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Unheiliges Leben: Band 3 - Girl on Girl
Unheiliges Leben: Band 3 - Girl on Girl
Unheiliges Leben: Band 3 - Girl on Girl
eBook1.569 Seiten17 Stunden

Unheiliges Leben: Band 3 - Girl on Girl

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Über dieses E-Book

Dieser dritte Sammelband der Reihe "Unheiliges Leben" beinhaltet das Buch "Geraldine der Sturm" und alle sieben bislang publizierten Bände der Reihe "Girl on Girl" aus der Feder des Autors.

Allen Hauptdarstellerinnen dieser Bücher ist gemein, dass sie vom Leben gebeutelt wurden, unter ihren Eltern, ungünstigen Umständen, Missbrauch oder Demütigung litten und eigentlich kaum mehr eine Chance im Leben gehabt hätten.

Dann aber geraten die Protagonistinnen der Reihe "Girl on Girl" an die Firma Shark Video Productions, welche der weltweit führende Produzent von Pornografie ist und unter anderen die Sparte "Girl on Girl", in welcher nur Lesben-Pornos produziert werden, unterhält.
Die Girls lassen sich auf das Geschäft ein, fangen an Lesben-Pornos zu produzieren und steigen zu Superstars auf. Sie genießen hohes Ansehen, feiern Erfolge und schwimmen im Geld. Mehr noch… sie erobern mit entschärften, für das breite Publikum zurechtgeschnittenen, Fassungen ihrer Werke die Fernseh- und Kino-Welt bis hin zur Krönung in Los Angeles, wo nicht wenige von ihnen zu Oscar-Preisträgerinnen gekürt werden.

Einst ganz unten, geschunden, gequält und missbraucht, stehen sie jetzt ganz oben, müssen nicht mehr hungern und werden geliebt.

Aber sie alle haben noch eine weitere Gemeinsamkeit… Jemand hasst sie abgrundtief, trachtet danach, sie zu zerstören, ihnen die Lebenslust zu rauben und beginnt in ihrem Umfeld brutal zu morden. Die Motive sind vielfältig, die Methoden gleichfalls und die mit den Morden betrauten Ermittler müssen immer wieder um die Ecke denken, um dem Morden ein Ende setzen zu können.

Sinnlicher Lesben-Sex, ausgelebte Fetische, abgrundtiefe Liebe und brutale, heimtückische Morde prägen die Leben der Protagonistinnen dieser Romane, welche sicher nichts für Kinder, Heranwachsende oder zart Besaitete sind.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum11. Aug. 2021
ISBN9783347373754
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    Buchvorschau

    Unheiliges Leben - Udo Meeßen

    Einleitende Worte

    Wenn Sie, werte/r Leser/in die beiden ersten Bände von „Unheiliges Leben" aufmerksam gelesen haben, ist es Ihnen schon aufgefallen…

    Die sogenannte Resterenergiezelle (REZ), eine schier unerschöpfliche Energiequelle, welche dem allgegenwärtigen weißen Rauschen, der kosmischen Hintergrundstrahlung, Energie entnehmen und in elektrischen Strom umwandeln kann, sowie der Exodus der Menschheit von der Erde ziehen sich wie ein roter Faden durch das Werk des Autors.

    Tatsächlich schuf der Autor mit seiner großen Saga „Das Gesetz der Seele, welche demnächst nach gründlicher Revision unter dem Titel „Dynastie der Unsterblichen erneut publiziert werden wird, ein in sich geschlossenes Universum. Und in genau diesem Universum, dem zeitlichen und technologischen Rahmen, der großen Saga siedeln nahezu – bis auf sehr wenige Ausnahmen – alle Romane des Autors.

    In den bisherigen Bänden haben Sie bereits die Bezüge der Protagonisten und deren Schicksale zur großen Saga kennengelernt. Die Menschheit schaffte unter blutigem Zoll den Exodus von der Erde, wurde Teil einer sehr großen Föderation, der UGF und letztlich siedelten die Geschichten der beiden ersten Bände von „Unheiliges Leben" irgendwann in genau diesen Zeiten, dieser Föderation.

    Und genau SO wird es auch in den folgenden Bänden von „Unheiliges Leben" weiter gehen. Sie werden weiterhin Geschichten lesen, welche im technologischen und zeitlichen Rahmen der großen Saga angesiedelt sind und letztlich Teile dieser sein könnten.

    Dabei kommt es zwangsläufig immer wieder zu Überschneidungen mit der großen Saga. So tritt zum Beispiel die beseelte Klasse V Androdin, Sarah Behmendorf, welche schon im ersten Buch der großen Saga erwähnt wird und dann immer wieder in Erscheinung tritt, als Protagonistin in einer eigenen Kleinserie – ursprünglich unter dem Titel „Die Hure" publiziert – auf.

    In der Geschichte um Sarah Behmendorf nimmt Geraldine eine besondere Rolle ein, stirbt letztlich sogar, um Sahrahs hehre Ziele zu verfolgen und zum Erfolg zu verhelfen. Aber nicht nur in Sarahs Leben spielt Geraldine eine nicht unerhebliche Rolle. Sie und Kriminalhauptkommissar Leon Stecker vom LKA NRW haben gleichfalls Auftritte in den Geschichten anderer Protagonisten und die/der unbedarfte Leser/in würde sich beim Lesen dieses Buches unweigerlich fragen, was es denn mit dieser Geraldine, besser bekannt als „Der Sturm" auf sich hat. Deshalb stellen wir diesem Buch die Geschichte von Geraldine voran und eröffnen damit den Reigen, bevor wir die lesbischen Pornomodelle um Laura Beyer ihre, von Mord und Totschlag überschatteten, Geschichten erzählen lassen.

    Geraldine

    Der Sturm

    Geraldine Stromp, Tochter eines, aus eigener Kraft nicht lebensfähigen Weicheis und einer machtbesessenen Großindustriellen, wird Opfer eines bösen Spiels und in dessen Rahmen bis an den Punkt getrieben, an welchem sie nicht mehr leben möchte.

    Sie gibt auf, will ihr Leben beenden und wird buchstäblich in der letzten Sekunde von einer Frau gerettet, welche sie aus tiefster Seele liebt.

    Das Glück an der Seite von Irina währt nur wenige Jahre, bis diese feige ermordet wird und Kriminalhauptkommissar Leon Stecker vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen ungewollt in Irinas Fußstapfen tritt.

    Wir erleben KHK Stecker erstmals von der privaten Seite als liebenden Mann, welcher für sein Schäfchen über den eigenen Schatten springt und dadurch den Weg für den Sturm bereitet.

    Der Sturm ist gnadenlos und tödlich.

    Fürchte den Sturm.

    Das Ende

    Geraldine konnte nicht mehr, hatte keinen Funken Hoffnung mehr in sich, keine Kraft mehr, um so weiter zu machen und gab auf.

    Am 3. November 2104 stand sie verloren im eisigen Wind, hoch oben auf der Dachterrasse des 2096 am Platz des ehemaligen Herkules-Hochhauses, errichteten neuen, Köln-Towers und blickte nach Osten über die Stadt.

    In ihren, vom ewigen Weinen geröteten und im Lauf der Jahre fast erblindeten, Augen standen Tränen und sie nahm sich vor, dass es das letzte Mal sein würde, dass die Welt sie weinen sah.

    Die Servomotoren ihres ultra leichten Exoskeletts, ohne dessen Hilfe sie schon lange zu keiner Bewegung mehr fähig gewesen wäre, surrten unwillig, als sie auf die brusthohe Balustrade der Dachterrasse zuging, weil ihnen die niedrige Temperatur in Verbindung mit dem scharfen, Feuchtigkeit tragenden, Wind Schwierigkeiten bereitete.

    Sie wog bei 164 Zentimetern Körpergröße nur noch 34 Kilogramm, war abgemagert und ihr eigentlich hübsches Gesicht eingefallen. Zahllose erfolglose Behandlungen mit Medikamenten, nutzlose Therapien, Bestrahlungen, Infusionen und sonstige, ihrerseits inzwischen als Schwachsinn eingestufte, Versuche der Schulmediziner, hatten letztlich dazu geführt, dass sie kaum mehr in der Lage war, Nahrung aufzunehmen, sie sich fast nur noch von dünnflüssigen Präparaten ernährte.

    Der letzte ‚glorreiche‘ Ansatz der Spezialisten vor der Chemotherapie in der Klinik war, sie zu einem Chiropraktiker zu schicken, welcher angeblich nach modernsten Standards behandelte und Erfolge vorweisen könne. Das Ende vom Lied – das war im Dezember 2103 – war, dass er bereits bei der ersten Behandlung mit bloßen Händen ihr Becken förmlich zertrümmerte und man ihr ein komplett neues aus Titan beschaffte.

    Sie hatte das schon nicht mehr gewollt, darum gebeten, sie einfach in Ruhe sterben zu lassen, aber das ließ man nicht zu, ließen vor allen Dingen ihre Eltern nicht zu, welche besessen davon waren, ihren armen Schatz zu retten.

    Sie wurde operiert, bekam das neue Becken und wurde dann, weil einige der Ärzte Suizid-Gefahr witterten, in einer psychiatrischen Klinik in Porz interniert und unter Bewachung gestellt.

    Dort vegetierte sie, permanent begleitet von den quälenden Schmerzen, deren Ursache in all den Jahren niemand fand und deretwegen sie zum Versuchskaninchen der Mediziner wurde, bis zum 1. November.

    Dann, am frühen Nachmittag eben dieses 1. November nutzte sie die Nachlässigkeit eines der Pfleger, welcher aus Bequemlichkeit die Tür nicht richtig hinter sich zuzog, sondern sie nur anlehnte, weil er ja nur kurz an die Medikamentenausgabe musste und nicht erneut das Prozedere der Entriegelung der Tür abspulen wollte.

    Die zweite Nachlässigkeit des Pflegers war, dass er die massiven, gepolsterten Stahlspangen, mit denen sie an den Fuß- Bein- Arm und Handgelenken an das Bett fixiert war, öffnete, um sie richtig waschen zu können und auch diese nicht wieder schloss, bevor er den Raum verließ.

    Sie war, anders als andere Patienten in ähnlicher Situation, nicht mit Lederbändern, sondern mit stählernen Spangen fixiert, weil die Servoantriebe des Exoskeletts auf höchster Leistungsstufe die Kraft von zehn ausgewachsenen Männern entwickeln konnten.

    Man hatte sie wiederholt gewarnt, die Antriebe über 5% Leistung zu betreiben, weil die dann auf sie wirkenden Kräfte, sie zerreißen und umbringen würden, aber das war ihr letztlich egal, denn sterben wollte sie so oder so.

    Als der Pfleger sie unbeaufsichtigt zurück ließ, sah sie ihre Chance gekommen. Entweder würden sie die Servos töten, oder sie schaffte es mit deren Hilfe raus aus der Klinik und fände dann einen anderen Weg, ihrem Leben ein Ende zu setzen.

    Die Tür und die Spangen waren offen, sie konnte sich bewegen und das setzte sie in die Tat um. Sie griff an ihre rechte Hüfte, regelte die Leistung der Antriebe auf 100% und sprang von der Liege. Die Servos entfalteten ihre gewaltige Kraft, aber sie zerrissen sie nicht, weil in ihrem Körper keine nennenswerte Muskulatur mehr war, welche unter den Kräften hätten leiden können und Knorpel sowie Sehnen im Prinzip schon lange nur noch anatomische Dekoration waren.

    Sie sprintete aus dem Raum, über den Flur und der Pfleger, ein fetter Kerl, welcher in der Klinik ein freiwilliges soziales Jahr ableistete, kam ihr entgegen.

    Er hatte sich immer wieder während er sie wusch und annahm, sie wäre von den Psychopharmaka so benebelt, dass sie nichts mitbekäme, in herabwürdigender Weise darüber lustig gemacht, dass ihre Brüste wie zwei flache Fladen an ihr hingen und das Polster ihrer Vulva faktisch nicht mehr existierte, ihre hauchdünnen, faltigen, kleinen Schamlippen dadurch immer sichtbar waren.

    „Wie alt bist Du Drahtgestell? Siebzehn? Dafür hast Du aber schon ordentliche Hängefladen."

    Als er ihr jetzt, mit der Dose der für sie bestimmten Medikamente entgegen kam, war sie so schnell, dass er nicht wirklich realisieren konnte, was ihn da aus heiterem Himmel wie ein Dampfhammer traf, sein Brustbein und die meisten Rippen zertrümmerte und ihn von den Beinen fegte, ihn sich drei Mal überschlagen ließ, ehe seine 135 Kilogramm in seltsam verkrümmter Haltung auf dem Boden zu liegen kamen.

    Er entging nur ganz knapp dem Tod, weil die psychiatrische Klinik über einen eigenen Notfall-OP verfügte, welcher sehr gut ausgestattet und es Tag war, die Ärzte und Chirurgen nicht daheim waren, sondern Dienst schoben.

    Geraldine nahm sich nicht die Zeit, auf sich öffnende Türen zu warten, rannte durch jene, welche geschlossen waren, oder sich zu langsam öffneten, kurzerhand hindurch.

    Aber sie starb nicht, wurde von ihrem Exoskelett wie eine Marionette bewegt, leistete keinen Widerstand gegen die Urgewalten und rannte in Richtung der großen Stadt.

    Im U-Bahnnetz Kölns fuhren die Züge seit der Einführung der Restenergiezelle nicht mehr auf Schienen, sondern bewegten sich mit aberwitzigen Geschwindigkeiten dicht über dem Boden auf Magnetfeldern. Geraldine sah darin eine Chance, ihr Leben zu beenden, denn sie ahnte, dass es Urgewalten benötigen würde, sie zu töten, weil das Exoskelett ihren Körper einschließlich des Schädels schützte und sie zuvor förmlich durch Wände gelaufen war, ohne Schaden zu nehmen.

    Deshalb stellte sie sich in einen der langen Tunnel in welchen die Züge lang genug zwischen zwei Stationen unterwegs waren, um auf mindestens 350 km/h beschleunigen zu können.

    Sie passte das Eintreffen eines Zuges richtig ab, sprang dann vor dessen aerodynamisch geformten Bug, wurde hart getroffen, zog sich eine Gehirnerschütterung zu und zerstörte den Vorbau des Triebwagens, dessen Fahrer eine Notbremsung einleitete, in deren Folge zahlreiche, nicht sitzende Passagiere durch den Zug gewirbelt und verletzt wurden.

    Sie selber spürte die Wucht des Aufpralls, wurde durch den Tunnel geschleudert und landete hart hinter dem Zug, welcher nach 200 Metern zum Stillstand kam und ihr Brustpanzer, welcher maßgeschneidert wurde, als ihre Brüste noch Volumen hatten und jugendlich straff waren, verformte sich in der linken Seite, so dass ihre Brust, wäre sie noch im Ursprungszustand gewesen, eingequetscht worden wäre. Wahnsinnig vor Schmerzen und unsagbarer Wut darauf, dass das Exoskelett ihr nicht erlaubte, zu sterben und sie schützte, verkroch sie sich in einen dunklen Wartungsschacht, harrte dort aus und trank an der Betonwand herab sickerndes Wasser, um irgendetwas in den Magen zu bekommen.

    ‚Scheiße, ich will sterben und mein verdammter Körper schreit nach Wasser und Nahrung, weil er leben will. Was soll diese Kacke?!‘

    Sie verstand sehr deutlich, dass es das künstliche Skelett war, welches ihren Freitod verhinderte und wollte es loswerden, aber das ging nicht mehr.

    Vorher, bevor dieser abgefuckte Halbgott in Grau, dieser Nervenklempner ihr akute Suizidgefahr attestierte, hatte sie freien Zugriff auf den Zentralschlüssel, welcher die codierte Sequenz an die Zentralverriegelung schicken konnte. Den hatte man ihr dann aber abgenommen und seither waren es nur noch die Pfleger in der Psychiatrie, welcher ihr den Panzer abnahmen, um sie waschen zu können.

    Die Erinnerung an Lulu huschte durch ihren Verstand und sie lächelte wehmütig. Lulu war Pflegerin in der Klinik und die einzige Person, welche sie mit Respekt behandelte, während der Körperpflege sanft und vorsichtig mit ihr umging, mit ihr sprach und immer wieder zum Ausdruck brachte, wie sehr sie sie wegen ihres grausamen Schicksal bedauerte.

    Geraldine war sich irgendwie sicher, dass Lulu ihr sogar irgendein tödliches Medikament besorgt hätte, um ihr zu helfen, zu sterben. Sicher, das ging nicht, denn die Pfleger hatten keinen freien Zugriff auf die Medikamente, bekamen nur das in die Hand, was die Ärzte verschrieben und die Apotheker im codierten Medikamentenschrank deponierten. Aber Lulu hätte es getan, wenn sie die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Davon war Geraldine überzeugt und allein schon dafür liebte sie die junge, immer freundliche und lächelnde Frau.

    Als Übelkeit und Kopfschmerzen, hervorgerufen von der Gehirnerschütterung, langsam nachließen und ihr das Denken leichter fiel, überlegte sie, dass rohe Gewalt sie nicht würde töten können, weil die Hülle aus Titan, welche sie so umgab, wie der Anzug diesen Comic-Helden ‚Wie heißt der noch mal? Ah.. Ironman, oder?‘ anscheinend unzerstörbar war.

    ‚Knutscht ne U-Bahn in voller Fahrt, macht die kaputt und hat grad mal ne kleine Beule in der linken Titte. Das ist doch bescheuert. Warum dieser Vollpanzer? Das alte Ding war doch gut genug.

    Das ‚alte Ding‘ war sehr viel einfacher konstruiert, lag lediglich in Form flacher, schmaler Titanbänder entlang ihrer Gliedmaßen und der Wirbelsäule an ihrem Körper und war an den Gelenken durch die Antriebe miteinander verbunden.

    Aber als sie ein Jahr zuvor, kurz nach ihrem 16. Geburtstag unter den Einwirkungen der letzten Strahlentherapie begann, immer mehr zu verfallen und aus ihrer jugendlich schlanken, aber straffen Erscheinung mit – wenn auch kleinen – Pölsterchen aus Babyspeck das hagere, kraftlose Klappergestell wurde, nahm ihre Mutter voller Sorge um sie sehr viel Geld in die Hand und ließ ihr von der Syndroid AG in Bad Vilbel den Vollpanzer bauen, dessen einzige Öffnungen, auf welche sie freien Zugriff hatte, die Klappen im Schritt für die Ausscheidungen und das Visier vor dem Gesicht waren.

    ‚Kacke… Egal, wo ich hinkomme. Die suchen nach mir und jeder weiß, dass ich in dem Panzer stecke und dann nehmen sie mich wieder mit.

    Sich als einfacher Arbeitsandroid auszugeben, um sich frei bewegen zu können, war schier unmöglich, denn über ihr schreckliches Schicksal wurde in den Medien wiederholt ausführlich berichtet und ihre eigene Mutter machte aus der Übergabe des neuen Panzers eine riesige Show vor laufenden Kameras, so dass ihr Outfit landauf, landab bekannt war.

    Sie so zu präsentieren, war letztlich nur ein kluger Schachzug ihrer Mutter, denn die setze auf das Mitleid der Leute, um einen Teil der 500.000€, welche der Anzug kostete, durch Spenden wieder rein zu holen und der Plan ging auf. Sie hätte den Panzer im Prinzip aus der Portokasse zahlen können, aber mit ein wenig Druck auf die Tränendrüse konnte man das Denken der Menschen sehr einfach manipulieren und die eigene Belastung erheblich senken.

    Die Konsequenz daraus war jetzt, dass Geraldine sich nicht in der Öffentlichkeit blicken lassen konnte, weil die Ärzte und die Medien dafür sorgten, dass die Menschen davon überzeugt waren, sie wäre verwirrt und bräuchte dringend ärztliche Hilfe.

    Dann, in den frühen Morgenstunden des 3. November bewegte sie sich durch die noch menschenleeren Stationen der U-Bahn und durchsuchte die Papierkörbe nach weggeworfenen Resten von Lebensmitteln oder Getränkebechern in denen noch etwas trinkbares war und stieß dabei zufällig auf eine Zeitung vom Vortag in welcher als Schlagzeile von ihrer ‚verwirrten‘ Flucht berichtet wurde.

    Ihr Interesse galt jedoch einer weiteren Meldung auf der Titelseite, welche davon berichtete, dass der Fahrer eines gepanzerten Geldtransporters einen verhängnisvollen Fehler machte.

    Noch wusste man nicht genau, was passiert war und die Besatzung des Fahrzeuges konnte man nicht mehr fragen, weil sie tot war, aber man wusste von den Konsequenzen des Fehlers.

    Der gepanzerte Wagen war am Köln-Tower in einen Schacht gestürzt und dort von einem Hochenergie-Gitter, welches in der Zeitung diffus als Laser-Netz bezeichnet wurde, in handliche Stücke geschnitten worden.

    ‚O.k. Alles klar. Wenn das Ding einen gepanzerten Geldtransporter in Stückchen schnippeln kann, dann kann es das auch mit mir machen.

    Deshalb stieg sie im Schutz der Dämmerung am frühen Morgen, die Kraft ihrer Servoantriebe nutzend, an der Fassade des Hochhauses hoch und gelangte auf die Dachterrasse. Von oben war es ihr möglich, denn betreffenden Schacht, durch welchen sogar ein kompletter Reisebus gepasst hätte, auszumachen.

    Jetzt erst, nach diesem Unfall mit dem Transporter, welcher vier Personen das Leben kostete, begann man den Schacht mit einer Stahlkonstruktion abzudecken, um zu verhindern, dass etwas hinein fallen konnte. Aber die Arbeiten hatten noch nicht begonnen und Geraldine brauchte sich nur noch von oben hinein zu stürzen, um ihren Frieden zu finden.

    Sie stieg auf die Brüstung, atmete tief ein und ließ ihr kurzes Leben Revue passieren, bereitete sich auf das Ende im Lasergitter vor.

    Schmerzen ohne Ende

    Bis zu ihrem sechsten Lebensjahr, war Geraldine Stromp, geboren am 2. Dezember 2087 in Köln Nippes, Tochter der Großindustriellen Clarris und des Neurologen Klaus Stromp, ein ganz normales Kind.

    Kurz nach ihrem sechsten Geburtstag begannen dann die Schmerzen, deren Ursache niemals geklärt werden konnte.

    Anfangs waren es nur Schwellungen in den Handgelenken, zuweilen nur einzelner Finger, dann wieder eines Fußes, eines Knies oder in den Hüften und die Ärzte diagnostizierten eine Art Arthrose, welche sie aufgrund des variierenden Auftretens als Polyathrithis bezeichneten.

    Da die Ursache dafür in einem hyperaktiven Immunsystem gesehen wurde, welches unkontrolliert immense Mengen an Leukozyten produzierte, welche dann mangels tatsächlicher Feinde im Körper quasi randalierten, war man von vorne herein der Ansicht, keine Möglichkeit außer der Bekämpfung der Symptome durch Schmerzmittel zu haben.

    Sie wurde bis zu ihrem achten Lebensjahr mit konventionellen Schmerzmitteln und Entzündungshemmern behandelt, schluckte gefühlt Tonnen von Pillen und fand dennoch kaum Ruhe, denn der Körper gewöhnte sich an die Medikamente und die Dosen wurden bald so hoch, dass ihre Nieren und der Magen darunter litten. Zwischenzeitlich ging sie auf wie ein Pfannkuchen, weil sie sechs Monate mit Cortison behandelt wurde und ihr Körper Unmengen von Wasser in ihrem Fettgewebe einlagerte. Das hatte zur Folge, dass ihre Gelenke zusätzlich belastet und geschädigt wurden und sie kurzatmig wurde, erste Herzprobleme bekam.

    Der inzwischen neunte Arzt, welcher sich ihrer annahm, setzte daraufhin das Cortison umgehend ab und schaffte es ihr wieder zu einer normalen, ihrem Alter entsprechenden Figur zu verhelfen und ihren Bewegungsapparat zu entlasten.

    Die Ursache für ihre Schmerzen erschloss sich ihm aber nicht und auch er war nur in der Lage die Symptome zu therapieren und weil Medikamente wie Diclofenac, Ibuprofen und ähnliche Substanzen nicht mehr bei ihr wirkten, setzte er auf Morphine.

    Mit zehn Jahren war sie im Prinzip ein Morphin-Junky und der dann kommende Arzt war zunächst ein gutes Jahr damit beschäftigt, sie von der Sucht zu befreien, setzte auf Akupunktur als Schmerztherapie. Dadurch wurde ihr Körper zunächst von der Chemie entlastet, gewann Zeit zur Entgiftung und ihr gestörter Hormonhaushalt kam wieder ins Reine mit sich.

    Mit zwölf Jahren begann sie dann zur Überraschung der Ärzte und wider derer ungünstiger Prognosen, ganz normal zu pubertieren und entwickelte sich langsam aber sicher zu einer hübschen, gut proportionierten, jungen Frau deren einzige Handicaps die ewigen, unberechenbaren Schmerzen und die, durch die Entzündungen nachhaltig geschädigten und deformierten Gelenke waren, was sich am deutlichsten an ihren schlanken Händen zeigte.

    Neurologen, Homöopathen, Onkologen und allerlei andere Fachärzte, welche sie persönlich schon seit einigen Jahren als unfähige Witzfiguren bezeichnete, versuchten die Ursachen ihrer Schmerzen zu finden, scheiterten aber.

    Sie war der Untersuchungen und Therapien schon lange überdrüssig, verzichtete bewusst auf Medikamente und weigerte sich standhaft, neue Präparate zu nehmen, weil sie den Verdacht hatte, sie sei ein Versuchskaninchen der Pharmaindustrie.

    Ihre Mutter aber, sehr wohlhabend und unnachgiebig, scheute keine Ausgaben, war nicht bereit, zu akzeptieren, dass sie aufgab, sich mit dem Leben unter Schmerzen arrangierte und investierte Unsummen in zahlreiche Spezialisten.

    Mit wenig Erfolg, denn die junge Frau, welche gerne wie ein normales Mädchen ihres Alters zur Schule gegangen wäre, Schlafanzugpartys mit Freundinnen gefeiert und erste sexuelle Erfahrung gesammelt hätte, stattdessen aber ihre Leben in Untersuchungsräumen, Labors und Kliniken verbrachte, litt weiterhin unter den unerklärlichen Schmerzen.

    Ihre Mutter ignorierte gekonnt ihr Aufbegehren und ließ nicht locker. Es konnte doch nicht sein, dass all ihr Geld und ihre wirtschaftliche Macht nicht geeignet waren, ihre Tochter zu heilen und dafür begann Geraldine sie langsam zu hassen.

    Kurz nach ihrem 16. Geburtstag entdeckte dann ein Neurologe einen kleinen Knoten in ihrem Frontallappen, schloss auf Krebs und wurde übereifrig von einem amerikanischen Onkologen bestätigt.

    Also begann man mit der Chemotherapie in Verbindung mit Strahlenbehandlungen und setzte damit den Zerfall ihres Körpers in Gang.

    Schon sechs Monate nachdem die Behandlung begonnen wurde, war sie so geschwächt, dass sie Unterstützung benötigte, um sich bewegen zu können und ihre Mutter ließ für sie die erste Version des Exoskeletts bei der Syndroid AG entwickeln.

    Zu diesem Zeitpunkt bekam sich schon das Heulen und wurde von Ekel geschüttet, wenn sie ihre Brüste im Spiegel sah, weil diese, vor wenigen Monaten noch, ihrem Entwicklungsstand entsprechend, voll und fest waren und keck aufragten. Jetzt aber waren es nur noch leere, ausgeleierte Hüllen in denen kein Fettgewebe mehr war und das Stützgewebe aufgegeben hatte.

    Kurz vor ihrem 17. Geburtstag kollabierte sie dann während einer Bestrahlungssitzung und die Therapie wurde ausgesetzt.

    Eine Woche später bewies dann ein Röntgenarzt, dass der vermeintliche Tumor in ihrem Hirn eine harmlose Zyste war, welche sie offenbar schon seit frühester Kindheit dort hatte.

    Die Zyste wurde kurz zum Zentrum der Hoffnung, denn die Ärzte vermuteten, dass diese die Ursache für die Schmerzen war.

    Aber… die Chirurgen konnten das Gewächs mittels einer minimal invasiven OP, ohne sie zu lobotomisieren, entfernen und die Schmerzen blieben weiterhin.

    Zu diesem Zeitpunkt war sie körperlich bereits so weit verfallen, dass ihre Mutter sich dazu entschloss den Ganzkörperpanzer für sie bauen zu lassen und für sie persönlich die Schmerzen zur Nebensache wurden, da sie sich umfänglich und auf der ganzen Linie ihrer persönlichen Freiheit beraubt und als Versuchsobjekt ihrer Mutter sah.

    Von Lebensqualität konnte in ihrem Zustand der Hilflosigkeit und Pflegebedürftigkeit keine Rede mehr sein und sie begann, sich nach dem Tod zu sehnen, um der, vom Ehrgeiz ihrer Mutter geschaffenen, Hölle auf Erden zu entfliehen.

    Sie versuchte am 5 Januar 2104 mit einer Überdosis Schlaftabletten und zweier Flaschen Whiskey ihr Leben zu beenden, schaffte es sogar fast und wurde in der Konsequenz in die Psychiatrie eingewiesen , dort unterm Strich interniert.

    Der Beckenbruch, welchen ihr der Chiropraktiker spendierte, erfolgte, als sie bereits drei Monate interniert und ihrer Freiheit beraubt war.

    Danach verfiel sie zunehmend schneller und drastischer, weil die sinnlosen Bestrahlungen und die Chemotherapie erst jetzt ihre üblen Nachwirkungen auf ihren Körper offenbarten.

    Sie vegetierte in ihrer Hülle aus Titan mit Servoantrieben, welche ihr nichts nutzten, weil sie an das Bett fixiert war, war den Pflegern, deren Häme und Missbrauch schutzlos ausgeliefert und litt mehr seelisch als körperlich unter den Zuständen ihrer unwürdigen Unterbringung, welche von ihrer Mutter als Intensivpflege bezeichnet wurde.

    Dafür hasste sie sie endgültig und wenn es jemanden gab, dem sie außer sich selber den Tod, einen schmerzhaften, langwierigen Tod, wie ihr ganzes Leben es einer war, wünschte, dann war es ihre Mutter, für welche sie nur noch abgrundtiefen Hass empfand.

    Für ihren Vater, welcher in allen Belangen und Lebenssituationen vor seiner Gattin kuschte und es niemals fertig brachte, sich aufzulehnen, hatte sie indes nur noch Verachtung über. Der kleine Schwanzlutscher, wie sie ihn insgeheim nannte, hatte nicht nur keine Eier, sondern war auch noch pervers, denn er nutze bevor sie in die Psychiatrie kam und den Vollpanzer erhielt, ihre Wehrlosigkeit, um ihr T-Shirt nach oben zu ziehen, ihre damals noch schönen Brüste freizulegen, sich einen runter zu holen und auf sie zu ejakulieren.

    Er glaubte, sie wäre viel zu benebelt, um es mitzubekommen, ein Fehler, welchen viele machten, aber sie registrierte sehr wohl, was er tat und zur Strafe schiss sie sich mehrfach ganz bewusst in die Hosen. Ihre Mutter war irgendwo in Asien auf einer Konvention oder einem ähnlichen Ding unterwegs und er musste sich um sie kümmern. Das nutzte sie aus, als er sie zu seiner Wichsvorlage degradierte, schluckte heimlich den Stuhlgang beschleunigende Tabletten und wälzte sich förmlich in ihrem Kot.

    Wenn er dann das Zimmer betrat, lag sie bewegungslos in ihrer Scheiße und starrte blicklos an die Decke.

    Irina Samovitsko

    Um 7:22 Uhr am Morgen des 3. November 2104 war Geraldine bereit, sich in das Lasernetz zu stürzen. Sie hatte ein letztes Mal auf ihr zerstörtes, schmerzhaftes Leben zurück geblickt, die Stationen nochmals von allen Seiten betrachtet und kam zu dem Schluss, dass sie es nicht war, welche es zerstörte, sondern nur die sein würde, welche den schon lange fälligen Schlussstrich zog.

    Ohne zu Zögern, frei von Furcht, in freudiger Erwartung ihres Todes, der Erlösung, trat sie über die Brüstung der Dachterrasse des Köln-Towers hinaus und ließ sich, mit einem Lächeln im Gesicht, in sich ruhend, in die Tiefe fallen.

    Gleich, in wenigen Sekunden, würde das Lasergitter sie in Stücke schneiden und auch ihr Panzer würde sie nicht daran hindern können, endlich zu sterben.

    -*-

    Als Geraldine ungefähr eine Stunde bevor sie den Schritt ins Leere trat, aus dem U-Bahnschacht kroch und begann, an der Fassade des Köln-Tower hinauf zu klettern, erfasste ein Satellit in geostationärer Position über dem Polarkreis das von ihr unbemerkte Signal eines kleinen, in die Schädelhülle ihres Panzers eingearbeiteten Transponders. Das Signal wurde bis dahin durch das Wirrwarr elektronischer Signale in den U-Bahn-Schächten und die starken Magnetfelder auf denen sich die Züge dort bewegten, verschleiert und konnte nicht erfasst werden.

    Je höher sie aber an der Fassade des Hochhauses hinauf kletterte, desto deutlicher wurde das Signal, bis der Satellit dann letztlich in der Lage war, in Kombination mit drei weiteren Satelliten ihre Position zu triangulieren.

    Ein Copter der Kölner Polizei stieg in Butzbach auf, benötigte eine Weile, um sein Navigationssystem mit dem Signal des Satelliten zu synchronisieren und raste dann im Tiefflug über die westlichen Stadtteile hinweg und auf den Köln-Tower zu.

    Der Pilot des Copters, welcher die Bezeichnung nur noch aus irgendwelchen sentimentalen Gründen trug, aber mit einem klassischen Hubschrauber nur noch gemein hatte, dass er fliegen konnte, keinen Rotor mehr benötigte, von Ionen-Triebwerken jüngster Generation angetrieben und in der Luft gehalten wurde, erkannte Geraldines Absicht auf den ersten Blick.

    Er lenkte den Copter unter Geraldine, in deren Sturzbahn, synchronisierte seine Geschwindigkeit mit der ihrigen, steuerte ein wenig gegen und öffnete das Cockpit. An einem gewissen Punkt betrug ihre Fallgeschwindigkeit in Relation zum Copter nur noch einen Zentimeter pro Sekunde und der Pilot fing sie, breit grinsend, zehn Meter über der Öffnung des Schachtes, auf.

    Sie landete, wie von ihm kalkuliert auf dem mittleren Sitz hinter denen von Pilot und Copilot und wurde dort vom Copiloten in Empfang genommen.

    Noch ehe sie reagieren konnte, griff er ihr in den Schritt, öffnete die vordere Klappe, welche für ihre Ausscheidungen vorgesehen war und drückte die Nadel eines Injektors, einer Spritze, gefüllt mit einem Barbiturat, in ihre Leiste.

    Sie wollte noch aufbegehren, dem Mann mit aktivierten Servos an den Hals gehen und den Copter zerlegen, um an ihr Ziel zu kommen, aber das Betäubungsmittel wirkte bereits und packte ihren Verstand in rosa Watte, legte ihre kognitiven Fähigkeiten gnadenlos lahm.

    ‚Ihr verdammten Sklaven meiner hirntoten Mutterfotze! Lasst mich doch endlich in Frie…‘

    -*-

    „Hallo wach?"

    Geraldine hörte eine freundliche, helle und melodische Stimme, welche sie an Lulu, die Krankenpflegerin in der Psychiatrie erinnerte.

    Dann berührte jemand sanft ihre Augenlider und leuchtete ihr kurz mit einer blauen Lampe in die Pupillen um ihren Zustand beurteilen zu können.

    Sie spürte, dass sie nicht mehr von ihrem Panzer und dessen synthetisch gepolsterter Innenverkleidung umgeben war, sondern jemand sie in weiche, warme Wolldecken gewickelt und nicht fixiert hatte.

    „Kannst Du mich hören, Süße?"

    Süße?

    Sie versuchte zu sprechen und beim vierten Anlauf gelang es ihr, mit „Ja." zu antworten.

    „Fein, Süße. Schön, dass Du wieder da bist und toll, dass Du es nicht geschafft hast."

    „Toll? Scheiße, ich lebe noch immer und dieser Irrsinn geht weiter. Das soll toll sein?"

    „Shht… Reg Dich bitte nicht auf, Geraldine. Für Dich beginnt eine neue Zeit."

    „Das haben mir schon viele versprochen und dann eifrig an meiner Vernichtung gebastelt."

    „Schon klar", sagte die Frau, welche Geraldine noch nie gesehen hatte und inzwischen recht scharf erkennen konnte, mit einem sanften Lächeln und tupfte ihr mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn.

    „Die haben alle gesagt, sie würden Dir helfen, aber von Anfang an in ihren Berichten zum Ausdruck gebracht, dass sie keine Ahnung hatten, was mit Dir los ist."

    „Und? Kannst Du es etwa besser, Frau Professor Trallala Dingsbums?"

    Die Frau, eine in Geraldines Augen durchaus attraktive Mittdreißigerin, lächelte freundlich und kicherte vergnügt über ihren Ausbruch und die offenbare Verachtung für die Mediziner.

    „Kann ich, Süße. Und die Fachrichtung Trallala Dingsbums hab ich nicht studiert."

    Geraldine wolle bereits loslegen, um ihren Unmut zum Ausdruck zu bringen, hielt dann aber verwirrt inne.

    „Ist das wieder mal nur so eine bescheuerte Annahme aufgrund einer hirnlosen Theorie, oder sagst Du das aus Überzeugung?"

    „Ich sag‘s aus Überzeugung, Süße."

    „Warum nennst Du mich Süße. Ist irgendwas an diesem verschrumpelten, eingefallenen Klappergestell süß?"

    Dieses ‚Süße‘ ärgerte und sie wollte die Decke von sich streifen, um der anderen zu zeigen, wie sie aussah, stellte verwundert fest, dass da keine Fesseln oder Bänder waren und ließ es bleiben, entschloss sich zunächst zuzuhören.

    „Weiß Du, sagte die Fremde und maß nebenbei ihren Blutdruck mit einer vorsintflutlichen Druckmanchette an ihrem Oberarm und einem einfachen Stethoskop, „ich sehe hinter die Fassade, hinter Dein Leid und habe eine vitale Vorstellung davon, wie schön Du bist, wenn ich Dich wieder auf die Beine gebracht habe.

    „Pfft, als ob ich jemals wieder normal aussehen könnte. Wovon träumst Du nachts?"

    Zu ihrer Überraschung drückte ihr die Fremde einen sanften Kuss auf den Mund, lächelte freundlich und zwinkerte ihr zu.

    „Von Dir, Süße."

    „So? Na dann… Prost Mahlzeit, ne lesbische Wunderheilerin."

    Die Frau kicherte fröhlich und streichelte Geraldines Wange, eine Empfindung, welche ihr, wie zuvor der sanfte, überraschende Kuss, sehr angenehm und nicht befremdend vorkam.

    „Lesbisch… ja, Süße. Aber Wunderheilerin? Sicher nicht. Ich bin Irina Samovitsko, Professorin für Quanten-Neurologie und habe bei der Auswertung all dieser nutzlosen Untersuchungsberichte und wüsten Theorien keine drei Stunden benötigt, um zu erkennen, was Dich seit elf Jahren so quält."

    „Also lesbisch, Geraldine hatte plötzlich das Gefühl, kichern zu müssen und gab ihm nach, kicherte vergnügt, ohne wirklich zu wissen warum, „auch gut. Der erste und einzige Mensch, bei dem ich mich wirklich wohl gefühlt habe, war Lulu in der Psychiatrie und die ist auch lesbisch.

    „Ich weiß. Und Lulu hast Du auch zu verdanken, dass Du jetzt bei mir in meiner Obhut bist. Sie ist meine Nichte und hat dafür gesorgt, dass ich auf Dein Schicksal aufmerksam wurde."

    Irina griff neben sich und hielt ein Dokument hoch.

    „Das hier ist ein Urteil des Europäischen Menschenrechts Gerichtshofes von vor vier Tagen. Darin steht, dass Deiner Mutter das Sorgerecht entzogen wird und ich bis zu Deiner Volljährigkeit, beziehungsweise Deiner Genesung und Wegfall Deiner Pflegebedürftigkeit, Dein amtlich bestellter Vormund bin."

    „Hä? Wie?"

    „Ich hab das Gericht davon überzeugt, dass Deine Mutter Dich aus purer Selbstsucht, nicht etwa aus Mutterliebe oder mütterlichem Instinkt, so leiden ließ und ihr Geld wider besseren Wissens an sogenannte Fachärzte verschwendete, welche nachgewiesener Maßen schon vorher in keiner seriösen Klinik oder Forschungseinrichtung akzeptiert worden wären, weil ihre Reputation für den Mülleimer ist und sie in Ungnade gefallen sind."

    „Wirklich?"

    „Ja. Und auch, wenn Du das, was ich für Dich empfinde, niemals erwidern kannst… das ist mir egal. Ich mache aus Dir wieder eine lebensfrohe, kerngesunde und hübsche junge Frau. Das verspreche ich Dir."

    „Lebensfroh… schöner Gedanke."

    Geraldine mühte sich mit enormer Anstrengung, sich auf die Ellenbogen aufzustützen, den Kopf oben zu bewahren und betrachtete die andere interessiert.

    „Kannst Du damit…"

    „Was?"

    „Also kannst Du damit anfangen, dass Du… Du mich nochmal küsst? Das war das schönste Gefühl, das ich seit elf Jahren hatte, Irina."

    Irina legte den dicken Stapel Papier des Urteils zur Seite und hatte plötzlich Tränen in den Augen, griff mit dem linken Arm um Geraldines Schultern, stützte sie so und legte ihre rechte sanft in ihren Nacken um ihre schwache Nackenmuskulatur zu entlasten. Dann küsste sie sie erneut und Geraldine empfand es als unsagbar schön und zärtlich.

    „Danke, Irina. Danke."

    „Jederzeit gerne wieder, Sü…"

    „Los, sags schon", Geraldine kicherte und fühlte sich unsagbar frei und wahrgenommen.

    „Süße. Jederzeit gerne wieder, Süße."

    Sie wurde schläfrig, eine Art von Schläfrigkeit, welche ihr so nicht bekannt war, denn ihre Existenz hatte spätestens seit ihrem elften Lebensjahr hinsichtlich Schlaf keinen echten, natürlichen Schlaf mehr erfahren, sondern aus gezielter Abschaltung durch Medikamente oder Drogen bestanden.

    Sie sank zurück auf das weiche Kissen, versuchte ihre schwerer werdenden Lider offen zu halten und noch etwas zu sagen, driftete aber bereits weg, hörte nur noch, wie aus weiter Ferne:

    „Schlaf Dich erst mal aus, Süße. Erst holen wir den Dreck aus Dir und dann mach ich Dich gesund. Schlaf gut, Süße."

    -*-

    „Irina? Bist Du da? Ich kann nichts sehen! Was ist das?"

    „Oh, Du bist wach? Moment, Süße. Das haben wir gleich."

    Geraldine spürte, wie etwas von der oberen Hälfte ihres Gesichtes gehoben wurde, blinzelte und konnte sehen.

    „Ich hab Dir die Maske aufgesetzt, damit Du vom Licht nicht gestört wirst. Ich wollt Dich nicht wecken, Dich aber auch nochmal gründlich untersuchen, um zu sehen, ob ich Deinen Körper noch irgendwie zusätzlich unterstützen muss."

    „Oh… O.k. Und? Musst Du?"

    „Nein, Süße. Dein Körper bekommt den Wiederaufbau auch so hin. Du musst nur brav Deine Mahlzeiten essen."

    „Ich kann nicht viel Essen. Du weißt das?"

    „Schon klar und die Portionen passe ich dementsprechend an. In einem halben Jahr kannst Du wieder normal essen."

    „Ein halbes Jahr?"

    „Das braucht halt."

    „Nein… ich meine, so schnell?"

    „Das hängt von Dir ab."

    „Oh… O.k. Und… warum hab ich keine Schmerzen?"

    Irina sah sie offen an.

    „Du hast noch Schmerzen, weil die Ursache noch in Dir ist. Aber Du spürst sie im Moment nicht, weil ich das Schmerzempfinden gezielt blockiere, damit Du entspannt schlafen, Kraft schöpfen und dann gestärkt in den OP-Saal gehen kannst."

    „Ein neuraler Dämpfer? Damit hat Doktor Hohlbirne-Nochwas experimentiert und mir erst recht weh getan."

    „Ich weiß, wen Du meinst. Der Kerl ist ein Idiot und sitzt inzwischen aufgrund meiner Gutachten im Knast."

    „Cool. Sag mal…"

    „Was?"

    „Macht es… also… macht es Dir was aus, wenn…. Also, wenn ich aufwache… mir ein Küsschen zu geben? Nur ein klitzekleines, bitte."

    „Du sehnst Dich unsagbar nach Zärtlichkeit, hm?"

    „Wundert‘s Dich?"

    „Nein, Süße. Sicher nicht. Ich weiß, was die Idioten die letzten elf Jahre mit Dir gemacht haben."

    „Also heißt das ja?"

    „Sicher, ich möchte, dass Du Dich wohlfühlst, Süße."

    „Dann… musst Du jetzt noch den von eben nachholen, oder?"

    Irina kicherte, legte das Pad, auf welchem sie Geraldines Vitalfunktionen kontrollierte, zur Seite und nahm sie sanft in ihre Arme, küsste sie weich und zärtlich.

    „Hast Du Dir das so vorgestellt?"

    „Nochmal bitte."

    Geraldine schaffte es noch nicht, länger wach zu bleiben und wurde bereits wieder schläfrig, lächelte glücklich und schlang, alle Kraft aufbietend, ihre Arme um Irinas Nacken.

    „Ich muss schlafen, Schatz. Halt mich bitte lieb."

    „Gerne, Süße."

    Sie spürte, dass Irina sich von ihr löste, hörte das Rascheln von Stoff und dann glitt Irina, welche sich ihres Laborkittels entledigt hatte, unter ihre Decke, nahm sie sanft in die Arme und küsste sie auf die Stirn.

    „Schlaf, Süße. Jedes Mal, wenn Du aufwachst, bist Du stärker und gehst weiter in Dein neues Leben."

    „Danke, Irina… Schatz."

    -*-

    Irina stellte, als sie das dritte Mal wach wurde, ein Pad auf das Nachttischschränkchen neben dem Bett und forderte sie auf, sich jedes Mal bevor sie wieder einschlief, das Datum, welches das Gerät anzeigte, zu merken, um einen Begriff davon zu bekommen, was ihr Körper leistete, während sie schlief.

    Es wurde ihr zur lieben Tradition, dass Irina sie nach dem Aufwachen in die Arme nahm und küsste, sowie, wenn sie dann wieder schlafen musste, den Kittel auszog und sich zu ihr ins Bett legte.

    -*-

    Als sie das sechste Mal wach wurde, stellte sie fest, dass sie satte neun Tage am Stück geschlafen hatte und fragte Irina verwundert, wie das möglich war.

    „Das ist einfach erklärt Süße. Dein Körper will um jeden Preis wieder richtig leben und verwendet jedes Joule an Energie, das er bekommen kann, auf den Wiederaufbau. Das kostet Kraft."

    „O.k. Und wo bekommt er die Energie her?"

    „Dieser Brei, den Du da gerade mit sichtlichem Genuss futterst… wenn Du schläfst ernähre ich Dich über einen Tubus oral mit diesem Brei."

    „Oh…also keine doofe Infusion oder so?"

    „Genau. Essen durch die Speiseröhre und Dein Magen und Verdauungssystem müssen sich damit befassen."

    „Mh… Verstehe. Und… und was ist mit…"

    „Du meinst mit Deinen Ausscheidungen? Solange Du noch so viel schläfst und nicht selber auf‘s Töpfchen kannst, musst Du leider weiterhin Windeln tragen und ich mach Dich regelmäßig frisch. Nicht so wie die Penner in Amsterdam, die Dich acht Tage in Deiner Scheiße haben liegen lassen."

    „Ja, Amsterdam war wirklich Scheiße. Aber… macht Dir das nix aus, mir die beschissenen Windeln zu wechseln?"

    „Ziemlich doofe Frage, hm? Du weißt, dass ich Dich liebe. Das hab ich Dir schon ganz am Anfang gesagt, Süße."

    „Ja, hast Du."

    „Und außerdem… lohnt es sich doch."

    Wie meinst Du das?"

    „Ich zeig Dir mal was, Süße. Nicht erschrecken."

    Irina zog die Decke von Geraldine, und knöpfte das Pyjama-Oberteil, welches sie ihr angezogen hatte, von oben bis unten auf, schlug die Häften zur Seite.

    „Was siehst Du, Süße."

    Geraldine wollte zunächst nicht glauben, was sie sah und tastete danach, um sich zu vergewissern.

    „Das… das sind meine… das sind keine leeren Milchtüten mehr?"

    Irina kicherte fröhlich, „Nein, gib ihnen noch zwei oder drei Monate und Du hast wieder so straffe Brüste wie auf dem letzten Foto vor der Strahlentherapie."

    „Woah.. ich werd verrückt."

    „So? Na, dann heb mal kurz den Po."

    Sie reagierte bereitwillig. Wenn Irina von ihr verlangt hätte, wie ein Frosch durchs Zimmer zu hüpfen und zu quaken, hätte sie alles daran gesetzt, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Deshalb hob sie den Po und ließ zu, dass Irina ihr die Pyjama-Hose runter auf die Knie zog.

    Was sie sah, gefiel ihr zunächst absolut nicht, denn ihr Unterleib war in eine Einwegwindel eingepackt und das Gefühl der Entwürdigung fiel sie für einen Moment wie ein Tier an.

    „Schon gut, Süße. Ich mach das wirklich gerne für Dich und im Moment bist Du sauber, weil ich Dich erst vor einer halben Stunde frisch gemacht hab. Wenn Du zwischenzeitlich kein Bedürfnis gespürt hast, ist da alles schön frisch."

    „Nein, hab ich nicht und ich hätt‘s bestimmt nicht einfach laufen lassen, sondern etwas gesagt."

    „Siehst Du? Wir bekommen das hin und Du musst Dich bitte nicht dafür schämen. Es ist nicht Deine Schuld, sondern die dieser Idioten, die Dich kaputt gemacht haben."

    „Ja, verstehe, Schatz. Und warum hast Du mir jetzt die Hose ausgezogen? Um mir zu zeigen, wie ich in Pampers aussehe?"

    „Nein", Irina kicherte und griff an die Klebestreifen, welche die Windel an den Seiten zusammen hielten.

    „Dafür, Süße."

    Sie öffnete die Windel und klappte das Vorderteil nach unten, zwischen Geraldines Oberschenkel.

    „Schau‘s Dir an, Süße."

    Geraldine stützte sich auf ihre Ellenbogen und betrachtete fasziniert ihren nackten Unterleib.

    „Ich… ich hab wieder Speck auf den Hüften und… an der Muschi auch?"

    Irina beugte sich zu ihr und küsste sie sanft.

    „Ich glaub, Süße, das ist es wert, oder? Ich hab Doch gesagt, wenn wir fertig sind, bist Du wieder eine richtig schöne und knackig straffe Frau."

    Geraldine wusste nicht, was sie sagen sollte, betrachtete nur mit Tränen in den Augen ihre nackte Scham, welche nicht mehr flach und eingefallen war, sondern sanfte Ansätze von Pölsterchen neben der Spalte zeigte, nicht mehr wie ausgehungert wirkte und eine rosige Hautfarbe hatte.

    „Da werden zwar, so wie überhaupt bei Dir, die nächsten vier bis fünf Jahre noch keine Haare wachsen, weil dieser Idiot mit der Chemo richtig Mist gebaut hat, aber Deine Muschi und Deine Brüste sind der beste Beweis dafür, dass es aufwärts geht."

    Geraldine ließ sich zurück sinken, weil der Kraftaufwand noch immer erheblich war, schloss die Augen und versuchte ihre Gedanken zu ordnen.

    „Sag mal, Irina."

    „Ja, Süße?"

    „Du sagst, Du bist lesbisch und liebst mich. Richtig?"

    „Ja. Ganz genau."

    „Und… Wenn Du mich dann sauber machst und Du mich so siehst, wenn ich frisch bin… quält Dich das denn nicht? Oder ist Deine Liebe platonisch?"

    „Platonisch? Nee. Ich hab schon noch Bedürfnisse, Süße. Und ich geb zu, dass ich Dich gerne betrachte. Aber ich schwöre Dir bei allem, was mir heilig ist, dass ich Dich nicht intim berühre, wenn es nicht dazu dient, Dich sauber zu machen."

    „So… so hab ich das auch nicht gemeint, Schatz. Ich wollt nur wissen, ob Du Dich damit quälst."

    „Oh, O.k. Na ja, es quält mich schon noch ein wenig und ich hab die Hoffnung. Und bis dahin… ich hab zwei gesunde Hände, wenn Du verstehst."

    „Ja, schon klar, Schatz…"

    „Du weißt, dass Du mich immer öfter Schatz nennst?"

    Geraldine kicherte, Irinas Anmerkung machte es ihr leichter.

    „Ja, Schatz… mit Absicht. Also… mir gefällt nicht, dass Du Dich quälst. Weißt Du, ich bin zwar meist schon ziemlich lalla im Kopf, aber ich spür genau, wie Du Dich an mich drängst, wenn Du den Kittel ausziehst und Dich neben mich legst, bevor ich einschlafe."

    „Soll ich das lieber nicht mehr machen?"

    „Du bist süß, Schatz. Nee… ich meine, eigentlich ist es doch egal, ob ich meine aktuell vorhandene Kraft damit verpulver, mit Dir zu quasseln, oder ob wir uns ein bisschen lieb haben, oder?"

    „Du… Irina sah sie mit großen Augen an, schaffte es endlich, ihren Blick von Geraldines jungfräulicher Scham abzuwenden, „Du meinst, ich soll mehr als nur den Kittel ausziehen und mich zu Dir legen?

    „Ich würd das unheimlich gern spüren, Schatz. Das Leben, verstehst Du? Auch wenn wir nix machen, Du mir einfach nur die doofe Windel und Dich ausziehst und wir dann nur zusammen liegen und uns einfach lieb haben. Ich möcht das Leben, Dich spüren. Verstehst Du das?"

    Mit den beiden letzten Sätzen wurde Geraldine deutlich lauter, während ihre Stimme brüchig wurde und ihr erneut Tränen in die Augen schossen.

    „Ich will Dich spüren, Schatz. DICH, mein Leben, Schatz!"

    Irina nickte, küsste sie und sagte dicht an ihrem Ohr:

    „Popo hoch, Süße."

    Geraldine gehorchte und Irina zog die Windel unter ihrem Hintern weg, knüllte sie zusammen, warf sie in Richtung Windeleimer in einer Ecke des Zimmers. Dann zog sie Geraldine die Pyjama-Hose vollends aus und danach das Oberteil.

    „Ganz nackt? Möchtest Du das?"

    „Ja. Du sagst, ich hab Kontrolle über meine Blase und meinen Schließmuskel?"

    „Ja, wenn Du wach bist, kannst Du es kontrollieren."

    „Gut, dann kann keine dumme Schweinerei passieren, oder?"

    „Richtig, Süße."

    „Dann ja, ganz nackt. Aber nicht nur ich, sondern Du auch."

    Irina küsste sie erneut, stand dann von der Bettkante auf und zog sich mit fahrigen Bewegungen aus, zögerte keine Sekunde und Geraldine beobachtete sie fasziniert.

    Irina war eine reife Frau, irgendwo Mitte Dreißig, noch immer straff und fast schon vollschlank, hatte eine zu ihren breiten Hüften passende, breite, stets konsequent von Haaren befreite Scham und schwere, unter dem eigenen Gewicht schon etwas nachgebende, aber noch volle Brüste mit – in Geraldines Augen – unsagbar großen, dunklen Warzenhöfen um die großen Brustwarzen.

    „Wow", brachte Geraldine lediglich hervor und streckte ihre Hand nach Irina aus, merkte, dass sie schon wieder schläfrig wurde.

    „Komm, Schatz. Ich möcht Dich spüren, bevor ich wieder einschlafe."

    Irina legte sich neben sie, griff sie sanft an Hüfte und Schulter, zog sie in eine seitlich liegende Position, drängte sich weich an sie und flüsterte leise in ihr Ohr. „Diesmal ist‘s wohl schon zu spät, Süße. Aber ich bin glücklich, dass ich Dich so halten darf."

    Geraldine sammelte alles, was sie an Kraft in sich finden konnte, drängte sich an Irina, küsste sie und sagte dann, mit leiser werdender Stimme, fast schon schlafend:

    „Wenn Du Dich gleich streichelst, Schatz, stell Dir vor ich wär‘s. Machst Du das bitte?"

    „Ja, Süße. Ganz bestimmt."

    Geraldine schlief schlagartig ein, schmiegte sich in Irinas Arme und an ihre Brüste, während diese ihre Hand in den eigenen Schritt schob und begann, sich selbst zu streicheln.

    „Für Dich, Süße. Und wenn Du wieder wach bist, in drei oder vier Tagen, dann streichel ich Dich und Du mich."

    -*-

    Geraldine wurde wach, blickte als erstes auf das Pad und stellte fest, dass sie lediglich drei Tage verschlafen hatte. Dann registrierte sie, dass sie das Bedürfnis hatte, auf die Toilette zu gehen und keine Windel mehr trug.

    „Schatz?"

    „Wach, Süße?"

    „Ich… Du hast mir keine frische Windel angezogen und ich… ich muss auf‘s Klo."

    Irina beugte sich über sie, küsste sie sanft und half ihr dann, sich aufzurichten.

    „Du hast die letzte Windel zwei Tage angehabt und nix rein gemacht. Da hab ich gedacht, dass Dein Körper wieder so weit ist, dass Dein Unterbewusstsein ihn kontrollieren kann und es drauf ankommen lassen."

    „Du meinst, ich pinkel und kack nicht mehr unkontrolliert wie ein Baby?"

    „Ich denke ja, Süße. Ich glaub, Du kannst jetzt ohne Windeln schlafen und kontrollieren, wann Du auf‘s Töpfchen musst."

    „Dann ist das vorbei und Du musst die… das Mädchen, das Du liebst nicht mehr frisch machen?"

    „Genau. Ich muss die Frau, die ich liebe nicht mehr wickeln und pudern."

    „Frau… für Dich bin ich kein Mädchen, sondern eine Frau?"

    „Ja, Süße. Meine Frau."

    „Deine Frau… ja, passt. Du bist meine, ich bin Deine Frau."

    Irina umarmte sie sanft und küsste sie zärtlich.

    „Und jetzt musst Du auf‘s Töpfchen?"

    „Ja. Hilfst Du mir aufzustehen?"

    „Komm, Süße. Das schaffen wir auch noch. Du bist stark."

    Irina musste Geraldine bei den ersten Schritten, welche sich nach Jahren erstmals ohne Exoskelett ging, über die Distanz von vier Metern bis zur Toilette, stützen und führen, ihr auf Art und Weise eines Physiotherapeuten, der einen Gelähmten versucht zum Gehen zu animieren, gut zusprechen und es war für sie deutlich sichtbar, dass ihre Süße einen harten Kampf ausfocht.

    Geraldine indes wiederholte nahezu stoisch, mit Tränen in den Augen, sich auf Irina stützend, immer wieder

    „Ich kann das, ich knick nicht ein, ich kann das."

    und setzte mit größter Anstrengung einen Fuß vor den anderen.

    Dann dachte Irina, dass es vielleicht sinnvoll gewesen wäre, einen Rollstuhl mit darin eingelassener Edelstahlschüssel für den Anfang zu verwenden und Geraldine schien irgendwie ihre Gedanken zu spüren und wahrzunehmen.

    „Nein, Schatz. Kein Kackstuhl. Ich muss aufs Klo."

    „Noch zwei Schritte, Süße."

    „Ja, zwei verdammte Schritte. Los Beine, bewegt Euch!"

    Sie schaffte es rechtzeitig zur Schüssel, schämte sich nicht, als Irina ihr das Höschen runter zog, ihr half, sich zu setzen und wurde von unbändigem Stolz erfüllt, als sie endlich ihre Blase und ihren Darm kontrolliert entleeren konnte.

    „Ich habs unter Kontrolle Schatz! ICH HAB DIE KONTROLLE SCHATZ! Du musst mich nicht mehr wickeln!"

    „Ja, Süße. Du schaffst es. Und das macht mich glücklich."

    „Dank Dir, Schatz. Weil Du… weil Du mich nicht aufgegeben hast."

    -*-

    Geraldine benötigte noch Hilfe, um sich abzuputzen, sich das Höschen wieder anzuziehen und zurück zum Bett zu gehen, aber sie trug den Kopf stolz erhoben und weinte Tränen der Erlösung, liebte diese Frau, welche ihr ihre Autonomie, ihre Würde zurück gab.

    Der Gang zur Toilette, lediglich vier Meter hin und dann vier zurück zum Bett, kostete Geraldine unsagbar viel Kraft und sie zitterte am ganzen Leib, als ihr Irina half sich wieder hinzulegen, aber sie war nicht bereit, aufzugeben. Sie hatte wieder ein Ziel, wollte nicht mehr sterben und schwor sich, dass sie, was auch immer Irina von ihr verlangen würde, um sie zu heilen, es durchstehen würde, um deren Frau sein zu können.

    „Bin fast schon wieder weg, Schatz. Komm zu mir bitte. Ich möcht Dich vorm Einschlafen spüren, Schatz."

    Irina knöpfte den Kittel auf, ließ ihn achtlos zu Boden fallen und legte sich zu Geraldine ins Bett. Sie war nackt unter dem Kittel, hatte geahnt, dass die Zeit knapp werden könnte und deshalb auf den Rest der Kleidung verzichtet.

    Geraldine schob, fast schon schlafend ihre Hand in Irinas Schritt, küsste sie und driftete dann zurück in das warme nichts.

    „Schlaf schön, Süße Du schaffst das."

    Irina befriedigte sich, die schlafende Geraldine im Arm haltend, selbst und schlief dann erschöpft neben ihr ein.

    Kurz nur zuckte der Gedanke durch ihren Verstand, dass es vielleicht besser wäre, Geraldine eine Windel anzuziehen, aber sie verscheuchte ihn mit einem Lächeln. „Meine Frau braucht keine verdammte Windel mehr. Sie hat die Kontrolle."

    -*-

    Geraldine erwachte, sah als erstes auf das Pad und stellte fest, dass sie nur vierzehn Stunden geschlafen hatte. Dann schob sie die Decke von sich und sah fasziniert, dass Irina ihr ein Set aus roter Spitze, bestehend aus BH und String angezogen hatte.

    Ihre Brüste hatten schon deutlich an Volumen gewonnen, füllten die Körbchen des BH fast aus und der String spannte sich über ihre deutlich ausgeprägte Scham. ‚Scheiße, ist das schön. Das… das hast Du aus mir gemacht, Schatz.‘

    „Irina? Schatz?"

    „Ja, Süße?"

    „Wo bist Du?"

    „In der Küche, Süße. Du bist schon wach? Ich komm gleich."

    „Nee…" ‚Ich kann das… Scheiße, ich kann das.. „Nee, lass Dir Zeit. Ich schaff das."

    Sie drehte sich auf dem Bett, schwang ihre Beine über die Kante und stellte ihre Füße auf den Boden.

    ‚Los, Bitch. Du hast freiwillig ne U-Bahn geküsst. Da wirst Du doch wohl auch aus eigener Kraft auf das verdammte Klo kommen, ohne in die Hosen zu pinkeln. Oder?‘

    Irina stand nackt, einen Notfallkoffer neben sich auf dem Tisch, hinter dem Einwegspiegel, welcher aus Geraldines Sicht ein normaler Spiegel war, und beobachtete, bereit, jederzeit helfend einzugreifen, die Szene.

    ‚Gut, Süße. Der Weg ist das Ziel und Du gehst ihn. Du schaffst das, Du bist stark, eine wunderbare Frau. Du kannst das, Süße. Zeigs mir, bitte.

    Geraldine schaffte es, war zwar in Schweiß gebadet und zitterte am ganzen Leib, schaffte es aber auf die Schüssel und sich rechtzeitig den roten String über den Po zu ziehen, ehe sie es nicht mehr halten konnte.

    „Süße? Alles in Ordnung?"

    „Ich bin hier, Schatz. Auf‘m Töpfchen. Ich konnt nicht auf Dich warten und hab‘s alleine versucht und… ich hab‘s geschafft, Schatz. Ich hab‘s geschafft, Schatz."

    Ihre Stimme versagte und sie brach in Tränen aus, aber dieses mal waren es Freudentränen, weil sie es geschafft hatte und sie weinte gelöst.

    „Dann putz Dich ab, Süße. Es sind nur vier Meter zum Bett", sagte Irina, setzte sich auf die Bettkante und öffnete eine Flasche Champagner.

    „Lauf ja nicht weg, Schatz, sagte Geraldine, wischte sich zunächst mit einem Feuchttuch und dann mit einem Stück Toilettenpapier ab, erhob sich und zog den String wieder an, „Ich will Dich heut endlich richtig spüren.

    „Ich lauf nicht weg, Süße. Aber wenn Du Dir keine Mühe gibst, sauf ich den Schampus allein."

    „Nix da… heut will ich Dich spüren."

    „Na dann… komm, Süße."

    -*-

    Als Geraldine an ihrem Bett und somit bei Irina ankam, zitterten ihre Beine wie Espenlaub und sie war in Schweiß gebadet, aber sie lächelte glücklich, ehe sie sich auf das Bett fallen ließ.

    „Ich hab‘s geschafft, Schatz?"

    „Ja, Süße. Meine wunderbare, süße, starke Geraldine hat es geschafft. Ich bin stolz auf Dich."

    „Weil ich Deine Schöpfung bin?"

    „Wie? Nein! Weil Du Geraldine bist. Weil Du zerstört, abhängig von Medikamenten und diesem Panzer warst und Dich befreit hast, aus eigener Kraft stehen kannst und eine unsagbar starke, unbeugsame Frau bist. Ich, Süße, ich hab Dir doch nur den Weg gezeigt und DU, DU bist ihn gegangen. Du bist nicht mein Geschöpf, Du bist Geraldine, die Frau, die ich aus tiefster Seele liebe."

    „Streicheln wir uns dann endlich, bevor ich wieder ratzen muss? Ich bin sooo erregt, Schatz."

    „Sag das doch gleich, Süße. Ich hab mich schon ausgezogen."

    „Na, den String und den BH wirst Du mir wohl noch ausziehen können, oder?"

    „Lass mal sehen…"

    -*-

    Irina schaffte es noch, sie auszuziehen, sich neben sie zu legen und ihr eine Hand in den Schritt zu schieben, ehe Geraldine mit einem seligen Lächeln wieder einschlief und sich im Schlaf weich an sie schmiegte.

    Irina war sehr wohl sehr deutlich bewusst, dass die abrupten Übergänge von Wachzustand zum Schlaf und der Kräfte zehrende Umsatz in den Wachphasen außerhalb der Kontrolle Geraldines lagen und ihrem verkorksten Metabolismus geschuldet waren. Geraldine also nichts dafür konnte und keine Schuld daran hatte, wenn sie sich ihr für Zärtlichkeiten anbot und dann schlagartig einschlief.

    Geraldine war fast zwölf Jahre lang mit psychischem Druck, Medikamenten, Drogen und letztlich Chemotherapie und Strahlenbehandlung, welche verallgemeinernd Gammastrahlen genannt wurde, tatsächlich aber aus einem breiten Strahlungsspektrum bestand, dessen einzelne Komplementäre und deren Auswirkung auf den Körper noch lange nicht erforscht waren, malträtiert, gefoltert und konditioniert worden. Die kurzen, enorm an die Substanz gehenden Wachphasen und die fast wie programmiert wirkenden, schlagartigen Leistungsabfälle, welche sie in den Schlaf trieben, waren Teil dieser Konditionierung und nicht zufällig.

    Mit dem Sieg vor der höchsten europäischen Gerichts-Instanz bezüglich der Menschenrechte, dessen gesamten Urteils-Wortlaut sie Geraldine noch nicht einmal ansatzweise zur Verfügung gestellt hatte, hatte Irina in ihrem unermüdlichen Kampf gegen die dunklen Machenschaften von Clarris Stromp erst einen, wenn auch grandiosen, Etappensieg davon getragen.

    Immerhin, sie hatte erreicht, dass ihr die Vormundschaft über die gequälte Kreatur übertragen und Clarris zunächst aus dem Rennen geworfen wurde, aber ihr war nur zu sehr bewusst, dass ihre Widersacherin noch lange nicht am Ende war, im Hintergrund weiter Strippen zog und das nächste Ungemach nur eine Frage der Zeit war.

    Dass sie sich dann Hals über Kopf in ihren Mündel, ihren Schützling, Geraldine verliebte und seitdem vom Verlangen nach ihr förmlich brannte, hatte sie nicht kalkuliert, nie im Leben daran gedacht.

    Ihre Nichte Lulu, welche sich, erhebliche Risiken eingehend, mit falschen Zeugnissen und Arbeitspapieren in den inneren Kreis der Bande um Clarris einschlich, war seit Beginn ihrer Pubertät bekennende Lesbe und sie hatte dafür nie Verständnis, weil Homosexualität aus ihrer Sicht schlicht und ergreifend eine funktionale Störung war.

    Und dann, als es ihr endlich gelang, die Süße aus den Klauen des dunklen Netzwerkes zu befreien, sie sie in Pflege nahm und ihr im wahrsten Sinne des Wortes über Monate den Hintern abwischen und ihr die Windeln wechseln musste, passierte es, konnte sie nichts dagegen tun.

    Aus ihren mütterlichen, fürsorglichen Gefühlen für die geschundene Kreatur wurde zunächst platonische Liebe und dann, von einem Moment auf den anderen, entstand daraus echte, tiefgreifende Liebe, welche auch das körperliche Begehren umfasste.

    Und mit dieser umfassenden, tiefgreifenden Liebe für dieses Geschöpf kam auch die nackte, kalte und ihren Verstand marternde Angst. Die Angst davor, dass Geraldine irgendwann erkennen könnte, was und vor allen, warum sie so war, wie sie war.

    Diese Angst, tief wie ein Graben der Tiefsee und genau so kalt und dunkel wie dort unten, nagte seither an ihr und quälte sie.

    Geraldine, ihre geliebte Süße, sollte leben, frei und selbstbestimmt und ihre Aufgabe wäre es, dieses unbedarfte, über ein Jahrzehnt gequälte und geschundene Wesen, über die Schwelle, in die Freiheit zu führen. Das war ihr selbst gewählter Weg, welcher aus ihrem Kampf und Sieg gegen Clarris Stromp evolvierte und sie fürchtete den zu erwartenden, nur eine Frage der Zeit darstellenden, Endkampf bis ins Mark.

    In diesem Endkampf würde es nur um eine Persönlichkeit, um Geraldine, gehen und von Ausgang dieser Schlacht würde alles abhängen und ihr eigenes Schicksal daneben wie ein Fliegenschiss aussehen.

    Geraldine musste diesen Kampf gewinnen und erhobenen Hauptes daraus als Siegerin hervorgehen. Gelänge dies nicht, hätte Irina all diese Jahre umsonst gekämpft und könnte sich die Kugel geben. Und davor, ihren Schützling verlieren zu sehen, davor hatte sie Angst. Nicht um ihrer selbst willen, sondern um Geraldine, welche sie aus den tiefsten Abgründen ihrer Seele liebte.

    Sie würde, unausweichlich und in nicht mehr all zu ferner Zukunft, Geraldine die Wahrheit sagen, den emotionalen Endkampf einleiten müssen und davor hatte sie unsagbare Angst.

    „Schlaf gut, Süße. Wenn Du das nächste Mal wach wirst, fangen wir mit der Schmerztherapie an. Vergiss nie, dass ich Dich liebe."

    Sie sagte es leise und sanft, dicht an Geraldines Ohr und diese lächelte im Schlaf, schlang ihre Arme um sie und begann leise zu schnarchen.

    Vorsichtig, um die Süße nicht zu wecken, zog sie ihre Hand aus deren Scham. Nur zu gerne hätte sie sie gestreichelt und auf einen schönen Rundflug geschickt, aber noch war die Konditionierung zu dominant und die Süße würde noch eine oder zwei Runden Schlaf benötigen, um aus dem Kreis ausbrechen zu können.

    Endkampf… Die Wahrheit

    Zwölf Stunden Schlaf… Der selbstbestimmte Gang zur Toilette, dann zurück zum Bett fiel Geraldine deutlich leichter und aus dem Schlurfen der Fußsohlen über dem Boden wurden dieses Mal sichere Schritte, welche zwar anstrengend waren und die Muskeln in den Beinen rebellieren ließen, von Irina aber mit leisen Applaus begrüßt wurden.

    Die junge Frau aß mit großem Appetit eine riesige Portion des Nahrungsbreis und dieses Mal saß sie dabei nicht im Bett, sondern aufrecht auf einem Stuhl an einem Tisch vor dem Fenster. Von der Toilette zum Tisch und dann zum Bett, verlängerte die zurückzulegende Strecke um weitere vier Meter und das kostete enorme Kraft, aber sie bestand darauf.

    Verwundert stellte sie fest, dass sich die Konsistenz des Breis geändert hatte, sie nicht mehr nur zu schlucken brauchte, sondern auch kauen musste, weil Kartoffel-Gemüse- und Hühnerfleischstücke darin waren. Anfangs weigerte sich die Muskulatur ihres Kauapparates und rebellierte, so wie zuvor ihre Beine, aber sie war nicht gewillt locker zu lassen, zerkaute die Brocken langsam gründlich und schluckte sie.

    Ein ganz alltäglicher Vorgang, jemand kaut etwas, zerkleinert es in seinem Mund und schluckt es dann. Für sie war es ein Triumph, ein wichtiger Etappensieg und sie strahlte glücklich, als sie den Löffel auf den leeren Teller legte.

    „Sehr gut, Gerry. Das hast Du sehr gut gemacht, Süße."

    „Gerry? Hübsch. So hat mich noch niemand genannt."

    „Hm? Keine Spitznamen, keine Kosenamen?"

    „Nein, nie. Ich war immer nur die Kleine oder Geraldine. Ich hatte nie Freunde oder jemanden, der mich mal richtig im Arm hielt, niemand der seine Geheimnisse mit mir teilte. Der einzige Spitzname, den ich mal hatte, war damals, als ich vom Cortison aufgequollen war. Da nannten mich die anderen Kinder Schwabbel."

    Ihr Blick verfinsterte sich für einen Moment, dann hob sie den Kopf und lächelte wieder, „Gerry… das gefällt mir, Schatz."

    „Fein, Gerry. Dann steh jetzt bitte auf. Ich möchte Dir noch etwas zeigen."

    Ihr ganzer Bewegungsapparat hatte verlernt eigenständig Kraft aufzuwenden, zu lange übernahmen die Servoantriebe des ersten Exoskeletts diese Aufgabe und danach, in ihrem Panzer, lag sie die meiste Zeit fixiert im Bett in einem Hochsicherheitsraum in der Psychiatrie, war zur Bewegungslosigkeit verdammt. Alleine aus der sitzenden Haltung wieder hoch zu kommen, nachdem sie fast eine Stunde am Tisch gesessen hatte, bedeutete für sie einen gewaltigen Kraftakt und sie stöhnte dabei, zitterte, als sie stand, am ganzen Leib und Schweiß stand auf ihrer Stirn.

    „Ich werde Dir keine Gehhilfe gebe, Gerry. Keinen Rollator, keine Krücken und erst recht nicht Deinen Anzug. Du machst das aus eigener Kraft und wenn Du es nicht schaffst und umfällst, leg ich Dich wieder ins Bett und wir versuchen es beim nächsten Mal. Die einzige Gehhilfe, welche ich Dir biete, bin ich. Stütz Dich auf mich, oder nimm meine Hand und dann sag mir, wenn Du bereit bist."

    Sie verstand, dass Irinas Philosophie gänzlich anders, als die ihrer Mutter war, welche auf ihren substanziellen Verlust mit der Anschaffung der Exoskelette reagierte, anstatt etwas zu unternehmen, um sie wieder aufzubauen. Kurz kam ihr da der Gedanke, dass ihre Mutter niemals ein Interesse daran hatte, sie zu rehabilitieren und sie sogar vom Panzeranzug abhängig machen wollte. So, wie diesen Comic-Helden, diesen Iron-Man, welcher ohne seinen Anzug ein schwacher Krüppel war.

    „Keine Stütze, Schatz. Gib mir einfach nur die Hand. Ich schaffe das."

    „Das ist meine süße Kämpferin, so wie ich sie sehen möchte."

    Fünf zusätzliche Meter, am Bett vorbei und um dieses herum. Sie hätte sich auf das Bett, oder auf Irinas Schultern stützen können und die Muskulatur in ihren Beinen schrie in wildem Schmerz, aber sie behielt ihre aufrechte Haltung bei, setzte tapfer, unter Tränen, einen Fuß vor den anderen und gelangte schließlich an ihrem Ziel, einem mit einem Vorhang verhangenem Objekt, an.

    „O.k. Gerry. Ich weiß, das waren harte fünf Meter und es kommt noch der Rückweg dazu. Aber glaub mir, es lohnt sich und das ist Deine Belohnung."

    Irina zog an einer Schnur und der Vorhang glitt zur Seite, gab einen raumhohen Spiegel frei.

    „Das, Süße… siehst Du das? Dafür kämpfst Du. Für diese hübsche, junge Frau."

    Fasziniert betrachtete Geraldine sich im Spiegel. Sie kannte sich nur mit ausgemergelten Gesicht, grauer Haut und tiefliegenden, von dunklen Ringen umgebenen Augen. Ein anderes Spiegelbild hatte sie schon so lange nicht mehr von sich gesehen, dass sie sich kaum mehr daran erinnern konnte und es war noch aus der Zeit, bevor sie begann zu pubertieren, ein Mädchen war.

    Jetzt sah sie eine junge, reife Frau mit rosiger, straffer Haut, geröteten Wangen und klaren Augen. Die meiste Zeit hatte sie keine Haare auf dem Kopf, weil sie ihr abgeschoren wurden und später dann von selbst ausfielen. Jetzt sah sie erste, helle Stoppeln auf ihrer Kopfhaut und ihr Körper schien Irina zu sagen, dass es schneller gehen würde.

    „Ich bin… schön? Bin ich das wirklich?"

    „Ja, Süße. Das bist Du."

    Sie löste ihre Hand aus Irinas, griff an die Knopfleiste des Pyjama-Oberteils, knöpfte es auf und ließ es über ihre Schultern nach unten rutschen.

    „Ich… ich hab wieder richtige Brüste… schöne Titten und einen straffen Bauch. Wie geht das in so kurzer Zeit?"

    Irina kicherte, widerstand dem Impuls, Geraldines

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