Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Der Laden: Eine außergewöhnliche Liebesgeschichte
Der Laden: Eine außergewöhnliche Liebesgeschichte
Der Laden: Eine außergewöhnliche Liebesgeschichte
eBook329 Seiten4 Stunden

Der Laden: Eine außergewöhnliche Liebesgeschichte

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Louis, ein Grafiker, der diese Arbeit nur zum Gelderwerb ausübt, denn eigentlich empfindet er sich als Schriftsteller, hat sich in einem ehemaligen Metzgerladen ein Atelier eingerichtet, das die lispelnde Vegetarierin Julia als Mörderbude bezeichnet. Julia, eine Schülerin, begegnet ihm an ihrem achtzehnten Geburtstag im Schwimmbad und beschließt spontan ihn zu "belieben", zieht am gleichen Tag bei ihm ein. "s,Seit dem Tag, als ich Louis kennen lernte, wohnte ich bei ihm, obwohl er mir s,stundenlang erklärte, dass er s,seit der Trennung von s,seiner Frau, nicht länger als zwei Tage mit einer Frau in einer Wohnung s,sein könne." Julia ist sich des Altersunterschieds nicht bewusst. "Gut, er ist zweiundfünfzig, dafür mess' ich einsneunzig, s,schlage Louis gemütlich um zwanzig Zentimeter."

Der Zweiundfünfzig-Jährige dokumentiert sein Leben in einer Art Tagebuch, das Julia alsbald liest, um dann auch darin zu schreiben. Sie beobachten sich analysierend. Die beiden leben eine aufopfernde Liebe. Louis geht seinem Job nach, Julia ihrer Selbstfindung. Louis motiviert sie, ihr Abitur zu machen, sie unterstützt ihn in seiner Arbeit mit ihren Computerkenntnissen. Sie werden ein eingespieltes Team, im Leben wie in der Liebe. Julia ist begeistert von der erstmal erlebten Sexualität, er von ihrer gerissenen Naivität. Julia umwirbt ihn mit Gedichten. "Kleine Jahre – von mir gelebt – nicht gezählt – ausgewählt – von mir entschieden... " Mit Songs, die sie von Baugerüsten schmettert, als Louis als Farbberater arbeitet, die sie ihm bei der kürzesten Trennung ins Handy schluchzt.

Die beiden erleben emotionale Höhen und Tiefen, aber es gibt ein Happy End, "das sich gewaschen hat" - wie Louis es formulieren würde.

Der gesamte Text besteht aus unzähligen "Liebeswürdigkeiten", wie nur Menschen sich geben und annehmen können, wenn sie sich von Herzen zugetan sind.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum1. Okt. 2013
ISBN9783847655664
Der Laden: Eine außergewöhnliche Liebesgeschichte

Mehr von Hans Landthaler lesen

Ähnliche Autoren

Ähnlich wie Der Laden

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Der Laden

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Der Laden - Hans Landthaler

    Kapitel 1

    Bestimmte Töne von Musik hält Julia auf keinen Fall aus. Zum Beispiel wenn James Carter auf dem Tenorsaxes in einer bestimmten Höhenlage spielt. Sie zuckt zusammen, flüchtet auf meinen Schoß, damit ich ihr die Ohren zu halte; dabei bekommt das Mädchen einen Schmetterlingskuss in den Nacken. Wird die Musik wieder erträglich für sie, drückt sie ihren Hintern in langsamen, kreisenden Bewegungen gegen mich, presst ihren Rücken an meine Brust und lispelt: „S,s,Smusezeit".

    Es ist gut kühl in meinem Laden, öfter verbringe ich die Sommernächte hier, wenn in meiner Stadtwohnung die Hitze eingezogen ist. Außerdem ist es nicht so laut in der Vorstadt und ich kann gut arbeiten in dem ehemaligen Metzgerladen.

    Der frühere Kundenraum ist meine Arbeitsfläche, fast ausgefüllt von dem großen, schweren Bauerntisch, den ich zum Zeichnen benutze, eine Hälfte davon, die andere ist besetzt von Farben, Stiften, Linealen, Tuschen und Tinten. Und inmitten dem Gewirre, im schwarzen Lackrahmen, eine Zeichnung im japanischen Stil – Julia, die ein säuselndes Lächeln darbietet.

    Die original Fleisch- und Wursttheke steht noch vor dem Hackstock, die Waage so wie der große elektrische Fleischwolf, durch den ich alles drehe, was ich klein haben will. Dieser längliche Raum hinter der Theke ist die Küche, mit der imposanten Nirostaspüle, dem Gasherd und der Thekenplatte, eine riesige Arbeitsfläche. In der gekühlten Glasvitrine – vor der die Kunden standen – liegen meine Weißweine und alles, was sonst noch kalt bleiben soll.

    Mit allem Inventar habe ich diese drei Räume erstanden, zählt man den Kühlraum dazu. Das ehemalige Büro, der einzige Raum, der nicht gefliest ist, wurde mein Schlafzimmer, in dem das aus- und einladende Ehebett steht. Das Einzige, was mir aus meiner geschiedenen Ehe blieb. Von dort aus führt eine Türe hinaus ins Freie, auf einen Grünstreifen zwischen den Häusern – mein Garten mit Sonnenschirm, Bistrotisch und Stühlchen, Liegen. Natürlich habe ich hier und dort etwas angepflanzt. Julia Rosen, die für mich unverständlich prächtigen, obwohl sie nichts für sie tut. Sie beschneidet sie nicht einmal. Sie sagt in blümeranter Naivität: „In der Natur wird auch nichts beschnitten!".

    Der von oben bis unten geflieste Verkaufsraum – mein Studio – hat eine knallharte Akustik, somit geradezu geeignet für Sax’musik. Dazu passt ausgezeichnet dieser trockene Riesling Stich den Buben aus Umweg in Baden, der Dauergast in meiner Kühltheke.

    Mir macht es so einen Spaß, wenn Julia Metzgereifachverkäuferin spielt.

    Das zu sehen, ist wahrlich köstlich: Wie sie die Hände reibt vor scheinbarer Kälte, gelangweilten Blickes mich ignorierend stehen lässt, bevor sie herablassend nach meinen Wünschen fragt. „Was darf es s,sein der Herr, s,schöne Brüstchen hätten wir heute – lüpft ihre Bluse und zwei rosa Äuglein blicken treuherzig hervor. „Oder wie wär’s mit einem s,Schinken, s,saftig, frisch? und lässt mich ihr Popöchen sehen. Und diese Szene ist so absurd, denn Julia ist mager wie Karl Valentin es war. Doch dann wird es ernst und sie muss fragen: „Oder soll es gar von dem großen Presssack s,sein? und zwitschert die S in den Presssack und ich kann lachen, weil es so lieb klingt und Julia ist dann spielbeleidigt, muss sie in den Arm nehmen, damit sie mir nun ihre eiskalten Hände unters Hemd schieben kann, jubelt, wenn ich erschreckend tue. „Mein Baby!

    ***

    Zu s,seinen s,Studios s,sagt er „Laden. Er geht in den „Laden. „Ich bin im Laden, wenn jemand fragt, komm in den Laden! Ich bin aber lieber in s,seiner Wohnung, gerne auch alleine und höre mir Saxes an oder Trompet von Jet Baker, der singt auch so sanft. „The Touch of your lips. „Baby Musik s,sagt Louis dann, „Baby Musik, obwohl er es s,so mag, tanzt er doch danach. In Louis Wohnung tue ich, was ich will und wenn er nicht da ist, s,sowieso und Louis würde mir nie etwas untersagen, s,selbst wenn ich in den Flur kack…. Hey, diese CD von Baker heißt „Baby Breeze. Louis s,sagt auch manchmal „Baby zu mir. Zu allem s,sagt er „Baby", was klein ist. Allerdings mess' ich einen Meter neunzig, s,schlage Louis gemütlich um zwanzig Zentimeter. Er ziert s,sich, wenn ich neben ihm auf der s,Straße gehe und ist original beleidigt, lege ich ihm die Hand auf s,seinen Kopf. Ich tue es aus diesem Grund, um die feinen kleinen Haare zu s,spüren, die er noch auf dem Kopf hat, und es fliest was aus s,seinem Kopf in mich über.

    Er zwingt mich nicht, keine hohen s,Schuhe zu tragen, aber er s,sagt, ein Paar müsse auch äußerlich zusammenpassen!

    Louis ist gut und liebenswürdig, und wenn es das Wort menschlich nicht gäbe, würde es louisig heißen… Ah, das würde ihm gefallen und er würde s,sagen: „Das hast du s,sehr s,schön gesagt, Baby."

    Gerade, weil Louis nicht aussieht wie jeder Mann, habe ich ihn für mich gesehen. Er aber s,scheint damit unzufrieden. Er ist eitel wie ein Ziegenbock. Er s,sagt, er macht s,sich nichts aus Äußerlichkeiten, versteckt aber s,sein Bierbäuchlein, wo es nur geht, trinkt aber kein Tröpfchen weniger.

    Louis mag meine Hand auf s,seinem Kopf, wenn wir im Bett liegen. Er träumt dann nix.

    s,Seit dem Tag, als ich Louis kennen lernte, wohne ich bei ihm in s,seiner Wohnung, obwohl er mir an diesem Tag s,stundenlang erzählt hat, dass er s,seit s,seiner Trennung von s,seiner Frau mit niemand mehr länger als zwei Tage in der Wohnung s,sein kann. Ich weiß aber, dass er es liebend gerne hat, dass ich bei ihm bin.

    Einmal habe ich mich in den Wandschrank gesetzt und war s,so für ihn nicht da. Als er nach Hause kam, lief er die Räume ab, dann rief er nach mir, dann fluchte er, wo das Luder bloß s,steckt, und s,solche s,Sachen, und endlich s,stand er vor der Flurgarderobe, vor dem s,Schrank – mir blieb das Herz s,stehen, als er s,seine Jacke hinein hing – und s,sagte laut und deutlich: „Glaube kaum, dass ich noch allein sein könnte".

    Lange habe ich mich nicht aus dem s,Schrank getraut, musste dann doch und dabei erwischt werden und Louis war s,sauer, aber nur ganz kurz… Und s,seitdem s,schimpft er, dass ich ihm diese Marotte angezüchtet habe, dass er jedes Mal in den s,Schrank s,sehen muss, wenn er glaubt, dass ich nicht da bin.

    Gleich wusste ich, dass ich bei ihm bleiben werde, bei ihm und s,seiner Fertigkeit. Die Wohnung, der Laden, das Auto, seine äußere Erwachsenheit. Nicht das gemachte Nest s,suchte ich, ich s,suchte jemand, wo das Elementare vorhanden ist. Das weiß ich jetzt. Damals fühlte ich mich nur s,sofort bei ihm aufgehoben, s,sicher wie noch bei keinem anderen Menschen zuvor. Louis hat mich vom ersten Augenblick s,so s,selbstverständlich ernst genommen und gesagt: „Mach, was du willst, aber dann sei bloß zufrieden."

    Meine Eltern waren außer Rand und Band. Meine Mutter verfiel in hysterische Krämpfe, erzählte mir mein Vater, als ich an diesem Tag abends anrief um mitzuteilen, dass ich ab heute bei und mit Louis leben werde. Louis lachte, als er meinen Entschluss hörte, s,sagte dann sehr bestimmt: „Du nimmst das ernst, oder?" s,Seitdem war dies kein Thema mehr bei uns zwei.

    Am nächsten Tag holte ich meine s,Sachen von meinen Eltern. Louis traute s,sich nicht mit, gab mir aber sein Auto.

    Oh Gott, ich habe ihm immer noch nicht gebeichtet, dass ich keinen Führerschein habe.

    Mit Gewalt musste ich meine s,Sachen packen – Mutter hing s,sich an jedes s,Stück, s,schrie und weinte.

    Ich war danach s,sowas von fertig, kaputt, musste mehrere s,Stunden im Auto s,sitzen bleiben, vor Louis’ Haus, bis er mich s,sah, s,sein ewiges „Mein Gott" murmelte, mich küsste – das erste Mal – mir meine s,Sachen nachtrug, während ich mich heulend nach oben in die Wohnung s,schleppte. Das war genau an meinem achtzehnten Geburtstag, vor über einem Jahr. Das habe ich Louis aber nicht gesagt, nicht an diesem Tag.

    Kapitel 2

    So einen August habe ich noch nicht erlebt, dass ich den Laden einheizen muss, damit wir nachher hier essen können. Hühnerflügel habe ich in der Pfanne, scharfe Tomatensoße zum dippen, Rose’ Baguette. Julia liebt das Abnagen der kleinen Knusprigkeiten, und wenn es nur nach ihr ginge, gäbe es dies jeden Tag. s’Baby.

    So gern kommt sie nicht in den „Metzger-Laden", ist sie doch Fast-Vegetarierin. Fisch und Huhn, kein Fleisch. Mir macht das nichts, ich koche danach, und wenn ich meinen Schweine- oder Sauerbraten brauche, bekommt s Kind etwas extra.

    Julia kocht nicht. Nie! Sie weigert sich zu kochen, wie sie sich überhaupt weigert, im Haushalt zu helfen. Und sie will nicht mit jemand darüber reden, der das gerne tut. Aus!

    Nur für das Schlafzimmer fühlt sie sich verantwortlich und das von Anfang an. Vielleicht, weil sie die meiste Zeit darin verbringt. Vielleicht, weil sie sich nicht ganz ausschließen will von der Hausarbeit. Vielleicht mir zu liebe. Es stellt für mich kein Problem dar, es ist mir sogar recht. Ich bin so eingespielt in meine Hausarbeit, dass ich froh bin, wenn alles so läuft, wie ich es gerne habe. Das Auto putzt Julia leidenschaftlich gerne, das ist wahr. Sie fährt ausgezeichnet Auto. Ich bin keinen Meter mehr gefahren, seit sie bei mir ist. Seit sie bei mir ist!?

    Sie denkt tatsächlich, ich wüsste nicht, dass sie keinen Führerschein besitzt. Ihr Vater hat mir das gesteckt, aber ich sagte ihm, das müsse sie selbst wissen in ihrer Volljährigkeit. Er sagte: „Ja, neunzehn! „Sollte ich ihr erst mit dreißig erlauben, ohne Führerschein zu fahren? Er winkte ab, ließ mich stehen.

    Natürlich ist es für ihn unbegreiflich, Julia mit einem Mann zu wissen, der elf Jahre älter ist als er selbst. Für mich ist es doch auch nicht zu verstehen. Von einer Sekunde auf die andere hatte ich ein Kind, eine Geliebte und Frau. Ein Mädchen, das mich um zwei Köpfe überragt und diese blödsinnige Angewohnheit hat, mir in der Öffentlichkeit die Hand auf den Kopf zu legen, da könnte ich…

    Dafür hasst sie es leidenschaftlich, wenn ich „Kind" zu ihr sage.

    Normalerweise koche ich nicht im Laden, außer bei größeren Gerichten (weil der große Gasgrill vorhanden ist) und bei mehreren Gästen. Im Sommer koche ich meist am frühen Vormittag ein kleines Gericht vor, das sich Julia wärmen kann, wenn sie Appetit hat. Sie isst es aber meist kalt oder sie gibt es in die Mikrowelle, die ich ins Schlafzimmer gestellt habe. Und den Rest – es bleibt immer eine gute Portion über – bereite ich mir zu nach Belieben.

    Im Herbst und Winter und je nachdem bereite ich unser Mahl am Abend. Das Kochen ist für mich nicht nur die Fertigung von Speisen, es ist Kreativität, Liebe zu den Materialien und Erholung in der besinnlichen Art. Aber seit einer Woche koche ich im Laden, denn ich muss früh aus dem Hause und komme sehr spät zurück, habe ich doch einen Auftrag, der termingerecht fertig werden muss. Muss! Ich habe nicht gerne diesen Druck, aber ich brauche dieses Honorar sehr, habe ich doch noch eine weitere Person zu versorgen: Julia!

    Sie ziert sich, ja, aber letztendlich kauft sie sich doch gerne ein Irgendwas, das um ihren hageren Körper weht. So wie die Dicken sich, so versteckt sie ihre Magerkeit unter diesen weiten Sachen. Natürlich denken die Verkäuferinnen des Übergrößengeschäfts „Für kurze und für lange", dass Julia meine Tochter ist und Julia spielt dies auch perfekt. Und ich denke, dass ich diese Geduld mit meiner realen Tochter nicht hätte.

    Für die Stadtverwaltung illustriere ich eine Umweltbroschüre, die den Schrebergärtnern die natürliche Gartenhaltung beibringen soll. Den Großteil meiner Aufträge beziehe ich von der Stadt und das ist gut so, zahlen sie doch gut und pünktlich und ist man erst einmal bei ihnen bekannt, dann bekommt man auch hie und da einen Auftrag.

    Julia nimmt so ziemlich alles bedenkenlos und selbstverständlich an, aber dafür gibt sie mir auch bedingungslos alles, was sie zu geben hat: Ihre aufrichtige, ach so liebe Person. Mir kommen manchmal die Tränen der Rührung, wenn sie kommt und sie trägt dieses Schürzenkleid, ärmellos, bei dem kalten Wetter. Habe ich da nicht noch einen Pullover gehabt?

    Ich stelle das Geschirr in den Spüler, sperre den Laden zu und gehe zu Fuß nach Hause. Julia ist mit dem Auto vorausgefahren und ich werde bei „Juan Carlos" noch einen Espresso mit einem Grappa trinken, ja!

    Wenn ich nach Hause komme, wird Julia irgendwo herumliegen, auf zehntausend Kissen, um ihre Knöcherigkeit zu betten. Dies Auf-dem-Boden-liegen begreife ich nicht so gut. Entweder hört sie Musik und liest dabei, oder sie liest und hört Musik dazu. Sie liest viel, aber am liebsten meine Sachen. Sie liest mein Tagebuch und meinen neuen Roman, den es gilt zu beenden, aber ich kann mich noch nicht dazu entschließen.

    Die Grafikerei ist nur mein Gelderwerb. Mein Beruf ist Schriftsteller. Ich schreibe seit ich schreiben kann und es sind genügend Gedichte entstanden, Kurzgeschichten und auch vier Romane.

    Nein, nicht veröffentlicht, die Romane, aber alle Bekannte und Verwandte und deren Verwandte und Bekannte lesen meine Bücher, die getippt, kopiert und gebunden begehrt sind. Denn ein jeder hofft, dass er darin vorkommt oder dass er jemanden kennt, der beschrieben wird.

    Diesen Gefallen tue ich ihnen mit meinem letzten, noch nicht beendeten Buch mit dem Titel „Fliegen haben keine Mimik oder „Das Wahrheitsbuch. Es ist im Stil eines Tagebuches geschrieben und enthält ehrlich keine einzige Lüge. Viele haben schon Auszüge davon gelesen, oder ich las vor, und warten somit auf die Beendigung.

    Julia reißt mir mein Schreibbuch aus der Hand, wenn sie bemerkt, dass meine Konzentration nachlässt, flieht in eine Ecke, kichert, zieht die Augenbrauen hoch, grimassiert und macht so lange herum, bis ich nicht umhin kann zu fragen: „Was ist, gefällt es dir?" Natürlich weiß ich, dass es ihr gefällt. Julia ist begeistert von dem, was ich schreibe. Julia gefällt ohnehin alles, was ich tue und, ohne hochzustapeln, ich gefalle ihr auch.

    Julia gefällt mir auch ausnehmend gut, obwohl ich erschrak, als ich sie das erste Mal nackt sah. Ihre Größe trägt natürlich dazu bei, die Magerkeit zu unterstreichen, s Baby.

    Sie trägt zwei Himbeeren als Brüste, ihre Taille kann ich mit den Händen leicht umspannen, ihre Schulterblätter gleichen kleinen Flügelchen. Natürlich kann ich die Wirbel ihres Rückgrates zählen. Ihr winziger schrumpeliger Nabel sitzt auf ihrem harten, flachen Bauch, der sich ganz leicht unter ihren Rippenbögen abzeichnet. Die hervortretenden Beckenknochen halten ihre Hosen wie Bügel, wenn sie welche trägt. Ihre langen harten Schenkel, die zu großen eckigen Kniegelenke, die so sanften Waden, die kaum-zu-glauben-schmalen Fesseln ergeben die langen Beine eines Tieres. Vielleicht eine Gazelle oder so was! Julia steht auf großen, aber schmalen Füßen, mit fingerhaften Zehen.

    Ganz oben in ihrer Länge, auf dem beeindruckend sensiblen Hälschen, sitzt ein wohlgeformter runder Kopf mit Schneckenöhrchen, Kinderhundeaugen, einer gut geschwungenen schmalen Nase mit geschlitzten Nasenlöchern, deren Flügel durchsichtig scheinen. Ein spöttischer, lustiger Mund, mit aufgeworfenen Lippen, lenkt ab von dem zu spitz geratenen Kinn, das bekanntermaßen am Ende ihres ovalen Gesichtes sitzt.

    Ach ja, Julia trägt eine Pagenfrisur a la Jungfrau von Orleans, mit feinem Seidenhaar, das beim leisesten Luftzug in Panik gerät.

    Ihre Haut ist elfenbeinweiß und am gesamten Körper von Flaumhärchen bedeckt, s Baby. Ihre Scham nicht wahrnehmbar, bedeckte sie doch ein dunkles Mäusepelzchen.

    Das ist Julia. Manchmal nachts, wenn wir im Bett liegen, sie ihre kalten Zehen unter meine Waden steckt, muss ich ihr das eben Beschriebene immer mal wieder vorsagen: Zwei Himbeeren als Brüste… und sie schmunzelt und knufft mich mit ihren Ellenbogen in die Seite, küsst mich fest und hart auf den Mund, bis es mir weh tut und ich mich ihr entwinde.

    „Warum magst du s,so meinen dünnen Körper?, die Nase an meine Wange gedrückt. Und ich antworte stets: „Weil der meine dick ist!

    Und nun zählt sie die Sehenswürdigkeiten meines vom Trinken aufgeschwollenen Körpers auf und ich schlafe spätestens dann ein, wenn sie anfängt, um meinen Bauch herum zu reden.

    ***

    Louis hat mir Reissalat vorbereitet für den Tag, das heißt, er kommt erst in der Nacht nach Hause. Das zweite Wochenende, an dem er arbeitet. Einerseits s,schimpft er darüber, andererseits weiß ich ihn froh wegen dem Geld.

    Louis kann immer genau beschreiben, wie es ihm geht. Verschieden. Aber bei mir s,selbst kann ich das nicht s,sagen. Ich empfinde es nicht, ich fühle mich nicht. Nicht wohl oder unwohl. Ich lebe vor mich hin, kann mich aber dabei nicht s,sehen. (Das ist gut! Ich s,schreib's für Louis auf, er verwendet s,solche s,Sachen in s,seinem Buch).

    Louis hat s,sich zum Kochen Don Braden – Tenorsaxes – aufgelegt und zwar das s,Stück „Moonglow - „Mondglut, die Wiederholungstaste gedrückt, s,so dass es nun vielleicht zum fünfzigsten Mal läuft. Es ist halb zwölf. Ich habe mir meine s,Schüssel Reissalat in der Mikrowelle warm gemacht. Wenn Louis heimkommt, lässt er die übliche Floskel los: „Und, was hast du getan?" Ich kann ihm darauf nichts antworten, und dass ich mir den Reissalat warm gemacht habe s,sowieso nicht.

    Ich s,säe nicht und ernte nicht, aber ich lebe dennoch (s,schreibe ich auch für Louis auf). Am liebsten trage ich etwas von Louis, ein Hemd oder T-Shirt oder heute s,seinen Hausanzug. s,Schwarz, aus irgendetwas Leichtem und natürlich viel zu kurz….. Oh, jetzt kann ich das s,Stück nicht mehr hören. Ich werde Louis im Laden anrufen…. Louis s,sagt immer, dass es ein dimensionaler Zufall war, dass der Laden früher eine Metzgerei war. Aber ich glaube, er hat ganz bewusst danach gesucht, war doch s,sein verstorbener Vater Metzger.

    Er nimmt nicht ab. Entweder er trinkt was bei „Juan Carlos" oder er s,sitzt im Kühlraum. Wenn ihm nichts einfällt, s,setzt Louis s,sich in den Kühlraum. s,Schließt man die dicke Türe, s,so s,sitzt man s,schalldicht in dem Raum und kann s,sein eigenes Herz klopfen hören.

    Oh, ich koche mir einen Tee, oder hat Louis schon einen gekocht für mich? Tatsächlich, in der Thermoskanne ist grüner Tee, ich mag ihn unglaublich – den Louis meine ich. Und lese noch ein bisschen in seinem Tagebuch – neunzehnhundertfünfundachtzig - nein, ich nehme es mit hinunter ins Auto, s,samt Tee.

    Louis hatte fünfundachtzig s,sechs Frauen…. mit dreien hat er geschlafen. Also, vorstellen kann ich mir das nicht, Louis mit einer anderen Frau im Bett.

    Louis war mein erster Mann, wie man s,so s,sagt. 's war echt komisch. Ich musste ihn fasst zwingen, in mich zu kommen. Er s,sagte andauernd, dass wir wirklich warten könnten. Es war ihm peinlich, aber es klappte gut und er fragte nicht: Wie war’s! Wir s,schliefen diese Nacht überhaupt keine s,Sekunde. Am nächsten Tag holte ich ja meine s,Sachen von den Eltern.

    Louis ist s,sexuell s,sehr zurückhaltend. Er tut nicht den ersten s,Schritt. Außerdem meint er, s,seine große Zeit s,sei vorbei. Mit vierzig ließ s,seine Kraft nach, behauptet er. Ich kann dass nicht beurteilen – Louis’s s,Schnuffi war das erste Glied, das ich je s,sah. Ich meine, wenn es groß ist…. Louis hat des Nachts und am Morgen eine Erektion und er wird mit zweiundfünfzig noch verlegen, wenn ich ihn da anfasse. Es ist ein Wunder, wie aus dieser s,schrumpeligen s,Schnecke ein…. ein… Liebesphallus….. Es wird mir aufgeregt, wenn ich s,sowas denke.

    Es ist s,sehr s,schön, auf der Rückbank des Autos zu s,sitzen, mit Tee, Louis Tagebüchern, Radiomusik, zugedeckt mit der Tigerfelldecke!

    Louis s,sagt, er hat noch keinen August erlebt, der s,so kalt war.

    Es ist ein guter Beobachtungsplatz, s,so ein Auto. Rundumsicht.

    Wenn ich an die s,Schule denke, wird mir s,schlecht. Louis ist mit meinen Eltern der gleichen Meinung. „Das Abitur machst du auf alle Fälle". Bloß: Ich habe nicht den Wunsch, einen Beruf zu arbeiten.

    Louis s,sagt, wegen ihm brauche ich nicht zu arbeiten, s,solange er lebt ist für mich genug da. Louis s,sagt immer, alles gut für mich, auch wenn er vieles nicht versteht. Er s,sagt, „Wer versteht schon die Menschen?"

    Ich empfinde es nicht als merkwürdig, dass ich mit und durch Louis Tagebücher lebe, mehr oder weniger.

    „Jeden Tag eine Wichtigkeit, und s,sei es nur der Himmel, der s,seit Millionen Jahren in keiner s,Sekunde das gleiche Bild bot. Auf s,so was muss man kommen, auf s,sowas kommt Louis und: „Nur, wenn man das Leben ernst nimmt wie s,sich s,selbst, wird es ein s,Spaß. Wenn er wüsste, wie wichtig er für mich ist. Natürlich auch, dass ich s,so leben kann, wie ich es s,seit über einem Jahr liebe.

    Da kommt Louis, bepackt mit tausend Tüten für das Wochenende. Ob er mich bemerkt?

    Oh ja, er hat mich gesehen, s,schüttelt den Kopf, tut überrascht und gleich wird er in das Auto einsteigen und s,sagen: „Ja sag’ einmal, was machst du denn da? Ist die Wohnung ausgebrannt?"

    Ob er mir frische Feigen mitgebracht hat?

    Kapitel 3

    Der Lorenz vom Gartenbauamt kann nicht so raus aus sich, wie er will, aber das Lob war unmissverständlich. Die Illustrationen haben ihm gut gefallen. Mir das Geld! Die Leute heute beziehen sich wieder auf unkonventionelle Sachen. Hand made. Ich habe alle Bilder mit einem sehr weichen Bleistift gezeichnet, mit dem Finger die Schatten gewischt, alles sehr weich. Selbst nachher im Druck. Viele, viele Details, die man nur mit großer Aufmerksamkeit sehen kann. Wenn aber erst mal entdeckt, beginnt die Suche danach. Eine Hummel mit Mieder, eine Schnecke mit Balkon am Haus, eine Hecke in Gestalt „liegender Akt" geschnitten, ein Vogel mit Handy und vieles mehr. Ich sage ja, der Lorenz war begeistert, und sie wollen ein Preisrätsel veranstalten. Wer diese kleinen Unmöglichkeiten allesamt entdeckt, kann einen Rundflug gewinnen. Die Blödheit ist nur: Ich weiß nicht, wie viele ich hineingezeichnet habe! Wird ein Spaß sein für Julia und mich das herauszufinden, und diese Wettbewerbsidee bekomme ich zusätzlich bezahlt. Und das wird das Abiturgeschenk für Julia.

    Lauter Sündhaftigkeiten habe ich für dieses freie Wochenende eingekauft und es wurde Zeit, dass ich wieder aufmerksamer zu Julia sein kann. Sie hat sich so allein gefühlt, dass ihr die Wohnung zu groß geworden ist und sie mehr im Auto gelebt hat: Nest – Höhle – Geborgenheit!

    Es war und ist nicht das letzte Mal, dass ich so viel und lange arbeiten muss und Julia weiß genau, wir brauchen das Geld und sie liebt Komfort und ich mag es gerne ihn ihr zu geben. Sie ist wahrlich meine Motivation geworden. Ich arbeite wieder gerne für Geld.

    Es ist nur logisch, dass ich nicht mehr viele Freunde habe. Seit Julia bei mir wohnt, sind wir uns doch so genug. Ein einzelner Besucher fühlt sich nach wenigen Minuten vereinsamt ob unserer Zweisamkeit. Ein Paar sehnt sich nach dieser zärtlichen Verständigung, wird peinlich berührt, erinnert sich seiner Stumpfheit und unverständliche Blicke verraten verständliche Sehnsüchte.

    Ich verstehe auch oft den Unmut von Freunden, wenn Julia sich wie ein Rucksack an meinen Rücken hängt, sich tragen lässt, aus dieser Stellung mit Leuten redet, als wäre es normal huckepack Konversation zu treiben.

    Ich weiß es ganz sicher, sie will damit keine Schau abziehen, sie will getragen werden von mir, dem Menschen, den sie sich ausgesucht hat zu lieben. Was habe ich für ein Glück gehabt! Julia könnte so eine sein, die Musik von Wolfgang Petry oder Hansi Hinterseer oder die gesamte volkstümliche Musikscheiße hören wollte. Aber nein, sie mag Blues und Jazz, sie mag Saxes. Was für ein Glück! Julia weiß nicht gut über Kunst Bescheid, besitzt aber einen siebten Sinn für Qualität. Und nun der alte Witz: Wenn sie keinen guten Geschmack hätte, würde sie mich nicht ausgesucht haben! Darüber könnte Julia lachen. Sie lacht so gerne - und was für ein Glück: Über mich kann sie allemal lachen!

    Sie versteckt ihren Mund in der aufgestützten Hand, die langen Beine ineinander verschlungen, sieht in das Bücherregal im Schlafzimmer, stellt in Gedanken Dinge um. Siebenhundert Bücher ordnete ich aus, und die wenigen, die übrig blieben dekorierte sie mit allerlei Krimskram in das große weiße Regal.

    Ich

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1