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Die sinnliche Rache der stolzen Lady
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eBook452 Seiten6 Stunden

Die sinnliche Rache der stolzen Lady

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Über dieses E-Book

Wie überaus enervierend! Als strahlende Schönheit ist Lady Caroline Hawke daran gewöhnt, dass ihr alle Gentlemen zu Füßen liegen. Und nun behandelt ausgerechnet der überaus attraktive Prinz Leopold von Alucia sie wie Luft. Umso ärgerlicher, weil er der Einzige ist, der Carolines stolzes Herz zum Beben bringt. Doch Rache ist süß: Caroline schmiedet eine Intrige, die den Prinzen in die Londoner Klatschblätter bringt und seinen Ruf bedroht. Sie ahnt nicht, wie viel sie damit riskiert: eine geheime Mission des Prinzen, bei der er gegen einen Verbrecherring in höchsten Kreisen vorgeht – und ihr eigenes Liebesglück mit ihm …

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum1. Feb. 2022
ISBN9783751511001
Die sinnliche Rache der stolzen Lady
Autor

Julia London

Julia London hat sich schon als kleines Mädchen gern Geschichten ausgedacht. Später arbeitete sie zunächst für die US-Bundesregierung, sogar im Weißen Haus, kehrte aber dann zu ihren Wurzeln zurück und schrieb sich mit mehr als zwei Dutzend historischen und zeitgenössischen Romanzen auf die Bestsellerlisten von New York Times und USA Today. Sie lebt mit ihrer Familie in Austin, Texas.

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    Buchvorschau

    Die sinnliche Rache der stolzen Lady - Julia London

    IMPRESSUM

    HISTORICAL GOLD erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

    © 2020 by Dinah Dinwiddie

    Originaltitel: „A Royal Kiss and Tell"

    erschienen bei: HQN Books, Toronto

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL GOLD, Band 375 2/2022

    Übersetzung: Simone Wolf

    Abbildungen: Harlequin Books S.A., Kostya Zatuli / shutterstock, alle Rechte vorbehalten

    Veröffentlicht im ePub Format in 2/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783751511001

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, TIFFANY

    Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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    1. KAPITEL

    Helenamar, Alucia

    1846

    Die Wahrheit ist doch, dass nichts auf der Welt unsere Herzen so sehr mit Freude erfüllt wie eine Hochzeit. Denn wir alle, Männer wie Frauen, wünschen uns nichts so sehr wie den aufrichtigen Schwur von einem Menschen, der uns bis ans Ende unserer Tage lieben und ehren will.

    Die Hochzeit der allseits bewunderten Lady Eliza Tricklebank mit Seiner königlichen Hoheit Sebastian Charles Iver Chartier, Kronprinz von Alucia, gab erst kürzlich Anlass zu solch außerordentlicher Freude.

    Die Braut betrat die Pauluskathedrale in der alucianischen Hauptstadt Helenamar um halb ein Uhr mittags. Sie trug ein Kleid aus weißer Seide und Chiffon. Es war nach der alucianischen Mode geschnitten, enganliegend und mit einer traditionellen Schleppe, die dreißig Fuß lang war. Die Schleppe war mit Gold-und Silberfäden handbestickt und trug Symbole der Königreiche Alucia und England, unter anderem die berühmten alucianischen Rennpferde, die Bergbutterblume und das Wappen der Familie Chartier. England war mit der Rose des Hauses Tudor vertreten, sowie dem Löwen und dem königlichen englischen Banner. Das Motto der alucianischen Nation, „Libertatem et Honorem", war in winzigen Buchstaben in den Saum der Ärmel gestickt.

    Die Braut trug einen Schleier, der mit einem mit Brillanten besetzten Diadem festgesteckt war, dessen mittlerer Stein zehn Karat groß war. Das Diadem war eine Leihgabe ihrer Majestät Königin Daria. Um den Hals trug die Braut eine Perlenkette aus dreiundzwanzig Perlen, eine für jede der alucianischen Provinzen, ein Geschenk seiner Majestät König Karl. An der Brust trug Lady Tricklebank eine goldene Brosche mit Saphiren, ein Hochzeitsgeschenk ihres Verlobten Prinz Sebastian.

    Der Prinz war mit einem schwarzen Kleid aus feinster Wolle angetan, das ihm bis auf die Wade reichte, und dazu eine weiße Weste, die mit denselben Symbolen im Miniaturformat bestickt war wie die Schleppe der Braut. Um den Hals trug er eine Seidenkrawatte, die mit Silber- und Goldfäden durchwirkt war, und auf dem Kopf die Krone, die ihm bei seiner Einsetzung als Kronprinz verliehen worden war.

    Nach der Zeremonie fuhren die Frischvermählten in einer offenen Kutsche durch eine Menge von Gratulanten, die die Straße drei Meilen weit säumten, zum Konstantinspalast.

    Der König verlieh dem Prinzen und seiner frischgebackenen Braut die Titel Herzog und Herzogin von Tannymeade. Sie werden sich ihren Wohnsitz in der Hafenstadt im Tannymeade-Palast einrichten.

    – aus Honeycutts Mode- und Haushaltsmagazin für Damen

    Das Versprechen, das zu jeder Hochzeit gehört, war an sich schon wunderschön, aber wenn es um eine königliche Hochzeit ging, liefen all die fröhlichen Gesichter Gefahr, dass das Lächeln dauerhaft in sie eingebrannt blieb, so groß war die Freude. Sie konnte selbst das trägste Herz in Gold verwandeln. Und wenn die selige Braut die eigene liebste Freundin war, brandeten Wogen unendlichen Glücks in einem auf.

    Lady Caroline Hawke war überglücklich für ihre liebste Freundin Eliza Tricklebank, die gerade in diesem Augenblick dem Prinzen Sebastian ihre Liebe und Treue schwor. Vor gerade einmal ein paar Monaten war Eliza noch fest entschlossen gewesen, eine alte Jungfer zu werden und sich bis zu seinem Tod um ihren blinden Vater zu kümmern. Sie verbrachte ihre Tage in einfachen Kleidern und Schürzen und las entweder ihrem Vater vor oder vertrieb sich die Zeit mit ihrem seltsamen Hobby, der Reparatur von Uhren. Doch dann wurde Eliza auf einen königlichen Ball eingeladen, auf dem ein Mann ermordet wurde, und ihr kam eine Klatschgeschichte zu Ohren, die einen Hinweis auf den Mörder gab. Ehe Caroline sich versah, war ihre Eliza daraufhin im Begriff, einen Mann zu heiraten, der eines Tages König seines Landes werden würde. Das bedeutete, dass Eliza Königin wurde.

    Die ganze Geschichte war so unwahrscheinlich, so unmöglich, dass sie sogar noch über die fantastischsten Märchen hinausging, die Caroline je gehört hatte oder sich auch nur vorstellen konnte.

    Sie saß in der ersten Reihe in der Kathedrale auf einem Ehrenplatz, der ihr als Elizas liebster Freundin zugedacht war, und Caroline hatte deswegen ein wenig feuchte Augen. Eliza strahlte vor Glück. Caroline hatte sich nie für besonders sentimental gehalten, aber nun konnte sie nicht leugnen, das sie tief berührt war.

    Sie wandte den Blick Prinz Leopold zu, der neben seinem Bruder Prinz Sebastian stand. Sie fragte sich, was er wohl von dem Anlass und dem glücklichen Paar hielt. Er war ziemlich groß und hatte eine kräftige, muskulöse Statur. Sein Jackett war breit an den Schultern und wurde zur Taille hin schmaler. Darunter war es wieder ausgestellt. Er sah majestätisch und so männlich aus, dass Caroline sich einen kleinen Tagtraum gestattete – sie stellte sich vor, wie sie an seinem Arm auf eben diesen Altar zuschritt.

    Sie wollte sich diesen schönen kleinen Traum nicht von der Erinnerung an seine furchtbare Begrüßung am Abend des königlichen Banketts verderben lassen. Bei diesem feierlichen Anlass hatte er sie angesehen, als wäre sie eine Dienstmagd, die gekommen war, um seine schmutzige Wäsche abzuholen. Auf einem morgendlichen Ausritt im Klevauten Park, zu dem alle Hochzeitsgäste eingeladen waren, hatte er es schon wieder getan. Als sie an diesem Tag neben ihn und seine Freunde galoppiert war, hatte er die Stirn gerunzelt und gesagt: „Sind Sie vom Weg abgekommen, Madam?" Als ob sie irgendein Gassenkind wäre, das sich in eine königliche Gesellschaft hineingemogelt hatte!

    Er hatte Glück, dass Caroline überhaupt nicht nachtragend war und sich trotz ihres Ärgers ausmalte, wie es wäre, wenn Prinz Leopold ihr zugelächelt hätte wie Prinz Sebastian Eliza zulächelte. Wie schön wäre es, wenn sie in einem Kleid, das ebenso schön war wie das von Eliza, neben ihm zum Altar gehen würde! Caroline hatte der königlichen Schneiderin natürlich dabei geholfen, Elizas Kleid zu entwerfen. Sie hatte einen ausgezeichneten Sinn für Mode.

    Neben Eliza stand ihre Schwester, Mrs. Hollis Honeycutt, die, obwohl sie Witwe war, den Platz der Ehrenjungfer eingenommen hatte. Hollis musste gemeinsam mit acht kleinen Engeln auf die kunstvolle Schleppe aufpassen, die zu Elizas Kleid gehörte. Diese Engel waren genauso angezogen wie Eliza, abgesehen von der Schleppe natürlich, denn darin konnten sich nur die erfahrensten Damen bewegen. Stattdessen trugen die Mädchen Blumenkränze im Haar. Es gab sonst keine Brautjungfern.

    Eliza hatte ihr erklärt, das sei in Alucia nicht üblich. „Blumenmädchen, hatte sie gesagt, „die kommen aus allen Teilen des Landes. Es ist eine außerordentliche Ehre, als Blumenmädchen ausgewählt zu werden, soweit ich das verstanden habe.

    „Aber warum bekommst du nicht, was dir gefällt?", beklagte sich Caroline, die natürlich annahm, dass Eliza dieselben Vorlieben hatte wie sie. Seit dem Tag der Verlobung von Eliza und Prinz Sebastian hatte Caroline außerdem angenommen, fälschlicherweise, dass sie die erste Brautjungfer sein würde. Immerhin gehörten sie, Eliza und Hollis schon zusammen, seitdem sie kleine Mädchen gewesen waren.

    „Ich bin mit den Blumenmädchen ehrlich gesagt ganz zufrieden, sagte Eliza. „Ich wäre auch mit einer einfachen Hochzeit zufrieden. Ich war schon mit der amtlichen Trauung zufrieden. Aber Königin Daria hat andere Vorstellungen.

    „Natürlich hat sie das. Das ist die Hochzeit, bei der dich all die Menschen zu sehen bekommen, über die du eines Tages herrschen wirst."

    Eliza prustete. „Ich werde nicht herrschen, Caroline. Ich bin ja schon froh, wenn ich in diesem riesigen Palast meinen Ehemann wiederfinde." Sie zeigte auf die reich geschmückten Wände um sie herum. Das war keine Übertreibung – der Konstantinspalast schien noch größer zu sein als Buckingham Palace.

    „Dann lass mich bitte deine Ehrenjungfer sein, flehte Caroline sie an. „Ich kann mich viel besser um deine Schleppe kümmern als Hollis.

    „Also ich muss doch sehr bitten! Ich bin ihre Schwester", wies Hollis Caroline zurecht.

    „Die Schleppe ist dreißig Fuß lang, Hollis. Wie willst du damit zurechtkommen? Du kommst doch nicht einmal mit deiner eigenen Schleppe klar, seitdem wir in Alucia sind. Und mein Kleid ist wirklich sehenswert. Ich habe dafür keine Kosten gescheut."

    Eliza und Hollis sahen Caroline an.

    „Ich meine natürlich abgesehen von deinem Kleid."

    Die Schwestern starrten sie weiter an.

    Caroline zuckte fast unmerklich mit den Schultern. „Das ist doch selbstverständlich", fügte sie hinzu.

    „Ich hatte mir schon gedacht, dass du es nicht anders gemeint hast", sagte Eliza nachsichtig.

    Die drei hatten voller Begeisterung die alucianische Mode für sich entdeckt, seitdem sie vor einem Monat in Helenamar angekommen waren. Die englisch geschnittenen Kleider mit ihren vollen Röcken, hochgeschlossenen Oberteilen und langen Ärmeln waren dagegen schwer und viel zu warm. Sie hatten die wunderschönen alucianischen Roben bewundert, die sich den Kurven des weiblichen Körpers anpassten, mit ihren langen, fließenden Ärmeln und vor allem den reich bestickten Schleppen … bis sie herausgefunden hatten, dass die ungewöhnlich langen Schleppen ziemlich schwer zu tragen waren.

    „Um mich musst du dir keine Gedanken machen, meinte Hollis. „Niemand kommt zu dieser Hochzeit, um dein Kleid zu sehen, Caro.

    „Nun ja, das versteht sich doch von selbst, Hollis. Aber sie werden trotzdem begeistert sein, nicht wahr? Und außerdem steht nirgendwo geschrieben, dass der Ehrenplatz der Schwester der Braut vorbehalten ist."

    „Es gibt kein Gesetz, aber sie ist meine Schwester und sie wird meine Ehrenjungfer sein, sagte Eliza. „Und davon ganz abgesehen würde ich mir dann ohnehin nur während der ganzen Zeremonie Sorgen machen, dass du nur Augen für Leo hast und meiner Schleppe keinerlei Beachtung mehr schenkst, wenn du neben mir stehst. Sie sah Caroline direkt an und zog dabei eine ihrer goldblonden Augenbrauen hoch.

    Als ob Caroline irgendetwas falsch gemacht hätte.

    Das hatte sie auf jeden Fall nicht. „Leo? Nennen wir ihn jetzt so?", knurrte sie. Leo war Prinz Sebastians jüngerer Bruder. Seine königliche Hoheit Prinz Leopold.

    Jeder wusste, dass Prinz Leopold die letzten Jahre in England verbracht hatte. Angeblich um in Cambridge zu studieren, aber in Wirklichkeit war er mehr zu Gast bei Abendgesellschaften, in den Jagdhäusern und den Clubs der Gentlemen gewesen als dass er sich an der Universität hätte blicken lassen. Caroline war ihm letzten Sommer bei einer Landpartie in Chichester begegnet. Sie hatten einen charmanten kleinen Wortwechsel gehabt, an den Caroline sich Wort für Wort erinnern konnte. Prinz Leopold hingegen erinnerte sich überhaupt nicht. Schlimmer noch: Er schien sich nicht einmal an sie zu erinnern.

    Der Erzbischof erhob plötzlich die Stimme zu einer Art Gesang und lenkte Carolines Aufmerksamkeit damit wieder auf die Zeremonie. Oh je, sie dachte schon wieder über Prinz Leopold nach, während sie eigentlich zusehen sollte, wie ihre beste Freundin einen Prinzen heiratete. In diesem Augenblick legte Eliza ihre Hand in die von Prinz Sebastian und hielt sie fest, während der Erzbischof sie bat, seine Worte auf Englisch zu wiederholen: „Zu lieben, zu ehren, zu bewahren, zu schützen."

    So romantisch.

    Caroline sah nach rechts. Sie saß neben ihrem Bruder, dem Baron Beckett Hawke. Er war ein halbes Dutzend Jahre älter als sie und war schon seit ihrem achten Lebensjahr ihr Vormund. Sie lehnte sich an ihn. „Ist sie nicht wunderschön?", flüsterte sie.

    „Pssst."

    „Ich finde, sie sieht hübscher aus als Königin Viktoria bei ihrer Hochzeit, flüsterte Caroline. „Ihr Kleid ist wunderschön. Es war meine Idee, Gold und Silber für die Schleppe zu nehmen.

    Beck tat so, als hätte er kein Wort verstanden.

    „Weißt du, ich glaube, ich könnte so eine Schleppe auch selbst besticken."

    Ihr Bruder legte die Hand auf Carolines Knie und drückte es. Dann sah er sie mit seinen hellgrünen Augen an. Er runzelte finster die Stirn.

    Caroline schob seine Hand weg und sah sich um. Die Pauluskathedrale war riesengroß. Über ihnen schwebte das bemalte Deckengewölbe, auf dem sich Engel und andere göttliche Wesen tummelten. Das ganze Inventar war mit Blattgold ummantelt, vor allem die Kanzel, die eher wie ein Denkmal aussah als wie der Platz für die Bibel. Es gab so viele Fenster aus buntem Glas, dass das Tageslicht, das durch sie hereinfiel, Elizas Schleppe in einen beweglichen Regenbogen verwandelte.

    Jeder einzelne Platz in der riesigen Kathedrale war besetzt. Sie war voller wunderschöner Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben, die in bunte Gewänder gekleidet waren und sich mit glitzernden Juwelen geschmückt hatten. Caroline wusste, dass sie von überall her angereist waren, einige aus Ländern, von denen sie noch nie gehört hatte.

    In einer großen Nische über dem Altar stand ein Chor junger Männer und Knaben, die die Hymnen sangen, die Eliza auf dem Weg durch den Mittelgang zu ihrem Prinzen begleitet hatten. Es hatte geklungen, als ob sich der Himmel aufgetan hätte und die Engel für die Braut gesungen hätten.

    Die Zeremonie dauerte jetzt schon fast eine Stunde und war voller Pomp und Pracht. Caroline war sich nicht ganz sicher, was gerade geschah, denn die Zeremonie fand auf Latein und Alucianisch statt. Nur wenn Eliza etwas sagen musste, tat sie das auf Englisch. Es kam ihr so vor, als wäre das alles ein ständiges Auf und Ab für Eliza und Sebastian, die in einem Augenblick knien und den Kopf senken mussten und im nächsten schon wieder standen und einander versonnen in die Augen schauten. Es gab einen feierlichen Moment, in dem Eliza sich ganz allein hinknien musste. Es sah so aus, als würde sie zur Ritterin geschlagen oder zu irgendetwas anderem ernannt. Als das vorbei war, legte der Erzbischof ihr eine Hand auf den Kopf, die Königin und der König erhoben sich und dann half Prinz Sebastian ihr auf und steckte ihr eine entzückende, mit Saphiren besetzte goldene Brosche an die Brust.

    „Jetzt ist sie eine echte Prinzessin", flüsterte Caroline Beck zu.

    Wie erwartet, ignorierte er sie.

    Eliza sah auch wie eine echte Prinzessin aus, und Caroline wünschte sich, dass Elizas Vater, Richter Tricklebank, hätte dabei sein können. Doch leider machten sein fortgeschrittenes Alter und seine Blindheit ihm die Reise hierher unmöglich. Es hatte eine kleinere standesamtliche Trauung im Familienkreis gegeben – die erste amtliche Eheschließung – bevor Sebastian nach Alucia zurückgekehrt war. Diese Trauung, bei der ihr Vater anwesend gewesen war, war nötig geworden, weil Eliza und Sebastian offensichtlich nicht einmal für ein paar Stunden die Finger voneinander lassen konnten.

    Nachdem Eliza in Alucia eingetroffen war, hatte es eine zweite amtliche Trauung gegeben, damit keinerlei Zweifel an der Schicklichkeit aufkommen konnten, während die Leidenschaft zwischen Eliza und ihrem Prinzen immer mehr zu kochen begonnen hatte. Es war geradezu unangenehm.

    Aber keine der beiden Trauungen konnte mit dieser hier mithalten. Das hier war ein Schauspiel, ein Fest für die Sinne und Herzen von Romantikern von überall her.

    Carolines Gedanken schweiften ab, und sie fragte sich, ob all diese Leute heute Abend auf dem Ball sein würden. Sie hoffte es. Auf sie wartete eine wunderschöne alucianische Robe mit goldener Stickerei, die erstaunlich kleidsam war. Sie hatte die Schleppe selbst genäht. Der Ball sollte ihre Gelegenheit werden zu glänzen … neben Eliza natürlich.

    Gestern hatte Eliza nervös die Staatsoberhäupter aufgezählt, die zur Hochzeit und zum Ball kommen sollten, und sie war ein wenig blass geworden, während die Zahl immer größer wurde. Carolines Herz hatte vor Begeisterung einen Sprung gemacht.

    „Ich halte das nicht aus!, hatte Eliza gerufen, eingeschüchtert von der Zahl der Würdenträger, der vielen Könige und Königinnen. „Was, wenn ich etwas Falsches sage? Ihr wisst doch, wie ich bin. Habt ihr eine Ahnung, wie viele Geschenke wir bekommen haben? Muss ich mir die alle merken? Ich habe noch nie in meinem Leben so viele Kelche aus Gold und silberne Platten und feines Porzellan gesehen! Was, wenn ich stolpere? Was, wenn ich einen Fleck auf mein Kleid mache?

    „Ich würde dir raten, deinen Teller nicht randvoll zu füllen, Liebes", sagte Hollis geistesabwesend. Sie saß über ein Blatt gebeugt da, auf dem sie sich Notizen für die Zeitschrift machte, die sie herausgab: Honeycutts Mode- und Haushaltsmagazin für Damen. Das vierzehntäglich erscheinende Magazin widmete sich Themen wie der neuesten Mode, Haushaltsführung und Ratschlägen für die Gesundheit und – der interessanteste Teil – den verführerischsten Gerüchten, die in der vornehmen Gesellschaft von London kursierten.

    Hollis konnte inzwischen kaum noch die Nachfrage nach Klatsch und Tratsch befriedigen. Sie hatte vor, ein Heft in doppelter Länge herauszubringen, sobald sie wieder in London war, das sich der königlichen Hochzeit in allen Einzelheiten widmete. Sie hatte während der ganzen Zeit, die sie in Alucia verbracht hatten, ständig Briefe an ihren Diener Donovan geschrieben, die er bis zu ihrer Rückkehr aufbewahren sollte.

    Sie war so beschäftigt, dass ihr Rat, mit dem sie nicht hinter dem Berg hielt, ohne großes Nachdenken erteilt wurde, und Eliza nahm Anstoß daran. „Ich muss doch sehr bitten! Ich habe kaum etwas gegessen, seitdem wir in Alucia sind. Die Königin beobachtet mich bei jeder Mahlzeit, als ob sie gegen alles etwas hätte, was ich mache! Ich traue mich kaum noch, überhaupt irgendetwas zu tun, von Essen ganz zu schweigen, beklagte Eliza sich. „Die werden mich alle beobachten. Entweder warten sie darauf, dass ich einen Fehler mache oder sie spekulieren, ob ich schon einen Erben erwarte. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie groß das Interesse daran ist, ob ich einen Erben zur Welt bringen kann.

    „Aber natürlich!, sagte Caroline fröhlich. „Erstmal bist du eine Zuchtstute, Liebes, aber wenn du ihnen gegeben hast, was sie wollen, dann kannst du bis ans Ende deiner Tage in ehelicher Gemeinsamkeit leben, umgeben von Reichtum, Privilegien und vielen, vielen Dienstboten.

    „Du wirst nicht von allen beobachtet, Eliza. Die Hälfte des Saals hat nur Augen für deinen gut aussehenden Ehemann", hatte Hollis augenzwinkernd gesagt.

    Caroline wurde zurück in die Gegenwart katapultiert, als der Erzbischof einen schweren, juwelenbesetzten Kelch über die Köpfe von Eliza und Prinz Sebastian hielt. Das musste doch bedeuten, dass sie fast fertig waren? Prinz Sebastian nahm Elizas Hand. Sie kehrten dem Erzbischof den Rücken zu und sahen die Zuschauer mit lächerlich glücklichem Grinsen im Gesicht an. Sie waren verheiratet!

    Hollis drehte sich ebenfalls um, und Caroline konnte selbst von ihrem Platz aus noch sehen, dass Hollis’ dunkelblaue Augen vor Freudentränen schwammen. Die Gäste erhoben sich, und der Prinz und seine Braut begannen ihren Zug weg vom Altar. Rosenblüten regneten auf das Paar und seine Gäste herab. Die kleinen Blumenmädchen flatterten hinter Eliza herum wie Schmetterlinge. Dann flankierten sie die Schleppe auf beiden Seiten und folgten dem Paar den Mittelgang hinab. Prinz Leopold bot Hollis seinen Arm, und sie sah strahlend zu ihm auf. Caroline fühlte sich ausgeschlossen. Hollis und Eliza lagen ihr am Herzen, sie waren beinahe Schwestern für sie, und sie sehnte sich danach, bei ihnen zu sein.

    Eliza und Prinz Sebastian rauschten an Caroline und Beck vorbei, ohne sie überhaupt wahrzunehmen. Das war nicht anders zu erwarten – die beiden waren ganz hingerissen voneinander. Sie hatten so ausschließlich Augen füreinander, dass Caroline schon Angst hatte, dass sie gegen eine der Marmorsäulen laufen würden, die ihren Weg säumten.

    Oh, aber sie war eifersüchtig, sie war randvoll mit Eifersucht. In England verschwendete sie kaum einen Gedanken ans Heiraten, abgesehen von den Gelegenheiten, zu denen Beck sich beklagte, dass sie sich für jemanden entscheiden sollte, irgendjemanden, damit er sie nicht länger am Hals hätte. Aber andererseits hatte er, obwohl er sich ständig beklagte, wohl in Wirklichkeit nichts gegen diese Pflicht. Caroline hatte sogar den Verdacht, dass er sie gern um sich hatte. Und so zog sie von einem Fest zum nächsten, zufrieden damit, die Aufmerksamkeiten der vielen Gentlemen zu genießen, die ihren Weg kreuzten, zufrieden, dass sie die Freiheit hatte zu tun, was ihr gefiel.

    Aber wenn sie Eliza ansah, wurde Caroline klar, dass sie sehr wohl eines Tages so in einen Mann verliebt sein wollte, der ihr so ergeben war wie Prinz Sebastian seiner Braut. Sie wollte alles fühlen, was Eliza empfand, um zu verstehen, wie eine solche Liebe einen Menschen verändern konnte.

    Prinz Leopold und Hollis kamen an Caroline und Beck vorbei. Hollis’ Wangen waren feucht von Freudentränen. Prinz Leopold sah zufällig zu den Gästen hinüber, als sie vorbeigingen, und lächelte höflich. Sein Blick fiel auf Caroline – also er fiel nicht wirklich, er glitt eher über sie hinweg – aber dennoch lächelte sie strahlend. Sie wollte gerade eine Hand heben, als sie mit einem Ellenbogen einen Schubs in die Rippen bekam. Sie riss die Augen auf und sah ihren Bruder an.

    „Hör auf zu gaffen, flüsterte er. „Wenn du dir weiter so den Kopf verdrehst, knickt dir noch der Hals um.

    Caroline tastete hochmütig mit einer Hand nach den Locken in ihrem Nacken.

    Beck richtete den Blick wieder auf die Prozession. Der König und die Königin gingen gerade an ihnen vorbei. Beck beugte sich zu Caroline und flüsterte: „Er ist ein Prinz, Caro, und du bist nur ein englisches Mädchen. Du verlierst dich schon wieder in Märchen. Das steht dir deutlich ins Gesicht geschrieben."

    „Nur ein englisches Mädchen? Sie hätte Beck gerne einen Tritt verpasst wie früher, als sie wirklich noch ein kleines englisches Mädchen gewesen war. „Besser man träumt von Märchen als überhaupt nicht zu träumen.

    Beck verdrehte die Augen. Er blieb ungerührt stehen, während der Erzbischof und seine Messdiener dem König und der Königin folgten.

    Nur ein englisches Mädchen, na sicher.

    2. KAPITEL

    Die frischvermählte Herzogin von Tannymeade wird von den Bürgern von Alucia, ebenso wie vom Rest der Welt, sehr verehrt. Im Anschluss an die Trauungszeremonie wurde das Paar in einer privaten Zeremonie gefeiert, zu der nur die Familie des Herzogs und ihre geladenen Gäste zugelassen waren. Bei dieser Gelegenheit bekam die Herzogin ihre Hochzeitsgeschenke überreicht. Darunter befand sich eine Halskette mit Rubinen von Kaiser Ferdinand I von Österreich, eine mit Blattgold belegte Porzellanschatulle von Sultan Abdulmecid und dem türkischen Volk und ein Paar tanzende Pferde von Prinz Florestan I von Monaco. Unsere eigene Königin Viktoria und Prinz Albert haben dem Herzog und der Herzogin Crawley Hall geschenkt, einen Landsitz in Sussex, zu dem die Schlüssel dem Paar vom ehrenwerten Lord Russell überreicht wurden, der in Vertretung der Königin nach Helenamar gereist war.

    Der Herzog und die Herzogin von Tannymeade waren nicht die Einzigen, die während der Trauung Aufsehen erregten. Einigen Beobachtern ist aufgefallen, dass ein sehr naher Verwandter des Herzogs seine Aufmerksamkeit zum größten Teil einer weslorianischen Erbin widmete und nicht den Frischvermählten.

    – aus Honeycutts Mode- und Haushaltsmagazin für Damen

    Diese Hochzeit war wahrscheinlich die längste kirchliche Zeremonie in der gesamten Menschheitsgeschichte. Nicht einmal ein griechisches Bacchanal hätte so lange gedauert. Das Tuch um Prinz Leopolds Hals fühlte sich viel zu eng an. Die Orden, die er als Teil seiner offiziellen Uniform trug, schienen den Stoff schwer nach unten zu ziehen. Er musste sich ständig in den Schultern aufrichten, um sein Jackett zurechtzurücken. Um wie viel Uhr hatte Kadro, seine Wache, ihn heute Morgen ins Bett gerollt? Vier? Er hatte nur noch vage Erinnerungen daran. Daran war Leo wirklich nicht selbst schuld. Es war so etwas wie eine Mutprobe gewesen, die „grüne Fee" zu trinken, wie der schwedische Botschafter den Absinth genannt hatte.

    Am Ende des Auszugs der Frischvermählten aus der Kathedrale hatten sie eine kleine Vorhalle betreten, um sich ins Eheregister der Gemeinde einzutragen. Leo, Mrs. Honeycutt und der Erzbischof waren ihnen als Zeugen gefolgt. Leo sah zu, wie sein Bruder mit den vertrauten, dicken und sicheren Federstrichen als Sebastian Chartier unterschrieb. Er stellte fest, dass er ungeduldig mit den Fingern gegen sein Hosenbein tippte, während Eliza die Feder nahm und als Nächste unterschrieb. Ihre Hand zitterte, und sie schaffte es, die Tinte unter dem Schriftzug zu verschmieren, der breit und verschnörkelt den Namen Eliza Tricklebank Chartier bildete. Sobald sie die Feder hingelegt hatte, klammerten sie und Mrs. Honeycutt sich aneinander und lachten wie verrückt. Mrs. Honeycutt presste ihren dunklen Kopf an Elizas blonden.

    Sebastian und Leopold wechselten einen Blick. Oder vielmehr sah Leo Bas an und dann über die Schulter seines Bruders hinweg zur Uhr hinüber. Er wollte nicht unhöflich sein, aber sein Kopf brummte, und seine Zunge war ausgetrocknet. Seit vierzehn Tagen gab es eine Zeremonie, eine Festlichkeit, einen Empfang und einen Staatsakt nach dem anderen. Er hatte pflichtgemäß an allen teilgenommen, wie es seiner Rolle als Prinz und Trauzeuge entsprach und was sie sonst noch von ihm erwarteten. Dabei hatte er getrunken, um die Langeweile und den Überdruss zu betäuben. Er wollte endlich mit all dem hier fertig sein und sich unter Freunde begeben.

    Leo zog sein Leben weit weg in England, mit Freunden, dem Leben in Alucia als Prinz vor, in dem er zu nichts nütze war außer als Statist bei einer Zeremonie nach der anderen.

    „Sie müssen als Zeugin unterschreiben, Mrs. Honeycutt", sagte Leo, um die Sache so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Er ergriff den goldenen Federhalter und reichte ihn ihr, falls es Zweifel daran gab, was sie zu tun hatte.

    „Ja natürlich", sagte sie aufgeregt und ließ ihre Schwester los. Dann schrieb sie schnell und geschickt ihren Namen unter Elizas Geschmiere.

    Leo fügte seinen ebenfalls hinzu – warf ihn hin, weil er es so eilig hatte weiterzukommen – dann blieb er mit hinter dem Rücken verschränkten Händen stehen, während der Erzbischof noch einen letzten Segen sprach. Wie viele Segnungen brauchte ein einziges Paar eigentlich?

    Doch dann verließen sie endlich die Kathedrale, und Bas und Eliza stiegen in eine offene Kutsche. An diesem schönen sonnigen Tag wurde das glückliche Paar auf dem Weg die Allee hinunter zum Palast von der Palastwache begleitet, sodass die Trauben von Menschen, die darauf warteten, einen Blick auf ihre neue Kronprinzessin zu erhaschen, die Gelegenheit bekamen, ihr zuzuwinken. Eliza hatte sich seit ihrer Ankunft in Alucia sehr beliebt gemacht. Die Menschen sahen eine der Ihren in ihr, eine Bürgerliche, die den Kronprinzen mit ihrem Charme erobert hatte, und zwar ohne sich zu verstellen, einfach nur indem sie sie selbst gewesen war. Leo verstand, warum sie so fasziniert waren – es war eine fantastische Geschichte, die Hoffnung schenkte. Ihm war klar, dass die meisten Menschen hart arbeiten mussten, um das Nötigste zum Leben zu haben und dass das Leben in einem Palast nichts als ein Traum für sie war. Eliza war diejenige, die durch die dicken Mauern der Aristokratie und Privilegien gedrungen war, und dafür liebten sie sie.

    Für ihn jedoch lag darin keinerlei Faszination. Er mochte den goldenen Käfig nicht, der ihn umgab, wenn er sich in Helenamar aufhielt. Er verabscheute die vielen Regeln, die sein Verhalten betrafen, mit wem er reden durfte zum Beispiel, wo er sitzen durfte und so weiter. In England wussten die Menschen zwar, dass er ein Prinz war, aber die meisten einfachen Leute hatten keine Ahnung, und außerdem erwartete dort niemand etwas Bestimmtes von ihm. Das gefiel ihm, weil er eben auch nichts Besonderes war. Er war nichts weiter als ein Mann mit einem dicken Geldbeutel und zwei Wachen, die ihn beschützten. In England konnte er sich so frei bewegen, wie er wollte, auf die Jagd gehen, wenn ihm danach war, mit seinen vielen Freunden zechen, so viel er wollte, auf seinem Pferd ausreiten, Damen den Hof machen und sitzen, wo er verdammt nochmal wollte. Alles ohne dass ihm jemand auf die Nerven ging.

    Oder zumindest hatte er sein Leben dort genossen, bevor sein Bruder nach London gereist war, um über ein Handelsabkommen zu verhandeln und sein Privatsekretär ermordet worden war. Danach hatte plötzlich ganz England davon Wind bekommen, dass zwei unverheiratete Prinzen unter ihnen waren. Sein Leben hatte sich seitdem ziemlich verändert. Jetzt kannten ihn mehr Leute in England. Er hoffte sehr, dass die Aufregung darüber, dass eine Engländerin einen alucianischen Prinzen heiratete, inzwischen verflogen war, wenn er nach England zurückkehrte, und er sein ausschweifendes Leben weiterführen konnte.

    Unglücklicherweise war es noch ein langer Weg, bis er an Bord des Schiffes gehen und die Segel setzen konnte. Aber heute, nach dem privaten Empfang für die Familie und schätzungsweise ein paar Hunderten ihrer engsten Freunde, wollte Leo sich mit Freunden aus seiner Jugend treffen und ein wenig entspannen, ehe er heute Abend zum letzten königlichen Ball musste. Nach den Ausschweifungen von gestern Abend war es keine leichte Aufgabe, weiter zu trinken, aber wenn Leo in irgendetwas wirklich gut war, dann im Feiern.

    Leo und Mrs. Honeycutt gesellten sich zu seinen Eltern in die goldene Kutsche und fuhren dem frischvermählten Paar hinterher. Mrs. Honeycutt wirkte von all dem Pomp ziemlich eingeschüchtert – sie saß stocksteif da und hatte die Hände so fest ineinander verschränkt, dass er Angst hatte, sie könnte sich einen Finger brechen. Er hätte ihr gerne versichert, dass sie keine Angst zu haben brauchte – seine Eltern kümmerten sich so gut wie gar nicht um sie, und abgesehen von ein paar Nettigkeiten über die Trauung richteten sie den Blick auf die draußen versammelte Menge. Leo wusste, was seine Eltern von Mrs. Honeycutt hielten. Sie war eine Ausländerin, eine Bürgerliche. Sie würde bald nach England zurückkehren. Es gab keinen Grund, sie näher kennenzulernen.

    Doch Leo tat sie leid, weil sie so nervös war, und er lächelte ihr zu. Er konnte sich gut vorstellen, dass dieser Tag für sie genauso überwältigend gewesen war wie für ihre Schwester. Wenn er ehrlich war, gab es Tage, an denen solche Menschenmengen selbst ihm immer noch zu viel waren. Wie es wohl sein mochte, wenn man ein Mann war, der einfach nur in der Menge stand und zusah, wie die königliche Kutsche vorbeirollte? Wie es wohl war, danach in einen Pub zu gehen und auf die Hochzeit des Prinzen anzustoßen, ehe man sich wieder auf den Weg nach Hause zu Frau und Kindern und seinem Bett machte?

    Er hatte Bas gewarnt, dass Eliza vielleicht Schwierigkeiten haben würde, sich an dieses Leben zu gewöhnen. „Pass gut auf deine Braut auf, hatte er gestern in einem der seltenen Augenblicke gesagt, als sie allein gewesen waren. „Das ist eine ganz neue Welt für sie.

    „Mache ich", hatte Bas entgegnet und auch wenn seine Worte beiläufig geklungen hatten, lag eine Heftigkeit in seinem Blick, die zu sagen schien, dass er Eliza mehr liebte als alles andere auf der Welt.

    Gott sei Dank dafür, denn sie würde seinen Schutz brauchen. Der alucianische Adel schaute auf sie herab. Der englische Adel, der zur Hochzeit gekommen war, schien ihretwegen entsetzt zu sein. Eliza selbst war abwechselnd entnervt und entzückend fröhlich. Ihre Schwester schien sich die meiste Zeit unwohl zu fühlen.

    Der einzige Mensch auf Elizas Seite, den der gesamte Pomp des königlichen Lebens überhaupt nicht zu beeindrucken schien, war Lord Hawkes Schwester. Diese Frau hätte selbst dann noch die Ruhe bewahrt, wenn es Steine gehagelt hätte. Oh, ganz im Gegenteil – sie schien in der ungewohnten und offiziellen Situation nur noch unverfrorener zu werden. Sie segelte mit ihrem breiten, warmen Lächeln, rosigen Wagen und spektakulären blonden Haaren an allen vorbei. Sie blieb nicht unbemerkt – sie war außerordentlich attraktiv und überdurchschnittlich hochgewachsen. Es war unmöglich, sie zu übersehen. Sie war die Sorte von seltenem Schmetterling in der High Society, der sich nichts dabei dachte, mit allen zu plaudern, deren Weg sie kreuzte. Sie genoss es, sich Gehör zu verschaffen und für sie waren alle Freiwild – sei es ein Herzog oder ein Butler, eine Königin oder ein Stubenmädchen. Sie schien es besonders zu genießen, sich in eine Unterhaltung einzumischen, um ihre Meinung zum Besten zu geben, und es war ihr gleich, wer ihr dabei zuhörte.

    Die Aufmerksamkeit, die sie erregte, schien sie zu beleben und anzuspornen, ihre Grenzen zu überschreiten. Sie hatte sich auf jeden Fall nicht gescheut, vor zwei Tagen beim königlichen Bankett auf ihn zuzugehen, als ob es gar nichts wäre. Entweder war ihr nicht klar, dass man einen königlichen Prinzen bei einem offiziellen Anlass nicht ohne förmliche Vorstellung ansprechen durfte, oder es war ihr egal – er wusste nur, dass er gerade mitten in einer Unterhaltung gewesen war und sich angenehm berauscht fühlte, als sie plötzlich neben ihm stand und lächelte, als wären nur wenige Leute im Saal. „Guten Abend!, hatte sie fröhlich gesagt und dabei hatten ihre grünen Augen geleuchtet. „Ist das nicht ein wunderschönes Fest? Ich bin so beeindruckt von dem Empfang, der Eliza hier in Helenamar bereitet worden ist, Sie nicht?

    „Sie ist beliebt", bestätigte Leo regungslos. Ihn überraschte die Initiative der Dame nicht, aber seine Begleiter, die sämtlich aus den höchsten Kreisen der alucianischen Gesellschaft stammten, starrten sie an wie eine Kuriosität im Zirkus, und

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