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The Watcher - Nah Bei Dir
The Watcher - Nah Bei Dir
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eBook296 Seiten3 Stunden

The Watcher - Nah Bei Dir

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Über dieses E-Book

Die Gedankenleserin Selene Johansen ist die perfekte Ermittlerin. Mit dem ersten Handschlag ist sie in der Lage, die Schuld eines Verdächtigen zu erkennen.


Doch während ihr Talent für das Aufspüren von Fakten für ein stressiges Arbeitsleben sorgt, ist sie privat ein sehr einsamer Mensch. Denn wer will schließlich mit einer Frau zusammen sein, die Gedanken lesen kann? Doch Selenes aufreibende Einsamkeit löst sich in Nichts auf, als sie herausfindet, dass Brandon Price, mit dem sie seit langer Zeit befreundet ist, von ihrer Gabe weiß ... und auch davon, dass sie ihn heimlich liebt.


Sie beginnen eine innige Beziehung, und Selene wagt es, sich in Brandons Armen gehen zu lassen - nicht ahnend, dass ein ruchloser Stalker es darauf abgesehen hat, nicht nur die Leidenschaft des jungen Paares zu beenden, sondern auch ihr Leben.

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum14. Apr. 2022
The Watcher - Nah Bei Dir
Autor

Simone Beaudelaire

In the world of the written word, Simone Beaudelaire strives for technical excellence while advancing a worldview in which the sacred and the sensual blend into stories of people whose relationships are founded in faith but are no less passionate for it. Unapologetically explicit, yet undeniably classy, Beaudelaire’s 20+ novels aim to make readers think, cry, pray... and get a little hot and bothered. In real life, the author’s alter-ego teaches composition at a community college in a small western Kansas town, where she lives with her four children, three cats, and husband – fellow author Edwin Stark. As both romance writer and academic, Beaudelaire devotes herself to promoting the rhetorical value of the romance in hopes of overcoming the stigma associated with literature’s biggest female-centered genre.

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    Buchvorschau

    The Watcher - Nah Bei Dir - Simone Beaudelaire

    KAPITEL 1

    Selene Johansen beugte sich vor, um einen schweren Pappkarton hochzuheben. Ihr langer, weißblonder Zopf rutschte über ihre Schulter nach vorn und baumelte über der Kiste, die Strähnen malten Kringel und Kreise in den dicken Staub. Sie hob die Box an, und der lose Inhalt darin begann zu schlittern. Mit ihrer Last machte sie sich auf den Weg, auf knarrendem Fußboden hinüber zur Tür des kleinen, pink und grün gestrichenen Schlafzimmers. Sie musste ausweichen, als ihre Freundin Maggie hereinstürmte, mit wippendem schwarzem Pferdeschwanz und dem Plan, die nächste Kiste zu schleppen. Nur noch wenige Umzugskartons.

    Als Selene Maggie folgte, den kurzen, in Terrakotta gestrichenen Flur hinunter, knarrten die Dielen unter ihren Sneakers. Da war Schlamm unter ihren Schuhsohlen, und sie wollte keinen Dreck auf dem leuchtend grünen Läufer im Korridor machen. Sie bewegte sich vorsichtig, und ihre Gedanken drifteten zu dem Mädchen, dem sie beim Umzug half, und wie sie einander begegnet waren.

    Es war vor acht Jahren gewesen, als Selene zwanzig gewesen war: voller Idealismus und auf der Suche nach einer Möglichkeit, ihre Gabe zu nutzen, anderen Menschen zu helfen.

    Hey, Johansen, bist du fertig?, fragte Bill, als er hinter seinem unordentlichen, mit Papier überfüllten Schreibtisch aufstand und dabei eine Lawine aus zerknitterten Schriftstücken, einem Klammeraffen und einer Tasse Kaffee in Bewegung setzte. Selene zuckte zusammen. Ich weiß ja, dass man einen Vorgesetzten nicht kritisieren soll, aber seine schlampige Art geht mir wirklich auf die Nerven.

    Sie verkniff sich einen Kommentar über die vertraulichen Dokumente, die jetzt unter einer Flut an dunkelbrauner Flüssigkeit unleserlich geworden waren, und folgte ihm den Korridor hinunter zu ihrer ersten Klientin.

    Dieses Mädel ist perfekt für dich, deine ersten Sporen zu verdienen, Babe, sagte er, und sie musste erneut die Zähne zusammenbeißen. Um ihm nicht eine bissige Antwort über sexuelle Belästigung an den Kopf zu werfen, konzentrierte sie sich darauf, die abstrakten Kunstwerke zu betrachten, die an den blendend weißen Wänden über dem grauen Bodenbelag hingen. Rote und gelbe Dreiecke. Dieser Ort besteht nur aus grellen Farben und scharfen Kanten. Wie kann irgendwer in einer solchen Umgebung abschalten?

    Und woran liegt das, Bill? Sie warf ihre Mähne silberblonder Haare über die Schulter zurück und wünschte, sie wäre früh genug aus dem Bett gefallen, um das Haar hochzustecken. Kein Mensch nimmt mich ernst mit all diesen herunterhängenden Fusseln.

    Sie ist jung, wie du. Ihr könnt bestimmt zusammen Hasen schießen.

    Zusammen Hasen schießen? Weißt du nicht, dass du in Minnesota lebst, du Trottel? Kein Mensch spricht hier so. Sie schüttelte den Kopf und folgte ihm ins Beratungszimmer. Zwei dick gepolsterte Sofas, beide in einem weichen Blau, standen über Eck an der Wand. Darüber ließ ein Fenster den stahlgrauen Winterhimmel herein, und sie konnte eine blattlose Flussbirke erkennen, deren goldfarbene Rinde dem fahlen Februar ein wenig Farbe verlieh.

    Ein Mädchen, das Haar fast so lang wie Selenes Mähne, saß auf dem Sofa. Selene lächelte. Darüber könnten wir ins Gespräch kommen, auch wenn das Haar dieses Mädchens blauschwarz ist, nicht blond. Als sie sich umwandte, erkannte Selene die kupferfarbene Haut und die gemeißelten Wangenknochen eines Indianermädchens. Wie hübsch sie ist. Allerdings war sie nicht, nicht einmal annähernd, in Selenes Alter. So, wie sie aussah, war sie in gerade mal in der Highschool, wenn überhaupt. Sie trug ausgewaschene blaue Jeans und einen lila Pullover. Trauer malte ihre Augen rot.

    Hi, sagte Selene in einem Ton, der neutral klang mit einem leichten Hang zu Sympathie. Sie streckte ihre Hand aus. Das Mädchen blickte skeptisch, runzelte die Stirn, dann willigte sie zum Handschlag ein.

    Augenblicklich wusch ein eisiger Strom an Trauer über Selene hinweg, in überbordenden Wellen an der Grenze zur Verzweiflung. In ihren eigenen Augen brannten Tränen, und ein zitternder Atemzug versperrte ihr die Kehle. Es tut mir so leid, flüsterte sie, wissend, dass es nichts bedeutete.

    Wieso? Das Mädchen lächelte höhnisch. Wissen Sie vielleicht, wie es sich anfühlt, die eigene Mutter zu verlieren?

    Selene nickte. Ja, in der Tat. Aber nicht auf diese Weise.

    Welche Weise? Eine Spur Neugier fand ihren Weg in den Klang der Stimme und den Gesichtsausdruck des Mädchens.

    Meine starb, als ich ein Baby war. Ich habe sie nie kennengelernt. Und es war nicht Krebs.

    Die Klientin kniff die Augen zusammen, verärgert und verwirrt. Woher wissen Sie das?

    Es ist eine Gabe, gab Selene zu und unterdrückte den Drang, sich zu winden. Werde ich mich je daran gewöhnen, Menschen das zu sagen?

    Die wütenden dunklen Augen des Mädchens weiteten sich. Eine Gabe? Sie können meine Gedanken lesen? Sie riss ihre Hand zurück. Sie sind ein Freak! Fassen Sie mich nicht an!

    Okay, sagte Selene und kämpfte darum, ruhig zu bleiben, obwohl sie - wieder einmal - dieser Beleidigung ausgesetzt war. Ich werde dich nicht anfassen. Wie heißt du?

    Maggie.

    Ist das eine Kurzform für Margaret?

    Nein. Einfach Maggie. Maggie Price.

    Mein Name ist Selene Johansen. Hast du etwas dagegen, wenn ich mich setze?

    Maggie zuckte mit den Schultern und ließ sich auf das Sofa zurückfallen. Unter Bills Kontrolle verbrachte Selene die nächste Stunde damit, Möglichkeiten der Verlustbewältigung mit Maggie durchzugehen, um dem Kind dabei zu helfen, ihre Situation durchzustehen.

    Nach dieser Stunde beendete ein Klopfen an der Tür die Sitzung. Selene stand auf, um nachzusehen, doch was sie auf der anderen Seite vorfand, raubte ihr den Atem. Ein Mann, schwarzhaarig und dunkeläugig, der sie mit einem Ausdruck anblickte, der der Trauer in den Augen seiner Tochter in nichts nachstand, aber ohne die Wut. Einen endlosen Moment lang blickten er und Selene einander in die Augen, teilten eine Empathie, die keine Worte brauchte. Selene bot ihm nicht die Hand. Es war nicht notwendig.

    Und das war der Anfang gewesen. Häufige Begegnungen hatten irgendwann das Misstrauen weggespült, und jetzt war Maggie einer der wenigen Freunde, die Selene hatte, die keine Polizisten waren. Je älter das Mädchen wurde, desto weniger war sie eine ehemalige Klientin, mit der sie in Kontakt blieb, und wurde stattdessen eine Freundin. Jetzt, acht Jahre später, war Maggie zweiundzwanzig, und die sieben Jahre Altersunterschied waren unbedeutend geworden.

    Selene erreichte den rostig-weißen Pickup und hievte den Karton auf die Ladefläche. Bloß gut, dass wir so gut wie fertig sind.

    Sie überschaute den kleinen, aufgeräumten Vorgarten. Ordentlich geschnittener Rasen ging über in eine Reihe sorgfältig in Form gebrachter Bäumchen entlang der Hausfront. Eine alte Eiche spendete Schatten vor dem Fenster des Wohnzimmers, durch das sie die gemütliche Sitzgruppe noch eben erahnen konnte. Das einstöckige Haus, weiß getüncht und sauber, stand seinen größeren Nachbarn in Sachen Attraktivität in nichts nach - wenn es auch in Sachen Höhe nicht mithalten konnte. Sie lächelte. Es sieht aus, als wäre das Haus ein Baby, das mit älteren Geschwistern spielt.

    Jetzt komm schon, Selene, rief Maggie von der offenen Tür her. Der Tag wartet nicht auf uns. Hör auf, an den Blüten zu schnuppern, und ran an die Arbeit.

    Selene grinste über die Ungeduld ihrer Freundin. Maggie mag zwar Recht haben über dieses oder jenes, aber der betäubende Duft von Flieder ist jederzeit einen Moment Aufmerksamkeit wert.

    Auf ihrem Weg ins Wohnzimmer wurde sie von einem kurzen Abriss synthetischer Geigenklänge aufgehalten. Sie angelte nach ihrem Handy und ließ sich aufs Sofa sinken, um den Anruf anzunehmen.

    Wage es nicht!, entrüstete sich Maggie, schnappte ihr das Handy weg und wischte über das Display.

    Hey!, protestierte Selene und sprang auf. Das war wahrscheinlich die Arbeit.

    Und du hast keine Bereitschaft, erwiderte Maggie ungerührt. Das Schicksal des Universums hängt nicht an dir.

    Selene schüttelte den Kopf. Ich hab es oft genug gesagt. Du weißt, wie wichtig es für mich ist, zu tun, was ich tue. Wegen mir werden Leben gerettet, die ansonsten verloren wären. Ich bin von Bedeutung, Maggie.

    Ja, ja, das hab ich schon verstanden, antwortete Maggie und reichte ihr das Telefon zurück. Aber du bist auch nur ein Mensch. Du verdienst deine freien Tage, hin und wieder, und du hast nur ein Wochenende im Monat, wenn du nicht auf Abruf bist. Lass dir das doch nicht wegnehmen. Es gibt mehr Polizisten außer dir, Selene. Gib doch mal einem von denen die Gelegenheit, auf sich aufmerksam zu machen. Und damit schwebte sie davon.

    Hin- und hergerissen starrte Selene auf ihr Telefon. Maggie hat nicht ganz unrecht, erinnerte sie eine kleine Stimme in ihrem Kopf. Du hast jeden Tag in den letzten drei Wochen zehn bis zwölf Stunden gearbeitet. Mit einem plötzlichen Gefühl von Entschlossenheit steckte sie das Handy ein und machte sich auf den Weg ins Schlafzimmer, um noch einen Karton zu holen.

    Maggie quetschte sich in der Tür an ihr vorbei mit einer Kiste, die scheinbar leicht war, aber das hatte nichts zu sagen. Maggie arbeitete als Fitness-Trainerin und war deshalb erstaunlich kräftig. Es sorgte für diesen schlanken, definierten Körper, die wie gemeißelten Arme und den perfekten flachen Bauch. Und natürlich war ihr Gesicht mit ihrem Körper vergleichbar. Ihre exzellente Kondition war der Grund dafür, dass ihre exotisch geformten Wangenknochen und die kräftige Nase Perfektion waren. Ihr schwarzglänzendes Haar, in einem einfachen Pferdeschwanz zurückgebunden, fiel ihr auf die Schultern.

    Im Schlafzimmer wuchtete Selene die vorletzte Kiste hoch. Das enorme Gewicht ließ sie einen Moment schwanken. Ah, hier sind also die Lehrbücher in Anatomie und Physiologie drin, die Maggie nach dem College behalten hat.

    Sag mir nochmal, warum wir das hier tun, jammerte sie zum Spaß, als Maggie ins Zimmer schlenderte und die letzte Box aufhob. Du hast immer gesagt, dass es sinnvoller für eine unverheiratete Frau ist, daheim zu wohnen, vor allem weil du deinem Dad Gesellschaft leisten wolltest.

    Maggie zuckte mit den Schultern. Keine Ahnung, antwortete sie. Ich hatte nur das Gefühl, ich bräuchte mal etwas Abwechslung. Es schien einfach ein guter Zeitpunkt, mal was anderes zu probieren. Jetzt sei still und mach hin. Die Kiste hier ist schwer.

    Vermutlich Hanteln, dachte Selene. Dankbar für die Trainingsstunden, die sie jede Woche im Fitness-Studio des Police Department verbrachte, schleppte sie die Box zu Maggies altem Pickup, Maggie mit der letzten Kiste dicht hinter ihr.

    Meine Damen, ertönte eine warme, freundliche Stimme hinter ihnen. Ehe ihr losfahrt, will eine von euch was trinken?

    Selene wandte sich um. Maggies Vater, Brandon, stand hinter ihr, in jeder Hand ein Glas, das nichts anderes enthalten konnte als seine hausgemachte Limonade.

    Danke, Dad, sagte Maggie, schnappte sich eines der Gläser und brachte den Inhalt in drei Zügen hinunter.

    Ja, danke, echote Selene scheu. Ich habe Maggies Dad immer gemocht, vielleicht ein bisschen zu sehr. Ich habe mich nie wirklich wohlgefühlt in seiner Gegenwart. Ich bin nicht sicher, ob er von meiner Gabe weiß, aber ich hoffe nicht. Es wäre schön, wenn es wenigstens einen Menschen gibt, der mich für normal hält, und wenn dieser eine Mensch Brandon Price wäre, nun, das wäre perfekt.

    Ich kann gar nicht glauben, dass ihr schon fertig seid, kommentierte er. Ich wollte doch helfen.

    Ich denke mal, du wirst auf deine alten Tage zu langsam, Dad. Wir jungen Hühner sind einfach zu schnell für dich.

    Tut mir leid, ich bin aufgehalten worden.

    Weißt du, Dad, du hättest Grandma auch sagen können, dass du sie zurückrufst.

    Aber sicher doch, Maggie. Wenn ich das getan hätte, hätte sie es mir einen Monat lang vorgehalten.

    Stimmt. Maggie grinste. Aber ist doch okay, Dad. Selene und ich haben's auch so geschafft.

    Brandons dunkle Augen streiften Selenes für einen Moment.

    Sie wandte sich ab und konzentrierte sich auf die Beete des Gartens. Um ihre Nervosität zu überspielen, nahm sie einen Schluck Limonade. Sie liebte den Geschmack, herb und erfrischend, und während sie das Aroma auf der Zunge zergehen ließ, blickte sie zurück zu Brandon und Maggie, die beieinander in der Einfahrt standen. Sie sahen einander so ähnlich. Beide hochgewachsen mit glattem schwarzem Haar, definierten Wangenknochen und warmen dunklen Augen. Während sie die beiden betrachtete, fragte Selene sich für einen Moment, wer ihr eigener Vater sein mochte.

    Es bringt ja nichts, sich selbst zu bemitleiden. Das Schicksal hat es so gewollt, dass du ohne Familie lebst, und ganz ernsthaft, eine Familie würde dich auch nur von der Arbeit abhalten. Innerlich den Kopf schüttelnd, trank Selene ihr Glas aus und reichte es Brandon mit einem schüchternen Lächeln. Er lächelte zurück, seine weißen Zähne blitzten in dem kupferfarbenen Gesicht. Selene spürte, wie ihre Wangen heiß wurden, und hoffte nur, dass sie nicht sichtbar errötete.

    Kann ich den Damen ein Abendessen anbieten?, schlug er vor. Selene sah ihm wieder in die Augen, und er zwinkerte ihr zu. Dieses Mal war sie sicher, dass sie feuerrot wurde.

    Keine Zeit, Dad, erwiderte Maggie. Ich muss das ganze Zeug noch beim Apartment wieder auspacken.

    Selene versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Nach einem solch anstrengenden Tag wäre eines von Brandons leckeren Abendessen die perfekte Belohnung gewesen.

    Aber vielleicht will ja Selene mit dir zusammen essen, fuhr Maggie fort und riss Selene aus ihren Gedanken.

    Brauchst du nicht meine Hilfe beim Auspacken?, fragte sie.

    Nicht wirklich, antwortete Maggie mit einem kecken Augenaufschlag. Ich hab genug Gejammer von dir gehört. Ich weiß, wo ich meine Sachen hinstellen will, und ich habe keine Lust, die nächsten sechs Monate mit Suchen zu verbringen, weil du einen besseren Einfall hattest, wo sie hinpassen könnten. Sie stemmte die Hände in die Hüften und grinste.

    Selene lächelte. Wenn es in deinem winzigen Spatzengehirn ein wenig Platz für Logik gäbe, neckte sie, dann wüsstest du, dass ich sie an den besten Platz gestellt habe, und würdest dort zuerst suchen.

    Maggie schüttelte den Kopf. Weißt du was, Selene, du wärst eine lausige Mitbewohnerin.

    Was glaubst du denn, warum ich allein lebe?, erwiderte Selene. Beide Frauen lachten.

    Also, Selene. Brandons Worte lenkten ihre Aufmerksamkeit zurück auf sein Gesicht. Würdest du zum Essen bleiben? Ich hätte da eine gefüllte Hühnerbrust mit Pilzen, die nach dir ruft.

    Selene lief das Wasser im Mund zusammen bei dem Gedanken an ein Essen, das nicht tiefgefroren unter Folie lag. Du solltest wirklich nach Hause fahren. Du weißt doch nie, wann die Arbeit ruft. Andererseits ... hier geht es um Brandon. Klar, sagte sie und lächelte ihn an.

    Maggie winkte, sprang in ihren angeschlagenen Pickup und fuhr los. Selene und Branden sahen zu, wie die schlecht gestapelten Umzugskartons davonschaukelten.

    Meinst, du, dass das alles noch heil ist, wenn sie ankommt?, fragte Selene, als der Truck um die nächste Biegung entschwand.

    Mit ein bisschen Glück ist alles noch auf der Ladefläche, antwortete Brandon.

    Sie lachten und wandten sich zum Haus. Er geleitete sie zur Tür und legte ihr eine Hand in den Rücken, um sie ins Haus zu schieben. Als dabei sein kleiner Finger den Streifen Haut zwischen Selenes Shirt und dem Bund ihrer Jeans streifte, spülten seine Gefühle über sie hinweg. Den größten Teil nahm Traurigkeit ein, aber sie konnte auch ein wenig Erleichterung fühlen, und daran war nicht der Abschied von seiner Tochter schuld. Ich bin froh, dass Selene hier ist. Ich bin noch nicht bereit dafür, mich allein zum Essen hinzusetzen. Ich war zu lange allein ...

    Schnell machte sie einen Schritt von ihm weg. Sie hasste es, wenn sie die Gedanken unschuldiger Menschen spürte. Ich wünschte, ich könnte das abschalten, es abblocken, außer, wenn es wichtig ist, aber leider geht das nicht. Jedes Mal, wenn die Hand eines anderen Menschen ihre bloße Haut berührte, wusste sie genau, was diese Person in diesem Augenblick dachte.

    Ich bin kaum passende Gesellschaft, sagte sie und blickte an sich hinab, auf ihre verdreckte Kleidung.

    Keine Sorge, versicherte Brandon. Ich bin keiner, der einen Gast wegen ein bisschen Staub aus dem Haus wirft. Außerdem ist dieser Staub immerhin Teil dieses Hauses. Warum gehst du nicht ins Bad? Ich decke den Tisch."

    In dem alten Haus gab es nur das eine Badezimmer, doch dafür war es auch besonders groß. Vor dem breiten Spiegelschrank über den beiden Handwaschbecken klopfte sie so viel von dem Staub und Dreck wie möglich von ihren alten Jeans und dem ausgebleichten T-Shirt. Sie hasste es, mitanzusehen, wie der Staub auf den in Schwarz und Weiß gefliesten Fußboden niederging. Der Duft von Kräutern und Prärieblumen umfing sie, als sie sich mit der aromatischen Seife die Hände wusch. Ein heimeliges, willkommenes Gefühl. Ich frag mich, woher er diese Seife hat. Es gibt sie in keinem von den Läden, wo ich danach gesucht habe.

    Sie spritzte sich ein wenig Wasser ins staubige Gesicht. Kein Makeup, und sie sah aus wie ein Teenager. Die blassen Sommersprossen, deren Existenz sie sich so gern ausredete, zeichneten sich deutlich auf ihrer Haut ab, die heute blasser als sonst wirkte. Du siehst ein bisschen krank aus. Sie runzelte die Stirn über ihr Spiegelbild.

    Nun, ich fühle mich okay, und ein bisschen Blässe ist nichts, um das man sich Sorgen machen müsste. Mit einem Schulterzucken verließ Selene das Bad. Sie betrat die Küche und setzte sich an den runden Holztisch in einer Ecke. Sie wagte einen Blick auf Branden, der mit dem Rücken zu ihr bei dem breiten sechsflammigen Gasherd aus Edelstahl stand und etwas in einem großen Topf umrührte. Der höhlenartige Arbeitsplatz, gekrönt mit glänzendem schwarzen und goldenem Granit, war ein beeindruckender Ort für Brandons kulinarische Fähigkeiten.

    Er näherte sich mit zwei Tellern, setzte ihr einen davon vor und nahm selbst Platz, während sie bewundernd inhalierte. Das Hühnchenbrustfilet, mit Spinat und Ricotta gefüllt, servierte Brandon mit einer Pilzsauce, gebratenem Reis und gedämpftem Spargel. Sie probierte einen Happen von dem zarten Fleisch und schloss die Augen, um sich auf den Geschmack zu konzentrieren. Delikat.

    Weißt du was?, sagte sie nach ein paar Bissen zu Brandon. Solltest du jemals deinen Job als Karriere-Ratgeber aufgeben, könntest du ein Vermögen mit einem Restaurant machen.

    Brandon lächelte und stützte sein Kinn in die Hand. Danke, sagte er. Dann, leiser, fügte er hinzu: Ich freue mich, dass du geblieben bist. Es ist schöner, für jemand anderes zu kochen.

    Da bin ich sicher, antwortete Selene. Deshalb mache ich mir nie die Mühe. Wenn da niemand anders ist, warum sollte man sich anstrengen?

    Er betrachtete sie aus seinen warmen braunen Augen und sagte nichts, aber sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Es war nicht notwendig, eine machtvolle Gabe des Gedankenlesens zu besitzen, um ihn jetzt zu durchschauen.

    Allein zu sein ist die Hölle, nicht wahr?, fragte sie leise.

    Er senkte das Kinn, nickte zu ihrem Kommentar, und sah dabei ein klein wenig verletzlich aus. Selene legte ihre Hand auf den Ärmel seines Hemds, ihre Art, eine tröstende Berührung zu spenden und gleichzeitig seine Privatsphäre zu achten. Vorsichtig entzog er ihr seinen Arm, bis ihre Handflächen sich berührten. Selene versuchte, sich zu entziehen, aber er umschloss mit seinen Fingern ihre Hand, umhüllte sie mit seinen Emotionen.

    Bitte, flüsterte sie. Du solltest das nicht tun.

    Willst du es denn nicht wissen?, fragte er.

    Selene starrte auf ihre Serviette. Also weiß er, dass ich ein Freak bin. Ich versuche, dir Privatsphäre zu geben, sagte sie.

    Ich möchte gern teilen. Es sei denn, du willst das nicht ...

    Brandons Gedanken nicht teilen zu wollen? Gedanken, die er aus freien Stücken herschenkte? Nein. Ich bin froh. Es ist schön, zur Abwechslung mal normale Gefühle von jemandem wahrzunehmen.

    Sie verschränkte ihre Finger mit seinen und ließ seine Emotionen über sich hinwegrauschen. Reue, Trauer, Einsamkeit und ein wenig Angst. Er will wirklich nicht allein sein. Sie schloss die Augen, und als sie die Lider wieder hob, versank ihr Blick in seinem. Unbewusst hatten sie sich einander zugelehnt, näher, als sie ihm jemals gewesen wäre.

    Gott, er sieht so gut aus, und seine vollen Lippen sind so nah. Ich bräuchte mich nur ein paar Zoll weit zu bewegen ... Sie versuchte, sich darauf zu konzentrieren, dass er nur einfach nicht allein sein wollte, dass es die Umstände waren und nicht ihre Anwesenheit, die ihn verletzlich machten. Aber ich will doch auch nicht allein sein. Sie bewegte sich, aber dann saß sie wieder still, zu scheu, noch näher zu kommen. Sie konzentrierte sich auf die Gefühle, die durch ihre miteinander verbundenen Hände in sie hineinfluteten.

    Enttäuschung? Sie riss die Augen auf. Er neigte erneut das Kinn, ein leichtes Nicken. Beinahe unmerklich, aber sie erkannte es. Ihre Wangen brannten, und sie senkte den Blick. Mit der freien Hand berührte er sie am Kinn, und die doppelte Dosis an Emotionen überwältigte sie. Er hob ihr Gesicht an, bis sie einander wieder in die Augen sahen. Sie konnte fühlen, wie die Frage von beiden Seiten auf sie eindrang. Er will es auch.

    Er kann meine Gedanken nicht hören,

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