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Der Weltkrieg hat meine Kindheit versaut: Flucht aus Danzig übers Meer, hinter Stacheldraht in Dänemark, fremd im Schwabenland
Der Weltkrieg hat meine Kindheit versaut: Flucht aus Danzig übers Meer, hinter Stacheldraht in Dänemark, fremd im Schwabenland
Der Weltkrieg hat meine Kindheit versaut: Flucht aus Danzig übers Meer, hinter Stacheldraht in Dänemark, fremd im Schwabenland
eBook184 Seiten2 Stunden

Der Weltkrieg hat meine Kindheit versaut: Flucht aus Danzig übers Meer, hinter Stacheldraht in Dänemark, fremd im Schwabenland

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Über dieses E-Book

Der Weltkrieg hat meine Kindheit versaut

Kriegserlebnisse und Vertreibung aus dem Osten mit nachfolgender Integration im Westen

Die Historikerin Frau Prof. Dörr beurteilt dieses Buch wie folgt:

"Heinz Voemel dokumentiert einen wichtigen Aspekt der Kindererfahrungen im Zweiten Weltkrieg sehr anschaulich. Flucht und Internierung in Dänemark sind inzwischen oft geschildert worden, aber die Perspektive eines Kindes wurde dabei kaum beachtet. Kinder haben nicht nur ein ausgezeichnetes Gedächtnis für Details, sondern auch ein besonderes Sensorium für Situationen, Atmosphärisches, Stimmungen. Sie haben auch die Gabe, sich inmitten eigentlich trostloser Umstände eine eigene Kinderwelt und Lebensfreude zu bewahren. Heinz fand dabei einen sehr guten Rückhalt bei seiner Mutter und seiner Großmutter, prächtigen Frauen, die man durch seine Schilderungen lebendig vor sich sieht. Mit Erlaubnis des Verfassers habe ich einige Passagen aus seinem Manuskript in meiner Kinderdokumentation zitiert."
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum20. Feb. 2015
ISBN9783738675221
Der Weltkrieg hat meine Kindheit versaut: Flucht aus Danzig übers Meer, hinter Stacheldraht in Dänemark, fremd im Schwabenland
Autor

Heinz Voemel

Heinz Voemel ist 1941 in Berlin geboren und wurde 1944 nach Danzig evakuiert. Nach der Flucht landete er über Dänemark in Süddeutschland wo er mit Unterbrechungen in Reutlingen lebt.

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    Buchvorschau

    Der Weltkrieg hat meine Kindheit versaut - Heinz Voemel

    wahr.

    Teil 1 Flucht und Internierung

    So fing alles an

    Das kriegerische Zwielicht der Welt erblickte ich 1941 in Berlin-Weissensee, just ein paar Tage vor dem Beginn des Russlandfeldzuges. Behütet von meinen Eltern und unserem Pflichtjahrmädchen Gisela kam ich aus den Windeln, was meine ersten Kinderfotos am Weissensee und in der Wohnung Lichtenberger Straße 132 dokumentieren. Mutti war eigentlich Lehrerin, aber sie mochte sich nur ungern mit fremder Leute Bälger herumschlagen - und war somit zu hause. Vati war als Diplomingenieur bei der AEG und UK gestellt (UK = unabkömmlich). Er bastelte da mit Kollegen an der Entwicklung von Tonaufzeichnung herum und das AEG-Magnetophon war das Ergebnis. Seine Karten bei der UK-Stellung waren jedoch schlecht, da er partout nicht in die NSDAP (Hitlers Partei) eintreten wollte. Man schuf Abhilfe: Er trat in den Werkbrandschutz ein und hatte dadurch wenigstens ein Hakenkreuz mit Feuerwehrhelm am Revers.

    Eines unschönen Tages, es war der 18.2.45, kam er heim und berichtete von einem AEG-Betriebsausflug. Per Bussen und Lastwagen wurden er, seine Kollegen und alles was da kreuchen konnte in die Deutschlandhalle gefahren und keiner wusste richtig warum. Dort erklärte Josef Goebbels (Hitlers Propagandaminister) in seiner berühmt berüchtigten Rede den totalen Krieg.

    Auch Vati durfte Beifall spenden (gnad' ihm wenn nicht!) Vorher vielleicht noch endsieggläubig, ging damit das Zäpfchen endgültig auf Grundeis. Im Frühjahr 1944 wurden die Bombenangriffe in Berlin so richtig heftig. Mutti hatte damals drei mal im Kino den Anfang von Zarah Leanders Zu neuen Ufern mit vorzeitigem Ende per Fliegeralarm sehen dürfen.

    Muttis Mutter - unsere Omi - wohnte seinerzeit im noch bombenfreien Danzig im eigenen Reihenhäuschen. Platz war genug da und so hieß es für Mutti, Brüderchen Klaus und mich: Ab nach Danzig! Es war zwar genau die falsche Richtung, aber im Nachhinein ist man ja immer schlauer.

    So blieb Vati alleine in Berlin wo er bei der AEG seine UK-Stellung noch eine Weile genießen durfte. Anfang 45 gab es dann kaum noch eine AEG und so durfte er auf den letzten Drücker noch zu den Fahnen. Nach einer Kurzausbildung an der Knarre ging es ab in eine Fernmeldeeinheit. Da er sich vorher nie fürs Militär interessiert hatte, gab es für einen Diplomingenieur der Elektrotechnik halt nur einen Posten am Telegraphenmast. Irgendwo in Oberschlesien soll ihn dann ein Tiefflieger endgültig beim Strippenziehen gestört haben. Seither haben wir nichts mehr von ihm gehört.

    Wir waren indes in Danzig wohl behütet und Berlin war weit. Omas Garten mit Hühnern, Kaninchen und allem erdenklichem Grün - sprich Essbarem - waren mein kleines Paradies. Ich war in den Garten verbannt, hingegen Bruder Kläuschen mit seinen 7 Jahren schon die Straße von der Christuskirche bis zum Striessbach genießen durfte.

    Dieser Genuss wurde allerdings nach dem ersten Plumps in den selbigen Bach etwas eingeschränkt. Mein erstes Nacktfoto am Strand von Brösen erinnert an einen herrlichen Sommer 1944.

    Der Herbst und der Winter kamen und die inzwischen nicht unerheblichen Luftangriffe verwandelten nun auch das gemütliche Danzig zunehmend in ein Trümmerfeld, die Front kam immer näher. Fliegerangriffe wechselten nun mit Artillerie-Beschuss, und die Innenstadt hörte überhaupt nicht mehr auf zu brennen. An Allee-Bäumen und Straßenlaternen hingen Leute mit Schildern um den Hals. Ich war zu feige um zu kämpfen! Nicht enden wollende Flüchtlings-Trecks mit müden Pferden und abgestumpften Menschen verstopften ab Februar die Straßen, und Gefangenentrecks von sonst wo ließen das eigene nahe Schicksal erahnen.

    Mutti war bis März 1945 als Wagenführerin bei der Straßenbahn dienstverpflichtet worden. Eigentlich hätte sie in Schaffnerin machen sollen, aber was sie nicht wollte, das tat sie auch nicht. Solange noch keine Fliegerangriffe kamen ging das auch noch ganz gut. Zerstörte Schienen und Oberleitungen nebst getroffenen Straßenbahnwagen machten dann die Sache doch zu riskant. Eis und Schnee sorgten zudem dafür, dass die mechanischen Bremsen der Straßenbahn doch für Frauenhände zu schwer wurden. Zudem standen die Wagen oft ungeschützt mehr auf freier Strecke, als dass man noch Soldaten hätte befördern können, und so wurde der Straßenbahnverkehr eingestellt. Kurz und gut, Mutti wollte und durfte ihre schmucke Straßenbahneruniform an den bewussten Nagel hängen und konnte sich fortan nur noch ihren eigenen Dingen widmen, deren es genug gab, und wogegen sie nichts einzuwenden hatte.

    Eigentlich begannen meine eigenen Erinnerungen mit einem fürchterlichen Knall! Sonnige Vorosterzeit im kleinen Häuschen im Archenholzweg 13. Kurz nach dem Mittag kam ein Luftangriff. Fliegeralarm gab es lange schon fast nur noch über den Rundfunk, da viele Sirenen nicht mehr funktionierten. Und heute alarmte es mal wieder. Die Fenster waren vorschriftsmäßig geöffnet. Brummen und ein riesiger Krach lag in der Luft. Ganz in der Nähe ein plötzlicher Knall, darauf eine Sturmböe. Das Küchenfenster schlug hin und her und räumte alles ab was in seiner Nähe war. Auch mein Kaulchen - meine heiß geliebte Suppentasse. Der Tag war gelaufen und ich lag allen die es hören oder nicht hören wollten mit meinem Kaulchen in den Ohren. Dies war mein erster persönlicher Kriegsschaden.

    Der 2. Knall brachte mir auch meine ersten Prügel, und das kam so: Besonders schön war es, morgens noch in Muttis Bett zu schlüpfen welches sich auf dem Sofa im Wohnzimmer befand. Als Knirps hatte ich alleine dort nichts zu suchen, aber Mutti war schon unterwegs und ich spielte vom Sofa aus. Da war das Radio auf dem Regal und eine schöne lange Schnur daran um damit Pferdchen zu spielen. Dies ging auch eine geraume Zeit gut. Rums - jetzt aber nicht mehr! Das Radio war mit lautem Schlag zu Boden gegangen, eine Röhre war auch hin. Da es wegen Alarm und den mehr oder weniger wichtigen und richtigen Meldungen unentbehrlich war, wurde irgendwie eine Reparatur doch noch bewerkstelligt - meine Senge hatte ich jedenfalls weg. Seither mag ich kein Knallen hören, auch nicht an Silvester, zumal es in den darauf folgenden Wochen noch kräftig rumsen sollte.

    Mein Gehör war eigentlich eher musikalisch trainiert. So soll ich schon im Sportwagen durch kräftiges Absingen des Jäger aus Kurpfalz manchen Straßenpassanten in Verwirrung gebracht haben. Kinderlieder des Kinderfunks wurden gierig aufgesogen. Es blieben mir jedoch nur 2 Verse eines Eisenbahnliedes im Gedächtnis:

    Der Kohlenwagen schwer, der rumpelt hinterher

    Drum fasst euch an drum fasst euch an

    wir fahren mit der Eisenbahn mit der Eisenbahn

    Im blauen seid fein Still, weil man dort schlafen will Drum fasst euch an ....

    Ja aber die Melodie, die habe ich immer noch im Kopf!

    Die Akustik wurde jedoch immer bedrohlicher. Zunächst bekamen wir am 5. März im Keller Einquartierung, einen Küchenzug, wie praktisch! Mutti hat selten etwas dem Zufall überlassen und die Einquartierung höchst persönlich ausgesucht. Wo eine Küche ist, wird gekocht -und wo gekocht wird gibt es Essen! Richtig! Zudem verbreitete der männliche Schutz doch ein - wenn auch trügerisches - Gefühl der Geborgenheit, und wenn es draußen so richtig rumste kam irgend einer von unseren Soldaten rein und meinte: Oma bleib im Haus, da draußen ist der Hund los! Tante Olga - die Schwester von Omi und deren Tochter Christel waren auch gerade dieser Tage aus Heiligenbeil zu uns geflohen, und wohnten in einem der Dachstübchen.

    Im Haus war inzwischen Hektik ausgebrochen. Es wurde gepackt und lange Listen abgestrichen. Wenn es denn doch soweit kommen sollte, wollte man doch bereit sein. Dass man sich nur auf Handgepäck einstellen konnte, hatte sich inzwischen herumgesprochen. Immer noch zu schwer! Also wurde wieder ausgepackt, aussortiert und das Ganze ging von vorne los.

    Man machte sich marschbereit, denn lange konnte es nicht mehr dauern, bis man aus Danzig raus musste. Wenigstens für einige Zeit glaubte man, dann hat es doch etwas länger gedauert.

    Unser letztes altes Huhn wurde nun auch dem Zeitgeist geopfert und landete im Kochtopf. Diese Henne war eine gute Glucke, und da man ja stets an einer neuen Hühnergeneration interessiert war, genoss sie das Gnadenbrot. Der Lauf der Dinge machten das Vorhaben aber für absehbare Zeit immer unwahrscheinlicher und so war auch eines Tages ihr Schicksal besiegelt. Da sie eine Glucke war und von einer gewissen Frau Heske zu uns kam, hatte sie den Namen Mutter Heske. Viele Fettaugen hatte die sonntägliche Hühnersuppe zwar nicht, das zähe Fleisch war auch nur klein zerstückelt genießbar - aber geschmeckt hat's. Und jeder der es wissen wollte - oder nicht, erfuhr von mir, dass wir die Mutter Heske gegessen hatten. Ich wunderte mich nur, dass ich bei dieser Offenbarung immer so merkwürdig angekuckt wurde.

    In der alten Laube hinterm Häuschen waren in einem Bretterverschlag einige Kaninchen zu hause. Gerne hab ich ihnen vorgesungen oder mich mit ihnen unterhalten. Eines schönen Tages befanden sie sich ganz stumm in Einmachgläsern und ich war meine Kumpels los.

    Die Situation wurde immer brenzliger. Ostpreußen und Danzig waren seit dem 4. März eingekesselt. Die Wilhelm Gustlof und die Karlsruhe waren schon im Winter untergegangen und Vati hatte an seine Schwester geschrieben, dass er wegen fehlender Nachricht an unseren Untergang mit einem dieser Schiffe glaube. Aber per Schiff musste es dann doch sein, denn in einem Treck durch die russischen Linien hätte auch die Diplomatie unserer Mutter überfordert. Übers Haff nach Pillau wollte Omi nicht. Auf der Nehrung wächst nichts, da gibt’s nur hungrige Mägen. Neufahrwasser - der Hafen von Danzig - wurde von Fliegern beharkt, aber wie kommt man nach Hela auf die äußerste Spitze der Halbinsel, welche als Marinestützpunkt noch einigermaßen verteidigt wurde.

    In unserem Dachgeschoss wohnte Fräulein Kneisel. Sie war seinerzeit eine sehr pflichtbewusste Filialleiterin von Kaisers Kaffee und wollte auf jeden Fall bleiben. Bei einer Übergabe muss ich doch den Schlüssel abliefern. Sie wurde später von niemandem nach dem Schlüssel gefragt, die Tür war aufgebrochen und der Laden geplündert. Ihr ist auch das ganze Schicksal der Besiegten, und Ausgewiesenen nicht erspart geblieben, wie Sie nach Jahren zu berichten wusste. Sie wusste auch von Tante Olga zu erzählen. Krank, ausgehungert und erschöpft ist diese dann nach Einmarsch der Russen einige Tage später verstorben.

    Weihnachten 1941 in Berlin-Weissensee

    Sommerhitze in Brösen bei Danzig 1944

    Archenholzweg 13 in Danzig –Langfuhr

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