Sinnhaft führen: Mehr Leistungsfreude mit weniger Führungsaufwand
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Buchvorschau
Sinnhaft führen - Uta Rohrschneider
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
U. RohrschneiderSinnhaft führenhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-29868-5_1
1. Mitarbeiterführung – immer wieder eine Herausforderung
Uta Rohrschneider¹
(1)
grow.up. Managementberatung GmbH, Gummersbach, Deutschland
Uta Rohrschneider
Email: rohrschneider@grow-up.de
Um deutlich zu machen, warum Mitarbeiterführung in meiner Wahrnehmung eine herausfordernde Aufgabe ist und sich die Auseinandersetzung mit diesem Thema immer wieder lohnt, beginne ich mit einem kurzen Rückblick auf meine eigenen ersten Führungserfahrungen. Im Jahre 1993 habe ich zum ersten Mal Führungsaufgaben übernommen. Nicht in großem Umfang – aber immerhin war ich verantwortlich für einige Trainees und andere Mitarbeiter im Bereich Personalentwicklung. Theoretisch war ich auf diese Aufgabe gut vorbereitet. Als Personalentwicklerin hatte ich das nötige fachliche Wissen über Mitarbeiterführung. Auch Mitarbeitergespräche sollten „theoretisch keine allzu große Herausforderung darstellen, hatte ich doch kurz zuvor im Unternehmen im Rahmen meiner Aufgaben Mitarbeitergespräche und ein Mitarbeiterbeurteilungssystem eingeführt. Dazu gehörte auch die Erstellung von Unterlagen für Führungskräfte zum „Wie
der Gesprächsführung. So weit, so gut – das Fundament war damit gesichert, nahm ich an.
Dann war er da, der Tag, an dem ich mein erstes Mitarbeitergespräch führen sollte. Ich saß an meinem Schreibtisch, um mich auf das Gespräch vorzubereiten. Und da waren sie plötzlich, die Gedanken und Fragen: „Wie soll ich es dem Mitarbeiter sagen? und „Wie vermittle ich ihm positive und kritische Aspekte richtig?
. Schnell wurde mir klar, dass all mein theoretisches Wissen um die reine Methodik eines Mitarbeitergesprächs noch lange kein ausreichendes Rüstzeug darstellte, solche Gespräche auch wirklich gut zu führen. Mit gut meine ich, dass das Gespräch für Führungskraft und Mitarbeiter ein Gewinn ist und beide motiviert aus dem Gespräch gehen. Die Schwierigkeit bestand darin, die richtigen Worte für den Mitarbeiter zu finden, um das, was ich erreichen wollte, auch wirklich zu bewirken. Wie sollte ich den Mitarbeiter motivieren, anstatt ihn womöglich durch die falschen Worte zu verunsichern, zu verärgern oder zu demotivieren?
Dies ist nun über 25 Jahre her und immer noch erlebe ich Mitarbeiterführung durchaus als ein Feld, in dem ich stetig Neues lernen kann und muss, weil Mitarbeiter mich einfach immer wieder vor neue Lernaufgaben stellen. Auch aus den vielen Führungskräftetrainings, Coachings und Gesprächen mit Führungskräften der unterschiedlichsten Ebenen weiß ich, dass die reine Methodik etwas ist, was leicht lernbar ist, dass damit jedoch nicht alle Herausforderungen im Umgang mit Mitarbeitern und in der richtigen Führung von Mitarbeitern zu lösen sind. Um die Anforderung, die Mitarbeiterführung an uns stellt, zu beschreiben, gefällt mir ein Zitat von Henry Ford am besten, der sagte: „Ich wollte immer nur Hände, bekommen habe ich einen ganzen Menschen."
Ja, wir haben es immer mit dem ganzen Menschen zu tun, keiner lässt wesentliche Anteile seiner Persönlichkeit am Eingang des Unternehmens zurück. Als Verantwortliche sind wir gefordert, dies zu beachten. Heute haben wir eine scheinbar besondere Herausforderung dabei: New Work und ihre veränderten Anforderungen. In Wissen und Verhalten hat sich in den letzten 30 Jahren viel verändert. Junge Menschen, die ins Unternehmen kommen, haben etwas anderes gelernt, als die, die schon 20, 30 oder mehr Jahre dabei sind. Gesellschaft und Kultur haben sich weiterentwickelt. Da scheinen Welten aufeinander zu prallen. Verbinden wir die Ergebnisse moderner Hirnforschung mit den Diskussionen um New Work, entspannt sich die Situation wieder. Ja, es geht um verändertes Verhalten und Wissen und – daraus abgeleitet – veränderte Ansprüche an Unternehmen. Es geht nicht um eine Veränderung der grundlegenden, die Persönlichkeit des Menschen kennzeichnende Motivation. Folgen wir der modernen Hirnforschung, ist diese in unserer Biologie begründet. Die Biologie des Gehirns hat sich seit mindestens 50.000 Jahren nicht verändert. Die Motivation, die Menschen zu Leistung oder eben auch ins Burnout führt, ist die gleiche geblieben.
Die Menschen, die wir führen wollen, sind unsere Herausforderung. Es geht nicht um die reine Anwendung von Methoden, sondern darum, „sich einzustellen" auf unterschiedlichste Menschen mit all ihren Wünschen, Bedürfnissen, Anliegen, mit ihren Ecken und Kanten. Und an dieser Stelle stehen wir vor einer doppelten Herausforderung. Die erste besteht in Ihrer eigenen Persönlichkeit als Führungskraft: In Ihrer Rolle als Führungskraft agieren Sie nicht als eine neutrale Person. Sie bringen in all Ihrem Handeln Ihre eigene Persönlichkeit, Ihre eigenen Werte, Ihre eigene Geschichte und Ihr eigenes Streben nach etwas ein. Nicht anders ist es bei Ihrem Gegenüber, Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Auch diese begegnen Ihnen mit ihrer eigenen Persönlichkeit, ihren Stimmungen, ihrer Geschichte, ihrem Privatleben, ihren Egoismen, ihren Bedürfnissen und allem, was zu einem Menschen dazugehört.
Manchmal fällt uns die Führung ganz leicht. Das erleben wir, wenn Führungskraft und Mitarbeiter in ihren Persönlichkeiten sehr gut miteinander harmonieren und sich gut verstehen. Ernüchternd ist, dass das, was bei der Führung dieser Mitarbeiter so gut und einfach wirkt, bei anderen Mitarbeitern nicht greift. Gleichbehandlung heißt eben nicht „gleiche Behandlung. Im Gegenteil: Bei der Mitarbeiterführung geht es nicht nur um die Anwendung von Methoden, sondern um eine viel komplexere Aufgabe, nämlich das Führen, Steuern und Motivieren von Menschen in ihrer ganzen Vielfalt. Und auch ich gerate heute immer noch in Situationen, in denen ich denke: „Okay, dieses Verhalten ist mir neu, das kannte ich noch nicht … was ist jetzt der richtige Weg?
.
1.1 Führungskraft – Zauberer in vielen Situationen
Wenn eine junge Führungskraft Führungsaufgaben übernimmt, ist dies meist besonders herausfordernd. Ich erlebe auch heute noch, dass neue Führungskräfte nicht auf ihre Führungsaufgaben vorbereitet oder dabei unterstützt werden. Scheinbar ist die Haltung, dass sie „die Führungsaufgaben dann mal ebenso nebenbei macht noch sehr verbreitet. Gerade auf der untersten Führungsebene sind die Anforderungen aber besonders groß! Es wird erwartet, dass weiterhin Fachaufgaben bearbeitet werden und „nebenher
auch noch 20 Mitarbeiter (oder mehr) geführt werden. Was jedoch jede Führungskraft relativ schnell lernen wird: Führung nebenbei – das geht nicht. Eine häufige Reaktion, besonders von jungen Führungskräften, ist, dass sie ihre Fachaufgaben abends bearbeiten, wenn die Mitarbeiter schon nach Hause gegangen sind, denn den Tag über sind sie mit Mitarbeiterführung voll ausgelastet und haben keine Zeit für ihre Fachaufgaben. Eine andere Reaktion ist, dass sich die Führungskräfte hinter ihren Fachaufgaben „verstecken" und nicht oder kaum führen. Beide Phänomene finden wir auf allen Ebenen.
Viel zu wenig werden Führungskräfte darauf vorbereitet, dass ab dem Tag, ab dem sie den Titel „Führungskraft tragen, neue Anforderungen an sie gestellt werden, die mit den bisherigen Aufgaben einer „Fachkraft
nur in geringem Umfang oder gar nichts zu tun haben. War es bisher wichtig, dass sie mit ihrem Fachwissen überzeugten, dass sie über bestimmte Methoden‐ und Projektmanagementkompetenzen oder Verkaufsfähigkeiten verfügten, werden jetzt von ihnen vornehmlich zwischenmenschliche Kompetenz und Führungsfähigkeit gefordert. Beides hat viel mit emotionaler Intelligenz zu tun – meinem Verständnis nach u. a. gekennzeichnet durch die Fähigkeit, sich auf andere Menschen einzustellen, den richtigen Kommunikationsstil zu finden, um sie adäquat anzusprechen sowie die Fähigkeit, Menschen zu motivieren oder das eigene Handeln zu hinterfragen.
Auf diese Anforderungen werden junge Führungskräfte in vielen Unternehmen noch immer unzureichend vorbereitet. Und mit Recht fragen sie sich, wie sie die neuen Anforderungen bewältigen sollen. Am Ende eines Führungstrainings sagte mir eine Führungskraft: „Ich hatte schon die Vorstellung, dass Führung etwas mit Psychologie zu tun hat, dass es aber so viel ist, hätte ich nicht gedacht. Diese Aussage spiegelt das Erleben vieler Führungskräfte, die ich in Seminaren kennenlerne, wider. Häufig übernehmen sie „bunte
Teams, mit verschiedenen Persönlichkeiten. Sie haben Mitarbeiter, die engagiert und motiviert ihre Aufgaben erfüllen, aber auch solche, die sich nur mit Mühe zu einer ausreichenden Leistung motivieren lassen. Dass dabei immer wieder die Fragen auftauchen: „Wie soll ich das denn machen?, „Woher soll ich das können?
oder „Wie kann ich allen gerecht werden?", ist kein Wunder. Schnell lernen Führungskräfte in diesem Zusammenhang auch, dass das Lesen über Führung, das Nachdenken über Führung oder sich methodische Kompetenzen im Seminar anzueignen, etwas deutlich anderes ist als das reale Führen im Alltag. Denn bei der Führungsarbeit haben wir es mit Menschen und nicht mit neutralen Wesen, objektiven Dingen oder gar Maschinen zu tun.
Richtige Mitarbeiterführung ist jedoch nicht nur am Anfang einer Führungskarriere ein wichtiges Thema. Sicherlich sind dort die Gefahren, viele Fehler aus Unwissenheit und mangelnder Erfahrung zu machen, am größten. Und trotzdem weiß ich aus all den Seminaren und Coachings, dass auch sehr erfahrene Führungskräfte – durchaus in hohen Positionen als Geschäftsführer oder Vorstand – noch immer und bisweilen immer wieder vor den gleichen Schwierigkeiten bei der Mitarbeiterführung stehen wie ihre jungen Kollegen. Sie bestätigen meine Erfahrung: Führungskompetenz aufzubauen und zu erweitern, erfordert kontinuierliches Lernen. Und darüber hinaus die Bereitschaft zur Auswertung und Reflexion der verschiedenen Führungssituationen, mit denen man konfrontiert wird, um das eigene Denk‐ und Verhaltensspektrum fortwährend zu erweitern. Ein breites Verhaltensspektrum und Professionalität in unterschiedlichsten Anforderungssituationen zu erreichen, sind also wesentliche Lernaufgaben, die Führungskräfte zu bewältigen haben. Dabei bedeutet Professionalität, die eigenen Interessen und Emotionen im Sinne der Sache zurückstellen zu können: Ziele zu erreichen und Mitarbeiter ergebnisorientiert zu führen, gleichzeitig aber auch zu motivieren, sodass sie ihre Fähigkeiten gern und auf einem beständigen Leistungsniveau für das Unternehmen einbringen – das beschreibt das Spannungsfeld, in dem wir als Führungskräfte agieren.
1.2 Von try and error zur gezielten Mitarbeiterführung
Um dies zu erreichen, ist es hilfreich, Modelle zu kennen, die menschliches Verhalten erklären. Wenn wir verstehen, warum sich ein Mitarbeiter auf eine bestimmte Art und Weise und ein anderer Mitarbeiter genau gegenteilig verhält, haben wir mehr Möglichkeiten, unterschiedliche Verhaltensstrategien aufzubauen, um auf diese Unterschiede einzugehen. Ohne Modelle bleiben uns im Alltag letztendlich nur „Versuch und Irrtum" und ein Handeln, das deutlich mehr durch die Persönlichkeit und Emotionalität der Führungskraft geprägt ist als durch die sachlichen Anforderungen oder die Anliegen und Bedürfnisse der Mitarbeiter. Ein solches Führungshandeln kann erfolgreich sein, wenn die Führungskraft intuitiv das Richtige tut. Fehlt diese Intuition, dann entstehen durch das Verhalten aus dem Bauch heraus schnell Führungsfehler und daraus im Extremfall sehr hohe Kosten: Demotivation, innere Kündigung, Leistungsrückgang, viele Krankheitstage und hohe Fluktuation, sind nur einige der bekannten Beispiele.
Sie werden in diesem Buch noch viel über Motive lernen, für ein Beispiel möchte ich hier auf das Statusmotiv eingehen. Für manche Menschen ist Status sehr wichtig und sie tun viel, um ihn zu erreichen. Anderen ist Status egal, manche finden das Streben nach Status ganz schrecklich. Da mir Status eher egal ist, hatte ich auch bei meinen eigenen Mitarbeitern nicht im Blick, dass das Erlangen von Status für sie wichtig sein könnte und vor allem von mir als Führungskraft ermöglicht werden sollte. Dass dies ein Fehler war, zeigt folgendes Erlebnis:
Beispiel
Ich hatte eine junge Mitarbeiterin mit einem sehr hohen Statusmotiv, ihr war Status sehr wichtig. Im Rahmen der Verhandlungen mit einem Kunden bot ich an, dass diese junge Mitarbeiterin, nennen wir sie Ulla, das Projekt übernehmen könne und ich für sie auch einen geringeren Tagessatz kalkulieren könne. Der Kunde war einverstanden. Als ich im Mitarbeiterteam von der erfolgreichen Akquise berichtete, formulierte ich die Aussage: „Da habe ich ein Ulla-Projekt draus gemacht, das kann ich anders kalkulieren." Obwohl ich mich sehr über das Projekt freute, entglitten der Mitarbeiterin unerwarteter Weise die Gesichtszüge und sie wollte das Projekt nicht machen.
Was war passiert? Vielleicht haben Sie schon eine Idee: Ich hatte Ulla mit meiner Aussage klein gemacht, degradiert, ihren Status zerstört. Entsprechend sagte sie zu mir: „Du verkaufst mich als mindere Ware, wie soll ich dem Kunden in die Augen sehen? Da gehe ich nicht hin!" Drei Wochen musste ich hart arbeiten, um ihre Motivation, die ich mit einem Satz zerstört hatte, wieder aufzubauen.
Modelle zur Erklärung der Persönlichkeit und des Verhaltens und Erlebens von Menschen gibt es in der psychologischen Wissenschaft und auch in der Business-Psychologie in großer Zahl. Die meisten Modelle, die ich kenne, beinhalten viel Wahres und immer etwas Hilfreiches für die handelnden Personen. Hinsichtlich dessen, was die Modelle Führungskräften an konkreter Unterstützung und Erklärung für erlebtes Verhalten und geeignete Führungsstrategien bieten, sind sie sehr unterschiedlich. Hier muss jeder für sich prüfen, welches Modell, welcher theoretische Ansatz ihm den größten Erkenntnisgewinn bringt. Vor dem Hintergrund meiner großen Erfahrung im Bereich des Human Resources Managements, der Führungskräfteausbildung und in der eigenen Führungsarbeit hat mir der Ansatz, auf dem auch das LUXXprofile basiert, den größten Nutzen gebracht. Kein anderes, mir bekanntes Persönlichkeitsmodell erlaubt ein vergleichbar tiefes Verständnis für das eigene Erleben und Verhalten sowie das von Mitarbeitern. Viel wichtiger aber ist noch, dass kein anderes Modell in meiner Wahrnehmung so leicht und direkt Ableitungen für die „richtige Mitarbeiterführung erlaubt. Ganz sicher löst auch eine Mitarbeiterführung, in der die Erkenntnisse des LUXXprofile angewendet werden, nicht alle Führungsprobleme und man wird es auch nicht schaffen, jeden Mitarbeiter damit zu Höchstleistung zu bewegen. Wenn ich aber auf unser Unternehmen und unsere Mitarbeiter schaue, freue ich mich immer über die bunte Mischung sehr prägnanter und verschiedener Persönlichkeiten. Noch mehr freue ich mich, wie gut es diesen zum Teil sehr unterschiedlichen Charakteren gelingt, durch das Wissen aus der Arbeit mit dem LUXXprofile miteinander zu arbeiten und dabei zu harmonieren. Dies ist deshalb möglich, weil ein großes Verständnis und viel Respekt für die einzelnen Persönlichkeiten unter den Mitarbeitern herrschen. Ich bin sicher, dass die Zusammenarbeit und Führung nicht so gut funktionieren würden, wenn dieses Verständnis und diese Achtung nicht gegeben wären. Wäre ich persönlich gegenüber meinen Mitarbeitern nur meiner Intuition, meiner Wahrnehmung und meiner Vorstellung, wie etwas „richtig
ist, gefolgt, hätte ich wahrscheinlich schon so viele Führungsfehler gemacht, dass ich die erlebte Leistungsbereitschaft nicht bekommen hätte.
Die nachfolgenden Kapitel sollen Ihnen das Wissen vermitteln, Führungsfehler wie im oben beschriebenen Beispiel zu vermeiden. Noch mehr sollen sie Ihnen ein praktikables Modell an die Hand geben, um sich selber besser kennenzulernen, Ihr Führungsverhalten gezielt zu erweitern und zu professionalisieren, Ihre Mitarbeiter einschätzen und individuell führen zu können.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
U. RohrschneiderSinnhaft führenhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-29868-5_2
2. Arbeit und Leistung als „Glücklichmacher"
Uta Rohrschneider¹
(1)
grow.up. Managementberatung GmbH, Gummersbach, Deutschland
Uta Rohrschneider
Email: rohrschneider@grow-up.de
Zu den in der Überschrift aufgeworfenen Fragen möchte ich vorweg klarstellen, dass völlig unbestritten ist, dass wir arbeiten gehen „müssen", um Geld für unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Wir sind in der Regel keine Selbstversorger mehr, die einen Acker hinter dem Haus und ein Schwein im Stall haben. Wir kaufen unsere Lebensmittel im Supermarkt und alles andere, was wir zum Leben brauchen, ebenfalls. Hierfür brauchen wir Geld als Tauschmittel. Das bedingungslose Grundeinkommen ist noch nicht etabliert, also gehen wir arbeiten. Was wir tun würden, wenn es das bedingungslose Grundeinkommen gäbe, ist eine interessante Frage. Einige Menschen würden sicher sehr glücklich werden, weil sie sich selber verwirklichen könnten, tun könnten, was sie erfüllt und vielleicht würden sie dabei großartige Leistung erbringen, vielleicht sogar viel Geld verdienen. Ich neige aber eher zu der Befürchtung, dass das zu wenigen Menschen gelingen würde. Ein Blick in die Studien macht deutlich, dass Menschen ohne Arbeit deutlich häufiger depressiv werden als Menschen mit einem Job (Kroll et al. 2016). Arbeit gibt uns auch viel: Sinn, Struktur, Orientierung, inhaltliche Erfüllung, soziale Einbindung und vieles mehr. Und dies sind alles Aspekte, die auch direkt auf unsere Motivatoren einzahlen, uns also zufrieden und glücklich machen.
Halten wir an dieser Stelle für unsere weiteren Überlegungen fest: Geld ist kein Motivator, sondern ein sogenannter Hygienefaktor. Es ist notwendiges Mittel zum Zweck, das eigene Leben möglichst gut zu gestalten.
Dass Menschen nicht (nur) wegen des Geldes arbeiten, zeigt uns auch das Ehrenamt. In Deutschland bringen sich 43,6 % der Bürger über 14 Jahren intensiv in Ehrenämtern und unbezahlten Tätigkeiten ein (Simonson et al. 2016). Sei es, dass sie Menschen in Krankenhäusern besuchen, in der freiwilligen Feuerwehr, in der Jugendarbeit, in der Politik, in ökologischen Bereichen oder sonst wo engagiert sind – viele Menschen investieren einen großen Anteil ihrer Zeit für ehrenamtliche Tätigkeiten. D. h., obwohl sie für ihre Arbeit kein Geld erhalten, scheint die Tätigkeit für sie ein großer Gewinn zu sein. Und genau das ist der Grund, sie zu tun. Die erlebte emotionale Zufriedenheit, das Gefühl von Sinn, das erlebte Glück.
2.1 Mitarbeitermotivation – gar nicht so schwer zu verstehen
Warum Menschen bereit sind, etwas zu leisten – ganz gleich, was es ist – darüber haben sich Wissenschaftler, Persönlichkeits- und Motivationspsychologen viele Gedanken gemacht. Moderne Motivationstheorien beschreiben Motivation als „… die aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzustand" (Rheinberg 2008, S. 15). Was für einen Menschen ein positiver Zielzustand ist, wird über seine für ihn stärker oder stark ausgeprägten Motive definiert. Der positive Zielzustand entsteht, weil bei Befriedigung eines oder mehrerer Motive im Gehirn körpereigene Hormone ausgeschüttet werden, die einen Glücks- oder zu mindestens doch einen Zustand der Zufriedenheit bewirken. Dass wir als Menschen bestrebt sind, diesen positiven Zustand immer wieder zu erreichen und dafür bereit sind, etwas zu tun, etwas „zu leisten, ist leicht nachvollziehbar. Welches Verhalten geeignet ist, diesen positiven Zustand herbeizuführen, haben wir im Verlauf unseres Lebens gelernt. Das Verhalten kann sich auch immer wieder ändern. Das passiert z. B., wenn wir durch Veränderungen in unserem Leben erfahren, dass ein anderes als das bisher bevorzugte Verhalten noch viel besser geeignet ist, diesen positiven Zustand hervorzurufen. Dann lassen wir das eine und nutzen das andere, das neue Verhalten. Manchmal haben wir auch keine Möglichkeit, ein Motiv direkt zu befriedigen und nutzen dann sozusagen einen Umweg, um ein bestimmtes Motiv zu befriedigen. Wir sprechen dann davon, dass das gezeigte Verhalten „Mittel zum Zweck
für etwas ist, aber eben nicht „Selbstzweck", um ein bestimmtes Motiv direkt zu befriedigen. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen.
Beispiel
Stellen wir uns einen Jugendlichen vor, der eine hohe Ausprägung im Motiv STATUS hat. In der Jugend sind die Möglichkeiten, das Motiv STATUS zu befriedigen, oft noch recht begrenzt, aber es gibt Möglichkeiten, Status zu erlangen, z. B. im Sport. Nehmen wir an, unser Jugendlicher findet Sport ok, aber Sport ist nichts was ihn direkt „glücklich macht. Er hat aber gelernt, dass er, wenn er in der von ihm gewählten Sportart sehr gute Leistungen zeigt, Bewunderung, Fans und jede Menge Status bekommt. Sport wird für ihn „Mittel zum Zweck
, um Status zu erlangen und er wird entsprechend viel Leistung zeigen. Mit Eintritt in das Berufsleben, vielleicht nach einem Studium, eröffnen sich für ihn ganz neue Möglichkeiten, Status zu erlangen, viel direktere Möglichkeiten. Das führt dann dazu, dass er sich mehr und mehr beruflich engagiert, um so direkt seine Statusmotivation zu befriedigen. Sein gezeigtes Karrierestreben ist „Selbstzweck", um sein Streben nach STATUS zu befriedigen. Den Sport wird er mehr und mehr vernachlässigen, er braucht ihn nicht mehr für die Befriedigung dieses Motivs.
Wir lernen also, welches Verhalten für uns geeignet ist, unsere Motive zu befriedigen. Wir sind leistungsbereit und die zu erbringende Leistung fällt uns auch psychisch leicht. Ein Arbeitsumfeld oder unsere Arbeitsaufgaben suchen wir danach aus, wie gut sie uns geeignet erscheinen, mit unserem Verhalten unsere Motive zu befriedigen. Wir bilden Erwartungen dazu und erhoffen uns einen Ertrag. Dafür sind wir bereit zu leisten, Aufwand zu betreiben.
Um sowohl die Bedeutung der Mitarbeitermotivation für die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter zu verdeutlichen, als auch zu zeigen, wie schnell sich Motivation in Demotivation verwandeln kann, hat sich