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Rosen für Rosy
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eBook289 Seiten3 Stunden

Rosen für Rosy

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Über dieses E-Book

Selbst in einem Land, in dem jeder zweite Einwohner entweder Schriftsteller oder Musiker ist, läuft man nur selten einer echten Berühmtheit über den Weg. Wer hätte also gedacht, dass der gut aussehende Typ, der sich vor dem Schaufenster von Rosy's Prettiest Flowers Shop die Schuhe zubindet, solch eine Berühmtheit ist?

Rosy sicherlich am allerwenigsten. Doch die leidenschaftliche Blumenhändlerin denkt sowieso nicht immer in die richtige Richtung – und steht sich selbst und der Liebe irgendwie immer im Weg.

Da wollen wir mal hoffen, dass es dieses Mal anders ist ...

Roseport Lovers: Teil 4 der "Roseport Lovers" Reihe von Maja Keaton. Alle Bücher der Reihe sind in sich abgeschlossene Romane und können unabhängig voneinander gelesen werden!
SpracheDeutsch
HerausgeberObo e-Books
Erscheinungsdatum6. März 2023
ISBN9783968160764
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    Buchvorschau

    Rosen für Rosy - Maja Keaton

    1

    Rosys Mund stand sperrangelweit offen. Die Sommermorgenluft zog ungehindert kühl und salzig in ihren Rachen. Doch auch die frische Brise versetzte sie nicht in einen handlungsfähigen Zustand. Rosy war schlicht und ergreifend sprachlos. Den langen Kerl, der vor ihr aufragte wie der Rundturm von Turlough, konnte sie nur noch verdattert anstarren. Dass er so ziemlich der am besten aussehende Mann war, der je durch diesen Ort spaziert war, spielte in dem Moment keine Rolle. Die schönen braunen Augen, das dichte, dunkle Haar, die männlich kantigen Gesichtszüge verschmolzen mit der idyllischen Umgebung zu einem einzigen Brei. Selbst das brüllende Löwenmaul, das den Hals des Mannes zierte und das Rosy bis vor wenigen Sekunden noch so beeindruckt hatte, nahm sie nur noch am Rande wahr. In ihrem Kopf herrschte ein Klima wie auf einer Weide in den frühen Morgenstunden: Nichts als wabernde Nebelschwaden.

    „Habe ich etwas Falsches gesagt?", fragte der Mann. Es klang so spöttisch wie Männer seines Schlages halt klingen.

    Zum Glück tapste in dem Moment die kleine Mrs. Vannickle mit ihrer limonengelben Zuckerwatte-Frisur hinter dem Mann vorbei. Ihr gehörte das gemütliche Café gleich neben Rosy’s Prettiest Flowers Shop. Obwohl Mrs. Vannickle schon weit über siebzig war, erschien sie noch täglich auf der Arbeit.

    „Guten Morgen, Rosy-Schätzchen." Die alte Dame riss Rosy aus ihrer Starre. Überflüssigerweise ließ sie es sich nicht nehmen, anzüglich zu zwinkern.

    Rosy klappte den Mund zu. Es hatte ihr gerade noch gefehlt, dass Mrs. Vannickle im Café herumposaunte, dass Rosy McAllister mal wieder einen Touristen ansabberte, noch dazu einen mit tätowiertem Hals.

    Wobei in diesem Fall von Sabbern nicht die Rede sein konnte. Eher von Feuer speien.

    „Guten Morgen, Mrs. Vannickle", grüßte Rosy so freundlich wie immer zurück, denn die Café-Besitzerin konnte schließlich nichts für den ungehobelten Klotz mit dem Löwenkopf-Tattoo.

    Na ja, dachte Rosy aber dann, vielleicht hat der Mann sich auch nur ungeschickt ausgedrückt. Oder ich habe da was falsch verstanden.

    Blödsinn, dachte sie schon im nächsten Moment. Wie sollte man es schon verstehen, wenn jemand breit grinsend erklärte: Du sagtest, dass ich gegen Vorlage der Rose Spaß im Bett habe.

    Allerdings musste Rosy die Betonung schon auf breit grinsend legen, denn das mit dem Spaß im Bett hatte sie dummerweise zuerst gesagt. Okay. Jetzt mal langsam und immer der Reihe nach. Natürlich hatte Rosy sich dem Kunden nicht als Betthäschen angeboten. Sie hatte sich überhaupt nicht angeboten. Um ihn vom Kauf einer original Roseporter Wildrose zu überzeugen, hatte sie ihren erprobten Spruch gebracht: „Für lausige fünf Pfund wirst du heute Abend im Hotelzimmer bei deiner Frau einen Stein im Brett haben."

    Noch dazu hatte sie dabei zu der ausnehmend hübschen Schwarzhaarigen mit dem imposanten Vorbau gesehen, die unmittelbar vor dem Mann an ihrem Ladenfenster vorbeigerast war.

    Immerhin hatte der Spruch wie üblich gewirkt und Mr. Löwenmaul hatte die Rose genommen. Danach war es ein wenig hin- und hergegangen, belanglose Worte, an die Rosy sich schon gar nicht mehr erinnerte. Und dann war er auf ihren Verkaufsspruch zurückgekommen. Während Rosy die Gesichtszüge entglitten waren, hatte der Kerl behauptet, Single zu sein. Soweit der Anfang der Geschichte.

    Die Single-Story jedoch fiel Rosy schwer zu glauben, denn die Schwarzhaarige stand am Ende der Einkaufsstraße und guckte zu ihnen.

    Rosy blickte dem imposanten Mann fest in die Augen, unterdrückte ein Schnauben und fragte ein wenig streng: „Habe ich etwas falsch verstanden?"

    Schulterzucken. Hochschnellende, fragende Augenbraue. Alles gleichzeitig. Dann eine erschrockene Miene, ein schneller Blick über die nicht zu breite, aber dennoch ansehnliche Schulter nach hinten zu der Schwarzhaarigen. „Du hast gedacht ..."

    Er verstummte mitten im Satz.

    Schnellmerker!

    Rosy nickte und erwiderte empört: „Natürlich."

    Ihr Gegenüber atmete hörbar ein und stopfte zum zweiten Mal, seit Rosy mit ihm sprach, seine Zunge so hinter seine rechte Wange, dass eine Beule entstand. Dann blickte er noch zu Himmel. Aber nicht genervt, sondern eher peinlich berührt, geradezu schüchtern. Ein Räuspern erklang. Sein Blick irrte irgendwo zwischen dem Schaufenster und dem Weltall umher.

    Rosy wurde zunehmend mulmiger zumute.

    Anscheinend hatte sie tatsächlich was falsch verstanden und total überreagiert. Aus der Tatsache, dass dieser gutaussehende Mann und die Schönheit mit der schwarzen Mähne so kurz hintereinander über den Gehweg gerast waren, hatte sie gefolgert, dass sie ein Paar waren. Sie hatte ja sogar bedauert, dass der Mann vergeben war.

    War das peinlich!

    Aber es hatte wirklich so ausgesehen. Und eigentlich sah es auch noch immer so aus.

    „Tut mir wirklich leid", sagte der Mann, den Blick krampfhaft auf das Schaufenster gerichtet.

    Mir tut es leid", seufzte Rosy, bevor ihr klar wurde, was sie da schon wieder gesagt hatte. Jetzt musste er denken, es täte ihr leid, dass sie ihm eine Abfuhr erteilt hatte. Damit begann nämlich der zweite Teil der Geschichte.

    Als dieser viel zu gut aussehende Mann gesagt hatte, dass er Single sei, hatte er das nämlich ziemlich nett formuliert. Er hatte gesagt: „Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, ohne wie das allerletzte Arschloch rüberzukommen, aber die Sache ist nun einmal so: Ich habe keine Frau. Ich bin nämlich Single."

    Eigentlich war Rosy nicht so ein Tollpatsch. Aber heute war anscheinend der Wurm drin. Ihr Unterbewusstsein war schuld. Es hatte zwei Sätze aus dem Zusammenhang gepflückt und sehr ungünstig kombiniert. Und daraus noch ungünstigere Schlüsse gezogen.

    Merkwürdigerweise schien es nicht nur ihr so zu gehen.

    „Ich wollte dich wirklich nicht so plump angraben", kam es von oben. Dieses Mal sah ihr der Mann geradewegs in die Augen – und lief dann knallrot an.

    Rosy konnte nicht anders. Sie musste lachen. „Nicht so plump?"

    „Oh Mann." Das Augenrollen hatte der Mann drauf. Wenn er das tat, sah er so süß aus wie ein Lausejunge.

    Ein unwillkürlicher Seufzer kam über Rosys Lippen. Wenn Mr. Löwenmaul in der Nähe wohnen würde – sie wäre verloren. Aber so ...

    Keine Geschichten mehr mit Touris!, mahnte sie sich selbst.

    „Könnten wir mein Gelaber über Nächte und meinen Beziehungsstatus eventuell vergessen?"

    Auch wenn Mr. Löwenmauls Stimme noch so schön seidig rau klang, Rosy würde nicht nur das Gelaber über Nächte und Beziehungsstati vergessen, sondern gleich den ganzen Mann.

    „Das wollte ich auch gerade vorschlagen, sagte sie ganz professionell. „Ich wünsche dir einen schönen Aufenthalt in Roseport und eine angenehme Weiterreise. Ciao.

    Mr. Löwenmaul schien einen kurzen Moment zu zögern, doch dann hob er die Hand mit der 5-Euro-Touri-Rose, lächelte, sagte ebenfalls „Ciao" und ging mit ausladenden Schritten zu der Schwarzhaarigen.

    2

    Sie haben sich nicht angefasst.

    Er hat keinen Arm um sie gelegt.

    Kein Kuss.

    Er hält die Rose noch immer in der Hand.

    Bin ich eigentlich bescheuert?!

    Rosy umklammerte den Eimer mit den übrig gebliebenen Wildrosen und ging zurück in ihren Laden. Selbst nach fünf Jahren, den sie das Blumengeschäft nun betrieb, freute sie sich jeden Tag aufs neue über das hübsche Geschäft, das früher ihrer Oma gehörte. Obwohl Granny leider schon gestorben war, war der Laden Rosys größtes Glück. Sie blinzelte die Tränen weg, die selbst nach all der Zeit noch jedes Mal in ihre Augen stiegen, wenn sie an Granny dachte. Ihre Großmutter hatte ihr alles über Blumen und Pflanzen beigebracht. Nebenbei hatte sie ihr zudem durch so manche schwere Zeit geholfen.

    Aus dem Radio tönte der Wetterbericht, durchsetzt von Miss Daisys leisem Maunzen. Miss Daisy war zwar eine Katze, legte jedoch bisweilen das Verhalten eines Hundes an den Tag. Wenn Rosy auch nur eine Minute aus ihrem Blickfeld verschwand und dann zurückkehrte, freute sich das weiße Tier mit den schwarzen Ohren und dem schwarzen Mäulchen wie Bolle über das Wiedersehen.

    „Nun lass mich doch erst mal den Eimer abstellen, schimpfte Rosy in liebevollem Ton. „Ich bin ja sofort bei dir.

    Mit mühsam aufgerichtetem Schwanz umstrich Miss Daisy Rosys Beine, bevor sie sich prompt dort niederließ, wo Rosy den Eimer abstellen wollte. Das gute Katzentier war bereits reichlich in die Jahre gekommen. Überaus vorsichtig pflanzte sie ihr breites Hinterteil auf den Boden.

    „Ich fass’ es nicht", seufzte Rosy. Kurzentschlossen stellte sie den Eimer auf den verschrammten Holztisch, auf dem die Kasse stand und der zudem genügend Platz bot, um Blumen zu stecken oder in Papier einzuschlagen. In dem Moment flog die Ladentür scheppernd auf und das Glockenspiel verbreitete nicht wie üblich sein helles Geklimper, sondern flog gleich vom Haken und quer durch den Laden.

    „Weißt du, wer in the House ist?"

    „Willst du mich umbringen!" Rosy schoss herum. Ihre kleine Schwester war vor wenigen Wochen sechzehn geworden. Dessen ungeachtet benahm sie sich so laut und stürmisch wie eine ungezogene Vierjährige.

    „Du weißt es nicht. Hab’ ich’s mir doch gedacht. Du kriegst nichts mehr mit. Du bist schon genau wie Mom. Abgesehen vom Style", gestand Grace mit schmerzverzerrtem Gesicht ein, bevor sie mit ihrer erdbeerrosa Mähne, die wie ein Windsack hinter ihr her flatterte, zum Tisch raste und am Radio herumschraubte.

    Es krächzte und krachte. Schließlich wurde Grace fündig. Musik erklang, beziehungsweise das, was einige Leute für Musik hielten.

    Jetzt war es an Rosy, das Gesicht vor Schmerz zu verzerren. Selbst Miss Daisy mit ihrer Altersarthrose floh hinkend aus dem Verkaufsraum, in das daran anschließende Lager.

    „Mach den Krach weg! Das ist geschäftsschädigend!", stöhnte Rosy auf, die Hände auf die Ohren gepresst.

    „Verstecken sich deine zahlreichen Kunden etwa zwischen den Blumen? Oder warum kann ich niemanden sehen?, brüllte Grace mit der Musik um die Wette. Auf ihrem Gesicht erschien ein teuflisches Grinsen. Zum Glück für alle, vermutlich sogar für die Blumen, drehte die Sechzehnjährige die Lautstärke wieder runter. „Ich gebe es zu: Das ist nicht ihr bester Song.

    „Das soll ein Song sein?" Rosy nahm die Hände von den Ohren.

    Deep Cry von Murders at Dark Night. Grace grinste noch immer wie ein gemeiner Troll, der irgendetwas ganz Fieses ausheckte. „Die Band hält sich momentan in Roseport auf.

    „Um Himmels Willen! Ich hoffe doch, dass sie bald wieder verschwindet. Stehst du auf die?"

    „Ich hatte eine Phase ... Aber wenn ich drüber nachdenke, finde ich sie immer noch richtig gut."

    Rosy verdrehte die Augen. Sie ging in dieselbe Richtung, in die Miss Daisy davongehumpelt war. Arbeit wartete auf sie. Mr. Löwenmaul hatte sie schon mehr als genug Zeit und Nerven gekostet. Und über die Anwesenheit oder Durchreise von Bands wunderte sich hier kein Mensch. In Irland war jeder zweite in einer Band. Wenn nicht das, dann machte er in einer der zahlreichen Theatergruppen mit oder schrieb zumindest ein Buch. „Ist die Schrei-Phase wieder aufgeflammt und willst du mich um zwei Pfund für Konzertkarten anschnorren?"

    „Wenn die ein Konzert geben würden, wären die Karten seit einem Jahr ausverkauft und es wäre absolut unmöglich, jetzt noch welche zu bekommen. Never ever. Und mit zwei Pfund kämst du schon gar nicht aus, Schwesterherz. In welchem Jahrhundert lebst du eigentlich?"

    „Dann ist es ja gut. Aber was willst du eigentlich bei mir? Ist irgendwas mit Dads Geburtstag?" Rosys und Graces Vater feierte am kommenden Mittwoch seinen Sechzigsten.

    „Nö. Dafür ist doch alles geklärt."

    „Warum bist dann hier? Doch bestimmt nicht, um mir zu sagen, dass diese Mörder des guten Geschmacks in Roseport weilen, um kein Konzert zu geben."

    Mörder des guten Geschmacks ... Grace folgte ihr auf den Fuß. „So redet Mom auch über deine Tattoos.

    Rosy kümmerte sich nicht um Graces Bemerkung. Sie gab auch nicht zurück, dass ihre Mutter genau so auch über Graces ständig wechselnde Haarfarben sprach. Vor einer Woche war Graces Haar noch grün statt rosa. Rosy zog das größte Tablett aus dem Regal, das sie besaß. Das Hotel ein paar Türen weiter hatte zwanzig Mini-Vasen mit Blümchen bei ihr bestellt, für den kleinen Frühstücksraum und als Zimmerschmuck. Vermutlich nächtigten diese Mörder des Gehörs dort und fraßen dann die armen Blumen. Sie würde also ein paar giftige Exemplare auswählen. „Also, kleine Schwester ... Was kann ich für dich tun?"

    „Du musst zugeben, dass Callum Reilly ein Sahneschnittchen ist ..."

    Inzwischen hatte Rosy die Väschen in vier Fünferreihen auf dem Tablett arrangiert und füllte sie mit Wasser. „Callum Reilly? Ist der einer von den Schreihälsen?"

    „Es ist der, dem du gerade eine original Roseporter Wildrose angedreht hast."

    Rosys Kopf zuckte hoch. „Der ist Sänger?"

    „Kein Sänger. Er schreibt die Texte und steht am Keyboard. Die Band ist ziemlich bekannt. Anfang des Jahres haben sie den Preis für die erfolgreichste Rockband Irlands gekriegt. Boah, Schwester! Das war die Preisverleihung mit dem Attentat."

    „Du verarschst mich doch!"

    „Nein, sagte Grace gedehnt. Sie klimperte mit den Wimpern und hob zwei Finger zum Schwur. „Ich sage die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.

    „Das ist ja nicht zu glauben. Und einer von den Typen hat bei mir eine Rose gekauft. Das find ich dann jetzt doch ... ziemlich cool. Zur Abwechslung mal eine echte Berühmtheit und kein Möchtegern-Star."

    Rosy hatte in den Nachrichten von dem Attentat gehört. Den Anfang der Preisverleihung hatte sie sogar im Fernsehen mitverfolgt. Allerdings war sie weitergezappt, als eine Opernsängerin ihr Bestes gab. Später hatte dann irgendein Irrer einen in einem BH versteckten Molotow-Cocktail auf die Bühne geworfen. Zum Glück war es nur eine vergleichsweise kleine Dröhnung gewesen. Nichtsdestotrotz hatte es einige Verletzte gegeben. Darunter war auch ein Familienangehöriger der in Irland ziemlich bekannten Besitzer einer Luxus-Hotelkette gewesen. „Dann ist der Sänger der Sohn von DEN Reillys ... Du wirst es nicht glauben, Gracy, aber als ich seine Stimme hörte, dachte ich, dass er Sänger sein könnte." Rosy konnte nicht verhindern, dass ihr das Blut in den Kopf stieg. Schnell ging sie in den Verkaufsraum, um den Eimer mit den Wildrosen zu holen.

    „Hab’ ich’s mir doch gedacht, dass du auf ihn stehst ... Wie du ihn angesabbert hast", rief Grace ihr hinterher.

    Nach ihrer Rückkehr stellte Rosy ein bisschen überengagiert den Roseneimer auf den Tisch. Dabei warf sie ihrer Schwester einen vorwurfsvollen Blick zu. „Keine ..."

    „... One-Night-Stands mit Durchreisenden. Ist schon klar", beendete Grace den Satz. Sie nahm sich ein Messer und half Rosy geschickt beim Kürzen der Rosen.

    „Was machen diese Typen eigentlich in Roseport, wenn sie kein Konzert geben? Für mich sahen die aus wie ganz normale Touris. Es waren ja nicht nur die Jungs von dieser Band auf der Straße, sondern ein paar Leute mehr, auch Frauen. Rosy stockte. „Ja, klar. Die anderen gehörten zum Team. Der Agent, Rowdies ... und natürlich ein paar willige Boxenluder.

    Schwester ..., kicherte Grace. „Aber du hast recht. Es hatte schon was von Sightseeing, wie die durch unseren Ort gelatscht sind. Grace zuckte mit den Schultern, bevor sie zum eigentlichen Anliegen ihres Besuchs kam. „Ro-ho-sy ...?"

    Rosy sah auf. Warum wunderte es sie nicht, dass da noch was kam? „Was willst du, Gra-ha-cy?"

    „Ein Alibi für heute Abend."

    Rosy balancierte das Tablett zur Ladentür hinaus. Sie hätte Grace bitten können, die Blumen ins Hotel zu bringen. Aber ihre Schwester sollte lieber die Stellung halten und das Glockenspiel, das sie bei ihrem Kommen aus der Verankerung gerissen hatte, wieder aufhängen. Rosy musste mal an die Luft. Sie arbeitete nicht nur in dem schmalen Haus mit dem rosa Laden, sondern wohnte auch auf den beiden weiß getünchten Etagen darüber, weshalb sie heute noch nicht wirklich draußen war. Außerdem hatte sie nicht gefrühstückt. Entsprechend knurrte ihr Magen.

    Gleich nachdem sie das Hotel Miller mit Blumen versorgt hätte, würde sie sich in der Bäckerei mit Sesamhörnchen eindecken. Sesamhörnchen mit Butter – ihr absolutes Lieblingsfrühstück. Dazu eine große Tasse Datteltee mit einem Schuss Milch und die Welt war in Ordnung.

    Es war einer dieser ganz normalen Samstagvormittage, an denen manchmal sogar drei Leute gleichzeitig in der Hauptstraße unterwegs waren. Ab und zu raste auch ein Wagen mit überhöhter Geschwindigkeit durch den Ort, wie gerade eben der Jeep von Jack O’Brien. Aber darüber regte rüber sich hier niemand auf. Wen hätte der Ex-Schauspieler und Besitzer der Jack-O’Brien-Stiftung schon überfahren sollen? War ja niemand da.

    Und dann fiel hin und wieder eine Touristengruppe über die 3000-Seelen-Gemeinde her, um beim Anblick der schmalen, pastellfarbigen Häuser, Paddy’s Pub und den schnuckeligen Geschäften, die aus einem vergangenen Jahrtausend zu stammen schienen, in Entzücken auszubrechen. Also genau wie heute, wo sie gleich nach der Ladeneröffnung dem Liebespaar des Jahres ein Grabgesteck für die verstorbene Mrs. Doogan verkauft hatte. Mit dem Unterschied, dass die Touri-Gruppe eine Musiker-Gruppe gewesen war. Rosy zwang sich, nicht an diesen Callum Reilly zu denken. Dafür dachte sie an die ersten Kunden des Tages: Logan und Caty.

    Eigentlich hatte Rosy ihren Groll gegenüber Logan ja schon vor geraumer Zeit zu Grabe getragen. Außerdem mochte sie Caty, über die man sich im Ort ziemlich interessante Dinge erzählte und die morgen auf einen Orangenblütentee bei ihr vorbeischauen würde. Trotzdem hatte es in ihrem Herzen schlimmer gestochen als damals bei ihrem ersten Tattoo, als sie Logan und Caty Hand in Hand aus ihrem Laden marschieren sah.

    Vielleicht hätte sie sich damals mehr auf Logan einstellen müssen, als sie versucht hatten, ein Paar zu werden. Vielleicht hätte es ja doch klappen können mit ihnen. Andere passten schließlich auch nicht zusammen und bekamen es bis zur Silbernen Hochzeit hin. Ihre Eltern waren das beste Beispiel für ein Ehepaar, das sich pausenlos in den Haaren lag.

    Während Rosy das Tablett mit den leise gegeneinander klimpernden Vasen mit den Wildrosen über die Hauptstraße zum Hotel Miller trug, zerbrach sie sich also über Dinge den Kopf, die man nicht ändern konnte. Und die sie inzwischen auch nicht mehr ändern wollte.

    Logan und Caty passten zusammen wie die Faust aufs Auge. Das war eine Tatsache. Jeder konnte es sehen, jeder wusste es, auch sie selbst. Und sie war glücklich damit. Wirklich. So glücklich wie mit der Tatsache, dass ihre Schwester mit dem nettesten Jungen aus ganz Roseport zusammen war. Luke war wirklich ein ganz Lieber. Den beiden gab sie gern ein Alibi. Rosys und Graces Mutter übertrieb es nun wirklich mit der Strenge. Eine Sechzehnjährige am Samstagabend zu Hause einzusperren, war schon reichlich weltfremd. Rosy wusste, wovon sie sprach. Mom sollte lieber froh sein, dass Grace einen Jungen gefunden hatte, den sie liebte und der Grace ebenso zurückliebte. Wenn sich die nun schon zwei Jahre bestehende Beziehung der beiden so weiter entwickelte, würden sie irgendwann heiraten, ein Haus bauen und zwei süße Kinder bekommen. Vermutlich lange bevor Rosy einen Mann gefunden hatte.

    Bevor Rosy noch vollends im Selbstmitleid versank und sich mal wieder vorzustellen begann, dass sie in Roseport vertrocknen würde wie ein Feldröslein am Rande eines Weizenfeldes, holte sie tief Luft. Sie dachte an all die schönen Dinge, die ihr im Leben widerfahren waren. Zum Beispiel Granny und der Blumenladen. Tja, und Gracy.

    Wenn ihre kleine Schwester dann eines Tages verheiratet war, wäre Rosy noch jung genug, um in der Hauptstadt ihr Glück zu versuchen. Dort würde auch sie dann die große Liebe treffen. Ja, so würde es laufen. Bis dahin machte sie das Beste aus ihrem Leben hier. So schlimm war es schließlich auch wieder nicht. Eigentlich ganz im Gegenteil. Sie lebte am schönsten Fleck der Erde, hatte ihren Laden, ihre Schwester und ein paar nette Freundinnen. Mit Caty kam gerade eine weitere Freundin dazu. Nur ein Mann fehlte ihr zum Glück. Auch das würde schon noch werden.

    Als Rosy am sogenannten Supermarkt vorbeikam, grüßte sie Paddy, der auf der anderen Straßenseite auf dem Weg in seinen Pub war.

    „Willst du mir mit deiner Armwedelei irgendetwas mitteilen?", rief sie ihm fröhlich zu.

    „Guck nach vorn", brummte Paddy großäugig aus seinem bärtigen Gesicht.

    „Vorsicht!", rief

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