Liliths magisches Abenteuer
Von Miriam Freitag
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Buchvorschau
Liliths magisches Abenteuer - Miriam Freitag
Kapitel 1
Wusch! Ein Auto fährt an mir vorbei. Es ist Donnerstag und ich mache mich auf den Rückweg von der Schule nach Hause. Heute hatte ich nur sechs Stunden. Ich spüre die warmen Strahlen der Frühlingssonne. Der Himmel hat heute die Farbe meiner Augen, strahlend blau. Nur ein paar Schönwetterwolken sind zu sehen. Ich laufe die Hauptstraße entlang, die sich durch das gesamte Dorf schlängelt. An beiden Straßenseiten stehen aus Sandstein gemauerte Häuser, die ein- oder zweigeschossig gebaut sind. Mein Weg führt mich auch an der Bushaltestelle vorbei. Zum Glück muss ich nicht mit dem Bus fahren, so wie einige Klassenkameraden, da die Bus-Tickets für Schulkinder ab 10 Jahren teuer sind und ich mittlerweile 11 Jahre alt bin. Außerdem mag ich das kleine, malerische Küstendorf Mousehole und könnte es mir nicht vorstellen, irgendwo anders zu wohnen. Hier kennt jeder jeden und man hilft sich gegenseitig. Ich höre Vögel zwitschern. Nichts und niemand kann meine gute Laune heute zunichtemachen. Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Beschwingt hüpfe ich über den Bürgersteig. Beim Vorbeigehen grüße ich einige Leute. Ein leichter Wind weht durch mein Haar, als ich an der Bäckerei vorbeikomme. Da fällt mir etwas ein. Ich sollte doch noch die Safranbrötchen für Papa abholen! Das Türglöckchen läutet, als ich die Bäckerei betrete. Mir steigt sofort der Duft von frisch gebackenem Gebäck in die Nase. Seit heute Morgen habe ich nichts mehr gegessen und bin nun entsprechend hungrig.
„Hallo, was darf es sein?", fragt die Verkäuferin hinter der Theke. Sie kennt mich schon. Ich gehe oft nach der Schule zum Bäcker.
„Ähm… mein Vater hatte hier angerufen und Safranbrötchen zurücklegen lassen. Außerdem hätte ich gerne noch ein Nussteilchen.", antworte ich. Mir läuft förmlich das Wasser im Mund zusammen, als ich die einladende Auslage betrachte.
„Das macht dann 6,50 Pfund. Schönes Wetter draußen, nicht?" sagt die Verkäuferin. Ich nicke und schaue hinaus. Da sehe ich wie ein alter, grauhaariger Mann mit seinem Gehstock ohne auf den Verkehr zu achten, langsam über die Straße geht.
„Das ist ja Mr Williams!, entfährt es mir. Die Verkäuferin schaut mich verdutzt an. „Er wohnt ein paar Häuser weiter
, erkläre ich, als ich bemerke, dass ich das, was mir durch den Kopf ging, eben laut gesagt habe. Peinlich…
Zu meinem Entsetzen sehe ich wie ein Auto mit hoher Geschwindigkeit angefahren kommt und zwar direkt auf Mr Williams zu! Was ist, wenn der Fahrer es nicht rechtzeitig schafft zu bremsen? Ich muss etwas tun, sonst wird mein alter Nachbar überfahren! Schnell gebe ich der Frau, die ebenfalls alles gesehen hat, das Geld, rufe:
„Stimmt so!", renne aus dem Laden und wäre fast mit jemandem zusammengestoßen.
„He, pass doch auf!", höre ich eine frustrierte Frauenstimme. Ich ignoriere sie. Für lange Entschuldigungen habe ich jetzt keine Zeit, es geht schließlich um Leben und Tod! In Windeseile werfe ich meinen Schulrucksack ab, ohne darauf zu achten, wo er landet und spurte auf die Straße.
„Mr Williams!", rufe ich, aber er hört mich nicht. Das Auto kommt immer näher und der Fahrer scheint nicht einmal daran zu denken, sein Tempo zu reduzieren. Das hier ist doch keine Rennstrecke!
„Das Auto! Sehen sie es denn nicht?", rufe ich und gestikuliere in Richtung Auto. Endlich schaut er auf!
„Hallo Lilith, was ist denn los?", fragt er verwundert. Laute Bässe wummern aus dem Innenraum des Autos. Ich stelle mich breitbeinig mitten auf die Fahrbahn, damit das Auto anhalten muss. Der Fahrer scheint weder mich noch Mr Williams zu sehen.
„Sehen Sie denn…" Weiter komme ich nicht, denn es geht alles ganz schnell. Ich sprinte zu Mr Williams, der gar nicht weiß wie ihm geschieht, als ich ihn am Arm packe und ihn in letzter Sekunde auf den Bürgersteig ziehe. Reifen quietschen, als der Fahrer eine Vollbremsung macht.
„Geschafft!", keuche ich, während ich mir den Schweiß von der Stirn wische und mich auf meinen Oberschenkeln abstütze. Ich spüre wie mein Brustkorb sich hebt und senkt, so als wollte mein Herz hinausspringen. Inzwischen sind ein paar Passanten stehen geblieben und haben sich alles mit angesehen. Einige kommen nun scheinbar besorgt zu uns.
„Ist alles okay?", frage ich Mr Williams. Erschrocken kann er nur stumm nicken und murmelt:
„Danke mein liebes Kind, danke."
Die Verkäuferin von der Bäckerei gibt mir die Tüten mit den Brötchen und dem Teilchen darin, die ich in Eile vergessen hatte.
„Am besten gehen Sie jetzt nach Hause und erholen sich von dem Schrecken", sage ich. Genau das würde ich nämlich jetzt auch tun. Immer noch außer Atem schultere ich meinen Schulrucksack und laufe wieder los. Meine Hochstimmung ist dahin.
Schon bald kann ich das Restaurant meines Vaters erkennen. „Zur goldenen Welle steht in großer, goldschwarzer, Schrift über der Eingangstür. Über dem Restaurant ist die Wohnung, wo ich mit Papa und Josephine wohne, aber eigentlich sind wir die meiste Zeit unten im Restaurant, weshalb wir unser Haus einfach nur „Restaurant
oder „Goldene Welle" nennen. Das Fischrestaurant befindet sich direkt am Meer und die Leute, die auf der Terrasse sitzen, haben einen tollen Blick auf die Küste. Ein Windstoß lässt die Blätter der großen Eiche rascheln. Ich gehe in das Restaurant hinein. Drinnen fällt mein Blick geradeaus auf den Tresen. Aus der Küche kommt der Duft von Essen und mein Magen knurrt. Da kommt Papa. Er hat eine Schürze umgebunden und grinst mich an.
„Hallo Papa, ich habe die Safranbrötchen mitgebracht. Josephine ist wahrscheinlich noch in der Schule, nehme ich an?", begrüße ich ihn und gebe ihm erschöpft die prallgefüllte Tüte. Josephine ist meine achtjährige Schwester. Ich lehne mich an den Tresen und beiße in mein leckeres Nussteilchen.
„Ja, danach ist sie mit ihrer Freundin beim Turnen, antwortet Papa. „Wie war es in der Schule? Du siehst aus als hättest du ein Wettrennen gemacht!
meint er belustigt. Ich erzähle ihm wie Mr Williams beinahe überfahren worden wäre und ich ihn in letzter Sekunde gerettet habe.
„Mr Williams muss echt mal besser aufpassen!, sagt Papa kopfschüttelnd und kratzt sich an seinem Dreitagebart. Wir schweigen einen Moment lang. „Ich könnte übrigens noch einen Helfer in der Küche gebrauchen
, sagt Papa schließlich. Ich stelle meinen Schulranzen ab und binde mir mit geübten Bewegungen eine Schürze um und folge ihm in die Küche. Ich helfe oft nach der Schule in Papas Restaurant. Er möchte unbedingt, dass ich es später übernehme. Ob ich das mache, weiß ich noch nicht und ehrlich gesagt, will ich mir jetzt auch noch keine Gedanken darüber machen. Alan, unser Küchenjunge kommt uns aus der Küche entgegen.
„Ich mache jetzt Mittagspause", sagt er und geht an uns vorbei.
„Ist gut, meint Papa und sagt zu mir „Du kannst den Fisch anbraten.
Ich seufze. Papa will einfach nicht verstehen, dass ich Vegetarierin bin. Er versucht immer wieder mich doch zum Fleisch essen und verarbeiten zu verführen. Ich habe mich dazu entschieden, Vegetarierin zu werden, weil ich ja in zweiter Gestalt eine Meerjungfrau und somit ein Meereswesen bin. Dies weiß er jedoch nicht, weil es ein Geheimnis ist. „Wenn du es nicht willst, bereite ich den Fisch selber zu. Schneide du das Gemüse klein", gibt Papa dann doch nach. Ich mache mich ran an die Arbeit. Möhren, Gurken und noch weitere Zutaten werden von mir kleingeschnitten. Hinter mir brutzelt Papa den Fisch. Schon bald ist die Küche vom Geruch des gebratenen Fisches erfüllt. Als Papa scheinbar gerade nicht hinschaut, wandert ein Gurkenstück in meinen Mund. Leider dreht Papa sich genau in diesem Moment zu mir um und bedenkt mich mit einem strengen Blick. Unschuldig mit den Schultern zuckend mache ich weiter. Die Salatsoße tropft auf den Boden, als ich die Flasche öffne, um diese zum Gemüse zu geben. Egal… Irgendwann bin ich fertig und stelle die kleinen Salatschüsseln nebeneinander auf ein Tablett, damit Papa sie gleich den Gästen servieren kann.
„Ich bin fertig. Falls du meine Hilfe brauchst, lass es mich wissen", sage ich und bezweifle, dass er das überhaupt mitbekommen hat. Wenn er kocht, ist er wie in einer anderen Welt. Ich hänge meine Schürze wieder zurück an den Haken.
Als ich wieder draußen bin, werde ich von der Sonne geblendet. Ich gehe den kleinen Pfad zur Küste hinunter. Fischer eilen hin und her und laden ihren Fang aus. Diese zahlreichen hilflosen Fische zu sehen, verpasst mir einen heftigen Stich. Schnell schaue ich in eine andere Richtung. Am mit Sand bedecken Teil der Küste tummeln sich Touristen. Mit geschlossenen Augen atme ich die Meeresbriese ein. Dieses Wetter heute ist einfach nur traumhaft, nicht zu heiß und nicht zu kalt. Ich laufe zu der schroffen Klippe, die sich über den Sandstrand erstreckt. Suchend sehe ich mich nach einer stillen Ecke um, wo ich mich ungestört verwandeln kann. Aber weit und breit sind nur Fischer und Touristen. Ich muss also um die Klippe herum gehen. Ich streife meine Sandalen ab und wate ins kniehohe Wasser. Weil ich eine kurze Hose anhabe, bleibt meine Kleidung trocken. Auf der anderen Seite der Klippe ist niemand. Endlich bin