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Sehnsucht
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eBook261 Seiten3 Stunden

Sehnsucht

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Über dieses E-Book

Lisa ist auf dem Weg nach Potsdam zu ihrer Cousine Marie. Kurz vor dem Ziel wird sie gezwungen, eine Autowerkstatt aufzusuchen. Der gut aussehende Mechaniker Adrian hat es ihr sofort angetan und auch seine kleine Tochter Zoey schließt sie auf Anhieb ins Herz. Ist Lisa dabei sich zu verlieben? Bevor die beiden zueinanderfinden können, wird Adrian von seiner Vergangenheit eingeholt. Das junge Glück steht auf dem Spiel. Werden sie es dennoch schaffen zusammenzukommen oder sind sie nicht füreinander bestimmt?
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum13. Dez. 2019
ISBN9783750215931
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    Buchvorschau

    Sehnsucht - Heidi Oehlmann

    1. Kapitel - Lisa

    »GRRR«, schreie ich und werfe wütend die Haarbürste auf den Boden. Mir schießen die Tränen aus den Augen. Mein verheulter Blick streift den Spiegel. Ich erschrecke vor dem Anblick. Das Make-up, für das ich ewig brauchte, damit es einigermaßen gut aussieht, ist durch die verlaufene Wimperntusche ruiniert.

    Genervt gehe ich in die Küche, öffne den Küchenschrank, ziehe die beiden Kochbücher aus der Mitte raus und greife nach dem Zigarettenpäckchen, das zum Vorschein kommt. Nervös hole ich eine Zigarette heraus, zünde sie mir an und öffne das Küchenfenster. Ich atme den Rauch tief ein und verschlucke mich dabei. Es ist einige Monate her, als ich zum letzten Mal eine qualmte. Richtig geraucht habe ich noch nie. Es war eher ein heimliches Paffen zum Stressabbau. Ich achtete jedes Mal darauf, unentdeckt zu bleiben. Das machte ich bereits als Teenager. Ab der achten Klasse fing ich mit dem Rauchen an. Nach Schulschluss ging ich mit den anderen aus meiner Stufe in den Park, der nur wenige Fußminuten von dem Schulgebäude entfernt lag. Dort versteckten wir uns hinter der kleinen Kapelle und rauchten, um cool zu sein. Ich machte nur mit, um akzeptiert zu werden. Echte Freunde hatte ich damals keine. Mit der Zeit ergab es sich, dass ich immer Zigaretten im Haus hatte und ich mir in Stresssituationen heimlich eine ansteckte. Selbst meine Eltern wissen bis heute nichts davon. Ich war stets übervorsichtig. Jetzt bin ich zwar erwachsen, schäme mich dennoch vor ihnen zu rauchen. Hätten sie mich früher zu Schulzeiten erwischt, hätte mein Vater mich windelweich geprügelt. Solange ich zurückdenken kann, waren meine Eltern streng. Schon in der ersten Klasse erwarteten sie Höchstleistungen von mir. Das zog sich bis zum letzten Schuljahr hin. Ich erinnere mich noch an den Streit, den wir damals hatten, als ich kein Abitur machen und nicht studieren wollte. Besonders mein Vater tat sich schwer, mit meiner Entscheidung umzugehen. Er erwartete von mir, dass ich Ärztin oder Ähnliches werde, damit er vor anderen mit mir angeben kann. Ich legte noch nie viel wert auf Status, ich wollte arbeiten, um zu leben und nicht leben, um zu arbeiten. Nach der Auseinandersetzung ging er mir einige Zeit aus dem Weg. Es dauerte Monate, bis er wieder mit mir sprach und sich das Verhältnis zwischen uns normalisierte.

    Über bestimmte Themen konnte ich mit meinen Eltern noch nie sprechen. So ist es auch mit dem Rauchen. Beide sind strikte Nichtraucher. Ich höre sie schon, wie sie mir eine Standpauke halten, wenn sie von dem Laster - wenn man es überhaupt so nennen kann - ihrer Tochter wüssten. Deshalb setze ich alles daran, es für mich zu behalten.

    Auch jetzt verstecke ich mich hinter der Gardine, damit keiner der Nachbarn mich rauchen sieht und meine Eltern durch einen dummen Zufall davon erfahren.

    In den letzten Monaten verspürte ich kein Verlangen nach einer Zigarette, aber jetzt muss es einfach sein. Nichts scheint mir an diesem Samstag gelingen zu wollen.

    Schon nach dem Aufstehen passierte mir ein Malheur nach dem anderen. Zuerst fiel mir die Kaffeekanne aus der Hand, als ich mir einen Kaffee kochen wollte. Sie zersprang in viele kleine Einzelteile. Ohne die Kanne ist die Maschine nutzlos. Um mir dennoch einen Muntermacher zubereiten zu können, nahm ich den Wasserkocher und machte mir einen türkischen Kaffee. Beim Einschenken des heißen Wassers verbrühte ich mich. Statt es wie üblich in die Tasse zu kippen, landete ein Teil auf meiner linken Hand. Der Schmerz war kaum auszuhalten. Eigentlich sollte so viel Ungeschicklichkeit für einen Tag reichen, aber Fehlanzeige. Nun habe ich das Problem mit den Haaren. Ausgerechnet heute an Mias Geburtstag. Sie hat jede Menge Freunde und Bekannte eingeladen und einen Saal angemietet, um die vielen Gäste unterzubekommen. Bei so einem Ereignis möchte ich natürlich gut aussehen. Seit mehreren Stunden versuche ich mir eine anständige Frisur zu zaubern, aber mein Haar will sich einfach nicht bändigen lassen. Auf dem Kopf sehe ich aus, als hätte ich letzte Nacht in einem Stall verbracht. Meine Haare sehen strohig aus. Der Anblick ist grässlich.

    Ich nehme den letzten Zug der Zigarette und schaue vorsichtig nach draußen. Als die Luft rein ist, werfe ich den Filter hinaus und bläue mir ein, ihn nachher unauffällig in der Abfalltonne zu entsorgen, bevor einer der Nachbarn ihn findet. Ich wohne in einem Mehrfamilienhaus, indem es viele neugierige Leute gibt. Die alte Frau Jakobs aus dem ersten Stock scheint besonders interessiert an dem Leben ihrer Mitmenschen zu sein. Sie sitzt dauernd hinter dem Fenster und beobachtet jede noch so kleine Bewegung der anderen Hausbewohner. Wenn ihr etwas nicht passt, macht sie ihren Unmut lautstark bemerkbar und schnauzt denjenigen an, der angeblich einen Fehler gemacht hat. Mich hat sie bereits mehrfach angemeckert. Es ging jedes Mal um die Reinigung des Treppenhauses. Frau Jakobs ist der Meinung, der Hausflur müsste samstags bis zum Mittag gereinigt sein. Es gibt zwar die Vereinbarung, dass alle Hausbewohner wöchentlich wechselnd mit der Hauswoche dran sind, aber nicht an welchen Tag die Reinigung stattzufinden hat, geschweige denn, zu welcher Uhrzeit es geschehen muss. Das habe ich ihr schon etliche Male erklärt, jedoch blieb es ohne Erfolg. Also muss ich mir immer, wenn ich nach zwölf Uhr putze, ihr Gemecker anhören. Inzwischen habe ich mir abgewöhnt, mit ihr zu diskutieren. Es hat ja doch keinen Sinn. Stattdessen habe ich mir einen MP3-Player gekauft und höre bei der Reinigung so laut Musik, dass ich kein Wort der Jakobs verstehe. Das funktioniert gut. Zumindest habe ich meine Ruhe. Sie scheint es noch nicht bemerkt zu haben. Sonst würde sie aufhören, mich zuzutexten. Es ist mir aber gleichgültig.

    Dann schließe ich das Fenster und gehe zurück ins Bad. Ich blicke in den Spiegel und überlege, ob ich mir zuerst das Make-up erneuern oder mich um das Stroh auf dem Kopf kümmern soll. Meine Entscheidung fällt auf das Gesicht. Das habe ich heute schon ein Mal hinbekommen. Hätte ich mir das Heulen verkniffen, müsste ich es jetzt nicht neu machen. Bei den Haaren bin ich mir unsicher, ob ich sie gebändigt kriege oder ich, wie üblich zu einem Haargummi greifen muss.

    Als ich gerade dabei bin, mich neu anzumalen, fällt mein Blick zufällig auf meine Armbanduhr und lässt mich erstarren. In einer Stunde steigt Mias Party und ich sehe aus, als wäre ich eben aus dem Bett gekrochen. Ich verstehe nicht, wo die Zeit geblieben ist. Mir kommt es vor, als hätte ich eben erst Mittag gegessen. Dabei ist es schon kurz nach siebzehn Uhr. Ich hatte so gehofft, noch Zeit für eine Tasse Kaffee zu haben, bevor ich mich auf den Weg zu Mia mache. Daraus wird jetzt nichts mehr.

    Mit schnellen Bewegungen erneuere ich die Schminke. Nach einem kurzen prüfenden Blick gebe ich mir ein Okay für meine Arbeit. Ich sehe zwar nicht annähernd so gut aus wie vorhin, aber es reicht, um das Haus zu verlassen.

    Hastig hebe ich die Bürste auf, kämme mir die Haare und binde sie zu einem Zopf zusammen. Mir ist die Lust vergangen, mich mit meinem widerspenstigen Haar auseinanderzusetzen. Ich begreife nicht, wie andere Frauen es schaffen, stets wie aus dem Ei gepellt auszusehen. Mir fehlt die Geduld, mich stundenlang zurechtzumachen. Von dem Spaß ganz abgesehen. Für mich gibt es wichtigere Dinge, als mich mit meinem Äußeren zu befassen. Zu einem dieser Punkte gehört Zuverlässigkeit. Ich lege viel Wert darauf, pünktlich zu sein und erwarte es auch von anderen. Solange ich zurückdenken kann, bin ich kein einziges Mal zu spät gekommen. Damit das so bleibt, stürme ich ins Schlafzimmer und ziehe mich um. Am gestrigen Abend habe ich mir glücklicherweise schon ein Outfit herausgesucht. Das erspart mir jetzt die Anprobe verschiedener Kleidungskombinationen.

    Flink schlüpfe ich in den schwarzen knielangen Rock und streife mir die beigefarbene Bluse über. Nachdem ich alle Knöpfe verschlossen habe, trete ich vor den Spiegel und prüfe mein Äußeres.

    »Na ja, geht so«, flüstere ich und nehme den Anblick hin. Mittlerweile müsste ich mich daran gewöhnt haben, nie so perfekt gestylt zu sein, wie meine Freundinnen. Manchmal beneide ich sie um ihre Stylingfähigkeiten. Mir fehlt eindeutig das Händchen dafür. Mein ganzes Leben lang laufe ich wie eine graue Maus herum, weil ich es nicht besser kann. Woher auch? In meiner Familie wird wenig Wert auf Styling gelegt. Natürlich sind alle ordentlich angezogen, aber das Augenmerk liegt auf dem beruflichen Erfolg. Schließlich will man ja vor anderen einwandfrei dastehen. Wie es einem dabei geht, spielt keine Rolle.

    Immerhin habe ich es vor einigen Monaten geschafft, meine Brille gegen Kontaktlinsen auszutauschen. Anfangs habe ich mich dagegen gesträubt, weil es eine nervenaufreibende Fummelei ist, sich die Linsen in die Augen zu setzen. Mittlerweile bekomme ich es problemlos hin und bin stolz darauf.

    Nach einem letzten Blick auf mein Spiegelbild zucke ich mit den Schultern und gehe in den Flur, mir die Schuhe anziehen.

    Morgen um diese Zeit bis du bei Marie!, denke ich.

    Nach fast drei Jahren besuche ich meine zwei Jahre ältere Cousine in Potsdam und freue mich wahnsinnig, sie wieder zu sehen. Letztes Jahr im Februar ist ihr Töchterchen Kim zur Welt gekommen. Seitdem nehme ich mir vor, zu Marie und ihrer kleinen Familie zu fahren. Von Kim habe ich bisher nur Fotos gesehen. Sie ist so niedlich. Ich freue mich, sie endlich live zu sehen. Eigentlich wollte ich heute schon hinfahren, aber ich konnte Mia nicht absagen. Jetzt, wo wir uns so gut verstehen, wie nie zuvor, und so etwas wie Freundinnen sind, hätte Mia mir das übel genommen. Das wollte ich keinesfalls riskieren.

    Ich schnappe die Schlüssel vom Schlüsselbrett, greife nach der Handtasche, die an der Tür hängt, und verlasse die Wohnung.

    Als ich aus der Haustür komme, schaue ich nach links und rechts, ob einer meiner Nachbarn draußen ist. Besonders aufmerksam begutachte ich die Fenster von der alten Frau Jakobs, ob sie sich hinter einem versteckt und das Geschehen auf der Straße beobachtet. Nachdem ich niemanden entdecken kann, laufe ich auf die Wiese und sammle beiläufig den Filter auf, den ich kurz darauf in der Mülltonne versenke. Dann gehe ich zu meinem Kleinwagen und mache mich auf den Weg zu Mias Party.

    2. Kapitel - Paul

    »Was machst du denn hier?«, begrüßt mich Marta, als ich vor ihrer Tür stehe. Sie ist so aufgebrezelt, viel mehr als sonst im Büro. In ihren Augen sehe ich Unmut. Sie scheint nicht erfreut über meinen Besuch zu sein.

    Dennoch zwinge ich mich zu einem Lächeln und antworte: »Hallo Marta! Ich dachte, wir könnten mal wieder zusammen was trinken gehen!«

    »Sonst gerne, aber heute passt es mir überhaupt nicht. Ich muss gleich weg!«

    »Oh schade! Wo soll es denn hingehen?«

    Marta schaut auf den Boden und vermittelt mir das Gefühl, als müsste sie erst über eine Antwort nachdenken.

    Sie hebt ihren Kopf und sagt: »Ähm, ich bin zu einer Geburtstagsparty eingeladen und muss jetzt los.«

    »Okay. Darf ich fragen, wer Geburtstag hat?«

    »Mia«, antwortet sie leise.

    »Das ist ja klasse. Da kann ich doch mitkommen, oder? Ich müsste unterwegs nur noch ein paar Blumen besorgen, damit ich nicht mit leeren Händen auftauche.«

    Wieder zögert Marta mit einer Antwort. Ich habe das Gefühl, sie will lieber alleine gehen. Seit Wochen ist sie so komisch zu mir. Seit der Sache mit dem Chef geht sie mir aus dem Weg. Mehrmals versuchte ich herauszufinden, was los ist. Bisher wich sie mir immer aus. Also kann es nur an mir liegen. Ich weiß nur nicht, was ich falsch gemacht haben sollte. Nie war ich unhöflich zu ihr oder habe sie wissentlich beleidigt. Im Gegenteil, ich half Marta, ihren Eltern etwas vorzuspielen. Obwohl Lügen gegen meine Prinzipien verstoßen. Ich dachte, wir seien Freunde. Jetzt scheint sie mich nicht mehr zu brauchen und lässt es mich spüren.

    »Von mir aus«, antwortet sie aus heiterem Himmel.

    In ihrem Gesicht kann ich deutlich lesen, dass sie mich am liebsten loswerden will. Doch ich lasse mich nicht abschütteln und bin entschlossen mitzugehen.

    »Super!«

    »Ja, ich hole nur noch meine Tasche.«

    Marta verschwindet hinter der Wohnungstür und lässt mich stehen.

    »Ist irgendwas?«, frage ich, als sie zurückkommt.

    »Nein, was soll sein?«

    »Ich habe den Eindruck, du hast etwas gegen mich. Habe ich dir was getan?«, versuche ich erneut herauszufinden, was zwischen uns steht.

    »Nein, ich sagte doch, es ist nichts!«

    »Okay. Wenn du das sagst, will ich dir das glauben«, antworte ich und zwinge mich zu einem Lächeln. Insgeheim habe ich Zweifel an Martas Aussage und erhoffe mir, am heutigen Tag noch hinter ihr Verhalten zu kommen. Vielleicht lockert sich ihre Zunge, wenn sie ein bisschen Alkohol getrunken hat.

    Zusammen verlassen wir das Haus und machen uns auf den Weg zur Party.

    3. Kapitel - Lisa

    Nervös betrete ich die Gaststätte, in der Mia den Saal angemietet hat, und hoffe, sie ist schon da und kommt nicht wie sonst zu spät. Ich habe mich so abgehetzt, dass ich wieder einmal eine Viertelstunde zu früh dran bin.

    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragt mich der Herr hinter dem Tresen, als ich mich verloren im Gastraum umschaue.

    »Ähm, ja. Ich möchte zu der Geburtstagsparty, die hier stattfinden soll.«

    »Ja, da gehen Sie da hinten durch die Tür«, antwortet der Barkeeper und zeigt auf die Tür in der hintersten Ecke des Raumes.

    »Danke! Sind schon viele Leute da?«

    »Sehr gerne! Von achtzig geladenen Gästen müsste ungefähr die Hälfte da sein.«

    Achtzig Menschen? Woher kennt Mia die alle?

    »Vielen Dank!«, antworte ich, zwinge mich zu einem Lächeln und gehe auf die Tür zu. Meine Hände zittern, als ich sie öffne. Mia erwähnte, es würden einige Leute kommen. Mit achtzig Gästen hätte ich niemals gerechnet. Mir ist ein bisschen mulmig zumute, auf solch eine Menge fremder Menschen zu treffen. Wenn ich ehrlich bin, kenne ich nicht annähernd so viele Personen. Ich habe kaum Freunde. Bis auf die Mädels gibt es niemanden, den ich als Freund bezeichnen würde. Selbst mit den Kollegen pflege ich keine Bindungen außerhalb der Dienststelle. Das liegt womöglich daran, dass jeder von ihnen der typische Beamte ist. Ich arbeite seit dem Schulabschluss im Einwohnermeldeamt. Dort absolvierte ich schon meine Ausbildung. Die meisten meiner Kollegen kenne ich aus dieser Zeit. Für sie werde ich immer die kleine Lisa bleiben. Sie duzen mich bis heute. Mich stört es nicht, obwohl ich mir ein bisschen mehr Respekt von ihnen wünschen würde. Das wird wohl auch so bleiben.

    Auf dem Amt begegne ich jeden Tag so vielen Menschen. Die meisten behandeln mich unfreundlich, weil es oftmals schwieriger ist, als sie es sich erhoffen. Ich muss mich eben an die Regeln halten und kann nicht so reagieren, wie ich möchte. Womöglich verhalte ich mich privat auch wie eine Beamtin und deshalb will kaum jemand etwas mit mir zu tun haben.

    Ich seufze, bevor ich den Saal betrete. Die meisten Gäste sitzen an der langen u-förmig aufgebauten Tafel und starren mich an, als ich die Tür hinter mir schließe. Ich komme mir vor wie auf dem Präsentierteller. Mir ist die Situation unangenehm und ich möchte, so schnell es geht, aus dem Blickfeld der anderen verschwinden.

    Verlegen sage ich: »Hallo zusammen!«

    Einige der Gäste grüßen leise mit einem »Hallo« zurück.

    Ich schaue mich nervös um, ob ich wenigstens eine Person sichten kann, die ich kenne. Meine Augen suchen nach Mia oder eine der anderen Mädels. Ich kann kein bekanntes Gesicht entdecken. Alle Anwesenden sehe ich heute zum ersten Mal und sie mich auch. Sonst würden sie mich nicht so mustern. Um die Aufmerksamkeit von mir abzulenken, suche ich mir einen freien Platz, setze mich und hoffe, Mia oder eine meiner anderen Freundinnen trifft bald ein.

    Nach einer Weile lösen sich die fremden Blicke von mir und ich fühle mich etwas wohler. Natürlich beobachte auch ich das Geschehen um mich herum. Ich schaue mir die weiblichen Gäste und ihre Outfits an. Die meisten sind viel eleganter gekleidet als ich. In meinen Klamotten komme ich

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