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Eine Frühlingsbraut für den Vagabunden?
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Eine Frühlingsbraut für den Vagabunden?
eBook457 Seiten6 Stunden

Eine Frühlingsbraut für den Vagabunden?

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Über dieses E-Book

Ich werde eine gute Partie machen, schwört Jane sich nach ihrer Kindheit in bitterer Armut. Der Antrag des vermögenden Lord Cambury verspricht ihr die ersehnte Sicherheit - auch ohne Liebe. Doch ausgerechnet da appelliert ein zugelaufener kleiner Hund an ihr weiches Herz, wodurch sie die Bekanntschaft eines verwegenen hochgewachsenen Vagabunden macht! Zachary Black ist alles, was Jane nicht will. Doch seine Berührungen lassen sie erbeben; seine geraubten Küsse sind überaus erregend. Selbst als sie erfährt, dass Zachary unter Mordverdacht steht, gibt sie für diesen geheimnisvollen Verführer mutig ihren adligen Verlobten auf …

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum14. Juli 2020
ISBN9783733749224
Eine Frühlingsbraut für den Vagabunden?
Autor

Anne Gracie

Schon als junges Mädchen begeisterte sich Anne Gracie für die Romane von Georgette Heyer – für sie die perfekte Mischung aus Geschichte, Romantik und Humor. Geschichte generell, aber auch die Geschichte ihrer eigenen Familie ist Inspirationsquelle für Anne, deren erster Roman für den RITA Award in der Kategorie beste Erstveröffentlichung nominiert war. Ihr Urgroßvater, ein Seemann, ging Ende des 19. Jahrhunderts in Australien an Land und blieb dann für immer weil er sich dort in ein Mädchen verliebt hatte, das er später heiratete. Anne selbst lebt in Melbourne in einem kleinen Holzhaus und widmet sich in ihrer Freizeit der Imkerei. Zudem unterrichtet sie an einem College Englisch um so ihre Liebe zur englischen Literatur weiterzugeben und in einem Programm zur Bekämpfung des Analphabetentums erteilt sie Erwachsenen Unterricht. Das Faszinierendste am Schreiben ist für Anne die Entstehung der Charaktere und die Entwicklung ihrer Leben. Oft wacht sie mitten in der Nacht auf und hat eine bestimmte Szene im Kopf, die dann häufig der Beginn des nächsten Romans ist.

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    Buchvorschau

    Eine Frühlingsbraut für den Vagabunden? - Anne Gracie

    IMPRESSUM

    HISTORICAL GOLD erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

    © 2015 by Anne Gracie

    This edition published by arrangement with Berkley, an imprint of Penguin Publishing Group,

    a division of Penguin Random House LLC.

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL GOLD

    Band 355 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

    Übersetzung: Ira Panic

    Abbildungen: he Killion Group / Hot Damn Designs, Miodrag Kitanovic, krugli, GarryKillian / Getty Images, alle Rechte vorbehalten

    Veröffentlicht im ePub Format in 07/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783733749224

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

    Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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    PROLOG

    „Das Glück in der Ehe ist allein eine Frage des Zufalls."

    Jane Austen, „Stolz und Vorurteil"

    London, 1805

    Erzähl uns von der Nacht, als du eine Prinzessin warst, Mama."

    „Sie war nicht wirklich eine Prinzessin", warf Janes große Schwester Abby ein. „Sie hat sich nur wie eine gefühlt."

    Das war Jane egal. Eine Prinzessin war eine Prinzessin. „Mama? Erzähl uns davon."

    Mama lächelte. „Kriegst du denn nie genug davon, Schätzchen?"

    Nachdrücklich schüttelte Jane den Kopf.

    „Nun, ich war gerade achtzehn geworden, und es handelte sich um den prächtigsten Ball der Saison. Alle waren da, Dukes, Earls, sogar ein echter Prinz."

    „Und was hattest du an, Mama?"

    „Das weißt du doch ganz genau, du hast es schon hundertmal gehört."

    „Mama!"

    „Na schön. Ich trug ein wunder-wundervolles Ballkleid aus rosafarbener Seide, die bei jedem meiner Schritte wie Wasser rauschte."

    „Und ein Überkleid aus Gaze mit … erzähle weiter", drängte Jane.

    „Ein Überkleid aus Gaze, auf die Hunderte winziger Kristalle genäht waren, die im Licht funkelten …"

    „… und glitzerten wie zahllose Diamanten", vollendete Jane den Satz.

    „Siehst du, du weißt es besser als ich."

    „Erzähl weiter. Dein Kopfputz …"

    „Mein Kopfputz war eine hochelegante kleine Angelegenheit aus rosafarbenen Perlen und Diamanten – die waren natürlich falsch, aber …"

    „Und als du die Treppe herunterkamst, drehten sich alle zu dir um und schauten dich bewundernd an", unterbrach Jane, die nichts von falschen Steinen hören wollte, die nicht so gut waren wie Diamanten. Nicht dass sie, abgesehen von Mamas goldenem Ehering, irgendwelche Schmuckstücke besessen hätte, aber jeder wusste, dass eine Prinzessin Diamanten trug.

    „Ja, du kleine Tyrannin, und alle drehten sich zu mir und meinem wundervollen glitzernden rosafarbenem Kleid um." Mama lachte, doch das Lachen verwandelte sich in einen Hustenanfall, nach dem sie sich erschöpft auf den Rücken legte, ein Taschentuch vor den Mund gepresst.

    Abby holte ein Glas Wasser und ein frisches Taschentuch, das sie Mama in die Hand drückte, damit Papa das Blut auf dem anderen nicht bemerkte. Abby wusch ständig heimlich Blut aus Mamas Taschentüchern.

    Nach einer Weile fragte Jane: „Warum bist du jetzt keine Prinzessin, Mama?"

    „Oh, ich bin immer noch eine Prinzessin, Schätzchen. Sie öffnete die Augen und schaute über Janes Kopf hinweg zu Papa, der still und grimmig hinter seiner kleinen Tochter stand. „In jener Nacht habe ich deinen Papa getroffen und mich in ihn verliebt. Er ist mein Prinz und wird es immer bleiben. Sie lächelte ihm zu.

    Und Jane konnte sehen, dass Mama wirklich eine Prinzessin gewesen war, denn dieses Lächeln machte sie wieder schön, so schön, als ob jemand in ihrem Inneren eine Kerze entzündet hätte.

    „Du wirst immer meine Prinzessin sein", erwiderte Papa mit erstickter Stimme. Er strich Mama das Haar zurück und küsste ihre Stirn.

    Jane liebte Papa über alles, aber sie wusste, dass er kein Prinz war. Prinzen lebten in Schlössern, nicht in einem winzigen Zimmer in einem stinkenden alten Gebäude.

    Mama hätte eigentlich jemand anderen heiraten sollen – einen reichen Mann, der in einem Schloss lebte. Papa hatte ebenfalls eine andere Dame heiraten sollen, doch dann waren sie einander begegnet und hatten sich verliebt. Und weil sie sich verliebt hatten, mussten sie zusammen weglaufen und heiraten, weil ihre Eltern wollten, dass sie diese anderen Leute heirateten. Diese reichen anderen Leute.

    Deshalb hatten Jane und Abby auch nie ihre Großeltern kennengelernt, obwohl Abby schon beinahe zwölf war und Jane fast sechs. Weil die nämlich immer noch wütend waren. Papa und Mama waren verstoßen worden, ohne einen Penny in der Tasche. Darum hatten sie kein Geld. Papa tat, was er konnte, aber es reichte nie …

    Wenn Mama eine Prinzessin gewesen wäre, dann wäre sie jetzt kein dünner Schatten ihrer selbst, verblüht, traurig und krank. Und Papa wäre nicht so angespannt und wütend und traurig. Jane und Abby wären ebenfalls Prinzessinnen und würden in einem Schloss wohnen, nicht in einem kleinen, dunklen, kalten Raum, hinter dessen Wänden die Ratten scharrten. Und keiner von ihnen müsste jemals frieren oder hungern oder sich fürchten.

    „Wenn ich groß bin, werde ich ebenfalls eine Prinzessin, verkündete Jane. „Und ich werde ein glitzerndes rosa Kleid haben und Diamanten tragen und …

    „Janey-Schätzchen, das sind doch bloß dumme Träumereien", sagte Abby.

    „Nein, ich werde eine Prinzessin!"

    „Ach, Süße, egal was du trägst, du wirst immer Papas kleine Prinzessin sein." Ihr Vater hob sie hoch und schwang sie im Kreis herum. Und alle lachten.

    Doch Jane hegte keinerlei Zweifel. Während sie in Papas Armen wirbelte, schaute sie auf den schäbigen Raum, der sich um sie drehte. Auf Mama, die schwach und abgemagert dalag, auf Abby, die mit einem sauberen Taschentuch in der Hand neben dem Bett kauerte. Es würde nicht immer so sein wie jetzt. Alle sagten, dass Jane ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten war, und das bedeutete, dass sie auch eine Prinzessin sein konnte. Sie musste bloß einen Prinzen mit einem Schloss finden.

    1. KAPITEL

    „Es gibt nun mal nicht so viele reiche Männer auf der Welt wie hübsche Frauen, die einen reichen Mann verdient hätten."

    Jane Austen, „Mansfield Park"

    Mayfair London, März 1817

    Das war reizend von dir, Abby, vielen Dank. Jane drückte ihrer Schwester liebevoll den Arm, während sie untergehakt über den Berkeley Square spazierten. „Ich kann nicht glauben, dass ich achtzehn Jahre alt werden musste, um festzustellen, wie Eiscreme schmeckt.

    Abby lachte. „In den letzten paar Monaten hast du jedenfalls aufgeholt. Gibt es irgendeine Sorte bei Gunter’s, die du noch nicht probiert hast?"

    „Nein, bekannte Jane. „Aber ich habe noch immer nicht entschieden, welche ich am liebsten mag.

    Abby hob belustigt die Brauen. „Dabei ist noch nicht mal Sommer." Genau genommen war es noch nicht mal richtig Frühling. Die Bäume, die den Platz säumten, fingen gerade erst an auszuschlagen, und ein paar vereinzelte Gruppen Schneeglöckchen streckten die Köpfe aus der Erde.

    „Unabhängig von der Eiscreme ist es so schön, mal wieder miteinander zu plaudern, nur wir beide. Wieder drückte Jane ihrer älteren Schwester den Arm. „Du weißt, dass ich Damaris und Daisy liebe, aber manchmal …

    Abby nickte. „Manchmal brauchst du einfach deine Schwester. So geht es mir auch. Sie schwieg kurz, dann blieb sie stehen und schaute Jane aufmerksam an. „Bist du aufgeregt wegen deiner Saison? Bis zu deinem ersten Ball dauert es doch nur noch ungefähr zehn Tage, oder?

    „Vierzehn, berichtigte Jane. „Und nein, ich bin nicht aufgeregt. Nicht richtig. Sie schüttelte den Kopf. „Nun ja, auf gute Art aufgeregt. Wenn du’s genau wissen willst: Ich kann es kaum erwarten. All diese Jahre im Pillbury-Heim, wo es nur Gewänder aus grauem oder braunem Serge gab, hätte ich mir nie träumen lassen – oder vielmehr, ich konnte nur davon träumen –, zu Partys und Bälle eingeladen zu werden, hübsche Kleider zu tragen, bis in die Morgenstunden zu tanzen, ins Theater und auf Konzerte und zu Picknicks zu gehen, so wie Mama früher. Doch ich habe in Wahrheit nie daran geglaubt, dass es tatsächlich eines Tages dazu kommen würde. Sie umarmte ihre Schwester und drehte sich dann einmal fröhlich im Kreis. „Es ist so spannend, Abby. Ich bin ja so glücklich.

    „Wir können uns alle glücklich schätzen, erwiderte Abby ernst. „Jede von uns. Wenn Lady Beatrice nicht gewesen wäre …

    „Ich weiß. Aber sie besteht darauf, dass wir sie gerettet haben, was ja in gewisser Weise auch stimmt. Und ehrlich, Abby, sie genießt das Ganze ebenso wie wir. Sie könnte nicht entzückter sein, wenn wir ihre echten Nichten wären."

    „Nur gut, dass ich ihren Neffen geheiratet habe. Abby lachte. „Dadurch wird es ja beinahe wahr.

    „Unsinn! Deine Heirat mit Max hat nichts damit zu tun. Wenn ich Nichten will, dann kriege ich sie verflixt noch mal auch!‘", ahmte Jane Lady Beatrice nach. Es war eine exzellente Imitation, und beide Mädchen mussten lachen.

    Abby hakte sich wieder bei Jane unter, und sie gingen weiter. „Oh Jane, ich bin so glücklich. Glücklicher als ich je für möglich gehalten hätte. Du hast keine Ahnung. Die Ehe ist … Sie seufzte verzückt auf und errötete dann. „Aber das findest du schon bald heraus. Du wirst einen gut aussehenden jungen Mann treffen – vielleicht sogar schon auf dem Ball nächste Woche –, und dich bis über beide Ohren in ihn …

    „Glaubst du, dass Damaris und Freddy schon in der Stadt sind?"

    Abby warf ihrer Schwester einen scharfen Blick zu, akzeptierte aber den abrupten Themenwechsel. „In ihrem letzten Brief schrieb Damaris, dass sie voraussichtlich heute oder morgen eintreffen, es könnte also sein."

    „Oh, gut. Ich kann es kaum erwarten, sie wiederzusehen. Ihre Briefe aus Venedig enthielten so wundervolle Zeichnungen – es scheint ein geradezu magischer Ort zu sein. Ich frage mich, ob ich wohl jemals dorthin komme."

    „Jane …"

    Doch Jane wollte sich nicht übers Verlieben unterhalten, im Gegensatz zu Abby, die derzeit keinen anderen Gesprächsgegenstand zu haben schien. „Pass auf. Sie zog Abby hastig ein Stück zurück, während ein offener Zweispänner an ihnen vorbeisauste. „Du bist nicht mehr auf dem Land, Abby. Denk dran, dass hier in London reger Verkehr herrscht. Sie überquerten die Straße und erklommen die Stufen, die zu Lady Beatrices Haustür führten. Jane und Daisy wohnten noch immer bei der alten Dame.

    Nach seiner Heirat hatte Max ein eigenes Stadthaus direkt um die Ecke gemietet und auch Daisy und Jane angeboten, dort einzuziehen, war damit jedoch bei Lady Beatrice auf größten Widerstand gestoßen. „Du willst mir meine Mädels stehlen? Schlimm genug, dass ich Abby und Damaris an dich und Freddy verloren habe. Was ist heutzutage bloß los mit frisch vermählten Paaren? Legt ihr denn gar keinen Wert auf Privatsphäre?" Der stechende Blick, mit dem sie diese Worte begleitete, wurde durch ihre Lieblings-Lorgnette eindrucksvoll vergrößert.

    Abby und Max waren daraufhin von ihrem Vorschlag abgerückt. Und Freddy hatte sich den Hinweis zu Herzen genommen und für die Saison ebenfalls ein Stadthaus in fußläufiger Nähe zum Berkeley Square angemietet.

    Bevor Jane nach dem Klingelzug greifen konnte, wurde die Haustür vorsichtig geöffnet. Featherby, ihr Butler, legte sich geheimnisvoll einen weißbehandschuhten Finger an die Lippen und trat zurück, um sie einzulassen.

    Daisy saß auf der Treppe, auf halber Höhe zwischen Eingangshalle und erster Etage. „Daisy?" Jane sah sie fragend an.

    „Psssst!" Daisy versuchte, sie mit ausufernden Gesten zum Schweigen zu bringen. Jane und Abby wechselten einen verdutzten Blick. Was um alles in der Welt ging hier vor?

    Featherby klopfte sich mit dem Finger gegen die Lippen, um die Notwendigkeit absoluter Stille zu bekräftigen, und deutete mit der anderen Hand auf die nur angelehnte Tür zum Salon. Stimmen drangen in die Halle. Lady Beatrice und ein Besucher. Daran war nichts Ungewöhnliches. Warum also taten Daisy und Featherby so mysteriös?

    „Was …", versuchte Jane es noch einmal.

    „Pssst!" Daisy wedelte nachdrücklich mit den Händen, um Jane zu bedeuten, sie möge zu ihr hochkommen und den Mund halten.

    Verwirrt verstummte Jane. Featherby stellte sich vor die Salontür, um die Sicht auf den unbekannten Gast zu blockieren, während Jane und Abby an ihm vorbeischlichen und leise die Stufen hocheilten.

    „Was ist denn los?", wisperte Jane.

    „Setz dich hin und hör zu! Daisy zog sie neben sich auf die Stufen. „Es geht um dich.

    Jane setzte sich. Abby folgte ihrem Beispiel. Alle drei lehnten sich ans Geländer und lauschten angelegentlich den Stimmen, die noch immer aus dem Salon drangen.

    Der Mann, wer auch immer er sein mochte, sprach gerade über sich selbst. „Natürlich kennen Sie meine Familie und meine finanziellen Verhältnisse, Lady Beatrice, und wissen, dass meine Heiratswürdigkeit außer Frage steht …"

    Heiratswürdigkeit? „Wovon redet er denn?", flüsterte Jane.

    „Er macht gerade ein Angebot für dich", informierte Daisy sie, ebenfalls flüsternd.

    „Für mich?, quiekte Jane leise. Sie drehte sich zu Daisy um. „Wer ist das?

    „Lord Cambury."

    Jane starrte sie verständnislos an. „Wer?"

    „Lord Cambury. Er hat zwei Mal am literarischen Salon teilgenommen."

    Jane schüttelte den Kopf. Sie hatte noch immer keine Ahnung, um wen es sich handelte.

    „Kleiner dicker Kerl. Ungefähr dreiunddreißig. Flott gekleidet. Wird schon kahl." Sie tat so, als ob sie spärliche Strähnen über einen Glatzkopf kämmte, und auf einmal erinnerte Jane sich. Lord Cambury.

    Lord Cambury? Das musste ein Missverständnis sein. Er konnte unmöglich um sie anhalten. Sie hatte kaum ein Dutzend Worte mit dem Mann gewechselt. Unwillkürlich beugte sie sich weiter vor, um die Konversation dort unten besser verfolgen zu können.

    Doch plötzlich drehte Featherby, der beiläufig neben der Salontür herumgelungert hatte, sich um und gestikulierte eindringlich. Lord Camburys Stimme wurde lauter. „Dann also bis morgen, Lady Beatrice. Ich freue mich darauf."

    Er machte sich zum Aufbruch bereit. Die Mädchen standen auf und liefen rasch nach oben, außer Sichtweite.

    Auf dem Treppenabsatz blieb Jane stehen, drehte sich um und spähte vorsichtig zwischen den Streben des Geländers hindurch. Kurz sah sie eine rosige glänzende Glatze, auf der sich ein paar sorgfältig drapierte dünne blonde Strähnen verteilten, bevor Featherby Lord Cambury Hut, Mantel und Gehstock reichte.

    Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, atmete Jane tief ein. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie vor Spannung die Luft angehalten hatte.

    Featherby schaute kurz zu ihnen hoch. „Ja, Mylady, Miss Jane und Lady Davenham sind wieder hier, zusammen mit Miss Daisy, sagte er lauter als notwendig. „Soll ich sie rufen? Die Mädchen huschten eilig die Treppe hinunter.

    „Tee, Mylady?", erkundigte Featherby sich, als alle im Salon waren.

    Lady Beatrice nickte. „Und etwas Stärkeres für mich. Featherby zog sich mit einer Verbeugung zurück. Die alte Dame zückte ihre Lorgnette und musterte Jane eindringlich. „Nun, Miss, du steckst ja voller Überraschungen.

    Jane klappte die Kinnlade herunter. „Ich stecke voller Überraschungen?", echauffierte sie sich dann.

    Lady Beatrice runzelte die Stirn. „Du hast nicht damit gerechnet?"

    „Ich weiß nicht mal genau, was mit damit gemeint ist. Sie warf Daisy einen Seitenblick zu. „Daisy sagte, dass Lord Cambury einen Antrag gemacht hat. Einen Heiratsantrag. Für mich.

    „Das Mädel hat scharfe Ohren, bestätigte Lady Beatrice. „Auch wenn natürlich keine von euch jemals an Türen lauschen sollte.

    Daisy grinste ohne jeglichen Anflug von Reue. „Die beste Methode, immer auf dem Laufenden zu bleiben."

    „Frechdachs. Die alte Dame schüttelte den Kopf so heftig, dass ihre leuchtend roten Locken hüpften. „Aber du hast ja recht. Sie wandte sich Jane zu. „Lord Cambury hat offiziell um deine Hand angehalten."

    Es stimmte also. Verblüfft starrte Jane sie an. „Aber … er kennt mich doch kaum." Sie versuchte, sich der beiden Gelegenheiten zu entsinnen, bei denen sie mit Lord Cambury ein paar Bemerkungen gewechselt hatte. Doch ihre Erinnerung gab nur den oberflächlichsten Austausch her. Einmal war es ums Wetter gegangen, das andere Mal um ihre Vorliebe für Sahnetorte.

    „Und wie es sich anhört, kennst du ihn ebenfalls nicht", stellte Abby fest.

    „Dennoch handelt es sich um ein exzellentes Angebot, sagte Lady Beatrice. „Er ist ungeheuer reich und stolz auf seinen ausgezeichneten Geschmack.

    Ihr Diener William brachte das Tablett mit einer großen Kanne Tee und einem Teller mit Kuchen und anderen Leckereien. Featherby folgte mit der Brandy-Karaffe und schenkte Lady Beatrice nach deren Anweisungen ein – mehr Brandy als Tee.

    Abby versorgte den Rest der Gruppe; nur Tee mit etwas Milch. Ein paar Minuten lang wurde die Stille im Raum nur durch das Klappern von Tassen und Löffeln unterbrochen.

    „Was haben Sie ihm geantwortet?", platzte Jane heraus, sobald William und Featherby sich entfernt hatten.

    „Dass es deine Entscheidung ist, natürlich."

    „Vollkommen lächerlich, verkündete Abby. „Als ob Jane einen derart beleidigenden Antrag auch nur in Erwägung ziehen würde. Na schön, er ist reich und ein Lord. Bildet er sich etwa ein, er wäre so reich und bedeutend, dass er darauf verzichten kann, ihr den Hof zu machen? Sie schaute Jane erwartungsvoll an.

    Jane schwieg.

    „Lächerlich vielleicht, sagte Lady Beatrice nach einer Weile. „Aber doch ein ziemlich eindrucksvoller Fang für deine Schwester. Meine Lieben, ihr habt ja keine Vorstellung, wie viele heiratswillige Töchter und Mütter in den vergangenen zehn Jahren die Angel nach Cambury ausgeworfen haben. Und nun hält er um Jane an, noch bevor die Saison überhaupt angefangen hat!

    Sie leerte ihre Tasse und bedeutete Abby, ihr nachzuschenken – nur Tee, diesmal. „Ob du seinen Antrag nun annimmst oder nicht, dein Erfolg ist damit garantiert, mein Kind. Was für eine grandiose Saison das wird! Zwei von euch sind bereits großartig verheiratet, und nun kommt dieses grandiose Angebot für Jane, und dann auch noch ausgerechnet von Cambury."

    „Was wissen Sie über ihn?", erkundigte sich Jane.

    Plötzlich wurde es ganz still.

    Abby stellte ihre Teetasse mit einem Knall ab. „Du kannst ihn nicht ernsthaft in Betracht ziehen, Jane. Du kennst ihn nicht mal, das hast du selbst gesagt."

    „Deshalb frage ich ja Lady Beatrice, was sie über ihn weiß, erwiderte Jane ruhig. „Ich bin neugierig. Sie schaute ihre Schwester an. „Schließlich habe ich das Recht, so viel wie möglich über ihn zu erfahren."

    Abby biss sich auf die Unterlippe. „Selbstverständlich."

    Die alte Dame hob ihre Teetasse und betrachtete Jane einen Moment lang nachdenklich. „Gute Familie natürlich – kam mit William dem Eroberer. Und ich bin einigermaßen sicher, dass ich bei der Taufe des Jungen anwesend war." Sie nahm einen Schluck, verzog das Gesicht und bedeutete Abby, etwas Brandy dazuzugeben.

    „Was Cambury selbst betrifft, fuhr sie fort, „habe ich nichts Nachteiliges gehört. Seine Tante Dora, Lady Embury, nimmt hin und wieder an meinem literarischen Salon teil. Als niemand etwas sagte, fügte sie hinzu: „Ihr Mädels müsst sie kennen. Kräftige Dame, wohnt auf der anderen Seite des Platzes. Kleidet sich oft in Violett – nicht die Farbe, die ich einer Frau mit derart rötlichem Teint empfehlen würde – und so geschwätzig, dass selbst ein Tauber Reißaus nehmen würde. Hat ein ganzes Rudel kleiner kläffender Hunde."

    „Oh ja, ich weiß, wen Sie meinen!", rief Jane. Sie hatte die Hunde im Park gesehen, sogar schon gestreichelt.

    „Dora zufolge ist ihr geliebter Edwin – also Cambury – ein Ausbund an allen denkbaren Tugenden. Ein pflichtbewusster Neffe, seine Eltern sind vor einigen Jahren gestorben, der Dora oft genug besucht, um sie glücklich zu machen, aber ihr offenbar nicht an den Rockzipfeln hängt. Er führt gelegentlich sogar diese grässlichen kleinen Köter für sie aus. Lady Beatrice schüttelte den Kopf. „Was er sonst so im Leben macht? Nun, nach dem, was er mir erzählte, ist es seine größte Leidenschaft, schöne Dinge zu sammeln. Er sagte, er betrachte sich als ‚einen Connaisseur der Schönheit‘.

    Sie schnaubte. „Genau genommen hat er das mehr oder weniger auf dich bezogen, Jane. Er erklärte, dass er sich eine schöne Gattin zulegen wolle, um sein Haus voll schöner Objekte zu vervollkommnen. Oder vielmehr: seine Häuser, korrigierte sie sich. „Soweit ich weiß, besitzt er drei. Ein Stadthaus in London, seinen Landsitz Cambury Castle …

    „Ein Schloss?", unterbrach Jane sie.

    „Ja, ein wirklich prächtiges Anwesen. Und eine Adresse in Brighton; er gehört zum engeren Kreis des Prinzregenten."

    „Er ist ein Laffe!", warf Abby hitzig ein. „Mir ist egal, zu welchem illustren Kreis er gehört oder wie viele Häuser er besitzt oder wie sehr seine Tante ihn schätzt. Jane verdient etwas Besseres als einen Mann, der sich nicht mal dazu herablässt, sie kennenzulernen, bevor er um ihre Hand anhält. Einen Mann, der sie seiner Sammlung schöner Dinge hinzufügen möchte – ich habe noch nie etwas derartig Empörendes gehört –, und ich hoffe, dass Sie ihm das klargemacht haben, Lady Beatrice."

    Die alte Dame machte eine unverbindliche Geste. „Es steht mir nicht zu, darüber zu befinden, wen Jane heiratet oder nicht heiratet. Das muss sie schon selbst entscheiden. Cambury kommt morgen um drei Uhr noch einmal her, um mit ihr zu reden."

    „Gut. Dann kann Jane es ihm selbst sagen. Abby wandte sich ihrer Schwester zu. „Und ich hoffe, du gibst ihm einen Korb. Was für ein arroganter Schnösel!

    Jane antwortete nicht. Sie konnte nicht klar denken. Natürlich hatte sie erwartet – nun ja, gehofft –, dass ein heiratswürdiger Gentleman sich um ihre Hand bemühen würde. Aber doch nicht, bevor die Saison überhaupt begonnen hatte. Und gewiss nicht jemand, mit dem sie bislang kaum ein Wort gewechselt hatte. Oder jemand, der so … reich war. Der ein Schloss besaß.

    „Jane? Abby schaute sie stirnrunzelnd an. „Du wirst ihn doch wegschicken, nicht wahr?

    Jane sagte noch immer nichts. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun würde. Sie konnte die Blicke der anderen förmlich spüren.

    „Das ist es doch, was du, deiner eigenen Aussage zufolge, immer wolltest, meine Liebe, oder nicht?, fragte Lady Beatrice nach einem Moment des Schweigens. „Eine gute Partie machen, einen vermögenden Mann heiraten?

    „Oh, aber das war vorher, erwiderte Abby. „Als wir bettelarm und schrecklich verzweifelt waren. Damals hätte sich wohl jede von uns bereitgefunden, einen vollkommen Fremden zu heiraten, nur um ein Dach über dem Kopf zu haben und zu wissen, woher die nächste Mahlzeit kommt.

    „Und in Sicherheit zu sein", ergänzte Jane.

    „Genau. Aber nun sind wir in einer komplett anderen Situation. Es fehlt uns an nichts. Und Damaris und ich sind so sehr, sehr glücklich verheiratet. Viel glücklicher als wir jemals zu träumen gewagt hätten." Bei diesen Worten brach ihr die Stimme ein wenig.

    Jane hegte keinerlei Zweifel am Glück ihrer Schwester. Abby leuchtete geradezu vor Liebe und Freude, und bei Damaris war es genauso gewesen, als sie sich nach Weihnachten mit Freddy in die Flitterwochen nach Venedig verabschiedet hatte.

    „Daher besteht jetzt absolut keine Notwendigkeit für eine Vernunftehe. Alles ist für Janes Debüt vorbereitet, und in den nächsten Monaten wird sie Dutzende heiratswürdiger und attraktiver junger Männer treffen, und ich weiß ganz genau, dass sie sich in einen davon verlieben und glücklicher sein wird, als sie je zu träumen wagte."

    Jane lächelte. Sie wusste, was ihre Schwester sich für sie wünschte. Abby wollte, dass Jane bekam, was sie selbst hatte – alles, was ihr Herz begehrte. Aber Jane war anders als Abby.

    „Glauben Sie, dass er ein freundlicher Mann ist?", fragte sie Lady Beatrice. Es klang ganz danach, immerhin führte er die Hunde seiner Tante aus. Dass er Hunde mochte, war ein gutes Zeichen.

    „Jane, du kannst diesen Antrag unmöglich ernst nehmen!", rief Abby.

    „Warum nicht? Er war doch ernst gemeint, oder?"

    „Aber …", begann Abby.

    „Nicht, Abby", warf Lady Beatrice warnend ein.

    „Aber sie denkt darüber nach, den Antrag anzunehmen, sehen Sie das denn nicht? Sie drehte sich wieder zu ihrer Schwester um. „Was ist denn mit Liebe, Jane? Du darfst nicht ohne Liebe heiraten. Das darfst du einfach nicht. Du kannst dir nicht vorstellen, wie wundervoll es ist, jemanden zu lieben und zu wissen, dass man zurückgeliebt wird.

    Jane schluckte und wandte den Blick ab.

    Abby musterte sie aus schmalen Augen. „Sieh mal, fuhr sie in sanfterem Ton fort, „du musst das ja nicht jetzt entscheiden. Du hast alle Zeit der Welt, den richtigen Mann zu treffen, dich zu verlieben. Du wirst Dutzende passender Angebote bekommen, warte nur ab. Stimmt das etwa nicht, Lady Beatrice? Sobald die Saison begonnen hat, wird sie sich vor Verehrern gar nicht retten können.

    Jane schwieg. Sie hatte nicht das geringste Verlangen, von zahllosen Verehrern umschwärmt zu werden; allein die Vorstellung war ihr unbehaglich. Männer schienen immer irgendetwas von ihr zu wollen – sie hatte nie recht verstanden, was das war. Sie schienen sich einzubilden, Jane zu kennen, selbst wenn sie sich kaum mit ihr unterhalten hatten.

    Sie wollte nicht, dass Dutzende Männer um ihre Gunst buhlten, sie wollte einfach nur … sicher sein. Und ein angenehmes Leben führen.

    Sie hatte sich so sehr auf ihre erste Saison gefreut, darauf, hübsche Kleider zu tragen und Bälle und Partys und Konzerte zu besuchen. Wem wäre es nicht so ergangen nach zwölf Jahren im Pillbury-Heim, wo ihre ganze Garderobe aus den abgelegten Kleidungsstücken der älteren Mädchen bestanden hatte? Sie hatte sich auch darauf gefreut, mit einer Reihe gut aussehender junger Männer zu tanzen. Darüber hinaus hatte sie sich keine weiteren Gedanken gemacht.

    Oh, sie wusste natürlich, dass das alles auf eine Heirat hinauslaufen würde, und sie wollte natürlich auch verheiratet sein. Man musste verheiratet sein, um Kinder zu bekommen, und Kinder wünschte Jane sich mehr als alles andere.

    Doch die Details waren eher verschwommen gewesen. Sie hatte sich vage ausgemalt, dass sie einen netten Mann kennenlernen würde, der um ihre Hand anhielt. Sie würde den Antrag annehmen und dann, wenn die Saison zu Ende war, heiraten.

    Und danach würde ihr Leben – ihr wirkliches Leben – beginnen. Sie hätte einen Gatten und ein Zuhause und hoffentlich sehr bald ihr eigenes kleines Baby. Das war alles, was sie sich je gewünscht hatte: ein eigenes Zuhause und Kinder. Und natürlich war ein Ehemann die Voraussetzung, um diesen Wunsch zu erfüllen.

    Aber Dutzende Verehrer … die sie anstarrten … und um ihre Aufmerksamkeit wetteiferten …

    „Jane", fing Abby schon wieder an, doch Lady Beatrice hob gebieterisch eine Hand.

    „Still, Abby! Ich weiß, dass du nur das Beste für deine Schwester willst – das wollen wir alle –, aber es ist Janes Entscheidung, und sie braucht jetzt Zeit, um nachzudenken. In Ruhe."

    Abby lächelte zerknirscht. „Natürlich. Tut mir leid, Schätzchen. Sie erhob sich und umarmte Jane. „Ich wollte dir nicht vorschreiben, was du tun sollst. Ich vergesse nur manchmal, dass du achtzehn und erwachsen bist. Eine schlechte Große-Schwester-Angewohnheit. Du wirst die richtige Entscheidung treffen, da bin ich ganz sicher.

    Jane erwiderte die Umarmung, dankbar, sich nicht erklären zu müssen, während sich ihre Gedanken noch immer überschlugen.

    „Ich sollte jetzt auch besser aufbrechen, fügte Abby hinzu. „Ich habe Max versprochen, ihn um vier zu treffen und bin schon zu spät dran. Sie küsste Jane. „Überstürze nichts, kleine Schwester."

    „Das werde ich nicht."

    Daisy stand ebenfalls auf. „Ich hab’ zu tun, daher mach’ ich mich auch vom Hof. Wir sehen uns oben, Jane?"

    Jane nickte. „In ein paar Minuten." Sie wollte allein mit Lady Beatrice reden.

    Nachdem Abby sich verabschiedet und Daisy sich in die obere Etage zurückgezogen hatte, setzte sie sich wieder hin, gegenüber der alten Dame. Eine Weile sagte keine der beiden etwas. Jane versuchte, ihre chaotischen Gedanken zu sortieren, und Lady Beatrice nippte an ihrem „Tee" und knabberte dazu ein Mandelplätzchen.

    „Das ist der erste Heiratsantrag, den ich bekommen habe, bemerkte Jane schließlich. „Es ist ein wenig beängstigend. Ich habe also bis morgen Zeit, um mich zu entscheiden?

    „Keineswegs. Er könnte auf eine Antwort pochen, aber falls er das tut und es dir unangenehm ist, verweis ihn an mich. Ich werde niemandem erlauben, dich zu einer Entscheidung zu drängen. Die Ehe ist eine ernste Angelegenheit, meine Liebe, und diese Entscheidung wird dein ganzes Leben beeinflussen. Also nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst."

    „Aber wenn er morgen zurückkommt …"

    „Du kannst ihm sagen, dass du mehr Zeit zum Nachdenken brauchst. Es tut Männern gut, wenn man sie warten lässt – wie oft muss ich euch Mädels das noch sagen? Männer wollen, was sie nicht haben können. Sie sind von Natur aus Jäger, und je schwieriger etwas zu erringen ist, desto höher schätzen sie es. Sie im Ungewissen zu lassen, gehört zum Spiel."

    Jane schaute sie bedrückt an. „Für mich ist es kein Spiel."

    Lady Beatrice tätschelte ihr die Hand. „Das weiß ich, mein Kind. Es ist alles sehr ernst, und du tust recht daran, dir Zeit zu lassen und gründlich nachzudenken. Und selbst wenn du beschließen solltest, Cambury abzuweisen, wird es deinem Ruf keineswegs schaden, wenn sich herumspricht, dass er dich gefragt hat."

    „Oh, aber ich würde niemals jemandem davon erzählen."

    „Papperlapapp. Wer spricht denn von erzählen?" Die alte Dame zuckte wegwerfend mit den Schultern. „Doch solche Dinge sickern nun mal oft durch, ich kann mir nicht vorstellen, wie es dazu kommt. Aber ich versichere dir, es wird deine Chancen auf keinen Fall schmälern, wenn man weiß, dass Cambury dir noch vor dem Beginn der Saison einen Antrag gemacht hat. Lady Beatrice grinste. „Jede heiratsfähige Miss – ganz zu schweigen von ihrer Mutter – wird dir am liebsten die Augen auskratzen wollen. Du glaubst gar nicht, wie viele strahlende Schönheiten schon versucht haben, Cambury an Land zu ziehen. Und gescheitert sind. Ganz egal, ob du ihn erhörst oder nicht – ein Triumph ist es allemal!

    Sie lachte fröhlich in sich hinein, fing sich aber schnell wieder, als sie Janes besorgte Miene sah. „Nun, ich will auf keinen Fall irgendeinen Druck auf dich ausüben, meine Liebe. Es liegt ganz allein bei dir. Wenn du ihn nicht willst, sag es ihm. Und wenn du dir unsicher bist, sag ihm einfach, dass du mehr Zeit brauchst."

    „Aber wenn ich ihn warten lasse, ändert er vielleicht seine Meinung."

    Die alte Dame beäugte sie scharfsinnig. „Kann sein. Würde dir das etwas ausmachen?"

    Jane biss sich auf die Unterlippe. Genau da lag das Problem. Sie wusste es nicht.

    2. KAPITEL

    „Ich möchte als grundsätzliche Regel festlegen, Harriet: Wenn eine Frau schon Zweifel hegt, ob sie einen Mann abweisen soll oder nicht, sollte sie ihn unbedingt abweisen."

    Jane Austen, „Emma"

    Gott, ich bin total erledigt." Daisy reckte sich stöhnend. Sie und Jane waren dabei, sich bettfertig zu machen.

    „Vulgärausdruck, Daisy, mein Mädel, Vulgärausdruck‘", sagte Jane in Lady Beas Tonfall. „Dreh dich um, ich schnüre dich auf."

    Lachend wandte Daisy ihr den Rücken zu, und Jane machte sich ans Werk. „Ich wird’ niemals nich’ wie ’ne Dame klingen, stimmt’s? Ich muss mir jemanden anstellen, um mein nobles Geschäft zu führen. Falls ich das je kriege, meine ich."

    „Du wirst es kriegen, versicherte Jane ihr. „Wir haben heute eine Menge geschafft. Zwei weitere Ensembles sind fertig.

    Daisy schüttelte den Kopf. „Ja, aber es gibt noch immer haufenweise zu tun. Seufzend ließ sie sich aufs Bett fallen. „Ehrlich gesagt, hab’ ich keinen Schimmer, wie ich das alles schaffen soll, Jane.

    „Selbst mit Pollys und Ginnys Hilfe?" Die beiden Zofen halfen Daisy – mit Lady Beatrices Erlaubnis – jeden Nachmittag.

    Daisy nickte. „Trotzdem. Ich glaub’, ich hab’ mich übernommen."

    „Unsinn. Jane umarmte sie. „Du bist nur müde.

    Daisy träumte davon, eine gefragte Schneiderin zu werden – gefragt beim ton –, und wollte in der angehenden Saison nachhaltig reüssieren. Zu diesem Zweck hatte sie sämtliche Kleider für Janes Debüt entworfen und genäht, die meisten Sachen für Abby und einige für Damaris. Für Letztere nur einige, weil Freddy seine junge Frau auf der Hochzeitsreise auch nach Paris entführt hatte. Er hatte darauf bestanden, wie Damaris entschuldigend schrieb, ihr dort die allerschönsten Kleider und zwei wundervolle Pelissen zu kaufen, und sie habe es nicht übers Herz gebracht, Nein zu sagen und könne nur hoffen, dass Daisy nicht allzu beleidigt sei.

    Wie Daisy Jane gegenüber bekannte, war sie – weit davon entfernt, sich beleidigt zu fühlen – sogar ein wenig erleichtert. Die Aufgabe, alle drei Mädchen für die gesamte Saison mit

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