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Mechthild: Ohne Leiche kein Mord
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Mechthild: Ohne Leiche kein Mord
eBook176 Seiten2 Stunden

Mechthild: Ohne Leiche kein Mord

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Über dieses E-Book

Mechthild ist eine Hexe, sagen die Leute. Sie ist vom Teufel besessen, heuchelt der Pfarrer – und treibt es mit ihr. Einem Alten in Frack und Zylinder ist sie hörig. Für seine Katzenfelle erduldet sie alles.

Ein Dorfdrama mit Menschen in Schweiß und Wut: nah am Zeitgeist der düsteren Fünfziger: literarisch inszeniert im Licht flackernder Gaslaternen. Ein Stück deutsche Geschichte vor dem Bühnenbild traumatisierender Geschehnisse ...

Mechthild im Spiegel der Presse:

REISE IN DIE NACHKRIEGSZEIT
Dicht und spannend erzählt am Damals der Leidensjahre; keine grausame Geschichte - viel mehr die heimliche Gucklochsicht eines kleinen Jungen, in dessen kindlicher Phantasie sich Unglaubliches abspielte.
(Stuttgarter Nachrichten)

WO IST NUR DIE LEICHE?!
Die Geschichte spielt in Heidelberg: dort, wo der Autor Kindheit und Jugend verbrachte. Mit "Mechthild" ist ihm ein Kabinettstück gelungen, ein Krimi, der sich lesen lassen kann.
(Ludwigsburger Kreiszeitung)

EIN HEIDELBERG-KRIMI WIE ER IM BUCHE STEHT!
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum13. Feb. 2023
ISBN9783347869059
Mechthild: Ohne Leiche kein Mord

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    Buchvorschau

    Mechthild - VOY MIRO

    Die Rückkehr

    Heute bin ich zurückgekehrt; möchte mich in den verwehten Spuren von einst wiederfinden. Dort, wo alles begann. Mein Erwachen. Meine Bewusstwerdung. Meine Kindheitsdramen. Jahre sind vergangen. Damals noch Kind, heute im Herbst des Lebens. Es hat mich an die Ursprünge meines Werdens gezogen – da wo die Dreharbeiten für all die realitätsfernen Illusionen und seelischen Verletzungen ihren Lauf nahmen. Ich habe den Wunsch, das Drama meines Lebens auf der Bühne von damals zu sehen. Mit den Requisiten von einst. An den Originalschauplätzen. Ich werde Vieles davon nicht mehr vorfinden. Es werden nur noch kümmerliche Reste, geschrumpfte Häuflein Leben in versteckten Winkeln und Mauerritzen überdauert haben. Was fehlt, fülle ich auf. Mit Erinnerung. Mit Phantasie. Der Film spielt in den Anfängen der schummrigen Tage am Beginn der Fünfzigerjahre. Jahre der Strenge. Jahre der Strafen. Jahre der unbegrenzten Abenteuer. Die Zeit, als Deutschland aus dem Dunkel seiner Kriegstraumata gleich einer nachlassenden Betäubung langsam erwachte.

    Heidelberg wurde nicht bombardiert. Die Amerikaner hatten dieses schöne Fleckchen Erde für sich auserwählt. Es sollte ihre Stadt werden wenn alles vorbei ist. In Heidelberg wollten sie ihr Hauptquartier als Siegermacht aufschlagen. Sie haben es getan.

    Meine Lebenssonne beginnt mit den flimmernden Bildern eines kleinen, blassen Jungen, der, als deutsches Flüchtlingskind aus dem Osten vertrieben, mit seinen Eltern in der schönen Stadt, Juwel der Deutschen Romantik, gestrandet war: im Jahre 1946.

    Während ich allein, tief in mich versunken, auf den verwehten Spuren meiner Kindheit durch die erinnerungsschweren Gassen von damals wandle, da und dort von goldschimmernden Stolpersteinen, den Vor-Ort-Ankern meiner kleinen Dramen, zum Verweilen aufgefordert stehen bleibe, ja, da geht in diesen Sekunden der große, nostalgische Vorhang auf: behäbig und elegisch zugleich beginnt sich dieses majestätische Abendrot, dieses Meer aus wallendem Samt in der Mitte zu teilen und gibt mehr und mehr den Blick auf die Bühne frei, auf der meine ersten Jahre sich in ein staunendes Menschenkleines verwandelten.

    Aus den Nebeln dieser fernen Tage steigen jetzt vor mir Wege auf mit ihren Winkeln und Höfen, erfüllt von den metallenen Schlägen des Schmieds, die mein Gehör mit akustischer Strenge malträtierten. Phonetische Geschosse, zugleich auch optisch explodierend auf vergilbten, randgezackten Schwarz-Weiß-Fotografien, in denen ich den aufsteigenden Rauch von verdampfendem Horn beim Aufbrennen der Hufeisen mit scheuen Blicken, geblendeten Kinderaugen erahne.

    Und während ich von meinem Logenplatz aus mich selber dort auf der großen Leinwand als Akteur in diesem Drama erlebe, wird mir heiß von den gleißenden Flammen des Schweißbrenners, der eruptierenden Glut der lodernden Esse. Ich reibe meine Augen in der Hitze rotglühender Eisen inmitten dröhnender Hammerschläge, die bis tief in meinen Körper donnern wie eine achtunggebietende Fanfare – erregte Töne gleich wiehernder Trompetenstöße aus dem dampfenden Maul von in Panik sich aufbäumender Pferde.

    Immer tiefer dringe ich ein in die Gassen, in verborgene Hinterhöfe, vorbei an bröckelnden und aufgerissenen Mauern, an denen vorbeieilende Fuhrwerke streiften und wehe Narben hinterließen. Und weiter laufen die Bilder, ziehen mich dorthin wo meine Augen und Ohren hinter Spalten und Ritzen von morschen Toren auf ungeschminktes Leben stoßen: auf unverständliche Urlaute aus stinkenden Ställen und bitterarmen Behausungen.

    Dann wieder blitzen Bilder auf von forschen Erkundungen, die ihre Schärfe bis heute bewahrten und in deren Erleben mir damals meine eigene Existenz gleich einer aufgehenden Sonne in der Helligkeit des Tages zu Bewusstsein kam. Da ist es!, hier an dieser Stelle – in meinem Kino der Erinnerungen: das Fenster! Nur wenige Zentimeter über den aschgrauen, abgeschliffenen Pflastersteinen! Ich sehe einen Mann, tief unten in einem Gewölbekeller im matten Licht einer einzelnen nackten Glühbirne, geisterhaft von der Decke baumelnd, ein steifes Etwas zurechtschneiden, etwas, das ich bei konzentriertem Hinsehen als braunes Leder zu erkennen glaube.

    Ich versinke in des Mannes rätselhaftem Tun: am Rand der Gasse, auf den kaltnackten Steinen kniend, spicke ich durch das bodennahe geöffnete Fenster, hefte mich an den hämmernden Arm, führe in Gedanken mit ihm gezielte Schläge aus in einer dem Dunstschweiß des Schuhmachers ergebenen Werkstatt mit ihren seltsamen Maschinen und ihren mir angstmachenden Werkzeugen, unförmigen Gebilden – diffusen Traumbildern gleich; und ich spüre jetzt einen seltsamen, sich über mich ausbreitenden Frieden: Ehrfurcht im Angesicht meisterlichem Tuns.

    Und weiter ziehe ich meine Kreise, weiter über die tausend und abertausend schwarzgrauen gleichförmigen Mosaiken, über nichtendenwollendes Kopfsteinpflaster. Wo kommt das her?, dieser seltsame Geruch, den ich jetzt in der Nase spüre? Mit Freude sauge ich den süßlichen Duft von frisch gebackenem Brot in mich hinein und meine Brust atmet Wärme und Lust. Vor freudiger Erwartung nehme ich hüpfend die drei Stufen, drücke mein ganzes kindliches Körpergewicht gegen die schwere Holztüre; ich trete ein und der kleine Laden füllt sich kirchenglockenlaut mit dem Alarmton der Glocke, der eintretende Kundschaft bis in die hintersten Räume hinein ankündigt. Und gleich darauf nehme ich sie wahr: diese schleifende Schritte, den schlurfenden Gang der dickleibigen Bäckersfrau und ich recke mich jetzt hoch zur Theke, deren obere Kante mich an der Nase kitzelt; und auf diesem Altar thronend, direkt vor meinen Augen, da strahlt mir das Wunder entgegen, das Füllhorn des Süßen, vollgestopft mit rosaroten Leckereien mit denen ich gleich meinen Hunger stillen werde. Hinter der Theke, in den überquellenden Regalen, lachen knusprige Laiber zu mir herüber und ich beiße meine lechzenden Blicke lustvoll in sie hinein. Ängstlich und begehrend zugleich spiele ich mit meinen nervösen Fingern an bauchigen Gläsern, die jeden Moment zu platzen drohen – so prall gefüllt sind sie mit Gutseln, mit rosaroten Himbeerbonbons.

    Meine Augen wandern weiter, gleiten hastig: hüpfen von einem zum andern, sekundenschnell, denn gleich wird sie da sein! Ich muss mich beeilen, muss schnell noch da und dort mit Augen und Nase naschen, bevor sie sich breit und säulenhoch vor mir aufbauen, ihre gebieterische Stimme im kleinen Bäckerladen ertönen lassen wird. Eine Stimme, die mich zu einem tief nach unten beugenden Diener auffordern, mich zu unterwürfigem Äußern meines Wunsches demütigen wird.

    Und als die Frau, die Frau des Bäckers vor mir steht, beginnt sich meine Angst langsam zu entkrampfen, beginnen sich die Beuger in meinen Fingern zu entspannen, denn meine Hand ist jetzt bereit einzuwilligen, bereit, ihr mein kostbares Pfennigopfer auf dem profanen Altar, der weißbestäubten Holztheke, darzubringen: Kupferne Münzen, kleine Schätze, sicher verwahrt in drecksteifen Hosentaschen und jetzt hervorgeholt zum Tausch gegen einige dieser köstlichen Lutschdiamanten.

    Die weichen Glockentöne beim Verlassen des Ladens heben mich sanft empor, tragen mich im süßen Klang ihrer verzauberten Melodie hinaus aus dem mehligen Dunst und übergeben mich draußen auf der Gasse einer rosaroten Welt, hinter deren Schleier ich, jetzt, in diesen Momenten, meine verwehten Spuren ertaste, in dem laufenden Film meines Lebens meinen Pulsschlag von damals erfühle, die wärmende Glut in meiner Kinderbrust mich wohltuend in Geborgenheit umschließt. Und mit frohem Herzen hüpfe ich weiter, springe ich mitten hinein in die vielen Leute, die da vor einem Haus versammelt stehen. Ich stelle mich frech dazu. Mehr noch: ich drücke mich in diese fleischige Masse flegelhaft hinein!

    Was mag hier vor sich gehen? Ich muss es erkunden, muss es mitbekommen. Gezogen von lebenserwachender Neugier drücke ich mich durch die verklumpten Körper, quetsche ich mich durch schweißausdünstende Leiber wobei strenge Blicke mich strafen, boxende Ellenbogen mir den Durchgang zum Zentrum des Bebens verwehren. Ich ducke mich, husche unter ihnen hindurch, unterlaufe ihre Macht, nehme sie kurz darauf nicht einmal mehr zur Kenntnis. Die in sich Verwachsenen wehren sich, sind wütend auf einen tobenden Rotzlöffel, denn das waren wir in ihren Augen. Jetzt versuchen sie, mich mit stoßfesten Gebärden in ihre Gewalt zu bringen, zischende Laute schlagen ein in meinen Ohren: Ausgespucktes, das ich als „Lümmel, als „Rotznase! identifiziere. Ich habe meinen Logenplatz erreicht. Ganz vorn. In der ersten Reihe. Ich stehe jetzt still. Bewege mich nicht. In meinem seidenen Haar spielt der abflauende Wind verpuffender Atemstöße, der krepierte Hauch nicht ausgesprochener, unterdrückter verbaler Ohrfeigen. Mir wird plötzlich schwarz vor Augen. Ganz langsam fährt das große schwarze Auto an mir vorüber. Ich könnte es sogar berühren. Es ist ein Kombiwagen, keiner, wie ich ihn bisher gesehen habe. Auf dem schwarzen Lack entdecke ich eigenartige weiße filigrane Verzierungen, die ich mir nicht erklären kann. Das große weiße Kreuz jedoch, das kenne ich schon; vom Friedhof. Und von der Kirche. Das hier hat etwas mit Tod zu tun.

    Zwei Männer in schwarzen Anzügen und schwarzen Schuhen kommen aus dem Haus gegenüber und meine Blicke fallen auf den schwarzen Sarg, den die Männer jetzt behutsam in das große schwarze Auto schieben; direkt vor mir. Ein Wimpernschlag lang blitzt jetzt in mir ein Wunsch auf; ein Verlangen, vor dem ich erschrecke, ein Gedanke, der nicht zu mir gehört: ich will den Toten sehen! Will spüren, was der Tod mit einem Menschen macht. Will sehen, warum man einen Verstorbenen verschließt, den Blicken und der Wärme seiner Nächsten entzieht, ihn einfach stiehlt aus dem Haus, aus seinem Leben. Ich wollte. Wollte aber auch nicht. Durfte nicht wollen, weil ich dafür keine Rechtfertigung in mir fand: Angst schüttelt mich, Angst vor dem, was ich mir da wünschte. Und diese Angst war in diesem Moment größer, als mein Michfürchten vor dem Ende. Den Tod kannte ich nicht, der war nicht greifbar; nicht spürbar; der war in meinem noch jungen Leben ganz weit weg. Warum sollte ich mich vor ihm verstecken?! Wovor ich mich fürchtete, das war ich. Wie konnte ich mir nur so etwas wünschen: dem Tod ins gespenstische Gesicht zu blicken!

    Und das hier in diesen so respektgebietenden Momenten; unter freiem Himmel, unter den Augen Gottes! Mitten unter den Trauernden und Gaffenden, bei dem die einen dem Geschehen ihre Achtung darboten, andere nur schiere Neugierde zu befriedigen suchten.

    Ich bemühte meine Phantasie, um mir die schlimmsten Strafen auszudenken, wenn ich es wirklich gewagt hätte, wenn ich zu den Männern in den schwarzen Anzügen in kindlicher Angst gestottert hätte …Sie, könnten … sie … vielleicht den … Sargdeckel … kurz abnehmen, ich möchte … mal – nur kurz! – einen Toten … sehen? Nur schnell einen … Blick hinein …werfen?

    Ohrfeigen wären auf mich niedergeprasselt, hinrichtende Blicke hätten mir den Strick an den Hals gewünscht, eine Akte über mich wäre angelegt worden, ein Protokoll über ein krankes, verwirrtes Kind. Verachtung hätte man mir ins Gesicht gespuckt, Hohn und Spott über mich ausgegossen, der Bürgermeister hätte meine Eltern öffentlich an den Pranger gestellt, ein Spießrutenlaufen initiiert, unserer Familie das sofortige Verlassen der Stadt nahegelegt, meine Einweisung in eine Irrenanstalt anbefohlen. Der Pfarrer wäre höchstpersönlich gekommen zu uns nach Hause, hätte die Beichte zelebriert, Salbungen erteilt, mit heiligen Sakramenten gottesfürchtig um sich geworfen und den Herrn leibhaftig zu seinem Strafgericht hier auf Erden hinzugerufen. Trotz alledem – ich konnte nicht anders. Ich öffnete den Sarg! Heimlich, im Verborgenen, irgendwo weit hinten in meinem Kopf tat ich es; einen Spalt breit hob ich den Deckel, gerade so weit, dass ich in die Totenkammer spähen konnte. Was ich sah, würgte mich, nahm mir den Atem, ließ mich zu Stein erstarren.

    So sehr also hatte ich mich schon in meinen teuflischen Phantasien verstrickt, mich im Netz des profanen, sündigen Erdendaseins verfangen. Ich hatte mich einer mir fremden Macht ergeben, war schon einer von ihnen in der Gemeinde der Sünder, welche der Labsal der Strafe bedurften. Ich blieb mit meinem Frevel allein. Allein und einsam. Etwas in mir schrie laut: Du bist verdorben, du bist böse, du bist niederträchtig. Und niemand, dem ich das Schreckliche, das mich Verstörende mitteilen, meine lasterhaften Verlockungen zu offenbaren vermochte.

    Und wenn später, in trauter Atmosphäre, sich liebkosende Arme nach mir streckten, süßliche Worte meine Ohren umspielten, empfand ich den Schmerz der Isolation, die Schmach des Ausgestoßenseins; denn ich wusste: diese Arme liebkosen nicht mich, diese Arme drücken das liebe, das fügsame Kind. Diese Liebe galt nicht mir. Sie herzten das brave, das sich bereitwillig anpassende Kind. Das Kind, das ich nicht war, und das ich nicht sein wollte. Sie wussten es nicht. Sie wollten es auch nicht wissen. In der Güte und Reinheit ihrer Häuser gab es keinen Platz für das Schmutzige, keinen Raum für das Niedere, gab es keinen Eintritt für die Regungen der dunklen Kinderseele. Was sie liebten, was sie forderten, das war unsere Folgsamkeit, war unsere Angepasstheit, waren Leistungen, die sie uns abverlangten, die sie aus uns herauspressten. Das, was

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