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Engelchen flieg: Roman
Engelchen flieg: Roman
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eBook219 Seiten2 Stunden

Engelchen flieg: Roman

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Über dieses E-Book

Dieses Buch ist als Roman aus der Zeit gefallen. Erzählungen brauchen eine Form. Was aussieht wie ein Buch, ist hier nur die Hülle einer komplexen Geschichte. Sie hält die Fragmente zusammen. Als Bruchstücke eines Lebens sind sie überhaupt nicht fiktiv, sie sind durch und durch wahr und somit autobiographisch.
Im Gegensatz zu einem Tagebuch ist es ein Nachtbuch, denn es ist vor allem das Dokument vieler Nachtstunden.
Ein wesentliches Merkmal dieser Geschichte ist jedoch, dass sie noch nicht zu Ende geschrieben ist, denn sie wird erst ganz zum Schluss von einem Anderen beendet!
Lesen kann man die Fragmente dieser Lebensgeschichte der Reihe nach, man kann jedoch auch problemlos im Text springen, Teile auslassen oder gar von hinten beginnen!
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum14. Juli 2023
ISBN9783347961791
Engelchen flieg: Roman
Autor

PETER BERG

PETER BERG was born in Kassel, Germany. He studied literature, applied linguistics, education, political science and visual arts. He begun his careers as a schoolteacher and later worked as district schools administrator in Kassel. In later years he developed an enjoying interest and love for painting and writing. 1985: Doctor of Philosophy, University of Kassel. Peter is also an artist who has exhibited in Europe and in China. He is married, has three grown-up sons and lives with his wife in a small village in Northern Hesse.

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    Buchvorschau

    Engelchen flieg - PETER BERG

    Ein starker Auftakt

    2023

    Leichten Schrittes, sozusagen behende, eilte Paul die Treppe vom fünften Stock zum Erdgeschoss hinab. Er wollte nur mal kurz… der Gedanke war schneller als seine Füße, immer schon ein paar Stufen voraus… den Parkschein wechseln, bevor es zu spät!

    Fast war er, gedanklich, schon wieder auf dem Rückweg, da kam das Erdgeschoss ihm in den Blick. Dort stand eine junge Farbige vor der Tür, wartend. Er sah ihre bunte Kleidung, blickte kurz ihr ins Gesicht, wähnte sich schon angekommen und tat den alles entscheidenden Schritt… ins Leere.

    Kurz schien es ihm, als könne er in der Luft laufen, sozusagen fliegen, da knallte er schon mit der ganzen Wucht seines Körpers zu Boden, genau ihr zu Füßen.

    Sie lächelte kurz, doch da war es schon zu spät. Der Schmerz war riesengroß!

    Im Reflex hatte er den Arm nach oben und vorn gerissen, um den Kopf vor dem Aufprall zu schützen. Das gelang wohl. Aber die Folgen waren unabsehbar.

    Das Knacken des Oberarmknochens blieb für lang ihm im Ohr.

    Sie reichte ihm ihre Hand, um ihm aufzuhelfen.

    Er ergriff sie in seiner Not, war peinlich berührt ob des Schauspiels, das er bot.

    Alle Kraft war ihm schlagartig entwichen. Noch konnte er nicht begreifen, was geschah. So schaffte er gerade, mit ihrer Hilfe, sich auf die unterste Treppenstufe zu setzen, die er gerade verfehlt.

    Sie aber war ganz bei der Sache und fragte ihn, woher er denn käme und wohin er nun wolle. Aus der Praxis im fünften Stock und jetzt wieder dorthin zurück. Ja, die kenne sie, weil sie dort arbeite. Schon hatte sie den Fahrstuhlknopf gedrückt, führte ihn, den Wankenden, zum Lift und begleitete ihn nach oben, um ihn in die Obhut der Ärzte zu entlassen.

    Röntgen, Untersuchung durch den Unfallchirurgen, Infusion mit Schmerzmitteln. Ärger über die eigene Schusseligkeit, und nun für einige Wochen außer Gefecht! Humeruskopffraktur, doppelter Bruch des rechten Oberarmknochens. Und so weiter und so weiter.

    Und jetzt beschäftigt ihn die Frage, was es nun daraus zu lernen gäbe…

    Prolog

    2023

    Das eigene Leben reflektieren heißt, sich einzugestehen, dass Verluste und Gewinne, tiefgreifende Kränkungen und Glücksmomente sich abwechseln. Auf der Suche nach Vorbildern für die Geschichte seines Lebens begegnete Paul zuerst das Tagebuch mit dem Titel „Aufräumen, zurückblicken, weitergehen" von Ariane Garlichs. ¹ Dieses Buch hatte er in einem Rutsch gelesen, denn es kam auf seine Art fesselnd daher. Ariane Garlichs, Autorin und Protagonistin zugleich, war dereinst eine seiner Hochschullehrerinnen, Professorin für Grundschulpädagogik. Offen und ehrlich beschreibt sie Begebenheiten aus dem Alltag einer 86-jährigen Frau. Sie gewährt einen Blick hinter die Kulissen ihres Altseins und macht dieses damit zum Thema. Dabei wird das Unspektakuläre spektakulär durch den Mut jener Frau, die es nicht nötig hat, das Schauspiel der Beschönigung und Schönfärberei des Alterns aufzuführen. Hier wird nichts versteckt, alle Gefahren und die vielfältigen Einschränkungen, die einem alten Menschen begegnen können, werden unmaskiert dargestellt. Dass sie zum Beispiel dem perfiden Enkeltrick eines Betrügers zum Opfer fiel, ist für sie eine schockierende Realität. Dass ihr an einem anderen Tag ein katastrophales Missgeschick mit dem Verschütten eines ganzen Kaffeebechers geschieht, liest sich so:

    „Dann passierte das Malheur: Der Becher rutschte mir aus der Hand und der ganze Inhalt ergoss sich über Zeitung, iPhone, Laptop, Wochenkalender und Stapel von Papier mit aktuellen Notizen. Die braune Flut tropfte auf den Boden, bespritzte die Fächer des Unterschranks vom Schreibtisch und landete auf dem elektrischen Fußmassage-Gerät. Ich, total durcheinander, sprang auf, holte jede Menge Putztücher und wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte. Nach einer Stunde aufgeregter Putzerei fühlte ich mich erschöpft, hatte aber das Wichtigste gesichert. Der Laptop hatte keinen Schaden erlitten, das iphone verhielt sich wie gewohnt. Auch das elektrische Fußmassage-Gerät funktionierte. Überall noch Kaffeespuren."²

    Garlichs beschreibt ihre Lage. Es ist die Situation vieler alter Menschen, vielleicht der meisten: Ausgeliefert einem unbeugsamen Schicksal. Ohne Hoffnung auf Entspannung passieren die größeren und kleineren Katastrophen des Alltags einfach so, schicksalhaft, unabwendbar. Die vielfältigen Einschränkungen, Gebrechen und Behinderungen summieren sich dabei Tag für Tag zu einem Gesamtbild, das man „das Alter" nennt. So gesehen wird es auch zur Chronik einer Gemütslage, eines andauernden Seelenzustandes.

    Aber Ariane Garlichs wehrt sich gegen die Zumutungen des Schicksals, und das verhilft ihr dazu, ihre Würde zu wahren. Sie handelt nach dem Grundsatz: Wer hinfällt, steht wieder auf! Sie kann zwar nicht verhindern, dass ihr dieses und noch viel mehr passiert, doch sie hat gelernt, damit umzugehen. Hat Strategien entwickelt. Netzwerke gebildet. Sie holt sich, wo nötig, Hilfe. Schließt sich mit anderen, die in gleicher oder ähnlicher Lage sind, zusammen. Die Einsamkeit im Leben alter Menschen wird zu einem zentralen Thema. So überbrückt sie zum Beispiel drohende Sinnleere durch zeiterfüllendes Gesellschaftsspielen (Rummikub) mit einer 92-jährigen Nachbarin. Sie ist beizeiten von dem Plan abgerückt, frühzeitig aus ihrer Wohnung in ein erstklassiges Altenheim zu ziehen. Zuvor wollte sie sich mit zwei Freundinnen gemeinsam dort einquartieren, ist aber rechtzeitig davon zurückgetreten. Beide sind inzwischen leider verstorben. Ariane kämpft weiter gegen ein übermächtiges Schicksal. Und sie schreibt alles auf. In der Dokumentation liegt die Kraft der Analyse. Nach wie vor bleibt sie Wissenschaftlerin. Damit behält sie den Prozess ihres Lebens in der Hand, solange es geht.

    Paul wird klar: Es sind die Geschichten der kleinen oder größeren Bedeutsamkeiten, die unser Leben vor allem für uns selbst ausmachen. Wie klein oder wie groß die Katastrophen sein mögen, hängt von der Selbstwahrnehmung ab. Die große Offenheit und ungeschminkte Ehrlichkeit von Ariane Garlichs möchte er sich dabei vor allem abschauen. Das Kriterium lautet: Ehrlich bleiben und damit authentisch sein!

    Wenig später las er ein anderes schmales Bändchen: Norberto Bobbio, „Vom Alter - De senectute.³ Der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 87–jährige Turiner Autor, Publizist und Professor für Rechts- und Staatsphilosophie spricht in unverblümter Klarheit über seine Erfahrungen als alter Mann. Die Grundstimmung ist Melancholie, die er als „das Bewusstsein um das Unerreichte und das nicht mehr Erreichbare⁴ versteht. Das Nachlassen der geistigen Kräfte zwinge den alten Menschen irgendwann, keuchend anzuhalten, und das Alter „wird dann zu dem Moment, in dem du volle Klarheit darüber gewinnst, dass der Weg nicht nur nicht vollendet ist, sondern dass dir auch keine Zeit mehr bleibt, ihn zu vollenden, und dass du darauf verzichten musst, die letzte Etappe noch zu erreichen."⁵

    Norberto Bobbios Altersdarstellung ist auf einer philosophisch-intellektuellen Ebene der Beschreibung genauso deutlich wie die von Ariane Garlichs. Er analysiert und beklagt ganz offen, sie veranschaulicht detailreich, indem sie ihre Leserschaft in ihren Alltag mitnimmt. Beide betreiben eine teilweise hoffnungslose Gesamtschau. Am Ende bleiben Fragen wie: War das nun alles? Was bleibt von alledem, und wo liegt der Sinn in all dem Chaos?

    Dann begegnete ihm die Autobiographie von Ulrich Parzany. ⁶

    Er war der langjährige CVJM-Generalsekretär, Leiter des Vereins ProChrist und ist heute im gelebten Alter als 82-jähriger nach wie vor freudvoll als Evangelist unterwegs. Seine jüngsten Vorträge, die bei YouTube zu finden sind, zeugen von einem regen Arbeitspensum.

    Viele Jahre hat Parzany überall auf der Welt gewirkt, gepredigt, ausgebildet. TV-Arbeit, Vorträge, Interviews, zahlreiche Bücher. Er denkt nicht daran, sich auf ein Altenteil zurückzuziehen. Als Paul ihn später am Park in Kassel-Wilhelmshöhe zum Spaziergang trifft, teilt er ihm gleich zu Beginn, so als dürfe da kein Missverständnis aufkommen, sein Lebensmotto mit: „Jesus ist mein Leben, Sterben mein Gewinn."

    Parzanys Autobiographie zeichnet das Bild eines gottgefälligen, rundum gelungenen Lebens. Es ist von der christlichen Botschaft durchdrungen wie alle Bücher des Autors. Auch seine Autobiographie kündet von der Größe Gottes. Dankbarkeit und Lob: All das, was er in seinem Leben an segensreichen Taten vollbringen durfte, wird beschrieben, und es bleibt kein Zweifel, dass es Geschenke Gottes sind.

    Blicke hinter Parzanys Kulissen sind keine persönlichen Demaskierungen. Kraft und Würde kommen vom Schöpfer. Er ist das Zentrum. Auch hier sind es wundersame Geschichten vom Zustandekommen der Ereignisse. Auch hier sind es die Netzwerke menschlicher Akteure, die die Welt des Autors mit lenken und bestimmen. Doch wird bei Parzany glasklar, dass sein Leben vom christlichen Glauben getragen wird.

    Von ihm möchte Paul die klare Orientierung auf eine zentrale, übergeordnete Thematik abschauen. „Mein Leben ist von beidem gleichermaßen durchdrungen, denkt er. „Da sind die vielen für sich genommen mehr oder weniger trivialen Ereignisse und Katastrophen, die nachvollziehbar den sogenannten Alltag ausmachen, und da sind die gleichsam verblüffenden, wundersamen Fügungen meines Lebens, die von Gottes Wirken Zeugnis ablegen.

    In der Zusammenschau der drei Bücher, die Paul in jenem Moment begegnen, wo er versucht, sein Leben an der Schwelle des Alters zu begreifen, wird ihm klar, dass ihm von allen Alternativen, die er sehen kann, der Weg der Hoffnung der liebste ist.

    Doch er weiß zugleich, dass dieser Weg die Offenbarung Gottes voraussetzt. Ohne die Bereitschaft, sich auf den Glauben an Jesus einzulassen und zu bekennen, wird das fortschreitende Alter ein „Heulen und Zähneklappern" geben (Norberto Bobbio).

    Paul will sein Leben aufschreiben. Er weiß: Eine Autobiographie ist die verfasste Lebensgeschichte eines Menschen. Sie wird von der beschriebenen Person selbst erzählt und von der Leserschaft als weitgehend dem tatsächlichen Leben entnommen verstanden. Dabei stellt sich ihm die Frage, ob es möglich ist, die als bedeutsam angesehenen Ereignisse des eigenen Lebens frei von der Färbung subjektiver Interpretation darzustellen. Er denkt nein. Immer ist es die eigene Brille, die den Blick des Schreibenden auf das Leben färbt.

    Garlichs beschreibt ihr Leben, indem sie eine Strecke ihres Weges dokumentiert. Es ist ein Jahr in der Corona-Abgeschiedenheit, und das Schreiben hatte für sie die Funktion der Selbstvergewisserung. Durch das Bild einer Teilstrecke entsteht ein exemplarischer Ausschnitt vom Ganzen. Da sie die Deutung dem unbekannten Leser überlässt, bleibt ihr Buch wertfrei.

    Bobbio nimmt statt der Dokumentation von Ereignissen das Ergebnis seiner philosophischen Reflexionen und appelliert unausgesprochen an die Leserschaft, die in seinen Augen hoffnungslose Lage am Ende des Lebens so wie er zu sehen.

    Je mehr Paul über dieses Vorhaben, die Essenz seines Lebens zu fassen, nachdenkt, um so klarer wird ihm, dass erst die Interpretation des Autors dem Text die Würze gibt. Erst die besondere Sicht des Schreibenden, nennen wir ihn Schriftsteller, seine Erzählkunst und Sprachkraft machen den Text lesenswert. Die Einordnung der Besonderheiten dieses Lebensweges in den Rahmen einer sinntragenden Interpretation erst rechtfertigt ein solches Vorhaben.

    So möchte Paul auch nicht am Anfang beginnen. Geburt, Elternhaus und Kindheit als Fixpunkte einer Biografie stellt er zurück. Es ist nichts Spannendes daran und mithin austauschbar. Viel interessanter als die chronologische Abfolge der Lebensstufen, -schritte oder -phasen erscheint ihm der aktuelle Anlass und die daraus sich ergebende thematische Schwerpunktsetzung.

    Die eingangs dargestellte Geschichte vom Treppensturz ist ihm kürzlich passiert. Das Missgeschick ist ihm paradigmatisch, ist Spiegel seiner augenblicklichen Lebenslage. Ein Mann im fortgeschrittenen Alter läuft wie ein Junger flott eine große Treppe hinunter, ohne das vorhandene Geländer zum Halten zu nutzen. Das heißt, er rechnet nicht mit einem solchen Unfall. Er ist leichtfüßig und dabei zugleich leicht-sinnig. Vor allem überschätzt er sowohl seine geistig-seelische als auch seine körperlich-physische Konstitution. Ihm passiert, folgenreich und schicksalhaft, genau ein solches Missgeschick wie von Ariane Garlichs mehrfach dargestellt. Anstatt nun mit dem Schicksal zu hadern oder zu sagen „so ist das nun mal und ich kann es nicht ändern", sollte er wohl besser fragen, was ihm das Leben an dieser Stelle mitteilen will. Was ist es, das dieser Mann an der deutlichen Schwelle zum Alter lernen soll und muss, um künftig Ereignisse dieser Art zu vermeiden, aber auch um den Rückblick auf sein gelebtes Leben ungeschminkt zu wagen?

    Menschliches Leben ist endlich. Paul weiß das. Sein Treppensturz ist ein Bild dafür, wie schnell und aus heiterem Himmel der Moment des individuellen Todes kommen kann. Und das Verschwinden des Malers in seinem eigenen Bild ist nichts anderes als ein Gleichnis hierfür.

    Der Maler, der in seinem Bild verschwindet

    2016

    Paul stützt sich auf die Reling und schaut aufs gischtige Wasser am Bug der Princess Maria, die brav stampfend ihren Weg durch die nächtliche Ostsee nimmt, von Helsinki nach Sankt Petersburg. Er denkt: Was wäre, wenn alles gar nicht stimmt? Wenn dieses Bild von der sich wandelnden Zeit nur eine Illusion wäre, die den Menschen Gewissheit gibt, dass ihre Lebensgeschichte wahr ist? Was wäre, wenn statt dessen alles stets gleich bliebe, immer schon da gewesen und ewig verfügbar? Ist die Idee von der vergehenden Zeit nicht vielmehr an den Alltag gebunden, der seinen Tribut in Form von verronnenem Leben fordert? Kann es also sein, dass nichts so ist, wie es scheint und wir mit der Kraft unseres Geistes immer wieder umsteigen könnten in jenen mentalen Schwebezustand, den Paul beim Malen empfindet? Zeitlos, ewig? Auch das scheinbar vorüberziehende Wasser bleibt immer im riesigen Becken des Meeres vorhanden und ist Teil eines immer währenden Kosmos. Was gestern war, ist heute noch vorhanden, und was morgen geschehen wird, ist heute schon denkbar und damit real! Es kommt ihm vor, als sei die Zeit ein Meer, und wir schwimmen in ihr wie dieses Schiff, das treu seine Bahn zieht. Von A nach B. Nach einem festgelegten Fahrplan spuckt die Fähre ihre Ladung stets wieder aus. Doch für diesen Weg sind sie eng verbunden und aufeinander angewiesen. Das Schiff hat seine Berechtigung durch die Passagiere, die es zu ihrem Fortkommen brauchen. Gäbe es den Drang der Menschen nicht, ihren Standort in Raum und Zeit zu verändern, wären die Verkehrsmittel überflüssig. So pendelt das Schiff zwischen den Häfen und hilft immer wieder neuen Menschen in immer gleicher Weise, das Meer zu überqueren.

    Bei dem französischen Medienphilosophen Jean Baudrillard hatte Paul gelesen: „Das Simulierte versteckt nicht die Wahrheit - es ist Wahrheit, die den Fakt versteckt, dass es sie nicht gibt. Das Simulierte ist wahr."

    „Meine Wahrheit ist, dass es Grenzen eigentlich gar nicht gibt, alles ist eins. Paul schaut auf das nachtschwarze Wasser, das zwischen den Schären vorüberschäumt. „Auch die subjektiven Grenzen, an die wir zu stoßen scheinen, sind wahr in dem Sinne, dass sie sich im Ganzen befinden.

    Er muss an die Geschichte von dem Maler denken, der in seinem Bild verschwindet. Sie gefiel ihm besonders, denn die Allegorie thematisiert die Grenze, Grenzen der Wahrnehmung und Grenzen unseres Bewusstseins. Er mag dieses Bild vom Übergang. Machen wir uns doch klar, dass wir ständig über Grenzen gehen und dabei in etwas Neues eintreten! Vom Tag in die Nacht, von einem Lebensraum in den anderen, wir wechseln schnell oder langsam, von der Nacht wieder in den Tag. Paul macht die Nacht

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