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Aus der Dunkelheit ins Licht: Mein Weg aus den Depressionen
Aus der Dunkelheit ins Licht: Mein Weg aus den Depressionen
Aus der Dunkelheit ins Licht: Mein Weg aus den Depressionen
eBook230 Seiten3 Stunden

Aus der Dunkelheit ins Licht: Mein Weg aus den Depressionen

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Über dieses E-Book

"Aus der Dunkelheit ins Licht" erzählt die persönliche Geschichte einer Depression. Aus Sicht der Autorin sind Depressionen vor allem auch eine Erkrankung der Seele. Sie selbst litt etwa 15 Jahre darunter - zunächst unerkannt - und weiß, wie es sich anfühlt: die innere Leere, die absolute Dunkelheit, die abgrundtiefe Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.

Mit Anfang 20 hätte sie nicht gedacht, dass sie eines Tages emotional und mental so gefestigt sein würde wie heute und ihre Erkrankung tatsächlich der Vergangenheit angehört. Es war jedoch ein langer und steiniger Weg über Jahre hinweg. Die Autorin berichtet offen und unverblümt, wie sie die Depressionen erlebte und was ihr persönlich half, wieder gesund zu werden. Letzten Endes haben diese sie stärker gemacht und ihr gezeigt, was wirklich im Leben zählt. Heute weiß sie es umso mehr zu schätzen und lebt es voller Freude, Achtsamkeit und Dankbarkeit.

Dieses Buch soll Betroffenen Mut machen, den Kampf nicht aufzugeben und Angehörigen helfen, Depressionen besser zu verstehen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum14. Juni 2018
ISBN9783746928401
Aus der Dunkelheit ins Licht: Mein Weg aus den Depressionen
Autor

Diana Hochgräfe

Diana Hochgräfe (geboren 1978 in Bernau/ bei Berlin) war nach ihrer Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin zunächst 2,5 Jahre als Management Assistentin in Luxemburg tätig. Anschließend absolvierte sie ihre Weiterbildung zur Fitness Managerin in Hamburg und ist seit 2005 selbstständige Fitness- und Personal Trainerin sowie Ernährungsberaterin. Durch ihr zusätzliches Wissen als Heilpraktikerin widmet sie sich insbesondere dem Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele. Das Schreiben wurde Diana schon mit in die Wiege gelegt. Bereits mit 10 Jahren verfasste sie Gedichte und Kurzgeschichten, war Mitglied in einem Literaturzirkel und gewann kleinere literarische Preisausschreiben. Später ließ sie dieses Talent aufgrund äußerer Umstände ruhen. Nachdem sie im Jahre 2016 ihre kreative Ader wiederentdeckte, erschien ihr erstes Buch "Entdecke dich selbst und finde dein Glück“ im September 2017 im Ellert & Richter Verlag. Ihr zweites „Aus der Dunkelheit ins Licht – Mein Weg aus den Depressionen“ sowie drittes „Ein kleiner Herzensbrecher namens Nepomuk – Aus dem Leben eines Hundes“ veröffentlichte sie 2018 bei tredition. Diana ist Co-Autorin mehrerer Bestseller und unterstützt als Lektorin und Mentorin mit großer Begeisterung andere Autoren bei der Veröffentlichung ihrer Buchprojekte. Im Juni 2022 entstand begleitend zu ihren Soul Writing Workshops, die sich großer Beliebtheit erfreuen, „Soul Writing – Dein magisches Schreibjournal“, das sie bei Amazon veröffentlichte. Ihren Ratgeber „Ganzheitliche Tiergesundheit – Heilung und Wachstum für Mensch und Tier“, der gemeinsam mit 14 Co-Autorinnen entstand, brachte sie im Dezember 2022 heraus. Im Mai und Juli 2023 folgten „Spirituell wachsen – Eine transformierende Reise zu deinem wahren Selbst“ sowie "Achtsam sein - Im Einklang mit dir und der Welt". Diana ist es ein Herzensanliegen, mit ihren Büchern ihre Erfahrungen und Erkenntnisse mit anderen zu teilen und sie auf ihrem Weg der Bewusstwerdung und ganzheitlichen Heilung zu unterstützen. Weitere Informationen findest du auf ihren Webseiten sowie bei Social Media. https://www.diana-hochgraefe.com https://www.fitcomplete.de https://www.instagram.com/diana.hochgraefe https://www.facebook.com/diana.hochgrafe.9

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    Buchvorschau

    Aus der Dunkelheit ins Licht - Diana Hochgräfe

    1. Meine persönliche Krankheitsgeschichte

    Meine Kindheit – Bereits damals fühlte ich mich oft einsam und traurig.

    Im April 1978 erblickte ich das Licht der Welt in Bernau/ bei Berlin. Meine Großeltern lebten in der Nähe und meine Mutter war dort aufgewachsen. Sie studierte in Leipzig, wo ich meine ersten beiden Lebensjahre verbrachte. An den Wochenenden fuhren wir stets nach Bad Düben. Im Juni 1980, nachdem meine Mutter ihr Studium abgeschlossen hatte, erfolgte der Umzug in den kleinen Kurort mit ca. 9.000 Einwohnern.

    Als ich 4 Jahre alt war, verließ uns (das heißt meine Mutter, meine Schwester – gerade ein Jahr alt – und mich) mein leiblicher Vater. Danach habe ich ihn nie wieder gesehen und nichts mehr von ihm gehört. Dieses Erlebnis hatte eine große Auswirkung auf meine persönliche Entwicklung und war mit ein Auslöser für meine späteren Depressionen. Nicht unbedingt dadurch, was geschehen war, sondern aufgrund dessen, wie ich die Situation als Kind wahrnahm.

    Unser Verstand sammelt Informationen bereits ab dem dritten Monat der Schwangerschaft. Insbesondere in den ersten sieben Lebensjahren entwickelt sich die eigene Identität und alles in dieser Zeit Erlebte hinterlässt Prägungen. Diese Erfahrungen werden im Unterbewusstsein abgespeichert. Kinder sind noch nicht in der Lage, Dinge zu hinterfragen oder zu analysieren und interpretieren Zusammenhänge anders als Erwachsene. Sie geben sich häufig selbst die Schuld, wenn sie von einem Elternteil verlassen werden. Infolgedessen fühlen sie sich mitunter hilflos, wertlos und ungeliebt, was sich später durch mangelndes Selbstvertrauen und ein fehlendes Selbstwertgefühl bemerkbar machen kann. So war es auch bei mir der Fall.

    Ich weiß nicht mehr, wie ich die Trennung meiner Eltern erlebte. Wie sehr ich darunter litt, wurde mir erst bewusst, als ich mit meiner Oma offen über meine Erkrankung sprach. Sie berichtete mir, dass ich im Alter von vier Jahren plötzlich zu meinem Onkel gesagt hätte: „Dann stecken wir den Papa in die Mülltonne und du setzt dich oben drauf." Diesen Satz äußerte ich während eines Besuches bei meinen Großeltern. Er hat sich bis heute bei meiner Oma eingeprägt und sie fragte sich damals, was in mir vorging. Nachts schrie ich oft im Schlaf und sie und mein Opa konnten mich teilweise überhaupt nicht beruhigen.

    Außerdem erinnerte sich meine Oma an ein Ereignis, bei dem ich sechs oder sieben Jahre alt war. Meine Großeltern besuchten uns in Bad Düben und ich wollte sie an der Bushaltestelle abholen. Sie sahen mich nicht und fuhren eine Station weiter, weil sie vermuteten, ich würde dort auf sie warten. Als sie mir zu Fuß entgegenkamen, saß ich todtraurig und in mich versunken auf einer Bank – wie ein Häufchen Elend. Meine Oma erzählte mir, ich wäre total verschlossen gewesen und sie hätten kein Wort aus mir herausbekommen. Obwohl ich mich an diesen Moment nicht erinnern kann, berührt es mich zutiefst. Und zwar dermaßen, dass mir in dem Augenblick, wo ich es zu Papier bringe, die Tränen über die Wangen laufen.

    Mir selbst ist noch ein Vorfall präsent, bei dem mir während des Schulunterrichts aus heiterem Himmel die Tränen kamen. Ich war gerade in der vierten Klasse und etwa neun Jahre alt. Meine Klassenlehrerin ging mit mir vor die Tür und fragte mich, was mit mir los sei. Darauf konnte oder wollte ich ihr keine Antwort geben. In meinem Zeugnis gab es später die Anmerkung: „Oft wirkte Diana sehr verschlossen." Es kann gut sein, dass dies bereits die Anfänge meiner Erkrankung waren, denn tiefe Traurigkeit – scheinbar grundlos – war eines der Hauptsymptome meiner depressiven Phasen.

    Vielfach erlebte ich Situationen, in denen ich mich alleine, hilflos oder im Stich gelassen fühlte. Einmal war ich beispielsweise im Kindergarten die letzte, weil meine Mutter länger arbeiten musste. Außer mir und der Erzieherin war niemand mehr anwesend. Ausgerechnet an dem Abend gab es ein heftiges Gewitter, dem ich sozusagen schutzlos ausgeliefert war. Ängstlich verkroch ich mich unter einem Tisch und wünschte mir nichts sehnlicher, als bald abgeholt zu werden. Im Alter von sechs Jahren wurden mir zudem die Rachenmandeln herausgenommen und das Mädchen neben mir bekam täglich von ihren Eltern Besuch und Eis mitgebracht. Meine Mutter und mein Stiefvater konnten es vermutlich aus beruflichen Gründen nicht sooft einrichten. Als Kind schlussfolgerte ich: „Keiner hat mich lieb. Wahrscheinlich bin ich allen egal." Ebenso ging ich davon aus, dass mein leiblicher Vater mich nicht geliebt hatte. Sonst hätte er mich sicherlich nicht verlassen…

    In meiner Schulzeit war ich überwiegend die graue Maus und galt als Streber, da ich mit zu den Besten der Klasse zählte. Sofern jemand seine Hausaufgaben vergessen hatte, wurde ich meist von der- oder demjenigen gefragt: „Du, kann ich schnell von dir abschreiben?" Abgelehnt habe ich dies – soweit ich mich entsinne – nie. Schließlich wollte ich von den anderen akzeptiert und gemocht werden. Zugleich beneidete ich die, die zu den beliebtesten Mädchen der Klasse gehörten. Sie hatten das Selbstbewusstsein, das mir gänzlich fehlte. Trotzdem ging ich weitestgehend gern zur Schule, war im Gruppenrat, im Schulchor, beim Kindertanzen und Orientierungslauf – bei letzterem sogar als Anführerin unserer Gruppe. Ich nahm erfolgreich an Mathematikolympiaden teil und erreichte beim Rollschuhschnelllauf in der vierten Klasse den ersten Platz. Ab dem siebten Schuljahr belegte ich neben Russisch und Englisch als Pflichtfächer zusätzlich Französisch und Spanisch. Sprachen lagen mir von jeher – es fiel mir leicht, sie zu lernen und machte mir viel Spaß. Obendrein ebneten sie mir meinen späteren Berufsweg.

    Durch den Literaturzirkel, dem ich freiwillig von der fünften bis zur siebten Klasse beiwohnte, entdeckte ich meinen Zugang zum Schreiben. Einerseits verfasste ich Gedichte und Kurzgeschichten, andererseits schrieb ich Tagebuch, in dem ich meine Gedanken und Gefühle notierte. Leider warf ich die Tagebücher bei einem Umzug weg, was ich aus heutiger Sicht äußerst schade finde. Rückblickend hätte ich anhand der Aufzeichnungen sicher einiges in Bezug auf meine Erkrankung besser reflektieren können.

    Mit zehn Jahren gewann ich beim Preisausschreiben einer Jugendzeitschrift den zweiten Preis - dotiert mit einem Plüschpapagei. Dabei ging es darum, ein Gedicht über die eigenen Haustiere zu schreiben. Meines handelte von meinen beiden Wellensittichen Pippi und Bubi. Bedauerlicherweise hob ich dieses nicht auf und erinnere mich bloß an folgende Zeile: „Pippi flog mir auf den Kopf und Bubi in den Blumentopf." Als das Päckchen bei uns ankam, waren meine Eltern (hiermit sind stets meine Mutter und mein Stiefvater gemeint) zunächst verärgert und wollten wissen, was ich für einen Unsinn bestellt hätte. Unter Tränen erwiderte ich: „Gar nichts. Ich weiß nicht, was das ist". Über den Gewinn freute ich mich riesig und dies spornte mich an weiterzumachen.

    Im Alter von elf Jahren erhielt ich von der Schule eine Urkunde „Für hervorragende künstlerische Leistungen beim Treffen der jungen Talente im Genre Erzählung – Prädikat sehr gut". (Dies war mir gar nicht mehr bekannt und ich fand es bei meiner Recherche zu diesem Buch heraus.) Des Weiteren gewann ich bei einer Schullandesausschreibung einen einwöchigen Aufenthalt in einem Literaturkamp. Allerdings nahmen mehrere Schüler daran teil, die meiner Ansicht nach viel besser schreiben und dichten konnten als ich, was meine Zuversicht wiederum schwächte. Dass die meisten der anderen Teilnehmer älter waren, hatte ich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht bedacht. Ein Jahr später bekam ich die Gelegenheit, aufs Gymnasium zu gehen. Dort gab es bedauerlicherweise keinen Literaturzirkel, weswegen ich, abgesehen von meinen regelmäßigen Tagebucheinträgen, das Schreiben vorerst ad acta legte.

    Ich war von meinem Naturell überaus fantasievoll und verbrachte viele Stunden mit Tagträumereien. In dieser Fantasiewelt malte ich mir die Welt so, wie ich sie mir wünschte. Ab und an erfand ich kleine Geschichten, was mir zuweilen als Unehrlichkeit ausgelegt wurde. In meinem Zeugnis der ersten Klasse gab es den Vermerk: „Gegenüber ihren Mitschülern muss Diana ehrlicher werden. In dem der dritten Klasse hieß es erneut: „Diana muss unbedingt versuchen, Probleme selbstbewusster und auf ehrliche Art zu lösen.

    Mein fehlendes Selbstbewusstsein wurde leider von anderen dafür missbraucht, mir die Schuld für gewisse Dinge in die Schuhe zu schieben. Schon in der Grundschule war ich mehrfach der Sündenbock. Wenn zum Beispiel jemand – aus welchem Grund auch immer - seinen Abfall nicht in, sondern neben den Papierkorb warf, war es einfach, es auf mich zu schieben. Ich gab es irgendwann auf, mich zu verteidigen und sagte letzten Endes gar nichts mehr.

    Da es mir an Selbstwertgefühl mangelte, verglich ich mich andauernd mit anderen Mädchen und beneidete diejenigen, die meiner Meinung nach hübscher und schlanker waren als ich. Ich wünschte mir, ich hätte blonde Haare und blaue Augen gehabt, weil diejenigen bei uns die beliebtesten waren. Ich hatte zwar einige Freundinnen, aber keine von ihnen bot mir Schutz an oder verteidigte mich. Oft stand ich alleine da – besonders in komplizierten Situationen – und wurde nach und nach zur Einzelgängerin.

    In meinem Zeugnis der zweiten Klasse gab es die Anmerkung: „Zu ihren Klassenkameraden müsste Diana besseren Kontakt finden. Positiv stand geschrieben „Wieder gehörte Diana zu den leistungsstarken Schülern der Klasse. Ihre Zensuren konnte sie durch viel Fleiß festigen. Sie nahm mit einer Zeichnung erfolgreich an der Bezirksgalerie der Freundschaft teil.. Eine kreative Ader hatte ich unverkennbar von klein auf. Das Zeichnen rückte jedoch später in den Hintergrund und ich fand den Kunstunterricht in der Oberstufe zum Teil anstrengend. Möglicherweise lag es an den Vorgaben, die meine individuelle Kreativität einschränkten.

    In der fünften Klasse wurde mir eine neue Klassenlehrerin zugeteilt, mit der ich besser klarkam. Nun hieß es in meinem Zeugnis unter anderem: „Dianas Wesen ist ruhig und zurückhaltend. Sie sollte künftig als Mitglied des Gruppenrates selbstbewusster und lebhafter auftreten. Mein fehlendes Selbstbewusstsein war mir wohl anzumerken, jedenfalls fiel es meiner Lehrerin sofort auf. Im nachfolgenden Jahr schrieb sie: „Diana ist eine ruhige und sachliche Schülerin. Sie ist verträglich und kameradschaftlich, sodass sie von ihren Mitschülern geachtet und anerkannt wird. Das war die Sichtweise von außen - vermutlich der Tatsache geschuldet, dass ich meist kleinbeigab, nie konterte und anderen beim Lernen behilflich war. Ich selbst empfand dies etwas anders. Offensichtlich war ich stets in Momenten gefragt, sobald irgendjemand etwas von mir wollte.

    Bei der Wiedervereinigung Deutschlands war ich elf Jahre alt und in der siebten Klasse. Bis dahin existierte in meinem Heimatort nur eine Gesamtschule und kurz danach wurde ein Gymnasium errichtet. Dieses besuchte ich von der achten bis zur zwölften Klasse. Ich hatte zu dem Zeitpunkt einen Notendurchschnitt von 1,3 und war mir dennoch unsicher, ob ich wechseln sollte. Meine Klassenlehrerin bestärkte mich mit dem Satz: „Wenn du nicht gehst, wer bitte dann? Zu Hause wurden von mir Einsen und Zweien „erwartet und meine Mutter zeigte uns stolz ihre guten Zeugnisse. Das spornte mich an, es ihr gleich zu tun. Sicherlich ging es meinen Eltern in erster Linie darum, dass wir zukünftig eine gute Ausbildungsstelle und einen Arbeitsplatz bekämen, was auch verständlich war.

    In der elften und zwölften Klasse (im Alter von 16 – 18 Jahren) ging es mit meinen Schulnoten zunehmend „bergab". Ich konnte mich schlechter konzentrieren und mir fiel das Lernen nicht mehr so leicht. Aufgrund meines Faibles für Sprachen belegte ich in Deutsch und Englisch Leistungskurse. Sogar in diesen verschlechterten sich meine Noten – wobei verschlechtern relativ ist – ich rutschte von Eins auf Zwei. Wahrscheinlich lag es unter anderem daran, dass vieles auswendig gelernt werden musste. Dies fiel mir wegen meiner zunehmenden Konzentrationsprobleme deutlich schwerer als sonst.

    Im zehnten Schuljahr kamen die ersten Dreien hinzu - zunächst im ersten Halbjahr in Mathe und Gemeinschaftskunde, im zweiten ebenso in Physik, Geographie und Geschichte. Diese komplexen Fächer bereiteten mir plötzlich Schwierigkeiten, die ich vorher nicht hatte. Vielleicht zeigte bereits in dieser Phase meine damals noch unerkannte Erkrankung ihre ersten Auswirkungen. Ich fühlte mich häufig überfordert, während ich sonst gerne gelernt hatte und mir eine rasche Auffassungsgabe nachgesagt wurde. Ein Jahr später reichte es im Zeugnis in Mathe gerade mal zu vier und fünf Punkten bei Themenschwerpunkten wie Integralund Differenzialrechnung – Dinge, die mir nicht lagen und die ich in meinem zukünftigen Berufsalltag zudem nicht brauchte. Bloß in meinen Lieblingsfächern Deutsch und Englisch konnte ich mich weiterhin zwischen Eins und Zwei behaupten. Französisch war eines meiner besten Grundfächer – am Ende der zwölften Klasse erreichte ich 15 Punkte. Immerhin bestand ich mein Abitur mit einer Durchschnittsnote von 2,3, womit ich überhaupt nicht zufrieden war. Im Vergleich zu meinen Noten bis zur achten Klasse sowie gegenüber anderen meines Jahrgangs empfand ich dies als „schlecht".

    Aufgrund meines Faibles für Sprachen wollte ich gerne in Leipzig Dolmetscherin oder Übersetzerin studieren. Bei einer Berufsberatung wurde mir mitgeteilt, dass die Studenten nach dem Abschluss selten einen Job bekämen. Der Sachbearbeiter empfahl mir deshalb eine Ausbildung im Dualen System. Er teilte mir mit, dass die Firmen die Absolventen überwiegend übernehmen würden. Ich bekam eine Broschüre mit entsprechenden Unternehmen, die dies anboten. Anschließend bewarb ich mich bei mehreren Firmen (alle in den alten Bundesländern) um einen Ausbildungsplatz zur Kauffrau für Bürokommunikation mit Zusatzqualifikation Fremdsprachenkorrespondentin Englisch sowie zur Fremdsprachensekretärin für Englisch und Französisch.

    Ich schickte nur sieben oder acht Bewerbungen ab, weil ich mich darauf konzentrierte, was ich wirklich wollte und mir die Sprachen ungemein wichtig waren. Dies fanden meine Eltern gar nicht toll. Sie meinten, ich solle lieber noch weitere Firmen anschreiben, da es voraussichtlich hunderte von Bewerbern gäbe. Andere boten wiederum eine Ausbildung zur Industriekauffrau oder Bürokauffrau ohne Fremdsprachen an, was ich jedoch nicht anstrebte. Deswegen bewarb ich mich nicht auf diese Stellen. Überraschenderweise erhielt ich direkt fünf Einladungen zu Eignungstests und Vorstellungsgesprächen. Daraufhin fuhr ich entweder allein per Zug oder zusammen mit meinem Vater mit dem Auto, nach Weinheim, Calw, Düsseldorf, Duisburg und Leverkusen. (Mit meinem Vater ist mein Stiefvater gemeint. Zu meinem leiblichen gab es keinen Kontakt mehr.)

    Mein Favorit war die Bayer AG in Leverkusen. Das Unternehmen bot Fremdsprachensekretärin Englisch und Französisch an, während bei den anderen Firmen einzig Englisch Bestandteil war. Obendrein war es möglich, ein Zimmer im Wohnheim für Auszubildende anzumieten. Nach dem Einstellungstest, bei dem mehrere hundert oder gar tausende von Abiturienten teilnahmen, bekam ich leider eine Absage, worüber ich unsagbar enttäuscht war. Infolgedessen unterschrieb ich einen Ausbildungsvertrag bei einem Unternehmen in Weinheim, von dem ich eine feste Zusage erhalten hatte. Bald darauf erhielt ich ein weiteres Schreiben von Bayer. Sie informierten mich darüber, dass eine zusätzliche Ausbildungsklasse zur Kauffrau für Bürokommunikation und Fremdsprachenkorrespondentin Englisch etabliert wurde, bei der ich herzlich willkommen sei. Glücklicherweise war es noch möglich, von meinem zuerst unterzeichneten Vertrag zurückzutreten. Bedenken oder Angst, in eine mir unbekannte Stadt zu ziehen und circa 600 Kilometer von meiner Familie entfernt zu sein, hatte ich interessanterweise überhaupt nicht. Dass ich mit 18 von zu Hause ausziehen wollte, wusste ich lange vorher – unter anderem dadurch bedingt, dass ich mich teilweise fehl am Platz fühlte.

    Von meinen Eltern fühlte ich mich nicht sonderlich verstanden – wobei die Betonung darauf liegt, dass ich dies als Kind derart wahrnahm. Als ich sechs Jahre alt war, wurde mein Bruder geboren. Einerseits freute ich mich darüber, andererseits fühlte ich mich nach und nach als „fünftes Rad am Wagen". Ich war sehr in mich gekehrt und machte viel mit mir selbst aus, wohingegen meine drei Jahre jüngere Schwester genau das Gegenteil von mir war. Sie verschaffte sich Luft, setzte sich größtenteils durch und zeigte zuweilen das Verhalten, was eigentlich für mein Sternzeichen Widder typisch gewesen wäre. Für mich schien es so, als würden meine Mutter und meine Schwester ein Zweiergespann bilden sowie mein Vater und mein Bruder – ich stand gefühlt häufig außen vor.

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