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AUGEN AUF UND DURCH - Autobiographie Band 3: Biographisches von der Suche nach einem lustvollen Leben
AUGEN AUF UND DURCH - Autobiographie Band 3: Biographisches von der Suche nach einem lustvollen Leben
AUGEN AUF UND DURCH - Autobiographie Band 3: Biographisches von der Suche nach einem lustvollen Leben
eBook307 Seiten3 Stunden

AUGEN AUF UND DURCH - Autobiographie Band 3: Biographisches von der Suche nach einem lustvollen Leben

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Über dieses E-Book

Die Autobiographie erzählt in acht Teilen das fast alltägliche Leben eines Mannes aus dem letzten Jahrhundert.
Um dem Leser ein überschaubares Lesevergnügen zu bieten, wurde eine Dreiteilung des umfangreichen, im Jahr 2011 verfassten Werkes unter Berücksichtigung abgeschlossener Zeitabschnitte vorgenommen.
Im 1. Band berichtete der Autor in lebhaften, sinnlich erfahrbaren Bildern von der Zeit des Krieges um Berlin, von der Jugendzeit, von ersten sexuellen Verführungen, der ersten Ehe und dem Alltag als angestellter Architekt in der geteilten Stadt.
Im 2. Band wurden die wilden 60er und 70er Jahre lebendig, Partys, die Abkehr von der Familie, eine zweite Ehe, Herausforderungen im Beruf und andere rauschhafte Experimente, sowie eine monatelange Reise nach Afghanistan im VW Bus.
Der 3. Band thematisiert die persönliche Veränderung des Protagonisten. Auf der Suche nach "Wahrheit" trifft er in dem Wahrheitssucher Ambrosius einen Anteil seiner selbst. In einer Folge virtueller Zusammenkünfte gelangen sie gemeinsam zu einer neuen Sicht auf die persönliche Schuld in einem Ehedrama.
Im letzten Teil blickt der Autor auf die Zeit der 80er und 90er Jahre, in denen er als Astrologe und Therapeut in einem von ihm gegründeten Institut tätig war, sowie auf die sehr persönlichen, spirituellen Reisen nach Indien.
Das Werk, AUGEN AUF UND DURCH bringt dem Leser einen Mann nahe, der, wie viele aus seiner Generation vaterlos aufwuchs und daher fast "ohne Eigenschaften" nach der Maxime lebte: Entscheide dich nach dem Lustprinzip.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum11. Okt. 2018
ISBN9783746920047
AUGEN AUF UND DURCH - Autobiographie Band 3: Biographisches von der Suche nach einem lustvollen Leben

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    Buchvorschau

    AUGEN AUF UND DURCH - Autobiographie Band 3 - Satgyan Alexander

    TEIL 7

    Wahrhaftig gelogen?

    I Aventures

    II Officium

    III L'occasione fa il ladro

    IV Smoke gets in Your eyes

    V Fluorescenes

    VI Allein unterwegs

    VII Free Jazz

    VIII Resonanzen

    IX Soave sia il vento

    X Arietta

    XI I'am going home

    XII Brief an Ambrosius

    XIII Türk Blues

    XIV In the skys

    Hinweis für musikliebende Leser: Die meisten der im Text zitierten Musikstücke sind bei Youtube original zu hören.

    TEIL 8

    Die Jahre der Provinz

    I Ein neuer Start

    II Eine Hausbegehung

    III Ausflüge und Ausflüchte

    IV Astrologisches

    V Experimente in der Provinz

    VI Centrum für bewusstes Leben

    VII Die 2. Indienreise

    VIII Die 3. Indienreise

    IX Gedankenaustausch

    X Was war denn das?

    XI Jahreswechsel

    TEIL 9

    Anhang

    WETTBEWERBE

    PROJEKTE UND BAUTEN

    IMMOBILIEN UND VERWALTUNGEN

    AUSLANDSREISEN

    I AVENTURES

    Ich war auf dem Weg zu einem Treffen mit Ambrosius. Es war meine erste Verabredung und ich war angespannt und unruhig. Meine Gedanken waren mit Problemen meiner Vergangenheit beschäftigt. Nur wenige einzelne Passanten, die ich im Regen kaum wahrnahm, begegneten mir und auch einige Paare, die untergehakt nebeneinander gingen oder eng umschlungen in dem sommerwarmen Regen vorüber bummelten. Das alte Granitpflaster des Bürgersteiges glänzte und schillerte regenbogenfarben. Die Schaufenster spiegelten mich im abendlichen Licht. Mal war ich verborgen hinter den Fußgängern, dann wieder sichtbar mit meinem eleganten, hellen Strohhut in den Schaufenstern. Die Scheiben der Geschäfte erschienen mir wie Spiegel, in denen die Waren und Gegenstände zeitweise verdeckt waren, während einige Spaziergänger aus dem Strom der Passanten hervorgehoben wurden.

    Einzelne Schaufensterscheiben reflektierten das Licht des zu Ende gehenden Tages in einem schwachen Rosa, andere schillerten in einem milden Grau. Die Befestigungsknöpfe glänzten metallisch silbern, grauschwarz, manche bronziert. Dann sah ich das Schild aufleuchten, das raffiniert in einer dieser Spiegelflächen eingelassen war. , darunter ein weiteres Leuchtfeld mit dem Hinweis . Es war aber Donnerstag, 17.00 Uhr und ich war einbestellt.

    Als ich mich auf Empfehlung vor einer Woche telefonisch anmeldete, waren mir von einer weiblichen Computerstimme des Anrufbeantworters die Modalitäten des Zugangs mitgeteilt worden: Das Leuchtfeld im rechten Augenblick berühren, also und dann den passenden Tag mit der vereinbarten Uhrzeit eingeben. Das kannte ich von den Wasseruhren der Gartenbewässerung.

    Die gesamte Glasfront fuhr mit einem Laut menschlichen Aufseufzens in den Boden und ich sah vor mir einen Gang liegen, der sich in Spiegelflächen unwirklich entfernte. Beim Betreten des polierten Marmorbodens zuckte ich erschreckt von dem überraschenden Geräusch einer Toilettenspülung zusammen, das mit dem Weitergehen anschwoll und in ein Wasserfallrauschen verklang. Der Gang machte eine Biegung nach links und ich sah mich in den begleitenden Spiegeln mehr oder weniger verzerrt. Einige Spiegel vergrößerten meinen Körperumfang, andere machten mich noch dünner, als ich schon war. Witzig fand ich, dass mein Gesicht mal breit lachend oder tief betrübt erschien, obwohl ich sicher war, keine Grimasse zu schneiden.

    Ein Wasservorhang hinderte mich am Weitergehen. Eine sonore und warmherzige Stimme stellte fragend meinen Namen in den Raum: Herr Gynniarrr?, wobei das am Ende so lang gezogen rollte, dass es den Nachnamen verschluckte. Ein raffiniertes Echo. Ich war angenehm überrascht und fühlte eine freudige Erwartung. Es war mein erstes Treffen mit einem Jahrzehnt meiner Vergangenheit und ich hatte bis dahin noch keine Ahnung, was mich erwartete.

    Die Person, die mir von Ambrosius vorgeschwärmt hatte, war mir zufällig begegnet: Eine präsente Frau, mittleren Alters mit dem Formenreichtum der Sofia Loren und eben auch sonst überzeugend, sodass ich mich recht bald dazu entschloss, die mir überlassene Telefonnummer anzurufen. Die Augen der hatten so eine liebevolle Tiefe gewonnen, als sie den Namen Ambrosius aussprach, dass der Funke unmittelbar übersprang. Meine Neugierde war geweckt und der Wunsch nach Klarheit drängte mich , die Nummer zu wählen.

    Der leichte Wasservorhang verebbte. Einzelne Tropfen fielen noch auf mich, während ich eine Lichtschranke passierte, die eine Fahrtreppe vor mir in Bewegung setzte. Die letzten Wassertropfen bewirkten einen Schauer des Entzückens auf meiner unbedeckten Haut, sodass ich wünschte, ich wäre nackt beim Durchschreiten des Wasserhimmels.

    Kaum berührte ich die erste Stufe, änderte die Fahrtreppe ihre räumliche Dimension. Ich konnte mich noch am Handlauf festhalten, als die Treppe aus der Horizontalen nun als Laufband abwärts surrte. Dazu ertönte von György Ligeti, eine Musik, die ich in den siebziger Jahren hin und wieder aufgelegt hatte: Peitschenhiebe überlagert von Atemrasseln, Stimmen, Schreie, Wispern, erschauernde Erschöpfungslaute begleiteten mich in einen strahlend hell ausgeleuchteten Raum nach unten.

    https://www.youtube.com/watch?v=xD83jd1zIzQ

    Woher kam nur die Musik, die so ungemein gut zu meiner a ugenblicklichen Stimmung passte, zu diesen Gefühlen, die aufstiegen, sie emporzogen. Irgendwie hatte ich die Fahrrampe verlassen ohne zu stolpern. Das sichere Gefühl auf festen Boden zu stehen, verstärkte sich beim Anblick des Mannes, der mir entgegenkam, ohne dass ich eine Bewegung an ihm wahrnehmen konnte. Vielleicht lag das auch an dem weiten Umhang, der mich an eine marokkanische Dschellaba erinnerte. In strahlender Laune und mit ausgestreckten Händen ergriff er meine Schultern und dirigierte mich seitwärts nach rechts zu einer Sitzgruppe, während seine Augen in meine drangen und Impulse des Wohlbehagens auslösten. Seine Augen verströmten diesen ungewöhnlich seltenen Glanz eines kosmischen Funkens, der überspringt, wenn Grenzen nicht mehr existieren. Sein Gesicht war nicht nur von diesem Licht aus der unendlichen Ferne beherrscht, auch von einer alterslosen Frische mit vielen Lachfalten gezeichnet. Seine Nase war bemerkenswert gerade geformt über einer, von einer Furche gekennzeichneten, feminin geschwungenen Oberlippe. Die lockige, weich amorph wirkende Haarpracht verlor sich im Licht des Raumes.

    Vom ersten Moment an hatte ich die Empfindung einer Erscheinung zu begegnen, die etwas von mir selber spiegelte. Blickte ich vielleicht in einen Alterszustand, der mir noch bevorstand? Ich wusste es nicht, konnte es nicht deuten. Ein angenehmes Gefühl von Sicherheit umgab mich in seiner Gegenwart in dem Augenblick, als ich mich in einem Sessel niederließ, der sich wie eine zweite Haut anschmiegte und beim Hineinsetzen ein Geräusch wie Ausatmen von sich gab. Der Körper von Ambrosius wurde mit demselben Klang aufgenommen, während er sich in unmittelbarer Nähe gegenüber setzte und mit einem auffordernden Kopfnicken Ja und? raunte.

    Aber nun fühlte ich mich verunsichert und beunruhigt. Was sollte dieser Empfang? War das die Begrüßung? War ich nun eingeladen, etwas von mir zu geben? Zeit verstrich. Ich wartete. Mir wurde klar, ich müsste etwas sagen. Nochmals kam von ihm ein unmerkliches Nicken und ein warmes Ja und?.

    Also ließ ich die Anspannung los. Ich überlegte, warum ich gekommen war und ob die Musik zu meiner Begrüßung einen Sinn haben könnte. Hatte sie irgendetwas mit mir zu tun? Wo war sie eigentlich geblieben? Es war nun sehr, sehr still. Es lag so etwas wie elektrisches Knistern in der Luft, ein Geräusch, wenn Seidenpapier zerknüllt und wieder glatt gestrichen wird. Meine Gedanken wanderten umher und endlich formulierte ich innerlich einige Fragen: Warum? Warum bist du hier? Was treibt dich in diese Augen zu schauen? Und von ganz tief unten tauchten Empfindungen auf, die Metaphern gleich an die Oberfläche des Bewusstseins stießen, wieder versanken, erneut auftauchten und in Lebensthemen metaphorisch verwandelt, als gelesene Buchthesen , , , vor meinem inneren Auge vorbeizogen. Dann sah ich wieder die klaren, verstehenden Augen, die mich anblickten, eindrangen, etwas in mir wecken wollten. Ja und? zum dritten Mal.

    Eine kurze Filmsequenz drängte in mein Bewußtsein und ich fing an zu erzählen, impulsiv, ohne Zeitangabe, ohne Einleitung, was ich innerlich sah: Ich stehe in einer Stube im Obergeschoss unseres Bauernhauses. Ich sehe zwei wunderschöne Hintern, nackt strecken sie sich mir entgegen, der eine ist groß und prall, der andere jung und straff, beide sind einladend. Was soll ich machen? Ich lasse einfach alle Einwände fallen. Schmatzende Geräusche, kehlige Laute, das Aufeinanderprallen von Bauch und Po erzeugen mal einen vollen, dumpfen Ton, mal einen leichten, helleren Klang. Spitze Schreie, Kichern, glucksendes Lachen, befreites Knurren, zufriedenes Aufatmen, Plumpsen der sich drehenden Körper, die nun nebeneinander liegen und zufrieden zärtliches Wispern von sich geben. Gerüche, Düfte der Geilheit umgeben mich.

    Ich brach ab, hielt inne, musste zurückfinden zu mir und zurück zu Ambrosius. Dann drängte es mich fortzufahren, eine Tür wurde aufgerissen und meine Frau stand mit wütendem Gesicht im Türrahmen: Müsst ihr so einen Lärm machen, wenn ich unten mit meiner Frauengruppe arbeite?" Wir sagten nichts, zogen nur die Laken über unsere Körper. Meine Frau drehte sich um, knallte die Tür zu und stapfte die Treppe hinunter zur Verabschiedung der Frauengruppe, die eine Therapie-Stunde lang ihre Eheprobleme ausgebreitet hatte".

    Ambrosius blickte mich unverwandt an, irgendwie neutral, fand ich. Er sagte nichts. Ich fühlte mich dazu animiert weiter zu reden, das war damals, 1979 in Hohe, in einem Dorf mit 200 Seelen, in dem ich sieben Jahre vorher ein Grundstück für meine Frau erworben hatte, als Ersatz für den verloren gegangenen Garten ihrer Kindheit. Ihr Kleingartenparadies von 100 qm hatten wir eingetauscht gegen ein Grundstück von 7000 qm mit einem Bauernhaus aus dem Jahre 1815, mit Scheunen, Ställen, Miste, Vorgarten, Seitengarten und einer riesigen Obstwiese, eingetauscht ohne zu ahnen, was auf uns zukommen sollte. Ich wollte raus aus Berlin und aus dem Altag der Ehe. Mit dem Verkauf eines alten Miethauses, dem Erbstück meiner Frau, wollte ich die Gelegenheit wahrnehmen, den Sprung aus unserer engen Beziehungskiste zu wagen. Es war ein weiterer Versuch in einer ganzen Reihe, die ich nach drei Jahren Eheglück bereits unternommen hatte.

    Ja und? Wo ist das Problem?, die Frage von Ambrosius irritierte mich. Offenbar war ich noch nicht zum Kern gelangt. Was könnte ich ihm noch berichten? Eine Renate fiel mir ein, Sozialarbeitersex, gruppendynamische Trainings, Besuche in der H.d.K, architekturkritische Lehrveranstaltungen mit Julius Posener, eine Eltern-Kind-Gruppe ohne eigenes Kind. Wo sollte ich beginnen? Waren das alles Versuche von meiner Frau wegzukommen?

    Ja, hörte ich nun meine Stimme in der Stille des Raumes, ich wollte weg von Edda, meiner Frau, aber ich konnte nicht. Das Leben mit ihr war bequem und verführerisch. Ich musste nicht arbeiten. Ich machte das, wozu ich Lust hatte. Ich hatte mich an Mietund Pachteinkünfte gewöhnt und nutzte die Zeit nach unserer Afghanistanreise zur Neuorientierung.

    Lassen Sie sich Zeit, das war doch die Stimme meines Professors von der Meisterschule, Sie brauchen Zeit um sich zu entwickeln, vielleicht bis zum 30sten Lebensjahr. Als er mir das sagte, war ich 22, aber nun war ich bereits 30. Meine erste Karriere als angestelter Architekt hatte ich als Projektleiter bereits erfolgreich beendet. Aber mit der Verantwortung für das, was Menschen auf sich nehmen, also ein eigenes Büro, eine Familie usw. wollte es bei mir nicht klappen. Die Suche nach meiner persönlichen Aufgabe hielt mich weiter auf Trab".

    Ich räusperte mich, suchte nach einem Faden in meiner Geschichte. Da fiel mir die Sache mit dem Brand der Gaststätte in dem Miethaus meiner Frau ein.

    "Im Herbst 1970 brannte die alte Gaststätte aus, von deren Einküften wir lebten. Ich kümmerte mich sofort um die Neugestaltung. Zuerst musste jedoch die Ursache des Brandes geklärt werden. War es vielleicht Brandstiftung gewesen, weil der Bierkonsum in den alten Räumen nicht mehr brummte? War es Unachtsamkeit? Ein technischer Defekt? Übrig blieben jedenfalls eine verkohlte Theke, eine zusammengeschmolzene Musikbox, Rauchschwaden und ein verbrannter Hundekadaver. Wir waren entsetzt und versuchten naheliegende Fragen zu beantworten. Und du meinst, die haben den Hund vorher eingeschläfert? fragte mich meine Frau. Naja, der hätte doch schrecklich gebellt, wenn er Rauch und Knistern des Feuers bemerkt hätte , war meine Antwort. Ich wundere mich, dass die Deckenbalken nicht angebrannt sind. Das ganze Gebäude hätte abbrennen können. - Sieht so aus, als wäre das Feuer gezielt kontrolliert worden. Der Umsatz des Bieres wurde doch immer geringer. - Stimmt, der Wirt hatte bereits einige Male darüber geklagt, die Kneipe wäre zu alt, die Leute gingen in die moderne um die Ecke. - Aber deshalb den Hund umbringen? Er liebte ihn doch wie ein Kind! - Und seine Frau? - Ihr traue ich es schon zu.

    Das waren unsere Erklärungsversuche. Der Hund, ein schöner Schäferhund, war in der Küche zum Opfer des Feuers geworden. Es war ein gutes Alibi, nicht wahr? Die Versicherung übernahm jedenfalls ohne Einwände die Kosten des Wiederaufbaus. Zwei Monate später eröffneten wir die Gaststätte im neuen Outfit mit zeitgemäßer Innenarchitektur als unter Anteilnahme der örtlichen Presse. Die kurzweilige Euphorie der Planung und Bauleitung ging nun in einen Winter der Behaglichkeit über, beendete ich die Geschichte ironisch.

    Verunsichert zupfte ich an meinen Haaren und blickte zu Ambrosius. Er sah mich lächelnd an, was ich als eine Aufforderung interpretierte, so weiter zu machen ohne zu wissen, wohin mich die Geschichten führen würden.

    Eine weitere Modernisierung des Miethauses war von uns in die Zukunft verschoben und mir erschien die Zeit endlos vor sich hin zu fließen. Ich hatte nichts zu tun.

    Hm, machte jetzt mein Gegenüber und erinnerte mich an meine ursprüngliche Absicht, mich der Vergangenheit zu stellen.

    Nun ja, fuhr ich fort: wir lebten in jener Zeit wie ein klassisches Ehepaar ohne Kind, zuweilen auch als Kleinfamilie mit Kind. Meine siebenjährige Tochter besuchte uns alle 14 Tage. Die Übernachtungen wurden zu einer lieben Gewohnheit. Meine Frau ließ sich auf eine fürsorgliche Rolle ein, die mich erfreute. Wir lagen den Sonnabendvormittag lange im Bett, zwischen uns die Tochter und genossen das Familienglück. Ich dachte in jenen Tagen gelegentlich sogar an ein Kind für unsere Beziehung.

    Unsicher, ob ich so weiter machen sollte, blickte ich zu Ambrosius, der mich verschmitzt ansah. Seine Augen strahlten, ich deutete dies als Zustimmung,

    "Dieser Gedanke war natürlich nicht von Dauer. Ich hatte dann eine andere Idee, die für einen gewisssen Ausgleich sorgte. Anfangs des Jahrzehnts gründeten sich in Berlin überall Eltern-Kind-Gruppen. Junge Eltern wollten ihre Kinder nicht mehr den Einrichtungen der überlassen. Ich fand diese Ideen auch großartig: antiautoritäre Erziehung, Schule in Summerhill, Flower-Power-Bewegung! So etwas wollte ich auch unterstützen. Wir hatten doch Räume im Hinterhaus, die ausgebaut werden konnten. Der Garten als Spielplatz war ebenfalls vorhanden. Meine Frau hatte viel freie Zeit und ich wollte aus der engen Beziehung raus. Was hältst du davon, auf deinem Grundstück eine Eltern-Kind-Gruppe zu initiieren? Du könntest ja ein bisschen die Aufsicht vormittags übernehmen, schlug ich ihr vor. Ich brauchte einige Zeit um sie zu überzeugen, ohne meine Hinterge danken zu verraten: Mal sehen, wie sie mit kleinen Kindern zurechtkommt.

    Und?, unterbrach mich die sonore Stimme von Ambrosius.

    "Wir fanden Eltern, die interessiert waren. 4 oder 5 Paare, Akademiker, Handwerker, einen Autohändler, alle mit einem Kind. Die anfängliche Begeisterung und Anerkennung für unsere Initiative wich sehr bald den wöchentlichen Streitereien. Unterschiedliche Einkünfte stießen auf divergierende Bildungsauffassungen: Unser Kind soll nur Holzspielzeug erhalten. - Wir wünschen eine musikalische Förderung. - Hauptsache, der Johann lernt sich durchsetzen! Und dazwischen meine Edda. Als ideale Angriffsfläche ohne Pädagogikkenntnisse ergriff sie die Flucht in die vertraute Rolle der Hausbesitzerin: Der Garten kann aber nicht so verwüstet zurück gelassen werden. Auch im Hof liegen überall Spielsachen. Soll ich das alles aufräumen?

    "Und weiter gingen die Diskussionen in den folgenden Wochen: Wir plädieren für eine ausgebildete Kraft, egal was es kostet. - Das kann ich mir nicht leisten. - Warum können wir nicht abwechselnd die Aufsicht übernehmen? - Die Männer könnten auch mal einspringen. - Unmöglich, meine Frau kann keine Autos verkaufen! Es rumorte und wir zogen uns zurück, kassierten noch eine Nutzungsgebühr, bis die Gruppe sich auflöste. Jetzt hatten wir erneut leere Räume vor uns und eine Erfahrung des Scheiterns hinter uns. In der Beziehung waren wir auf uns zurückgeworfen."

    Ich schwieg. Ambrosius sah mich unverwandt an und nickte.

    "Daraufhin wurde mir von Tag zu Tag klarer, ich müsste etwas für meine eigene Entwicklung tun. Das Studium gruppendynamischer Prozesse aus Büchern konnte wohl nicht die Praxis ersetzen. Irgendeine soziale Institution, ich weiß nicht mehr den Namen, bot eine praktische Einführung für Sozialarbeiter an. Ich informierte mich voll Verlangen nach Abwechslung vom täglichen Zeittot schlagen und den Radtouren durch den Spandauer Forst. Hast du nicht Lust auf eine Fahrradtour? Am Friedhof vorbei zu der Konditorei mir der Zitronencremetorte? Edda mit ihren Vorschlägen! Das anschließende Vögeln verbrauchte zwar Kalorien, aber doch nicht täglich dieselbe Tour! Bis auf wenige Ausnahmen waren wir in Spandau permament zusammen, nur wenn die Spielautomaten repariert oder die Schallplatten der Musikbox ausgetauscht werden mussten, fuhren wir in die Stadt. Die Sohlen brannten mir unter den Füßen. Ich hatte deswegen auch schon mal in der Hochschule der Künste reingeschaut. In der Zeitung fand ich eine Notiz zu einem neu eingerichteten Lehrstuhl der Architekturkritik. Das schien mir nach meiner politischen Erweckung in Afghanistan sehr interessant zu sein. Vor allem, weil Julius Posener den Lehrstuhl übernommen hatte. Posener hatte in London den Krieg überlebt, in Malaysia eine Architekturschule gegründet und sich in Berlin großes Ansehen als Retter der Muthesius-Villen verschafft. Durch seine Veröffentlichungen wurde das Bewusstsein für den Wert und Erhalt der Jugendstilbauten geschärft".

    Meine Augen suchten den Kontakt zu Ambrosius, es kam keine Reaktion. Er ließ mich reden, beobachtete mich, kratzte sich mal mit der rechten Hand die Stirn, wirkte irgendwie aufgeräumt. Wie sollte ich mit der Situation umgehen? Ich entschied fortzufahren: Augen auf und durch!

    Meine Neugier auf Posener wurde noch größer, als ich von seinem Assistenten erfuhr, dass eine Arbeitsgruppe existierte, die durch Befragungen der Bevölkerung nach soziologischen Standards den Neubau des popmodernen U-Bahnhofs am Fehrbelliner Platz ins Visier nehmen wollte. Ich schloss mich an und wir entwickelten Fragebögen, stellten uns vor den Bahnhof, sprachen die Leute an, machten Kreuze in Spalten, werteten aus und kamen zu Ergebnissen, die nichts wirklich Neues brachten. Die Berliner äußerten sich teils ablehnend, teils zustimmend. Eine Beteiligung bei der Gestaltung von öffentlichen Bauten konnte sich damals kein Mensch vorstellen. Wir gaben das Projekt nach 2 Jahren auf.

    Abermals brach ich ab, sah sein Gesicht mit den Lachfalten und seine Augen, die unergründlich schienen. Also weiter, diese Geschichte zu Ende bringen.

    Für mich wurde die Arbeitsgruppe der Zugang zur Hochschule der Künste, die nun mein Zuhause wurde und die ich nach dem Diplom als Stadtplaner im Sommer 1975 verließ. Es war die bewegende Zeit der Studentenparlamente, der politischen Auseinandersetzungen mit konservativen Professoren und revolutionären Besserwissern. Junge Diplomanden der TU übernahmen die Lehre an der Hochschule, unterstützt von mehreren fortschrittlichen Professoren. Ich schloss mich ihnen an, hielt als Tutor und Lehrbeauftragter Vorlesungen zur Innenarchitektur und hatte zunehmend Sympathieerfolge bei Studenten und…. Ich . Meine Stimme verlor ihre Kraft. Sie wurde leiser und leiser. Ich konnte nicht mehr sprechen.

    Ambrosius äußerte sich nicht, saß abwartend in seinem Sessel, er lächelte und nickte vielsagend. Dann hörte ich leise sein ja und? oder sagte er, na und? und mir fiel ein, dass ich nicht davon erzählt hatte, was mich wirklich bedrückte. Es begann vor meinen Augen zu flimmmern, mein Bewußtsein entschwand, ich fühlte mich isoliert, ohne Kontakt zu ihm und dem Raum. Dann hatte ich den merkwürdigen Eindruck, dass er sich entmaterialisierte, dass er entschwand.

    Später fand ich mich auf einer Straße wieder, die mir völlig unbekannt war. An das Ende des Treffens kann ich mich nicht erinnern, hatte er sich von mir verabschiedet? Zuhause fand ich in meiner Hosentasche einen Zettel mit einer Notiz für eine nächste Sitzung an dem Donerstag in 14 Tagen. Sehr merkwürdig!

    II OFFICIUM

    Es war also wieder Donnerstag und das Wetter war angenehm. Es war nicht so warm und es regnete nicht wie vor 14 Tagen. Die Wolken waren licht, die Sonne schien zuweilen d urch eine Lücke, sodass ich den leichten Stoffmantel aufknüpfen konnte. Vom schnellen Gehen war mir warm geworden und die Gedanken, die ich nicht kontrollieren konnte, erzeugten eine innere Unruhe, die mich weiterhin aufheizte.

    Wie war ich eigentlich vor 14 Tagen auf die unbekannte Straße gekommen? Ich konnte mich überhaupt nicht an das Ende der Zusammenkunft erinnern. Ob und wie Ambrosius mich verabschiedet und wie ich die Räumlichkeiten verlassen hatte. Wirklich mer kwürdig! Keine Erinnerung! Amnesie vielleicht? War irgendetwas, das ich ihm erzählt hatte, so peinlich gewesen, dass ich mich nun gar nicht erinnern konnte? Möglich war es schon. Hatte ich wieder angegeben? Was hatte ich denn eigentlich berichtet? Hatte ich schon von dem Seitensprung mit der Renate erzählt, der ich beim Seminar der Sozialarbeiter begegnet war. Ich glaube nicht. Ambrosius schien sowieso nicht besonders an diesen Nebensächlichkeiten interessiert zu sein. Ich hatte ja die ganze Zeit den Eindruck, als würde ich aus einem Papierkorb Zettel mit alten Geschichten aufklauben und sie mir selbst

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