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Donnererkeile - mit vielen Zeichnungen über die erlebte Begebenheiten von 1941 bis 1952 in Stettin und auf Rügen während des Zweiten Weltkriegs und iin der DDR: Gezeichnete und erzählte Erinnerungen aus Pommern mit Stettin und Rügen
Donnererkeile - mit vielen Zeichnungen über die erlebte Begebenheiten von 1941 bis 1952 in Stettin und auf Rügen während des Zweiten Weltkriegs und iin der DDR: Gezeichnete und erzählte Erinnerungen aus Pommern mit Stettin und Rügen
Donnererkeile - mit vielen Zeichnungen über die erlebte Begebenheiten von 1941 bis 1952 in Stettin und auf Rügen während des Zweiten Weltkriegs und iin der DDR: Gezeichnete und erzählte Erinnerungen aus Pommern mit Stettin und Rügen
eBook225 Seiten2 Stunden

Donnererkeile - mit vielen Zeichnungen über die erlebte Begebenheiten von 1941 bis 1952 in Stettin und auf Rügen während des Zweiten Weltkriegs und iin der DDR: Gezeichnete und erzählte Erinnerungen aus Pommern mit Stettin und Rügen

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Über dieses E-Book

Die wichtigsten Schauplätze sind die letzten drei Jahre des Zweiten Weltkriegs in Stettin und nach der Kapitulation die sogenannte Ostzone, die spätere DDR. Der Autor ist ein Zeitzeuge, der seine Erinnerungen an seine Jugend in einem Buch spannend mit Texten und Zeichnungen dokumentiert hat.
Als die Rote Armee Anfang 1945 vor Stettin steht, wird für seine Mutter mit ihren beiden Kindern die Flucht zum einzigen Ausweg. Auf Rügen finden sie eine Bleibe. Es folgen Jahre mit Entbehrungen und Hunger. Die vielen Flüchtlingskinder in dem kleinen Dorf Zirkow entwickeln eine erstaunliche Kreativität. Sie basteln ihr Spielzeug und ihre Fahrräder selbst und erfinden neue Spiele. Sie verstehen es, dem gängelnden sozialistischen System Freiräume abzutrotzen. Während die Mutter des Autors von der Rückkehr in die Heimat träumt, hat sich ihr Sohn längst in die Insel verliebt. Dennoch geht die Familie - vom Vater gibt es kein Lebenszeichen - für ein halbes Jahr nach Stettin zurück und erleidet dort die schlimmste Zeit ihres Lebens.
Heute fühlt sich der Autor wie ein Davongekommener. Seine Texte und Zeichnungen über seine Erinnerungen versteht er als Botschaft an die junge Generation. Nie wieder Krieg schworen sich damals alle. Nach 77 Jahren Frieden ist er trotz allem nach Europa zurückgekehrt - vorläufig nur in die Ukraine. Alles schon mal dagewesen, nur die Waffen sind perfider geworden und die Despoten haben nichts dazugelernt.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum15. Aug. 2022
ISBN9783347687257
Donnererkeile - mit vielen Zeichnungen über die erlebte Begebenheiten von 1941 bis 1952 in Stettin und auf Rügen während des Zweiten Weltkriegs und iin der DDR: Gezeichnete und erzählte Erinnerungen aus Pommern mit Stettin und Rügen

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    Buchvorschau

    Donnererkeile - mit vielen Zeichnungen über die erlebte Begebenheiten von 1941 bis 1952 in Stettin und auf Rügen während des Zweiten Weltkriegs und iin der DDR - Eberhard Malwitz

    Das Buch

    Stettin, Grünhoff und Rügen in der Zeit von 1941 bis 1953 in Pommern, das sind die Schauplätze dieses autobiografischen Buchs. Für den Autor ist es ein erzählendes Sachbuch, in dem er als junger Zeitzeuge Wahrnehmungen aus der Jugend dokumentiert. Mit Zeichnungen und Texten erinnert er sich, wie er als Kind den Zweiten Weltkrieg mit Flucht und Vertreibung und schließlich die kargen Jahre in der sogenannten Ostzone, der späteren DDR, erlebt hat. Rügen, wo die Familie Zuflucht findet, wird seine Heimat. Seine Eltern fühlen sich als Heimatvertriebene.

    Die Eltern hatten sich in Stettin eine solide Existenz aufgebaut. Doch dann bricht der Zweite Weltkrieg aus. Für Eberhard herrscht noch trügerischer Frieden. Als die ersten Bomben auf die Stadt fallen, spürt auch er das drohende Unheil. Zunehmende Luftangriffe zwingen seine Mutter, sich mit ihren beiden Kindern nach Grünhoff in Hinterpommern in Sicherheit zu bringen. Auf dem Land verlebt Eberhard zwei unbeschwerte Jahre. Doch eines Tages dringt das Donnergrollen von der Ostfront bis ins Dorf und verbreitet Angst und Schrecken. Er wird noch eingeschult, obwohl es mit der friedlichen Zeit nun auch in Grünhoff vorbei ist. Die Flucht vor der heranrückenden Roten Armee wird zum einzigen Ausweg. Der Vater holt seine Familie noch rechtzeitig aus der Gefahrenzone nach Stettin, aber nach zwei Wochen muss die Mutter mit ihren Kindern nochmals fliehen, diesmal bis nach Zirkow auf Rügen.

    Dort findet Eberhard die gleiche wundervolle ländliche Idylle vor wie in Hinterpommern. Als Anfang Mai ein russischer Panzer ins Dorf rollt, ist der Krieg endgültig vorbei. Eine schlimme Zeit beginnt, geprägt von Entbehrungen und Leiden.

    Eberhards Mutter zieht es bald nach Stettin zurück. Dort herrschen jedoch Hunger und Gewalt. Als feststeht, dass die Stadt künftig zu Polen gehören wird, kehrt sie mit den Kindern endgültig nach Rügen zurück. Eberhard verliebt sich in die Insel. Er und seine vielen neuen Freunde verleben eine herrliche Zeit, trotz oder gerade wegen des ärmlichen Daseins. Die Kinder entwickeln aus der Not heraus eine beachtliche Kreativität. Sie erschaffen sich vieles, was ihre Eltern ihnen nicht bieten können, bauen sich ihr Spielzeug und ihre Fahrräder selbst und erfinden neue Spiele. Die Natur um Zirkow, die Felder, das Moor, die Wälder und die Bauernhöfe werden zu begehrten Spielplätzen.

    Die Zeichnungen dazu sind aus der Erinnerung entstanden, viele Jahre bevor das Buch geschrieben wurde. Die Leidenschaft, aus dem Gedächtnis zu zeichnen, begleitet den Autor seit frühester Kindheit. Parallel zu seiner beruflichen Laufbahn in einem Forschungszentrum für physikalische Grundlagenforschung, der GSI, ist er bis in die Gegenwart auch als bildender Künstler aktiv. Für ihn sind sich Literatur und Kunst in ihrer Wirkung ähnlich. Letztlich ist es unerheblich, ob eine Botschaft durch Bilder oder durch Bücher vermittelt wird.

    Vorwort

    Gelegentlich gönne ich mir das Vergnügen, scheinbar Vergessenes wieder ins Gedächtnis zu holen. Das funktioniert am besten ausgeruht, morgens nach dem Erwachen, wenn Ereignisse aus der Vergangenheit wie ein Film vor dem inneren Auge vorbeiziehen. Ich gehe dann in Gedanken die Straße entlang, in der ich als Kind gelebt habe. Je länger ich mich konzentriere, desto mehr kommt ans Licht. Mein Erinnerungsvermögen ist nicht besser und nicht schlechter als das von anderen. Vielleicht wurde mein visuelles Gedächtnis etwas mehr geschult, weil ich seit meiner Kindheit bis heute überwiegend aus dem Gedächtnis gemalt und gezeichnet habe.

    Von derartigen Erinnerungen hatte ich in den 70ern und 80ern zahlreiche Zeichnungen angefertigt, um sie zu einem Sammelband binden zu lassen. Die Idee, ein Buch zu schreiben und zusammen mit den Bildern herauszugeben, kam mir erst später. Zeichnungen aus der Erinnerung sind nicht so zu verstehen, als sollten sie Fotos ersetzen. Niemand hätte damals bei Bombenalarm die hastenden Menschen auf dem Weg zum Bunker fotografiert. Wie beim Zeichnen kam es mir auch beim Schreiben nur auf das Wesentliche an. Zumindest meine Mitmenschen von damals sollen sich erinnern können, wenn sie meine Geschichte lesen und die Zeichnungen betrachten. Für mich ist das Buch wie ein Film, der mit Texten und Zeichnungen an eine Zeit erinnert, die es verdient, nicht in Vergessenheit zu geraten. Ich stehe stellvertretend für Tausende Zeitzeugen, die den Zweiten Weltkrieg mit Flucht, Leid und endlich Frieden mit Hunger und Verzicht als Kind erlebt haben. Dennoch, voller Spaß war meine Jugend – auch in den kargen Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf Rügen, wo zahlreiche Flüchtlinge gestrandet waren, durchstreiften wir in Horden unser Dorf und die umgebende Natur. Wir waren erfinderisch, um unsere Wünsche zu verwirklichen. Diese kreative Zeit war für unsere Generation prägend. Die Kinder der Vertriebenen hatten die Insel Rügen längst ins Herz geschlossen, während ihre Eltern immer noch von der Rückkehr in die Heimat träumten. Nie wieder Krieg in Europa lautete unsere Parole, bis der Krieg in der Ukraine im Februar 2022 uns eines Besseren belehrte. Nichts haben einige dazugelernt, lediglich die Waffen sind perfider geworden.

    Meine Ursuppe

    Durch Gespräche, Briefe und Fotos habe ich eine gute Vorstellung, wie meine Eltern vor meiner Geburt gelebt haben und wie sie miteinander umgegangen sind. Ich sehe sie förmlich vor mir, als meine Mutter dreißig Jahre alt war, jung und bildschön, mit einer Frisur aus den Zwanzigerjahren. Mein Vater war ein freundlicher, gut aussehender und stets elegant gekleideter Herr im Alter von sechsunddreißig. Auf einem Foto hält er seine immer lächelnde und verlegen blickende Frau etwas steif im Arm. Sie tanzen nach Walzer-Klängen von Johann Strauß auf irgendeinem Ball im noch friedlichen Stettin an der Oder.

    Das waren sie also, Vater und Mutter, ein glückliches Paar vor dem Zweiten Weltkrieg. Als Jugendlicher waren sie für mich die ewig steinalten Eltern mit antiquierten Ansichten und altmodischem Gehabe. Aber das ist lange her. Nachdem ich erwachsen war, akzeptierte ich die Ansichten ihrer Generation, die für sie keineswegs weniger attraktiv waren als meine.

    Die Eltern meines Vaters stammten aus einer Handwerkerfamilie. Sie waren noch vom Gutsherrn aus Grünhoff in Hinterpommern abhängig, obwohl die Leibeigenschaft schon abgeschafft war. Mein Opa war zwar selbstständiger Stellmacher, aber die Werkstatt gehörte dem Gutsbesitzer. Die meisten Menschen im Dorf arbeiteten für den Gutsherrn. Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es aber genügend polnische Arbeitskräfte, wodurch die junge Generation meines Vaters für die Feldarbeit entbehrlich war und Berufe ihrer Wahl erlernen konnte.

    Ich kann mich an die Hühner und den Schweinestall meiner Oma auf dem Hinterhof ihres kleinen Häuschens an der Straße nach Regenwalde erinnern. Dort lebten meine Großeltern mit ihren zahlreichen Kindern, darunter mein Vater. Sie besaßen immerhin etwas, vielleicht auch einen Kartoffelacker und am Haus einen kleinen Gemüsegarten, aber mehr nicht.

    Als meine Großeltern heirateten, unterschrieb meine Oma die Heiratsurkunde stolz mit ihrem neuen Nachnamen, fügte jedoch bewusst ein weiteres „l hinzu. Nach dem Grund gefragt, argumentierte sie: „Zwei ‚ll’ im Namen seien viel schöner. Der Teufel weiß warum, schließlich verweist die Silbe „mall auf verrückt. Man denke nur an das Bild von Franz Hals „Die malle Baba. Aber davon hatte meine Oma offenbar noch nichts gehört. Meinem Vater bereitete dieser Fehler später viele Unannehmlichkeiten auf den Ämtern. Tatsächlich gibt es heute überall auf der Welt diesen Namen, sowohl mit einem „l als auch mit zwei „ll.

    Meine Oma, alle nannten sie Mutter Malwitz, war alsbald nur noch mit der Aufzucht ihrer Nachkommen beschäftigt. Es ist mir ein Rätsel, wie meine Großeltern elf von dreizehn geborenen Kindern in der engen Behausung großziehen konnten. Meine Erinnerung sagt mir, es waren allenfalls vier Räume mit insgesamt höchstens hundert Quadratmetern. Ich kann mich lediglich an die kleine Küche und das Wohnzimmer erinnern. Da gab es noch eine immer verschlossene Tür, hinter der sich vermutlich ein oder zwei Schlafzimmer befanden.

    Der Hof war nicht gepflastert. Deswegen standen dort nach einem Regen tagelang die Pfützen. Hauptsächlich war er von Hühnern und Enten bevölkert. Wer das Haus durch die grün gestrichene Holztür betrat, stand mitten in der Küche, von der wegen der rußgeschwärzten Wände nur wenig zu sehen war. Unter dem großen Rauchabzug hing allerlei Küchengerät. Überall saßen Fliegen, kein Wunder, denn der Misthaufen lag nicht weit. Linker Hand ging es ins Wohnzimmer. Wenn mein Vater mit seiner Körpergröße von 1,78 Metern das Haus betrat, musste er sich bücken.

    Manchmal stand Mutter Malwitz im Rahmen der Haustür und fixierte mich beim Schaukeln auf dem Hof. Sie füllte die Öffnung mit ihrer Körperfülle nahezu aus. Ihre weißen Haare berührten dabei den oberen Türrahmen und in der Breite gab es für mich sowieso kein Durchschlüpfen.

    Ich mochte meine Oma nicht besonders und sie mich auch nicht. Heute noch sehe ich ihr ernstes Gesicht mit den wässrigen hellblauen Augen und den hohen Backenknochen vor mir, typische Merkmale aller Nachkommen. Sie hatte niemals freundliche Worte für mich übrig, wie ich es von meiner Mutter gewohnt war. Aber was hätte sie auch Nettes sagen sollen, nach dreizehn Geburten? Elf Kinder hatte sie großgezogen und alle zu ordentlichen Menschen gemacht – eine bewundernswerte Lebensleistung. Wie mögen sie in der kleinen Wohnung geschlafen haben, frage ich mich heute. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die älteren Kinder bereits aus dem Haus waren, als die jüngeren noch die Fürsorge der Mutter brauchten, kann man sich ein solches Leben kaum noch vorstellen.

    Den Großvater habe ich nicht mehr kennengelernt, er war schon im Alter von achtundfünfzig Jahren gestorben. Etwas am Magen sei die Ursache gewesen, was genau, ließ sich nicht herausfinden. Nach seinem Tode übernahm sein Sohn Erich die Stellmacherei.

    Arnold, ein jüngerer Bruder meines Vaters, arbeitete als Lehrling in der Gutsgärtnerei. Er muss für die damalige Moralauffassung ein schlimmer Schürzenjäger gewesen sein. Seine Glanzleistung auf diesem Gebiet war die Verführung einer Nonne:

    Es ergab sich, dass er ausgerechnet in jener Ecke der Gärtnerei zu tun hatte, die unmittelbar an das Kloster grenzte. Rein zufällig war Arnold immer dann dort, wenn eine junge Nonne aus dem Klosterfenster in den Garten schaute. Eines Tages schenkte er ihr Rosen aus der herrschaftlichen Gärtnerei. Offenbar war es nicht dabei geblieben, denn die Affäre hatte damals eine Menge Staub aufgewirbelt. Ich hätte zu gerne mehr Einzelheiten erfahren. Aber wie das so ist, in solch einer delikaten Angelegenheit, hüllt sich die Verwandtschaft lieber in Schweigen.

    Mein Vater hatte vor, Elektriker zu werden, aber mangels Lehrstellen begann er eine Lehre in der Gutsgärtnerei – wie Arnold, sein Bruder. Noch bevor seine Lehrzeit beendet war, traf er die wichtigste Entscheidung seines Lebens: Er wollte aus der dörflichen Umgebung ausbrechen und bewarb sich an der Polizeischule in Stettin. Damals träumten viele junge Männer von schicken Uniformen, schließlich waren Polizisten noch respektierte Persönlichkeiten. Nachdem er seinen Dienst angetreten hatte, trug er bei jeder Gelegenheit seine Polizeiuniform, insbesondere, wenn er seine Mutter in Grünhoff besuchte, deren Augen dann immer voller Stolz blitzten.

    Meine Mutter stammt aus dem Oderbruch bei Stettin. Dieses Land wurde bereits den Vorfahren von Opa Holz und seiner Frau Röschen, geborene Stein von Friedrichs den Großen zugeteilt. Ein fruchtbarer Boden, von vielen Kanälen durchzogen, die wahrscheinlich durch das Torfstechen entstanden waren oder zur Entwässerung der Wiesen dienten.

    Die Eltern meiner Mutter waren nicht weniger fruchtbar als die meines Vaters. Kein Wunder, denn Röschen war eine schöne Frau und Opa Holz ein drahtiger Seemann, der bei der kaiserlichen Marine diente. Sie zeugten sieben Mädchen und zwei Jungen. Während die Mädchen nahezu alle ein biblisches Alter erreichten, meine Mutter ist sogar 94 Jahre alt geworden, mussten ihre Brüder dem „Führer" geopfert werden.

    In der Verwandtschaft wurde gemunkelt, die Nazis hätten eines Tages den Älteren abgeholt, weil er nicht richtig im Kopf war. Meine Mutter sprach dieses Thema nur ungern an. Eltern waren damals, was solche Ereignisse betraf, gegenüber ihren Kindern sehr verschlossen. Ich habe erst kürzlich davon erfahren, im Zusammenhang mit Recherchen für dieses Buch. Aus den spärlichen Informationen, die ich zusammentragen konnte, lässt sich vermuten, dass dieser Bruder meiner Mutter Epileptiker war. Aber das allein reichte den Nazis, solche Menschen als nicht lebenswert zu entsorgen.

    Der jüngere der beiden Brüder war früh eigene Wege gegangen. Er wollte Kunstmaler werden, was ihm den Spott seiner Verwandten und Bekannten einbrachte, insbesondere von meinem Vater. Das Künstlerdasein sei ein Hungerberuf, ließ er bei jeder Gelegenheit verlauten. Niemand aus der Verwandtschaft konnte mir sagen, was aus diesem jungen Mann geworden ist.

    Blicken wir zum Geburtsort meiner Mutter, Wolfshorst im Kreis Randow, nördlich vom Stettiner Stadtforst. Ich kann mich nur noch vage an dieses Dorf und seine mit Schilfrohr gedeckten Backsteinhäuschen erinnern. Meine Mutter erzählte uns gelegentlich von ihrer Heimat. Dabei betonte sie immer, dass sie gute Eltern hatte, die ihre Kinder zu fröhlichen, lebenstüchtigen Menschen erzogen haben. Auf ihren Vater, den Seemann, war sie besonders stolz. Er war einige Male auf einem Dreimaster als Matrose in Afrika gewesen. Er war nicht sehr gesprächig. Doch manchmal erzählte er

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