb anführe, um die Atmosphäre jener Zeit wiederzugeben. Ein gründlicher und sachkundiger Leser wird aber sofort bemerken, dass eine Reihe von Dokumenten, die zur Sache gehören, in den Memoiren fehlen, während man auf andere, die aufgenommen wurden, genauso gut hätte verzichten können. Ich möchte dieser Kritik zuvorkommen und anmerken, dass ich die Materialien nach bestimmten Kriterien zusammengestellt habe. Erläutern möchte ich diese allerdings nicht und halte das auch nicht für notwendig.

    Einen erheblichen Teil des Textes machen die sogenannten Rekonstruktionskapitel aus. Sie entstammen meiner Feder und zeichnen Szenen und Ereignisse nach, bei denen ich nicht selbst vor Ort war. Ich habe sie auf der Grundlage von Erzählungen, Tonaufzeichnungen und späteren Erinnerungen von Menschen rekonstruiert, die unmittelbar beteiligt waren - wie etwa Toivo Glumows Frau Assja, seine Kollegen, seine Bekannten usw. Ich weiß, dass diese Kapitel für die Mitarbeiter der Gruppe »Menten« von geringem Wert sind, aber das macht nichts - für mich sind sie wertvoll.

    Und schließlich habe ich mir erlaubt, dem Text eigene Reminiszenzen hinzuzufügen, die weniger über die Ereignisse etwas aussagen, als über den damals achtundfünfzigjährigen Maxim Kammerer. Das Verhalten dieses Menschen unter den dargestellten Umständen weckt noch heute, einunddreißig Jahre später, einiges Interesse - sogar bei mir selbst …

    Als ich mich endgültig entschlossen hatte, die Memoiren zu schreiben, stellte sich mir die Frage: Womit beginnen? Wann und was war der Anfang der Großen Offenbarung?

    Genau genommen begann alles vor etwa zweihundert Jahren, als in den Tiefen des Mars eine leere Tunnelstadt aus Elektrin entdeckt wurde: Damals fiel zum ersten Mal das Wort »Wanderer«. Das ist richtig. Aber zu allgemein. Ebenso gut könnte man behaupten, die Große Offenbarung hätte im Augenblick des Großen Urknalls begonnen.

    Dann vielleicht vor fünfzig Jahren? Der Fall mit den »Findelkindern«? Damals bekam das Wanderer-Problem erstmals einen tragischen Beigeschmack. Der maliziöse, vorwurfsvolle Begriff des »Sikorsky-Syndroms« wurde geboren und breitete sich schnell aus; er verwies auf die unkontrollierbare Angst vor einer möglichen Invasion der Wanderer. Auch richtig, und schon näher an der Sache … Aber damals war ich noch nicht Chef der Abteilung BV, und auch die Abteilung selbst existierte noch nicht. Zudem erforsche und schreibe ich hier ja nicht die Geschichte des Wanderer-Problems.

    Für mich also begann es im Mai’93. Wie alle anderen BV-Abteilungsleiter von sämtlichen Sektoren der KomKon 2 erhielt ich ein Informat über den Tissa-Vorfall (nicht der Fluss Tisza oder Theiß, der durch Ungarn und Transkarpatien fließt, ist hier gemeint, sondern der Planet Tissa des Sterns EN 63061, den die Jungs von der Gruppe für Freie Suche kurz zuvor entdeckt hatten). Im Informat wurde das Ereignis als ein Fall spontaner, unerklärlicher Geistesverwirrung behandelt, von der alle drei Mitglieder der Forschungsgruppe betroffen waren, die zwei Wochen zuvor auf einem Plateau (den Namen habe ich vergessen) gelandet war. Alle drei glaubten plötzlich, die Verbindung zur Zentralbasis sei abgerissen und sie stünden nun zu niemandem mehr in Verbindung - außer zum Mutterschiff im Orbit, dessen Bordcomputer allerdings in endloser Wiederholung mitteile, dass die Erde infolge eines kosmischen Kataklysmus untergegangen und die Bevölkerung der Äußeren Welten infolge unerklärlicher Epidemien ausgestorben sei.

    Ich erinnere mich nicht mehr an alle Einzelheiten. Zwei Mitglieder der Gruppe hatten wohl zunächst versucht, sich umzubringen, und endeten schließlich in der Wüste - verzweifelt und ohne Hoffnung angesichts des totalen Verlusts von allem, was ihrem Leben einen Sinn gegeben hatte. Der Kommandant der Gruppe hingegen erwies sich als ungewöhnlich charakterfest. Eisern riss er sich zusammen und zwang sich zum Weiterleben, so, als wäre die Menschheit gar nicht umgekommen, sondern nur er selbst in eine Notlage geraten und für immer vom Heimatplaneten abgeschnitten. Später erzählte er, am vierzehnten Tag seiner wahnhaften Existenz sei ihm eine weiße Gestalt erschienen und habe ihm verkündet, dass er, der Kommandant, die erste Bewährungsprobe ehrenvoll bestanden hätte und nun als Kandidat für die Gemeinschaft der Wanderer akzeptiert sei. Am fünfzehnten Tag traf vom Mutterschiff das Rettungsboot ein, und die Lage entspannte sich. Die beiden Forscher, die es in die Wüste verschlagen hatte, wurden wohlbehalten aufgefunden; alle waren und blieben fortan bei Verstand und niemand hatte Schaden genommen. Die Aussagen der drei Männer deckten sich bis ins Detail: So gaben sie etwa völlig übereinstimmend den Akzent des Computers wieder, der angeblich die Unglücksnachricht übermittelt hatte. Subjektiv hatten sie die Ereignisse wie eine eindrucksvolle, sehr realistische Theateraufführung empfunden, an der sie unerwartet und wider Willen hatten teilnehmen müssen. Die Tiefenmentoskopie bestätigte den subjektiven Eindruck und bewies, dass im Grunde keiner von ihnen je daran gezweifelt hatte, es handele sich nur um eine Art Theatervorstellung.

    Soviel ich weiß, haben meine Kollegen in den anderen Sektoren der KomKon 2 das Informat als ganz gewöhnliches BV aufgefasst - als ungeklärtes Besonderes Vorkommnis, wie es bei den Äußeren Welten auf Schritt und Tritt vorkommt. Es interessierte sich daher auch niemand dafür, das Rätsel zu lösen. Alle Beteiligten waren wohlauf, das Gebiet des BV evakuiert und weitere Arbeiten dort nicht vorgesehen, das BV zur Kenntnis genommen worden. Ab ins Archiv damit.

    Ich aber war ein Schüler des alten Sikorsky. Wie oft hatte ich, wenn es um die Bedrohung der Menschheit von außen ging, mit ihm gestritten - in Gedanken und mit Worten. Sikorsky lebte nicht mehr, doch eine seiner Thesen wollte und konnte ich schwerlich bestreiten: »Wir arbeiten in der KomKon 2. Wir dürfen in den Ruf von Ignoranten, Mystikern, abergläubischen Dummköpfen geraten. Eins aber wird uns nicht verziehen: wenn wir die Gefahr unterschätzen. Und wenn es in unserem Haus einmal plötzlich nach Schwefel stinkt, sollten wir davon ausgehen, dass der Leibhaftige erschienen ist. Wir haben die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, auch wenn das heißt, die Produktion von Weihwasser in industriellem Maßstab zu organisieren.« Und kaum erfuhr ich, dass eine weiße Gestalt im Namen der Wanderer gesprochen hatte, roch ich schon den Schwefel und bäumte mich auf wie ein Schlachtross beim Klang der Trompete.

    Ich holte weitere Informationen ein und stellte ohne Verwunderung fest, dass in den Instruktionen, Anweisungen und Perspektivplänen der KomKon 2 das Wort »Wanderer« überhaupt nicht vorkam. Besuche bei den höchsten Instanzen der KomKon 2 schlossen sich an, wo ich mich wie erwartet davon überzeugen konnte, dass in den Augen der höchsten Verantwortlichen das Problem der Wanderer und ihrer Progressorentätigkeit im System der Menschheit erledigt war - überstanden, wie eine Kinderkrankheit … Auf unerklärliche Weise hatte die Tragödie von Lew Abalkin und Rudolf Sikorsky die Wanderer gleichsam für alle Zeiten von jeglichem Verdacht befreit.

    Der Einzige, bei dem meine Besorgnis zumindest auf ein wenig Verständnis stieß, war Athos-Sidorow, der Präsident meines Sektors und mein unmittelbarer Vorgesetzter. Er genehmigte das Projekt »Besuch der alten Dame« kraft seines Amtes und bestätigte es mit seiner Unterschrift. Er erlaubte mir zudem, eine Sondereinheit zusammenzustellen, um mein Vorhaben durchzuführen. Im Grunde gab er mir in dieser Sache freie Hand.

    Am Anfang stand eine Expertenbefragung unter den führenden Spezialisten für Xenosoziologie. Ich wollte ein möglichst wahrheitsgetreues Modell entwickeln für die Progressorentätigkeit der Wanderer im System der Erdenmenschheit. Alle dabei gesammelten Informationen und Materialien sandte ich an den renommierten Wissenschaftshistoriker und Gelehrten Isaac Bromberg. Warum ich das tat, weiß ich nicht mehr, denn Bromberg beschäftigte sich zu der Zeit schon lange nicht mehr mit Xenologie. Vielleicht lag es daran, dass die meisten Fachleute, an die ich mich wandte, nicht ernsthaft mit mir über dieses Thema sprechen wollten (das Sikorsky-Syndrom), wohingegen Bromberg, das war bekannt, nie um ein Wort verlegen war, völlig gleich, um was es ging.

    Jedenfalls bekam ich von Dr. I. Bromberg eine Antwort - heute in Fachkreisen bekannt als das sogenannte »Bromberg-Memorandum«.

    Damit begann alles.

    Und auch ich will damit beginnen.

    Dokument 1

    An die KomKon 2

    Sektor »Ural/Norden«

    Maxim Kammerer persönlich

    Dienstsache

    Datum: 3. Juni’94

    Autor: I. Bromberg, langjähriger Berater der KomKon 1, Doktor der Geschichtswissenschaften, Herodotpreisträger (’63,’69 und’72), Professor, Träger des Kleinen Jan-Amos-Komenský-Preises (’57), Doktor der Xenopsychologie, Doktor der Soziotopologie, Ordentliches Mitglied der Akademie für Soziologie (Europa), Mitglied und Korrespondent des Laboratoriums (der Akademie der Wissenschaften) der Großen Tagora, Magister der Realisierungen der Perceval-Abstraktionen

    Projekt 009: »Besuch der alten Dame«

    Betr.: Arbeitsmodell für die Progressorentätigkeit der Wanderer im System der Erdenmenschheit

    Lieber Kammerer!

    Bitte fassen Sie den förmlichen Briefkopf, mit dem ich das Schreiben versehen habe, nicht als das Gespött eines alten Mannes auf. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass meine Antwort sowohl persönlicher Natur ist, als sie auch ganz offiziellen Charakter trägt. An den Briefkopf Ihrer Rapporte und Berichte erinnere ich mich noch gut … seit dem Moment, als der arme Sikorsky sie einmal vor mir auf den Tisch geworfen hat - als ziemlich erbärmliches Argument.

    Meine Einstellung zu Ihrer Organisation hat sich seitdem nicht geändert. Sie ist Ihnen zweifellos bekannt, denn ich habe nie ein Hehl daraus gemacht. Aber ich danke Ihnen für das Material, das Sie mir freundlicherweise zusandten und das ich mit großem Interesse studiert habe. Ich möchte Ihnen versichern, dass Sie bei dieser Ausrichtung Ihrer Arbeit (aber nur bei dieser!) in mir einen begeisterten Mitarbeiter und Mitstreiter finden werden.

    Ich selbst habe viele Jahre lang Überlegungen zur Natur der Wanderer angestellt - wie auch zur Unvermeidlichkeit ihrer Konfrontation mit der Erdzivilisation. Und ich weiß nicht, ob es ein Zufall war, aber ich erhielt Ihre »Modellübersicht« just in dem Moment, als ich mich gerade mit den Ergebnissen und Schlussfolgerungen meiner langjährigen Überlegungen beschäftigen wollte. Da ich jedoch davon überzeugt bin, dass es keine Zufälle gibt, scheint mir, dass die Zeit für diese Frage wohl einfach reif war.

    Nun habe ich weder Zeit noch Lust, ihre Unterlagen einer detaillierten Kritik zu unterziehen, kann aber nicht umhin, hier zumindest Folgendes anzumerken: Die Modelle »Krake« und »Conquistador« waren so primitiv, ja geradezu albern, dass ich einen Lachanfall bekam. Das Modell »Neue Luft« erweckte zwar den Eindruck, als sei es nicht völlig trivial - entbehrte aber dennoch jeglicher seriöser Beweisgründe. Acht Modelle! Achtzehn Mitwirkende. Und darunter Leute wie Karibanow, Yasuda, Mikić! Zum Teufel, da hätte man doch Bedeutenderes erwarten können! Wie Sie meinen, Kammerer. Mir allerdings drängt sich der Verdacht auf, als hätten Sie diesen Großmeistern Ihre »Sorge angesichts des Mangels an

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