Motteneier: Roman
Von Nanni Bordeaux
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Buchvorschau
Motteneier - Nanni Bordeaux
Motteneier Teil I
Kapitel 1
Die Luft war wie Koks. Schärfte meine Sinne. Die Natur setzte all ihre Möglichkeiten ein, um mich an das größte Defizit in meinem Leben zu erinnern: Sex! Wer hätte das vor ein paar Jahren für möglich gehalten. Ich hatte irgendwann aufgehört, die Männer zu zählen mit denen ich im Bett gewesen war. Selbst mir erschien die Zahl unmoralisch. Obwohl: Als unverheiratete Frau konnte da im Laufe von fast dreißig Jahren schon ein kleines Sümmchen zusammenkommen. Zudem war ich eine Jägerin! Ich guckte mir einen aus, den ich attraktiv fand, und das Spiel begann! Zwischendurch hatte ich natürlich auch längere Beziehungen. Doch für den ganz großen Wurf hatte es nie gereicht. Der letzte Mann, den ich auserwählt hatte, war ein Tunichtgut. Ein Alkoholiker und Spinner, ich nannte ihn „Gigolini. Zunächst tat er mir leider ziemlich gut. Der Sex war göttlich. Nicht von dieser Welt. Ich verließ seine Wohnung stets mit verklärtem Blick und einem seligen Lächeln. Ich konnte den Moment der nächsten Vereinigung kaum erwarten. Zusammen mit „Gigolini
erreichte ich eine ungeahnte Daseinsstufe! Leider liebte er mich nicht als Mensch. Der Spruch: „Wenn Du sechs Kilo abnimmst, dann heirate ich Dich, war erst die Spitze des Eisbergs. Ich nahm „Gigolini
trotzdem mit in den Urlaub nach Südfrankreich, bezahlte Haus und Hof, und sank immer mehr in seiner Achtung. Um meiner Selbstwillen gab ich ihm den Laufpass. Aber ich vermisste den Sex….
Kapitel 2
Mein Name ist Josephine, genannt Jo, und ich bin Fernsehreporterin. Früher aus Leidenschaft – jetzt um Geld zu verdienen. Das Geschäft hatte sich in den vergangenen Jahren komplett gewandelt, quasi aufgelöst. Wurden wir früher mit einem roten Teppich begrüßt, konnten wir heute froh sein, überhaupt hinein gelassen zu werden. Es war ähnlich wie in meinem Liebesleben: Früher hatten die Männer Schlange gestanden – jetzt freute ich mich über einen durchgeknallten Narzissten. Oder Männer, denen ich schon auf den ersten Blick ansah, dass sie irgendwie schräg waren. So wie „Mr. Copy. Unsere erste Begegnung ging von mir aus: Ein Wellensittich war durch die offene Balkontür, an mir vorbei, ins Schlafzimmer geflogen. Dort hockte er auf der Gardinenstange bis ich mit „Gigolini
einen Vogelkäfig, samt Futter, aus dem nahegelegenen Tierheim organisiert hatte. Über Nacht kletterte der kleine Kerl brav in seine neue Herberge. Nun hatte ich tatsächlich einen Vogel. Da ich jedoch in den Urlaub nach Südfrankreich wollte – und mir Tiere in Käfigen ohnehin leidtaten – versuchte ich, den Besitzer zu ermitteln. Ich setzte einen Steckbrief auf, und suchte nach einer Möglichkeit, ihn zu vervielfältigen. An der Ecke gab es eine Verwaltungsagentur für Immobilien. Die hatten bestimmt einen Kopierer! Ich nahm mir ein Herz für meinen kleinen Freund, ging rein und fragte nach. „Mr.Copy" war so freundlich, mich 20 Kopien machen zu lassen. Wir redeten ein bisschen, und er verschwand aus meinem Leben wie der rechtzeitig nach Hause vermittelte Vogel. Unser nächstes Treffen sollte am Flughafen von Rom stattfinden.
Kapitel 3
Da das mit dem Fernsehen nicht mehr so lief, hatte ich mich für ein Drehbuchseminar in Italien angemeldet. Wenn schon – denn schon! Der Treffpunkt war Rom. Von dort aus würden wir per Bus, in die Berge, zum Tagungsort gebracht werden. Ich flog einen Tag früher, um auf jeden Fall rechtzeitig dort zu sein. Zwei Jahre lang war ich nicht mehr verreist. Dienstreisen, ja, aber nicht in den Urlaub oder ins Ausland. Die Tour mit „Gigolini hatte mir jegliche Lust genommen. Ich hatte schon Sorge nie wieder irgendwo hinzuwollen oder in ein Flugzeug zu steigen. Doch das Drehbuchseminar versprach, Weiterbildung und italienische Lebensfreude zu vereinen. Zudem kannte ich Italien quasi überhaupt nicht. Gut – wir hatten mal eine Tutandenfahrt durch Italien gemacht. 1989. Im Frühjahr. Rom – Venedig – Florenz – Ravenna – Cesenatico. Alles in 10 Tagen. Mit dem Bus. Von Hamburg! Damals waren Flüge noch sehr teuer Wir hatten einen super Tutor, seines Zeichens Mathelehrer. Von der Geschichte des Landes habe ich nicht so viel mitgekriegt. Wir waren jung, verspielt und alberten mit den Jungs rum. Unser Lehrer machte mit. Die wirklich prägende Erinnerung an diese Klassenreise ereignete sich am Strand von Cesenatico: Ich kroch im Bikini auf meinen Tutor zu, als dieser bemerkte: „Sie haben ja auch Wolkenbeine! Sagt meine Frau immer…
Der Tag war gelaufen. Von seinem Klassenlehrer auf Cellulitis angesprochen zu werden, war ja wohl echt das Letzte! Immerhin brachte er mich durchs Abitur – Italien war für mich erst mal gestrichen, drei Kreuze.
Kapitel 4
Nun flog ich also wieder nach Italien. Wieder im Mai. Vierundzwanzig Jahre waren inzwischen vergangen. Rom stand noch und meine Cellulitis war auch noch da. Dass Rom noch stand empfand ich nicht als selbstverständlich. Hatte ich in meinem Leben doch schon Orte besucht, die es so nicht mehr gab: Das World Trade Center, New Orleans, die Mauer. Entdecken Sie Europa, so lange es noch geht! Doch auf die ewige Stadt war Verlass. Ich hatte einen super Flug obwohl der Kapitän Italiener war, eine ordentliche Bus-Shuttle-Anbindung und… ein scheiß Hotel!